(19)
(11) EP 0 282 880 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
21.09.1988  Patentblatt  1988/38

(21) Anmeldenummer: 88103654.5

(22) Anmeldetag:  09.03.1988
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4F23G 7/00, C01B 17/92, C01B 17/58
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 14.03.1987 DE 3708310

(71) Anmelder: Grillo-Werke AG
D-47169 Duisburg (DE)

(72) Erfinder:
  • Driemel, Klaus, Dipl.-Ing.
    D-4100 Duisburg 25 (DE)
  • Wolf, Joachim, Dipl.-Ing.
    D-4100 Duisburg 11 (DE)
  • Schwarz, Wolfgang, Ing. grad.
    D-4100 Duisburg 11 (DE)

(74) Vertreter: Werner, Hans-Karsten, Dr.Dipl.-Chem. et al
Patentanwälte Von Kreisler-Selting-Werner Postfach 10 22 41
50462 Köln
50462 Köln (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur umweltfreundlichen Vernichtung von polychlorierten Abfallstoffen


    (57) Polychlorierte Abfallstoffe wie Dibenzodioxinen (PCDD), polychlorierten Dibenzofuranen (PCDF) und polychlorier­ten Biphenylen (PCB) können umweltfreundlich vernichtet werden, indem sie zusammen mit Abfallschwefelsäuren, Säureteeren und ähnlichen Schwefel und Kohlenstoff ent­haltenden Abfallprodukten unterschiedlicher Zusammen­setzung und Konsistenz in einem mehrstufigen Verbren­nungsofen verbrannt werden.


    Beschreibung


    [0001] Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist ein Verfahren zur umweltfreundlichen Vernichtung von polychlorierten Abfallstoffen, insbesondere Dibenzodioxinen (PCDD), polychlorierten Dibenzofuranen (PCDF) und polychlorier­ten Biphenylen (PCB). Die polychlorierten Abfallstoffe gehören heute zu den besonders problematischen Abfall­stoffen, da sie zum Teil auch in geringen Mengen außer­ordentlich toxisch sind und zu langanhaltenden Schäden führen. Es ist bekannt, daß diese Abfallstoffe in ein­fachen Verbrennungsanlagen oder Müllverbrennungsanlagen nur unvollständig zerstört werden und daher eine nicht akzeptable Belastung und Gefährdung der Umwelt darstel­len.

    [0002] Durch eingehende Untersuchungen wurde jetzt festge­stellt, daß es möglich ist, diese Abfallstoffe problem­los und sicher zu vernichten, wenn man diese Substanzen oder mit diesen Substanzen verunreinigte, brennbare Reststoffe zusammen mit Abfallschwefelsäuren, Säuretee­ren und ähnlichen Schwefel und Kohlenstoff enthaltenden Abfallprodukten unterschiedlicher Zusammensetzung und Konsistenz in einem mehrstufigen Verbrennungsofen ver­brennt, wobei man

    a) in einer ersten Stufe die Abfallschwefelsäure, Säu­reteere und ähnliche Schwefel und Kohlenstoff ent­haltende Abfallprodukte unterschiedlicher Zusammen­setzung und Konsistenz gegebenenfalls zusammen mit elementarem Schwefel in einem Drehrohrofen auf ein Koksbett von mindestens 400°C aufgibt und 25 bis 55% der insgesamt für das Verfahren erforderlichen Luft als Primärluft einbläst, so daß das entstehende re­duzierende Gemisch und der hintere Teil des Koks­ bettes sich auf 800 bis 1100°C erwärmen, wobei der gegebenenfalls sich bildende überschüssige Koks am Ende des Drehrohrofens ausgetragen wird, das Gasge­misch

    b) in einer zweiten Stufe in einer Zwischenkammer mit weiteren 10 bis 15% der erforderlichen Luft ver­setzt, wobei eine Raumgeschwindigkeit von 200 bis 400 Nmn Gas/mn Brennraum eingehalten wird und sich die Temperatur des Gasgemisches auf 1150 bis 1350°C erhöht,

    c) in einer dritten Stufe am Anfang einer Nachbrennkam­mer weitere 20 bis 45% der erforderlichen Luft zu­gibt, wobei eine Raumgeschwindigkeit von 50 bis 180 Nmn Gas/mn Brennraum eingehalten wird und sich das Gasgemisch auf 1000 bis 1200°C abkühlt, und schließ­lich

    d) in einer vierten Stufe etwa in der Mitte der Nach­brennkammer den Rest der erforderlichen Luft zugibt, wobei sich im hinteren Teil der Nachbrennkammer Tem­peraturen von 1000 bis 1200°C einstellen und eine Raumgeschwindigkeit von 150 bis 400 Nmn Gas/mn Brenn­raum eingehalten wird,

    woraufhin man das durchreagierte Gasgemisch in an sich bekannter Weise in einem Abhitzekessel abkühlt und vor­zugsweise in einem Schwefelsäure-Kontaktverfahren zu Schwefelsäure aufarbeitet.

    [0003] Das Verfahren zur Aufarbeitung von Abfallschwefelsäu­ren, Säureteeren und ähnlichen Schwefel und Kohlenstoff enthaltenden Abfallprodukten unterschiedlicher Zusam­mensetzung und Konsistenz ist Gegenstand der DE-OS 29 47 497 sowie des darauf erteilten deutschen Patentes.

    [0004] Dieses Verfahren hat sich in der Praxis als zuverlässig und wirtschaftlich erwiesen, so daß es eine wesentliche Voraussetzung für die umweltfreundliche Vernichtung von polychlorierten Abfallstoffen besitzt. Völlig ungeklärt war jedoch, wie sich die polychlorierten Abfallstoffe unter den Verfahrensbedingungen des bekannten Verfah­rens zur Aufarbeitung von Abfallschwefelsäuren verhal­ten würden, so daß keinerlei Vorhersagen möglich waren, ob die polychlorierten Abfallstoffe vollständig ver­brennen und ob die dabei entstehenden chlorhaltigen Produkte zu Störungen des Reaktionsablaufes führen wür­den.

    [0005] Überraschenderweise hat sich gezeigt, daß weder Störun­gen auftreten noch unverbrannte Reste der polychlorier­ten Abfallstoffe im Spaltgas oder in den festen Ver­brennungsrückständen gebildet werden.

    [0006] Um dies festzustellen, waren umfangreiche Untersuchun­gen und Messungen nötig, wobei auch die Meßmethoden zunächst darauf zu überprüfen waren, ob sie unter den Verfahrensbedingungen zu zuverlässigen Werten führen. Schließlich war es notwendig, die Verfahrensbedingungen zu variieren, um festzustellen, ob es durch Variation der Verfahrensbedingungen nicht dennoch zum Austritt unzulässig hoher Mengen gebildeter oder unverbrannter polychlorierter Abfallstoffe kommt. Weiterhin war es notwendig, in den einzusetzenden Abfallstoffen die po­lychlorierten Anteile zu bestimmen.

    [0007] Die Ergebnisse haben schließlich gezeigt, daß auch bei erheblichem Zusatz von polychlorierten Abfallstoffen diese weder im Spaltgas noch in den Reingasen auffind­bar sind, das heißt zumindest auf Mengen reduziert wor­den sind, die unterhalb der Nachweisgrenze liegen.

    [0008] So gilt beispielsweise derzeit für 2,3,7,8-TCDD im Spaltgas de Nachweisgrenze von ca. 0,02 µg/mn. Das Verfahren gemäß DE-OS 29 47 497 kann daher problemlos auch für die Vernichtung von polychlorierten Abfall­stoffen eingesetzt werden.

    [0009] Das erfindungsgemäße Verfahren ist in dem nachfolgenden Beispiel näher erläutert:

    Beispiel



    [0010] Verwendet wurde die vorhandene Anlage zur Spaltung von Abfallschwefelsäuren im Haus der Anmelderin. Sie be­steht aus zwei baugleichen Drehrohröfen mit jeweils einer Zwischen- und zwei Nachbrennkammern sowie einem nachgeschalteten Abhitzekessel. Die Prozeßgase aus bei­den Öfen werden hinter den Abhitzekesseln vereinigt und in zwei Waschanlagen und einem Elektrofilter gereinigt. In jeweils einer aus vier hintereinander geschalteten Absorbern bestehenden Waschbatterie wird das Schwefel­dioxid aus dem Abgas entfernt und anschließend einem Weiterverarbeitungsbetrieb zugeführt. Das Abgas wird nach einer alkalischen Wäsche über einen Kamin ins Freie abgeleitet.

    [0011] Im Drehrohrofen wird eine Koksbett-Temperatur von etwa 1000°C aufrechterhalten. Der Koksgrus wird am Ende des Drehrohrofens kontinuierlich abgezogen. Das im Drehrohr­ofen in reduzierender Atmosphäre erzeugte Gasgemisch, das Schwefeldampf, Schwefelwasserstoff, Kohlenoxidsul­fid, Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe enthält, ver­läßt den Drehrohrofen mit einer Temperatur von 900 bis 1000°C und gelangt in eine Zwischenkammer. Hier werden bei 1200 bis 1300°C die noch vorhandenen H₂SO₄-Dämpfe und Schwefeltrioxid vollständig zu SO₂ reduziert sowie höhere Kohlenwasserstoffe gekrackt und in niedriger­molekulare Verbindungen umgewandelt, die in den Nach­brennkammern schneller verbrennen können. In den Nach­brennkammer erfolgt die weitere vollständige Verbren­nung aller brennbaren Gase und Dämpfe, wobei ein Sauer­stoffüberschuß von 1 bis 2% angestrebt wird und das Endgas die Nachbrennkammer mit einer Temperatur von 1080 bis 1200°C verläßt.

    [0012] Das Prozeßgas wird anschließend auf etwa 350°C abge­kühlt unter Gewinnung von Dampf. Das Gas wird dann der Abgasreinigung zugeführt.

    [0013] Die Überwachung der Verbrennungstemperaturen erfolgt an insgesamt sieben Temperaturmeßstellen durch Thermoele­mente.

    [0014] Die Druckverhältnisse werden am Gaseintritt der Zwi­schenkammer, am Gasaustritt des Abhitzekessels und in der Gasleitung nach dem Heißgasgebläse gemessen und registriert. Im Abhitzekessel befindet sich eine Sonde zur Entnahme von Probegas zur Bestimmung des Gehaltes an Sauerstoff, Schwefeldioxid, Kohlendioxid und Kohlen­monoxid. Die Konzentrationen werden kontinuierlich ge­messen, angezeigt und registriert.

    [0015] Es wurden insgesamt vier Meßreihen erstellt, nämlich eine Nullmessung ohne Altöl, die Messung I mit 100 kg/h und Ofen Altöl, enthaltend 500 ppm PCB, die Messung II mit 100 kg/h und Ofen Altöl, enthaltend 1000 ppm PCB, und die Messung III mit 250 kg/h und Ofen Altöl, ent­haltend 1000 ppm PCB.

    [0016] Außer den üblichen Messungen der Gasbestandteile wurden Gasproben entnommen und nach der Methode des Rheinisch-­Westfälischen Technischen Überwachungsvereins unter­ sucht. Dazu werden repräsentative Proben des Abgases bei Temperaturen bis zu 773 K entnommen und auf Tempe­raturen unterhalb von 323 K abgekühlt. Hierbei konden­sieren dampfförmige Verbindungen aus und werden teil­weise an vorhandene Festkörperteilchen absorbiert. Die im Mischgas enthaltenen Teilchen werden auf entspre­chenden Filtern abgeschieden und die Feinstpartikel und leichtflüchtigen Verbindungen in einem nachgeschalteten Feststoffbett absorbiert. Als Sorbens wurde bei der Nullmessung und den Meßreihen I und III Florisil und bei der Meßreihe II XAD-2 verwendet. Vergleichsmessun­gen mit den Sorbentien Parapak PS, XAD-2 und Florisil zeigten, daß die sorptive Abscheidung von PCDD und PCDF gleich groß ist und daher gleichwertige Ergebnisse lie­fert. Die Volumenströme im Abgas und der Kühlluft wur­den über einen Rechner gesteuert, mit elektronischer Meßwerterfassung und -auswertung der Filtertemperatur, des Sondenquerschnittes und des Abgaszustandes, so daß isokinetische Teilstromentnahmen gewährleistet waren. Bei der Reingas-Messung wurden Filtertemperaturen von 301 K eingehalten, bei einer abgesaugten Teilgasmenge von 3,5 m³/h und einem Verdünnungsfaktor von etwa 1:5. Die Filtertemperatur bei der Rohgas-Messung betrug 313 K, die abgesaugte Teilgasmenge durchschnittlich 2,2 m³/h bei einem Verdünnungsfaktor von 1:10. Die Kühlluft wurde in einem Gegenstrom-Wärmeaustauscher durch Wasser vorgekühlt. Die Probenahmefraktionen, Fil­ter und Feststoffsorbentien wurden nach Beendigung der Messung geschützt gegen Wärme und Lichteintrahlung ver­packt und der Analyse zugeführt.

    [0017] Allen Proben wurde vor der Extraktion eine Mischung folgender ¹³C-markierter PCDD zugesetzt: 5 ng 2,3,7,8-­TCDD, 5 ng 1,2,3,7,8-PentaCDD, 5 ng 1,2,3,6,7,8-HexaCDD, 10 ng 1,2,3,4,6,7,8-HeptaCDD und 10 ng OCDD. Die Filter der Roh- und Reingasproben wurden extrahiert und chro­matographisch analysiert. Die Analysenergebnisse zeig­ten, daß in den Reingasen keine polychlorierten Abfall­stoffe mehr auffindbar waren und somit in Mengen deut­lich unterhalb der Nachweisgrenze liegen. Die Nachweis­grenze der Analysenverfahren betrug für 2,3,7,8-TCDD ca 0,02 ng/m³. Von der Umweltbehörde zugelassen werden als Emissionen zur Zeit 0,1 ng/m³.


    Ansprüche

    Verfahren zur umweltfreundlichen Vernichtung von poly­chlorierten Abfallstoffen wie Dibenzodioxinen (PCDD), polychlorierten Dibenzofuranen (PCDF) und polychlorier­ten Biphenylen (PCB), dadurch gekennzeichnet, daß diese Substanzen oder mit diesen Substanzen verunreinigte, brennbare Reststoffe zusammen mit Abfallschwefelsäuren, Säureteeren und ähnlichen Schwefel und Kohlenstoff ent­haltenden Abfallprodukten unterschiedlicher Zusammen­setzung und Konsistenz in einem mehrstufigen Verbren­nungsofen verbrannt werden, wobei man

    a) in einer ersten Stufe die Abfallschwefelsäure, Säu­reteere und ähnliche Schwefel und Kohlenstoff ent­haltende Abfallprodukte unterschiedlicher Zusammen­setzung und Konsistenz gegebenenfalls zusammen mit elementarem Schwefel in einem Drehrohrofen auf ein Koksbett von mindestens 400°C aufgibt und 25 bis 55% der insgesamt für das Verfahren erforderlichen Luft als Primärluft einbläst, so daß das entstehende re­duzierende Gemisch und der hintere Teil des Koks­bettes sich auf 800 bis 1100°C erwärmen, wobei der gegebenenfalls sich bildende überschüssige Koks am Ende des Drehrohrofens ausgetragen wird, das Gasge­misch

    b) in einer zweiten Stufe in einer Zwischenkammer mit weiteren 10 bis 15% der erforderlichen Luft ver­setzt, wobei eine Raumgeschwindigkeit von 200 bis 400 Nmn Gas/mn Brennraum eingehalten wird und sich die Temperatur des Gasgemisches auf 1150 bis 1350°C erhöht,

    c) in einer dritten Stufe am Anfang einer Nachbrennkam­mer weitere 20 bis 45% der erforderlichen Luft zu­gibt, wobei eine Raumgeschwindigkeit von 50 bis 180 Nmn Gas/mn Brennraum eingehalten wird und sich das Gasgemisch auf 1000 bis 1200°C abkühlt, und schließ­lich

    d) in einer vierten Stufe etwa in der Mitte der Nach­brennkammer den Rest der erforderlichen Luft zugibt, wobei sich im hinteren Teil der Nachbrennkammer Tem­peraturen von 1000 bis 1200°C einstellen und eine Raumgeschwindigkeit von 150 bis 400 Nmn Gas/mn Brenn­raum eingehalten wird,


     
    woraufhin man das durchreagierte Gasgemisch in an sich bekannter Weise in einem Abhitzekessel abkühlt und vor­zugsweise in einem Schwefelsäure-Kontaktverfahren zu Schwefelsäure aufarbeitet.