(19)
(11) EP 0 281 653 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
14.09.1988  Patentblatt  1988/37

(21) Anmeldenummer: 87103459.1

(22) Anmeldetag:  10.03.1987
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4B63B 35/08
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE DE FR GB IT NL SE

(71) Anmelder: Thyssen Nordseewerke GmbH
D-26725 Emden (DE)

(72) Erfinder:
  • Varges, Günter, Dipl.-Ing.
    D-2970 Emden (DE)

(74) Vertreter: Richter, Werdermann & Gerbaulet 
Neuer Wall 10
20354 Hamburg
20354 Hamburg (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Eisbrechendes Schiff


    (57) Zur Verbesserung der Vorwärtsfahrt- und der Rückwärtsfahrt-­Eisbrecheigenschaften ist der Schiffskörper (10) eines Schiffes mit im Vorschiff ausgebildeter größter Breite der Eisbrechwasserlinie und mit Einrichtungen zum Vertrim­men und Beballasten im Heckbereich (12) in seinem oberhalb der Eisbrech-Wasserlinie (1) befindlichen Teil soweit verbreitert ausgebildet, daß bei einer Absenkung des Hinterschiffs (12) durch Vertrimmen oder Beballasten des Schiffes bei Rückwärtsfahrt eine Rinne in die Eisdecke gebrochen wird, die breiter als das breite Vorschiffsteil (11) ist, das diese Rinne bei Rückwärtsfahrt passiert.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein eisbrechendes Schiff mit in seinem Vorschiff ausgebildeten größten Breite der Eisbrech-Wasserlinie und mit Einrichtungen zum Vertrimmen und Beballasten.

    [0002] Es ist bekannt, daß eisbrechende Schiffe wirkungsvoller Eis brechen können, je weiter die breiteste Stelle ihrer eisbrechenden Wasserlinie in Fahrtrichtung bei Vorwärts­fahrt nach vorn verlagert wird. Bei Rückwärts-Eisbrechfahrt verkehrt sich diese Verbesserung ins Gegenteil.

    [0003] Für einige eisbrechende Schiffe mit speziellen Aufgaben, wie z.B. für Konvoi-Eisbrecher, ist jedoch nicht nur die Fähigkeit, effektiv vorwärts Eis brechen zu können, von Bedeutung, sondern in hohem Maße auch die Fähigkeit, schnell die Fahrtrichtung wechseln und auch in Rückwärts­fahrt eine Festeisdecke brechen zu können.

    [0004] Durch die EP-A-00 97 002 ist ein Schiff für eine Fahrt in offenem oder eisbedecktem Wasser mit einem oberhalb der Wasserlinie liegenden, pontonförmigen Vorschiff, das parallel zueinander verlaufende Seitenwände und eine sich über die gesamte Schiffsbreite erstreckende und im Unterwasserschiff eine ebene und stark nach vorn geneigt ausgebildete Stirnfläche aufweist, die nach hinten zu in einen Mittelkiel übergeht, und mit einem Hinterschiff und mit in diesem untergebrachten Antriebsein­richtungen, bekannt, bei dem die Seitenkanten im Übergangs­bereich der Vorschiffsseitenwände zur Stirnfläche in Seitenkantenlängsrichtung verlaufend gekrümmt und gegenüber den von den Vorschiffsseitenwänden gebildeten Ebenen seitlich derart hervortretend sind, daß der Abstand zwischen den unter der Konstruktionswasserlinie liegenden Seitenkanten die größte Breite des Unterwasserschiffes bildet, wobei die Unterseiten der Spanten zwischen den beiden Seitenkanten von dem Punkt der Schiffslänge an, an dem die Stirnfläche in den Mittelkiel übergeht, bis zu dem Punkt, an dem dieser den Schiffsboden erreicht, querschiffs nach unten durchgewölbt oder durchgeknickt ausgebildet sind. Mit einem derartig ausgebildeten Schiff sollen die Bedingungen für den Scherbruch einer einteiligen Scholle aus der festen Eisdecke noch günstiger gestaltet und die Führung der Scholle unter das Wasser bei verminderter Gefahr der Schollenzerkleinerung zu vielen Bruchstücken verbessert werden, so daß das seitliche Verbringen der Scholle unter die feste Eisdecke noch zuverlässiger erzielt wird.

    [0005] Wird bei einem derart ausgebildeten eisbrechenden Schiff die Vorwärtsfahrt auf der normalen Eisbrechwasserlinie und die Rückwärtsfahrt auf vertrimmter Wasserlinie vorgenom­men, dann ergibt sich folgendes: Bei Vorwärtsfahrt wird in der Eisdecke durch zwei am Vorschiff vorgesehene seitliche Schneidkanten eine glatt geschnittene eisfreie Bruchrinne erzeugt und regelmäßig geformte, annähernd rechteckige Eisschollen werden seitlich unter die ungebro­chene Eisdecke gefördert und aus dem Bereich der Propeller entfernt. Bei der Rückwärtsfahrt wird beispielsweise durch die die breiteste Stelle des Schiffskörpers bildenden, am Bug befindlichen, seitlich hervorstehenden Schneidkan­ten eine Bruchrinne im Eis erzeugt, indem das gebrochene Eis wie von einem Schneepflug an den Seiten emporgehoben wird. In diesem Fall ist weder der Eiskontakt der Propeller noch Brucheis in der Bruchrinne zu vermeiden.

    [0006] Die Erfindung löst die Aufgabe, ein eisbrechendes Schiff mit besonderer Eignung für ein Eisbrechen in Rückwärts­fahrt und für ein Eisbrechen bei einer Fahrt im Drehkreis zu schaffen, bei dem optimale Vorwärtsfahrt- mit guten Rückwärtsfahrt-Eisbrecheigenschaften miteinander vereinigt sind.

    [0007] Zur Lösung dieser Aufgabe wird ein eisbrechendes Schiff gemäß der eingangs beschriebenen Art vorgeschlagen, das erfindungsgemäß in der Weise ausgebildet ist, daß der Schiffskörper im Heckbereich in seinem oberhalb der Eisbrech-Wasserlinie befindlichen Teil so weit verbrei­tert ausgebildet ist, daß bei einer Absenkung des Hinter­schiffs durch Vertrimmen oder Beballasten des Schiffes bei Rückwärtsfahrt eine Rinne in die Eisdecke gebrochen wird, die breiter als das breite Vorschiffsteil ist, das diese Rinne bei Rückwärtsfahrt passiert.

    [0008] Es hat sich gezeigt, daß bei einem derart ausgebildeten eisbrechenden Schiff optimale Vorwärtsfahrt­mit guten Rückwärtsfahrt-Eisbrecheigenschaften vereinigt sind, was dadurch erreicht wird, daß die Schiffsform des Hinterschiffs so gestaltet ist, daß sich bei dessen Absenkung durch Vertrimmen oder Beballasten des Schiffes eine deutlich im Hinterschiff verbreiterte Wasserlinie einstellt, wobei nach einer weiteren Ausführungsform der Erfindung die Verbreiterung des Unterwasserschiffs­körpers so gestaltet ist, daß bei Tiefertauchung des Hecks und bei Vorwärtsfahrt im Drehkreis von dem Schiffs­körperüberstand des Hinterschiffs ein zweiter Eisbrechvor­gang zur Außenseite der Drehkreis-Bruchrinne hin ausgelöst wird, der zur Rinnenverbreiterung und zur Verkleinerung des Drehkreis-Durchmessers führt. Besonders vorteilhaft ist dabei, daß, während der Schiffsbug gleichmäßig annähernd rechteckige Eisschollen erzeugt, von der seitlich am Hin­terschiff vorgesehenen Brechschulter ein weiterer, die Bruchrinne verbreiternder und den Drehkreis verkleinernder Bruchvorgang ausgelöst wird, durch den weitere kleinere Eis­schollen erzeugt werden, die größtenteils zusammen mit den vom Vorschiff gebrochenen Eisschollen seitlich unter die ungebrochene Eisdecke weggefördert werden. Hinzu kommt, daß bei einem derart ausgebildeten Schiff während der Rückwärtsfahrt kein Eis energieaufwendig aus dem Wasser gehoben werden muß.

    [0009] Weitere, zweckmäßigere Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.

    [0010] Im folgenden wird der Gegenstand der Erfindung in den Zeichnungen näher erläutert. Es zeigt

    Fig. 1 eine Seitenansicht eines eisbrechenden Schiffes mit angedeuteter normaler Eisbrechwasserlinie, vertrimmter Eisbrechwasserlinie und abgesenkter Eisbrechwasserlinie,

    Fig.2 Ansichten von oben vor Wasserlinien von bekannten eisbrechenden Schiffen mit verschiedenen Vorschiffsformen zur wachsenden Verbesserung der Eisbrechleistung,

    Fig 3 eine Seitenansicht eines bekannten eisbrechenden Schiffes mit angedeuteter normaler Eisbrechwasserlinie und vertrimmter Eisbrechwasserlinie,

    Fig. 4 in einer Ansicht von oben das eisbrechende Schiff nach Fig. 3 bei Vorwärtsfahrt auf der normalen Eisbrech­wasserlinie,

    Fig. 5 in einer Ansicht von oben das eisbrechende Schiff nach Fig. 3 bei Rückwärtsfahrt auf vertrimmter Wasserlinie,

    Fig. 6 in einer Ansicht von oben ein eisbrechendes Schiff für Vorwärtsfahrt-Drehkreisfahrten im Eis mit seitlich an dem Schiffskörper in dessen Hinterschiffsbe­reich vorgesehenen Brechschultern und

    Fig. 7 in einer Ansicht von oben ein im Propellerstrahl angeordneter Ruder-Rotor.



    [0011] In den Figuren ist mit 1 die normale Wasserlinie , mit 2 die Fahrtrichtung eines eisbrechenden Schiffes 100, mit 3 die vertrimmte Eisbrechwasserlinie, mit 3a die abgesenkte Eisbrechwasserlinie, mit 3 die vertrimmte Eisbrechwasserlinie bei einem eisbrechenden Schiff mit seitlich am Hinterschiff vorgesehenen Brechschultern 5 und mit 6 die von den Brechschultern 5 erzeugten Eis­schollen bezeichnet. Das eisbrechende Schiff 100 besteht aus dem Schiffskörper 10, dessen Vorschiff bei 11 und dessen Hinterschiff bei 12 angedeutet sind; sein Bug ist mit 13 bezeichnet.

    [0012] Fig. 1 in Verbindung mit Fig. 2 zeigt die wachsende Verbesserung der Eisbrechleistung von der Wasserlinien­Form A als schlechteste Form über die Wasserlinien-Form B bis zu der Wasserlinien-Form C als beste Wasserlinien­Form bekannter Schiffskörperausgestaltungen. In den Fig. 3 bis 5 ist am Beispiel des eingangs beschriebenen bekannten eisbrechenden Schiffes der Eisbrechvorgang bei Vorwärtsfahrt (Fig. 4) auf der normalen Eisbrechwas­serlinie 1 und bei Rückwärtsfahrt (Fig. 5) auf der vertrimm­ten Eisbrechwasserlinie 3 aufgezeigt, wobei erkennbar ist, daß bei Vorwärtsfahrt in der Eisdecke eine glatt geschnittene eisfreie Bruchrinne erzeugt und regelmäßig geformte, annähernd rechteckige Eisschollen 4 werden seitlich unter die ungebrochene Eisdecke gefördert und aus dem Bereich der Schiffspropeller entfernt. Bei der Rückwärtsfahrt mit auf die Wasserlinie 3 abgesenkten Heck wird eine Bruchrinne im Eis erzeugt, die die Passage der die breiteste Stelle des Schiffskörpers bildenden, am Bug befindlichen Schneidkanten in der gebrochenen Rinne erlaubt.

    [0013] Die bei den bekannten eisbrechenden Schiffe sich ergebenden Nachteile werden bei einem eisbrechenden Schiff 100 ent­sprechend der in Fig. 6 gezeigten Ausgestaltung vermieden. Wie Fig. 6 zeigt, ist das Hinterschiff 12 des Schiffskör­pers 10 des eisbrechenden Schiffes 100 mit Brechschultern 5 versehen, die zu beiden Seiten des Schiffskörpers 10 im Hinterschiffsbereich an dem Schiffskörper ausgebildet sind. Die durch die Brechschultern 5 erhaltene größte Bruchrinnenbreite B1 ist gegenüber der größten Vorschiffs­breite B größer, so daß von den Brechschultern bzw. der jeweiligen Brechschulter bei vertrimmtem Hinterschiff 12 ein weiterer, die Bruchrinne verbreiternder und den Drehkreis verkleinernder Bruchvorgang ausgelöst wird. Die Eisschollen sind bei 6 angedeutet.

    [0014] Die Hinterschiffsform-Ausgestaltung entspricht in etwa derjenigen, wie diese in Fig. 6 dargestellt ist. Das Hinterschiff 12 kann eine größere Breite gegenüber der Breite des Vorschiffs 11 aufweisen. Bei der in Fig. 6 gezeigten Ausführungsform gehen die Wasserlinienbereiche 14,15 im Hinterschiffsbereich 12 in seitlich ausladende, d.h. sich verbreiternde Abschnitte 5a über, so daß die Wasserlinien des Hinterschiffs 12 eine etwa keulenartige Verbreiterung aufweisen, wobei jedoch die Hinterschiffsaus­gestaltung auch eine andere als wie in Fig. 6 gezeigte Form aufweisen kann. So können z.B. die Übergänge der Schiffsseitenwände 14,15 im Bereich der Abschnitte 5a zum teilellipsenartigen Profil 5b gradlinig verlaufen, jedoch aus strömungstechnischen Gründen wird es vorteilhaft sein, kreisbogenförmige Abschnitte 5a vorzusehen, die gleitflächenartige Wirkung aufweisen.

    [0015] Die in Fig. 6 gezeigte Ausgestaltung des Hinterschiffs 12 eines eisbrechenden Schiffes 100 ist besonders günstig für Vorwärts-Drehkreisfahrten im Eis.

    [0016] Die für das Vertrimmen und Beballasten des Schiffskörpers 10 erforderlichen Einrichtungen sind in an sich bekannter Weise ausgebildet und in den Zeichnungen nicht dargestellt. Die Tiefertauchung des Hecks des Schiffskörpers 10 zur Verbesserung der Rückwärtsbrechfähigkeit wird durch schnelles Umpumpen von Ballastwasser in Längsrichtung des Schiffes oder durch zusätzliche Ballastwasseraufnahme erreicht.

    [0017] Zur Verstärkung des seitlichen Eisbrechvorgangs durch das Schiffsheck ist es vorteilhaft, Hochleistungsruder einzusetzen.

    [0018] Fig. 7 zeigt ein im Strahl eines Propellers 9 angeordnetes Hochleistungsruder, durch das die Eisbrechwirkung der Brechschulter 5 am Heck des Schiffskörpers 10 verstärkt wird. Vorzugsweise werden gegen Eiskontakt unempfindliche Ruder eingesetzt, wie z.B. ein Rotor-Ruder 7 mit einem integrierten rotierend angetriebenen Zylinder 8, mit denen sich bekannterweise Querkräfte in Höhe von 50 bis 65 % des Vorwärtsschubs der Hauptpropeller erzeugen lassen.


    Ansprüche

    1. Eisbrechendes Schiff mit im Vorschiff ausgebildeter größter Breite der Eisbrech-Wasserlinie (1) und mit Einrichtungen zum Vertrimmen und Beballasten, dadurch gekennzeichnet, daß der Schiffskörper (10) im Heckbe­reich (12) in seinem oberhalb der Eisbrech-Wasser­linie (1) befindlichen Teil soweit verbreitert ausgebil­det ist, daß bei einer Absenkung des Hinterschiffs (12) durch Vertrimmen oder Beballasten des Schiffes bei Rückwärtsfahrt eine Rinne in die Eisdecke gebro­chen wird, die breiter als das breite Vorschiffsteil (11) ist, das diese Rinne bei Rückwärtsfahrt passiert.
     
    2. Eisbrechendes Schiff nach Anspruch 1, dadurch gekenn­zeichnet, daß der Überwasser-Schiffskörper (10) derart verbreitert ausgebildet ist, daß bei einer Tieftauchung des Hecks (12) und bei Vorwärtsfahrt im Drehkreis von dem Schiffskörperüberstand des Hinterschiffs (12) ein zweiter Eisbrechvorgang zur Außenseite der Drehkreis-Bruchrinne hin ausgelöst wird, der zu einer Rinnenverbreiterung und zu einer Verkleinerung des Drehkreis-Durchmessers führend ist.
     
    3. Eisbrechendes Schiff nach Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Tiefertauchung des Hecks (12) zur Verbesserung der Rückwärtseisbrechfähigkeit durch schnelles Umpumpen von Ballastwasser in Längsrich­tung des Schiffskörpers oder durch zusätzliche Ballast­aufnahme bewirkbar ist.
     
    4. Eisbrechendes Schiff nach Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß zur Verstärkung des seitlichen Eisbrechvorganges durch das Schiffsheck (12) Hochlei­ stungsruder (7,8) vorgesehen sind.
     
    5. Eisbrechendes Schiff nach Anspruch 4, dadurch gekenn­zeichnet, daß als Hochleistungsruder Rotor-Ruder vorgesehen sind.
     
    6. Eisbrechendes Schiff nach Anspruch 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Schiffskörper (10) im Bereich seines Hinterschiffs (12) beidseitig angeordnete Brechschultern (5) aufweist.
     
    7. Eisbrechendes Schiff nach Anspruch 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß das Hinterschiff (12) des Schiffs­körpers (10) im Bereich seiner Brechschultern (5) gegenüber der Breite des Vorschiffs (11) eine größere Breite aufweist.
     




    Zeichnung













    Recherchenbericht