(19)
(11) EP 0 284 010 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
28.09.1988  Patentblatt  1988/39

(21) Anmeldenummer: 88104522.3

(22) Anmeldetag:  22.03.1988
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4D06P 1/52, D06P 3/66, D06P 3/60, D06P 1/22, D06P 1/30, D06M 15/61
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE ES FR GB GR IT LI NL SE

(30) Priorität: 25.03.1987 DE 3709766

(71) Anmelder: HOECHST AKTIENGESELLSCHAFT
65926 Frankfurt am Main (DE)

(72) Erfinder:
  • Sternberger, Klaus
    D-6238 Bad Vilbel 4 (DE)
  • Keil, Karl-Heinz, Dr.
    D-6450 Hanau (DE)
  • Gevert, Dieter
    Santiago (CL)
  • Navarrete, Oscar
    Santiago (CL)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zum alkali-freien Färben und Drucken


    (57) Verfahren zum alkali-freien Färben und Drucken mit Reaktivfarbstoffen. Man behandelt zuvor das Textilmaterial mit einem Netzmittel und einem Umsetzungsprodukt aus Polyethylenimin und einem bifunktionellen Alkylierungsmittel. Anschließen wird in üblicher Weise mit Reaktivfarbstoffen gefärbt, jedoch ohne Zusatz von Alkali zum Fixieren der Farbstoffe.


    Beschreibung


    [0001] Das Färben von Textilmaterialien, wie zum Beispiel Geweben, Gewirken oder auch Garnen und Fäden, bestehend aus oder enthaltend Zellulosefasern mit Reaktivfarbstoffen, kann nach bekannten Verfahren dadurch erfolgen, daß das Textilmaterial nach Art eines Ausziehverfahrens mit einer Reaktivfarbstoff enthaltenden Färbeflotte, meist bei erhöhter Temperatur und bei den meisten handelsüblichen Reaktivfarbstofftypen in Gegenwart von Alkali, behandelt wird, oder es können kontinuierliche bzw. diskontinuierli­che Prozesse, wie z.B. das sogenannte Pad-Steam-Verfahren, oder das Kaltverweilverfahren angewendet werden. Beim Pad-­Steam-Prozess, wie auch beim Kaltverweilverfahren, wird das Textilmaterial zunächst mit einer Reaktivfarbstoffflotte geklotzt, wobei das zur Fixierung notwendige Alkali üblicherweise in einem getrennten Imprägnierschritt appliziert wird. Beim Pad-Steam-Verfahren wird die Farbstoffixierung dann durch einen Dämpfprozess, beim Kaltverweilverfahren durch Aufdocken der imprägnierten Ware und mehrstündigem Verweilen bei Raumtemperatur vollzogen. Auch andere Fixiermöglichkeiten, wie z.B. das Behandeln der mit einer alkalifreien Reaktivfarbstoffflotte geklotzten Ware mit Natronlauge/Wasserglaslösung sind bekannt geworden und werden technisch ausgeübt.

    [0002] Bei allen genannten Reaktiv-Färbeverfahren wird im Verlauf des Färbevorgangs eine covalente chemische Bindung zwischen Farbstoffmolekül und Zellulosemolekül hergestellt. Dieser Farbstofftyp wird somit chemisch auf der Faser verankert.

    [0003] Theoretisch sollten somit Reaktivfärbungen auf Zellulose ohne weiteres sehr hohe Naßechtheiten aufweisen. In der Praxis zeigt es sich jedoch, daß dies nicht der Fall ist. Die Gründe hierfür sind unterschiedlicher Art und möglicherweise noch nicht in ihrer Gesamtheit bekannt. Es kann jedoch gesagt werden, daß ein mehr oder weniger großer Anteil des zum Färben eingesetzten Reaktivfarbstoffs nicht mit der Zellulosefaser, sondern mit Wassermolekülen reagiert. Bei der Reaktion mit Wasser verliert der Reaktivfarbstoff seine chemische Bindungsfähigkeit an die Zellulose und wird nur noch durch Nebenvalenzkräfte an das Fasermolekül gebunden.

    [0004] Diese Erscheinung bei der praktischen Ausführung der Färbungen führen im Endeffekt dazu, daß Färbungen von Reaktivfarbstoffen auf Zellulosefasern nur dann hohe Naßechtheiten aufweisen, wenn sie nach dem Färbeprozess einer gründlichen Nachwäsche unterworfen werden. Der technische Aufwand für diese Nachbehandlung reicht praktisch schon an den eigentlichen Färbeprozess heran. Insbesondere werden für die Nachwäsche große Wassermengen benötigt und es ist häufig erforderlich, nicht nur einen einzigen, sondern mehrere Waschgänge hintereinander zu schalten, um die gewünschte hohe Naßechtheit der Färbungen zu erzielen. Die Umständlichkeit und der hohe technische und finanzielle Aufwand, der mit den Waschoperationen verbunden ist, hat dazu geführt, daß eingehende Untersuchungen über den Auswaschmechanismus von Restfarbstoffen durchgeführt worden sind. Als Beispiel hierfür sei die Veröffentlichung von Dipl.-Chem. F. Somm und Text.-Ing. (grad.) R. Buser "Einfluß verschiedener Parameter auf das Auswaschverhalten von Reaktivfarbstoffen" in Textil-Praxis International vom Juli 1982, genannt.

    [0005] Es hat auch nicht an Versuchen und Vorschlägen gefehlt, das Auswaschen der Farbstoffreste zu erleichtern bzw. die Naßechtheit von Färbungen zu steigern, ohne den Auswaschaufwand erhöhen zu müssen.

    [0006] Aus der DOS 29 10 583 ist ein Seifhilfsmittel für Färbungen und Drucke auf Textilmaterialien bekannt, das auf der Verwendung eines Alkalialuminiumsilikats, ggf. in Kombination mit Polyvinylpyrrolidon, basiert.

    [0007] Das Problem, die an sich wasserlöslichen, aufgrund ihrer Substantivität an die Zellulosefaser durch Nebenvalenzkräfte gebundenen Anteile des hydrolysierten Reaktivfarbstoffs von der Faser zu entfernen und damit die Naßechtheiten der gefärbten Ware zu verbessern, ist auch bereits in den DOS 27 47 358 und DOS 28 43 645 aufgegriffen worden. Nach der Empfehlung der DOS 27 47 358 sollen für diesen Zweck Polyamine, Polyamide oder Polyurethane, sowie Polyharnstoffe eingesetzt werden. Nach den Angaben der DOS 28 43 645 können für denselben Zweck alkoxylierte Polyamine, wie z.B. alkoxyliertes Polyethylenimin, eingesetzt werden.

    [0008] Zur Lösung eines ähnlichen Problems, nämlich der Naßechtheitsverbesserung von Substantiv-Färbungen ist aus DAS 1 111 144, DAS 1 131 649, der belgischen Patentschrift 625 711 und der US-Patentschrift 3 334 138 die Nachbehandlung der Färbungen mit basischen Polyguanidin-­Verbindungen und mit polymeren quaternierten, stickstoffhaltigen Verbindungen bekannt.

    [0009] Eine weitere nach dem Stand der Technik bekannte Möglichkeit zur Naßechtheitsverbesserung von Substantiv-­Färbungen besteht in einer Nachbehandlung mit Kondensationsprodukten aus Cyanamid, Formaldehyd und Salzen organischer Amine oder Ammoniumsalzen.

    [0010] Die japanische Patentanmeldung 53-675 betrifft die Nachbehandlung von Küpenfärbungen zum Zwecke der Echtheitsverbesserung. Das technische Problem hierbei unterscheidet sich jedoch gravierend von dem der Nachbehandlung von Reaktivfärbungen.

    [0011] Es wurde nun gefunden, daß man Zellulosematerial mit Reaktivfarbstoffen ohne Verwendung von Alkali färben und bedrucken kann, wenn man dieses mit einem Netzmittel und einem gegebenenfalls quaternierten Umsetzungsprodukt von Polyethylenimin mit einem bifunktionellen Alkylierungsmittel vorbehandelt, anschließend nach üblichen Methoden, jedoch ohne Alkali, mit Reaktivfarbstoffen färbt und die Färbungen durch Spülen, Seifen und Trocknen fertigstellt.

    [0012] Das für die Vorbehandlung erforderliche Hilfsmittel ist aus US 4 588 413 bekannt. Das Hilfsmittel wird dort ausschließlich für die Nachbehandlung von Färbungen mit Reaktivfarbstoffen benutzt. Eine Vorbehandlung mit diesem Hilfsmittel und eine anschließende Färbung ohne Alkali ist dort nicht beschrieben. Ein Verfahren aussschließlich zur Nachbehandlung von Reaktivfärbungen mit Verbindungen ähnlicher Struktur ist auch in der GB-2006279 beschrieben.

    [0013] Das zur Herstellung des erfindungsgemäß einzusetzenden Vorbehandlungsmittels erforderliche Polyethylenimin entspricht der Formel I

    worin

    X ein Rest der Formel -(CH₂-CH₂-NH)c-H
    a und b unabhängig voneinander Zahlen von 0 bis 600 sind wobei die Summe a + b eine Zahl von 50-600 ist und
    c eine Zahl von 0 bis 50 ist.

    [0014] Das bedeutet, daß das eingesetzte Polyethylenimin ein Molekül darstellt, in dem -NH₂, >NH und -N< -Bausteine vorhanden sind, die durch Ethylengruppen miteinander verknüpft sind. Insgesamt enthält das Polyethylenimin etwa 50 bis 600 Ethylenimineinheiten. In üblichen Handelsprodukten stehen primäre, sekundäre und tertiäre Stickstoffunktionen in einem zahlenmäßigen Verhältnis von etwa 1:2:1.

    [0015] Zur Reaktion mit dem Ethylenimin der Formel I können im Prinzip alle bekannten bifuktionellen Alkylierungsmittel eingesetzt werden. Solche bekannten bifunktionellen Alkylierungsmittel entsprechen der Formel II

        A - Z - A      (II)

    In dieser Formel bedeutet A den Rest eines alkylierenden Agenz und Z entweder eine direkte Bindung oder ein zweiwertiges Brückenglied.

    [0016] Besonders geeignet für die Umsetzung mit den Polyethyleniminen zu erfindungsgemäß einzusetzenden Hilfsmitteln sind solche bifunktionellen Alkylierungsmittel der Formel II, in denen A eine Gruppe der Formel -CH₂-Y, worin Y ein als Anion abspaltbarer Substituent, insbesondere Chlor, Brom, Jod oder -OH oder eine als Anion abspaltbare Gruppe, insbesondere die Sulfatogruppe oder eine Sulfonyloxygruppe, insbesondere Phenylsulfonyloxy oder p-Tolylsulfonyloxy, oder die Epoxygruppe

    bedeutet und Z, sofern es keine direkte Bindung ist, für einen zweiwertigen geradkettigen oder verzweigten Rest der Formel III

        -CnH2n-      (III)

    worin n eine Zahl von 1 bis 4 ist, einen zweiwertigen Rest der Formel IV

        -CmH2m-D-CmH2m-       (IV)

    worin m die Zahlen 1 oder 2 bedeutet und D für -O-, -S-, -NH-, -CO-, -SO-, -SO₂-, oder für Phenylen steht.

    [0017] Bevorzugt für die Umsetzung mit Polyethylenimin zu erfindungsgemäß einzusetzenden Hilfsmitteln sind solche bifunktionellen Alkylierungsmittel, in denen A Gruppen der Formel -CH₂-Y sind, die über ein Brückenglied der Formel IV miteinander verknüpft sind, oder solche, in denen einer der Reste A eine Gruppe der Formel -CH₂-Y ist, die direkt an eine Epoxygruppe gebunden ist.

    [0018] Beispiele für solche bifunktionellen Alkylierungsmittel sind Epichlorhydrin, Glycid, 1,3-Dichlor-propan-2-ol, β,βʹ-Dichlor-diethylether, β-βʹ-Dichlor-diethylamin, β,βʹ-Dichlor-diethylsulfid, β,βʹ-Dichlor-diethylsulfoxid, β,βʹ-Dichlor-diethylsulfon, β,βʹ-Disulfatoethylether, β,βʹ-Diphenylsulfonyloxyethylether, meta- oder para-­Diepoxyethylbenzo, meta- oder para-Diepoxypropylbenzol, Diepoxybutan, Diepoxy-2-methylbutan, Diepoxypropylamin.

    [0019] Zur Herstellung der erfindungsgemäß einzusetzenden Vorbehandlungsmittel werden das Polyethylenimin und das bifunktionelle Alkylierungsmittel in einem Gewichtsverhältnis von 100:0,01 bis 100:2,0 vorzugsweise von 100:0,1 bis 100:1,0 miteinander umgesetzt.

    [0020] Es ist anzunehmen, daß bei dieser Umsetzung ein Einbau von vernetzenden Brückengliedern zwischen den Polyethyleniminketten erfolgt. Als äußeres Anzeichen hierfür ist zu werten, daß die Viskosität der wäßrigen Lösungen beim Übergang von unvernetztem Polyethylenimin zu dem durch das bifunktionelle Alkylierungsmittel vernetzten Produkt deutlich ansteigt. Die Umsetzung des Polyethylenimins mit den bifunktionellen Alkylierungsmitteln kann prinzipiell ohne Lösungsmittel erfolgen. Im Hinblick auf die bessere Steuerungsmöglichkeit der Reaktion und die günstigere Wärmeabfuhr ist es jedoch zweckmäßig, die Umsetzung in Gegenwart eines inerten Lösungsmittels durchzuführen. In Betracht kommen hierfür sowohl organische Lösungsmittel, in denen die Reaktanten löslich sind, wie beispielssweise niedere Alkohole als auch insbesondere Wasser. Die Reaktion kann im Temperaturbereich zwischen -10 und etwa 100 °C durchgeführt werden. Besonders vorteilhaft ist die Durchführung in der Umgebung der normalen Raumtemperatur, d.h. im Bereich zwischen 15 und 45 °C. Hierbei ergibt sich ein Reaktionsverlauf mit guter Steuerungsmöglichkeit, sehr guter Produktqualität und geringstmöglichem Energieaufwand. Die Reaktion ist bei dieser Reaktionsführung in ca. 1 bis 2 Stunden im wesentlichen abgeschlossen.

    [0021] Um erfindungsgemäß einzusetzende Hilfsmittel zu erhalten, die besonders engtolerierte Spezifikationen aufweisen, d.h. um eine besonders gute Reproduzierbarkeit des Herstellungsverfahrens zu erreichen, ist es vorteilhaft, nach Ablauf der Hauptreaktion das Reaktionsgemisch bei einem definierten pH-Wert zwischen 9 und 10 mehrere Stunden, in der Regel 2 bis 6 Stunden, bei erhöhter Temperatur, zweckmäßigerweise zwischen 60 und 100 °C nachzurühren.

    [0022] Die erfindungsgemäß verwendeten Umsetzungsprodukte von Polyethylenimin mit einem bifunktionellen Alkylierungsmittel können gegebenenfalls auch mit C₁-C₄-, vorzugsweise C₁-C₃-Alkylgruppen quaterniert sein. Die Quaternierung kann mit Alkylhalogeniden, bevorzugt Alkylchloriden, oder Dialkylsulfaten nach bekannten Methoden vorgenommen werden.

    [0023] Dies zuvor beschriebene Hilfsmittel wird zusammen mit einem in der Textilindustrie üblichen Netz- oder Klotzhilfsmittel aus wäßriger Flotte auf das zu färbende oder zu bedruckende Textilmaterial aufgebracht. Als derartige Netz- oder Klotzhilfsmittel werden Alkansulfonate, Di-alkyl-sulfosuccinate, Di-alkyl-­phosphate oder Propylenoxid-Ethylenoxid-Blockpolymerisat mit einem Anteil von 40-80 Gew.-% an Ethylenoxid genommen, insbesondere aber nicht-ionische Verbindungen, beispielsweise oxethyliertes Nonylphenol. Als Textilmaterial kommt rohe oder vorbehandelte Baumwolle infrage oder auch Mischgewebe, die Baumwolle enthalten. Besonders interessant ist das erfindungsgemäße Verfahren für die Vorbehandlung von Baumwoll-Kettgarnen mit dem beschriebenen Hilfsmittel in der Schlichte. Nach dem Verweben mit unbehandelten Schußgarnen und dem anschließenden alkalifreien Überfärben mit Reaktivfarbstoffen wird dann nach dem Auswaschen des Gewebes ein Denim-Effekt erzielt.

    [0024] Die Vorbehandlung mit dem Hilfsmittel zusammen mit einem nichtionischen Netzmittel geschieht aus wäßriger Flotte nach üblichen Verfahren durch Foulardieren oder im Ausziehverfahren bei Temperaturen von ca. 20 bis 70 °C, vorzugsweise 40 bis 60 °C, in der Schlichte von 80 °C bis Kochtemperatur. Die Flotte wird auf einen schwach saueren pH-Wert, vorzugsweise pH 6, eingestellt. Die Menge an Hilfsmittel beträgt ca. 3 bis 10 %, vorzugsweise 3 bis 8 %, bezogen auf das Warengewicht. Die Menge an Netzmittel beträgt vorzugsweise 2 bis 4 g/l. Die Vorbehandlungsflotte wird abschließend abgequetscht und die Ware getrocknet.

    [0025] Die so vorbehandelte Ware wird dann anschließend nach üblichen Verfahren und auf üblichen Färbeaggregaten mit Reaktivfarbstoffen gefärbt, beispielsweise nach dem Kaltverweilverfahren oder nach einem Ausziehverfahren. Das Flottenverhältnis kann dabei etwa 1:3 bis 1:40 betragen. Wichtig ist hierbei jedoch, daß, im Gegensatz zu der bisher üblichen Arbeitsweise, im vorliegenden Fall kein Alkali eingesetzt wird. Als Reaktivfarbstoffe bei diesem Verfahren kommen alle bekannten Typen von Reaktivfarbstoffen in Frage, die gegenüber den Hydroxylgruppen der Cellulose reaktionsfähige Gruppen enthalten und unter den erfindungsgemäß beschriebenen Färbebedingungen bevorzugterweise durch Reaktion mit den beschriebenen, auf dem Zellulosematerial fixierten Polymerisaten reagieren. Die reaktionsfähigen Gruppen sind beispielsweise Gruppen mit leicht abspaltbaren Substituenten, die einen elektrophilen Rest hinterlassen, wie Reaktivgruppen des Vinylsulfon-Typs, mit Halogenatomen substituierte Gruppen der Ringsysteme Chinoxalin, Phthalazin, Triazin, Pyrimidin oder Pyridazon oder mit Alkylsulfonylresten substituierte reaktive Gruppen bei Sulfonylpyrimidin- oder Sulfonylbenzthiazolfarbstoffen. Im einzelnen sind Farbstoffe mit den reaktiven Gruppen β-Sulfatoethylsulfon, β-Chlorethylsulfon, β-Thiosulfatoethylsulfon, β-Phosphatoethylsulfon, Chlortriazinylamino, Dichlortriazinylamino, Chlortriazinyldiamino, Trichlorpyrimidylamino, Dichlorpyrimidylamino, Dichlorpyridazinylamino, Trichlorpyridazinylamino, Dichlorpyridazinylcarbonylamino, 2-Chlor-benzthiazol-6-yl-amino, 2-Methylsulfonyl­benzthiazol-6-yl-amino, 2,3-Dichlorchinoxalin-6-yl-­carbonylamino oder 4-Chlor-5-methyl-2-methylsulfonyl­pyrimid-3-yl-amino zu erwähnen.

    [0026] Geeignete Farbstoffgrundkörper der Reaktivfarbstoffe sind beispielsweise wasserlösliche Azo-, Disazo-, Formazan-, Anthrachinon-, Dioxazin- oder Phthalocyaninfarbstoffe. Bevorzugt werden wasserlösliche Azo- und Disazoreaktivfarbstoffe, die auch Metallkomplexreaktivfarbstoffe sein können, verwendet. Nach dem Färben wird die Ware durch Spülen, evtl. Seifen und Trocknen fertiggestellt.

    [0027] Das erfindungsgemäße Verfahren läßt sich nicht nur mit Reaktivfarbstoffen durchführen, sondern in gleicher Weise auch mit anderen Farbstofftypen, die anionische, beispielsweise Sulfogruppen enthalten, wie beispielsweise Direktfarbstoffe, Säurefarbstoffe und wasserlösliche Schwefelfarbstoffe. Man erreicht mit diesen Farbstoffen ähnliche Effekte und Echtheiten wie mit den Reaktivfarbstoffen. Daneben können in dem Verfahren auch Pigmentfarbstoffe, wie Küpen- und Schwefelküpenfarbstoffe angewendet werden.

    [0028] Das erfindungsgemäße Verfahren eignet sich nicht nur zum Färben von Textilmaterial, sondern auch zum Bedrucken. Hierbei wird das Textilmaterial mit einer Druckpaste bedruckt, die einen Signierfarbstoff und das erfindungsgemäß zu verwendende Hilfsmittel enthält. Nach dem Trocknen und Fixieren wird das Textilmaterial dann mit Reaktivfarbstoffen ohne Alkali vorzugsweise nach dem Pad-­Steam-Verfahren oder nach dem Ausziehverfahren überfärbt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß man die mit dem beschriebenen Hilfsmittel vorgebeizten Baumwollketten oder Baumwollgewebe mit einer Druckpaste bedruckt, die den Reaktivfarbstoff, aber kein Alkali enthält und anschließend die Färbung z. B. durch Dämpfen während 8 Minuten bei 102-105°C fixiert. Die anschließende Nachbehandlung erfolgt analog wie bei den Färbungen.

    [0029] Der wesentliche Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens ist darin zu sehen, daß infolge der Vorbehandlung mit dem beschriebenen Hilfsmittel beim nachfolgenden Färben kein Alkali benötigt wird. Beim abschließenden Auswaschen der Ware nach dem Färben geht dann auch kein Alkali ins Abwasser, so daß die Salzbelastung des Abwassers in den Färbereien wesentlich vermindert wird. Daneben erreicht man durch die beschriebene Vorbehandlung auch teilweise eine deutliche Farbvertiefung der Färbung im Vergleich zu einer Färbung mit der gleichen Menge an Reaktivfarbstoff in einem herkömmlichen Färbeverfahren. Als Alkali zur Fixierung der Reaktivfarbstoffe wird unter anderem in großem Maße Wasserglas eingesetzt. Wird dieses Wasserglas nach dem Fixieren nicht sorgfältig ausgewaschen, kann es zu störenden SiO₂-Ablagerungen auf der Ware und damit zu einer Beeinträchtigung des Griffs kommen. Auch dieser Nachteil entfällt bei dem erfindungsgemäßen Verfahren. Dieses neue Verfahren erleichtert durch den Verzicht auf Alkali auch das Auswaschen der unfixierten Farbstoffreste, da in Gegenwart von Alkali die Baumwollfaser anquillt und der unfixierte Farbstoff stärker absorbiert wird. Dies entfällt bei dem erfindungsgemäßen Verfahren. Die durch das Alkali stark eingeschränkte Löslichkeit der Reaktivfarbstoffe ist wesentlich verbessert und die Stabilität der neutralen Farbflotten erhöht.

    [0030] Die nach dem oben beschriebenen erfindungsgemäßen Verfahren hergestellten Färbungen zeigen gute Naßechtheiten.

    [0031] Überraschenderweise wurde gefunden, daß ein unmittelbar an den Seifprozeß angeschlossener Waschvorgang mit perborathaltigen Waschmitteln die Brillianz der Färbungen deutlich erhöht und der nicht angefärbte oder je nach Farbstoffnuance leicht angeschmutzte Schußfaden weiß wird, so daß eine Färbung mit hoher Brillanz und weißem Schußgarn erhalten wird. Die Anwendung von optischen Aufhellern in der Waschflotte erhöht nochmals die Brillanz der Färbungen und der Schußgarne.

    [0032] Diese Effekte werden insbesondere dann erreicht, wenn die Wäsche zwischen 20-50°C, bevorzugterweise zwischen 40-50°C durchgeführt wird. Wäscht man mit dem Perborat-haltigen Waschmittel bei höheren Temperaturen, beispielsweise 50° bis 100°C, vorzugsweise 85° bis 100°C, so kann die Denimfärbung stufenweise bis praktisch zur vollständigen Entfärbung des Gewebes aufgehellt werden. Auf diese Weise erreicht man auf eine für die Fasern sehr schonende Weise ungleichmäßige Färbungen bzw. modische Farbänderungen (stone-wasch-effect). Dieser Effekt läßt sich sonst nur mit alkalischen Hypochloritlösungen und eventuell unter Waschen in Gegenwart von Bimssteinen erreichen.

    [0033] Die Menge an Alkaliperborat in den Waschmitteln liegt zwischen etwa 4 und 25 Gew.-%. Solche Waschmittel mit einem Gehalt an Perborat, die hier in Frage kommen, sind im Detail in "Tenside" 18, S. 246 (1981) beschrieben. Im folgenden sind hierzu zwei Formulierungen als Beispiele näher beschrieben:

    1.
    anionische/nichtionische Tenside      10 - 25 %
    Seifen, (Alkali-Salze von Fettsäuren)      0 - 10 %
    Polyphosphate      20 - 50 %
    Natrium-/ oder Kaliumperborat      10 - 25 %
    Na-Silikat      3 - 10 %
    Carboxymethylcellulose      1 - 2 %
    Neutralsalze und Stellmittel      5 - 20 %
    optische Aufheller      1 - 2 %

    2.
    Seife      35 - 50 %
    Tetrapropylenbenzolsulfonat
    Fettalkoholsulfat
    Fettsäureethanolamid
        Na-Carbonat      14 - 18 %
        Na-Wasserglas      6 - 10 %
        Na-Diphosphat      5 - 8 %
        N-Triphosphat
    Na-Perborat      4 - 6 %
    Magnesiumsilikat      1 - 3 %
    Opt. Aufheller      0,03 %
    Carboxymethylcellulose
    Parfumöl

    Beispiel 1



    [0034] Auf einer Schlichtemaschine werden in dem dafür vorgesehenen Trog Baumwollkettgarne wie folgt behandelt:

    40 g/l Polyvinylalkohol (PVA)
    5 g/l Polyethylenglykol
    4 g/l Di-2-Ethylhexyl-phosphat-kaliumsalz
    100 g/l Polyethylenimin-Kondensationsprodukt gemäß dem Beispiel in der Tabelle 1, letzte Zeile der Patenanmeldung EP 0 133 933

    Flottenaufnahme 100-120 % (Hochleistungsquetschwerke).

    [0035] Das Garn läuft mit einer Geschwindigkeit von 60 m/min, die Flottentemperatur beträgt 80-90 °C.
    Nach Verlassen des Schlichtetrogs werden die Baumwollketten mit Kontakthitze bei ca. 130 °C getrocknet. Anstelle von PVA kann auch modifizierte Stärke bzw. Mischungen aus modifizierter Stärke und PVA eingesetzt werden. Die Anwendung von Carboxymethylcellulose oder Carboxymethylstärke als Schlichtemittel ist nicht möglich, da es hier mit dem kationischen Alkaliethylen im Kondensat zu Ausfällungen kommen kann. Anschließend werden die Baumwollketten mit dem Baumwollschuß verwebt und das erhaltene Gewebe auf einer aus Färbefoulard und Aufdockvorrichtung bestehenden Kaltverweil-Anlage mit einer Lösung überklotzt, die z.B.

    10 g/l C.I. Reactive Blue 19 (C.I.-Nr. 61200)
    und 4 g/l Netzmittel (oxethyliertes Nonylphenol)

    enthält.

    [0036] Die so foulardierte Ware wird auf der Docke mit einer Polyethylenfolie luftdicht umhüllt und bis zu 24 Stunden unter Rotierung verweilen gelassen.
    Nach der für Reaktivfarbstoffen üblichen Nachbehandlung durch Spülen, kochendes Seifen und nochmaliges Spülen erhält man auch ohne die normalerweise zum Fixieren der Reaktivfarbstoffe notwendige Alkalimenge eine Färbung der Ketten mit guten Gebrauchsechtheiten. Durch die Vorbehandlung dieser Baumwollketten mit dem Polyethylenimin-­Kondensationsprodukt wird darüberhinaus eine wesentlich tiefere Farbnuance als mit der normalen Fixierung mit Alkali erzielt. Der Schuß wird beim Nachbehandeln durch Spülen und Seifen praktisch wieder weiß. Es wird somit ein Gewebe mit Denimeffekt erhalten.

    Beispiel 2



    [0037] Das wie unter Beispiel 1 geschlichtete und gefärbte Denimgewebe wird nach dem abschließenden Spül- und Seifprozeß mit 5 g/l eines üblichen perborathaltigen Waschmittels (Gehalt an Na-Perborat 20 Gew.-%) bei 50 - 60°C während 10 bis 20 Minuten behandelt.

    [0038] Hierdurch wird ein wesentlich brillanterer Farbton dieses Denimgewebes bei Erhalten der vollen Stärke und Intensität der Färbung erzielt. Außerdem wird das Weiß des Schußgarns nochmals deutlich verbessert im Vergleich zu einem auf die gleiche Weise gefärbten Denimgewebe, das aber nicht mit einem Perborat-haltigen Waschmittel nachgewaschen wurde.

    Beispiel 3



    [0039] Gebleichter Baumwollkörper wird in Flotte 1:40 mit 4 % des Polyethylenimin-Kondensationsprodukts wie in Beispiel 1 und 1 g/l Di-2-oxethyliertes Nonylphenol wie folgt behandelt: Man beginnt kalt, steigert die Temperatur gleichmäßig in 20 min auf 40-50 °C und behandelt weitere 10 min bei dieser Temperatur.

    [0040] Danach wird die Flotte abgelassen, der Baumwollköper abgequetscht und mit einer Flotte überfärbt, die lediglich

    1 Gew.-% Reactive Blue 77

    enthält.

    [0041] Das Flottenverhältnis beträgt 1:30. Man beginnt das Färben kalt, steigert die Temperatur in 30 min gleichmäßig auf 60 °C und färbt eine weitere Stunde bei 60 °C.
    Nach der üblichen Nachbehandlung durch Spülen, Seifen und Spülen erhält man auch hier eine kräftige Türkisblaunuance, die wesentlich tiefer ist als eine entsprechende Ausziehfärbung die mit 1 % Farbstoff, 50 g/l Koch- oder Glaubersalz, 3 ml/l NaOH 38 °Bé und 5 g/l Soda kalz. durchgeführt wurde.

    Beispiel 4



    [0042] Ein gebleichtes Baumwollgewebe wird auf einem 2- oder 3-Walzenfoulard mit einer Lösung, die

    60 g/l des Polyethylenimin-Kondensationsprodukts wie in Beispiel 1
    und 2 g/l Di-2-ethylhexyl-phosphat-kaliumsalz

    enthält, kalt überklotzt und nach dem Trocknen mit einer Flotte foulardiert, die

    10 g/l Reactive Red 1 (C.I.-Nr. 18158)
    und 2 g/l eines Netzmittels (oxethyliertes Nonylphenol)

    enthält.

    [0043] Die Färbung wird gemäß dem Beispiel 1 verweilt und nachbehandelt. Man erhält eine tiefe Rotfärbung mit guten Gebrauchsechtheiten. Die entsprechende Kaltverweilfärbung, die mit der normalen Alkalimenge (NaOH/Wasserglas) gefärbt wurde, weist demgegenüber nur einen rosa Farbton auf. Durch die Zugabe von ca. 10 g/l einer wäßrigen Dispersion enthaltend 3,5 % Acrylamid-Homopolymerisat und 4,5 % Caprolactam als Klotzhilfsmittel zur Klotzflotte wird zusätzlich nochmals eine deutliche Farbflottenaufnahme erzielt.

    Beispiel 5



    [0044] Das wie unter Beispiel 1 geschlichtete Denimgewebe wird auf einer aus Färbefoulard und Aufdockvorrichtung bestehenden Kaltverweil-Anlage mit einer Lösung überklotzt, die

    25 g/l Solubilised Sulphur Red 11
    und 4 g/l Netzmittel (oxethyliertes Nonylphenol)

    enthält.

    [0045] Nach einem 12- bis 24-stündigen Verweilen der Docke wird durch Spülen, evtl. kochendes Seifen und nochmaliges Spülen fertiggestellt. Man erhält auch ohne das normalerweise zum Fixieren der Schwefelfarbstoffe notwendige Alkali und Reduktionsmittel (z. B. Na₂S oder NaSH) eine Färbung der Ketten mit guten Gebrauchsechtheiten und guter Lichtechtheit.


    Ansprüche

    1. Verfahren zum alkali-freien Färben und Drucken mit Reaktivfarbstoffen, Direktfarbstoffen, Säurefarbstoffen, wasserlöslichen Schwefelfarbstoffen oder Pigmentfarbstoffen, dadurch gekennzeichnet, daß man das zu färbende Textilmaterial mit einem Netzmittel und einem gegebenenfalls quaternierten Umsetzungsprodukt von Polyethylenimin mit einem bifunktionellen Alkylierungsmittel vorbehandelt, anschließend nach üblichen Methoden, jedoch ohne Einsatz von Alkali, mit Reaktivfarbstoffen färbt und durch Spülen und Trocknen fertigstellt.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man Kettgarn mit einem Netzmittel und einem Umsetzungsprodukt von Polyethylenimin mit einem bifunktionellen Alkylierungsmittel zusammen mit der Schlichte in einem Schlichtebad vorbehandelt.
     
    3. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Umsetzungsprodukt vorzugsweise in einer Menge von 3 bis 10 % des Warengewichts eingesetzt wird.
     
    4. Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß ein Umsetzungsprodukt von Polyethylenimin mit Epichlorhydrin, 1,3-Dichlorpropan-­2-ol oder deren Gemischen eingesetzt wird.
     
    5. Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß ein Umsetzungsprodukt von Polyethylenimin mit einem bifunktionellen Alkylierungsmittel in einem Reaktanten-­Gewichtsverhältnis von 100:0,01 bis 100:2 eingesetzt wird.
     
    6. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man der Farbstoffklotzflotte ein polymeres Klotzhilfsmittel zusetzt.
     
    7. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß man die Färbungen oder Drucke anschließend mit einem Waschmittel wäscht, das ein Perborat und gegebenenfalls einen Perborataktivator und optische Aufheller enthält.