(19)
(11) EP 0 287 705 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
26.10.1988  Patentblatt  1988/43

(21) Anmeldenummer: 87113233.8

(22) Anmeldetag:  10.09.1987
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4C23G 5/032, C11D 7/50
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE ES FR GB GR IT LI LU NL SE

(30) Priorität: 24.04.1987 DE 3713702

(71) Anmelder: Firma Carl Freudenberg
D-69469 Weinheim (DE)

(72) Erfinder:
  • Hausdorf, Jörg
    D-6942 Mörlenbach (DE)
  • Kändler, Joachim, Dr.
    D-6940 Weinheim (DE)
  • Siekermann, Volker, Dr.
    D-6194 Fürth (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zum Reinigen von Verarbeitungsanlagen für reaktive isocyanathaltige Mehrkomponentengemische


    (57) Ein Mittel zum Reinigen von Verarbeitungsanlagen für reak­tive isocyanathaltige Mehrkomponentengemische besteht aus 50 bis 75 Gewichtsprozent eines Weichmachers aus der Grup­pe der kürzer- bis mittelkettigen Phthalsäureester oder Alkylsulfonsäureester von Phenolen sowie aus 50 bis 25 Ge­wichtsprozent Mineralölfraktionen aus aliphatischen, naph­thenischen und/oder aromatischen Kohlenwasserstoffen des Bereiches C₈ bis C₁₇.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Mittel zum Reinigen von Verar­beitungsanlagen für reaktive isocyanathaltige Mehrkompo­nentengemische.

    [0002] Bei der Herstellung von schnell erhärtenden Kunststoffen und Kunststoffschäümen auf Basis Polyurethan und Polyiso­cyanurat werden Verarbeitungsanlagen verwendet, bei denen die zur Herstellung des Endproduktes benötigten reaktiven, isocyanathaltigen Gemische den Formen über Mischköpfe zuge­führt werden. Diese Mischköpfe, die mit Rührwerken ausge­stattet sein können, neigen zum Verstopfen und müssen des­halb periodisch, meist nach jedem Schuß, mit geeigneten Spülmitteln durchgängig gehalten werden. Auch die den Misch­köpfen vorgeschalteten Vorratsbehälter, Ventile und Leitun­gen sind von Zeit zu Zeit mit Hilfe eines Spülmittels zu reinigen.

    [0003] Die Reinigung geschieht bisher meist mit Lösungsmitteln oder Lösungsmittelgemischen, in denen die zu entfernen­den Substanzen gut löslich sind. Dies sind normalerweise Chlorkohlenwasserstoffe wie Dichlormethan, Trichlorethen, 1,1,1-Trichlorethan, Tetrachlorethen oder carboxylgruppen­haltige, leicht flüchtige Lösungsmittel wie Aceton, Methyl­ethylketon, Ethylacetat, Pentylacetat oder Gemische daraus. Solche Mittel sind in DE-OS 34 44 293 beschrieben.

    [0004] Der Nachteil dieser Mittel liegt darin, daß sie entweder gesundheits- und umweltschädlich sind und wegen ihres Halo­gengehaltes kostenaufwendig entsorgt werden müssen, oder daß sie leicht flüchtig und leicht entflammbar sind, wes­halb besondere, aufwendige Einrichtungen zum Explosions­schutz vorgesehen werden müssen. So besitzen Äthylacetat und Methylethylketon Flammpunkte von -4°C und Aceton von unter -20°C, n-Butylacetat einen Flammpunkt von 25°C.

    [0005] Die chlorierten Kohlenwasserstoffe sind Leber- und Nerven­gifte, z.T. kanzerogen, und unterliegen deshalb besonderen gesetzlichen Bestimmungen bezüglich Gebrauch und Kennzeich­nung. Ferner sind diese Stoffe im Boden schwer abbaubar.

    [0006] Unter diesem Aspekt wurde bereits in DE-OS 35 17 170 ein Reinigungsmittel vorgeschlagen, welches nicht-aromatische, hochsiedende Kohlenwasserstoffe und alkylierte aromatische Verbindungen mit 8 bis 18 Kohlenstoffatomen enthält. Solche Zusammensetzungen besitzen auch ausreichend hohe Flammpunk­te; für den Einsatz in Verarbeitungsanlagen für reaktive, isocyanathaltige Mehrkomponentensysteme haben sie sich je­doch als unwirksam erwiesen.

    [0007] Ferner wurde in DE-PS 26 05 984 eine wäßrige Emulsion eines mehrwertigen Alkohols mit einem Öl-in-Wasser-Emulgator vor­geschlagen. Dieses Mittel hat jedoch den entscheidenden Nachteil, daß, wenn auch nur geringste Mengen davon in den Verarbeitungsanlagen zurückbleiben - was sich nur selten verhindern läßt -, chemische Wechselwirkungen mit der Iso­cyanatkomponente auftreten und es zu Rückstandsbildungen und damit zu Störungen in der Apparatur kommt. Ferner ist dieses Mittel nur anwendbar bei niedrigviskosen, gut dis­pergierbaren Verunreinigungen.

    [0008] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, ein Reinigungsmittel gemäß dem Oberbegriff des Hauptanspruches anzugeben, welches bei guter Reinigungswirkung nur schwer entflammbar, nicht kanzerogen und in bezug auf Arbeitssi­cherheit und Entsorgung ohne hohe Sicherheitsmaßnahmen ein­gesetzt werden kann. Das Mittel soll die reaktiven Kompo­nenten, die sogenannten Addukte, wie auch die Produkte der beginnenden Reaktion, die noch nicht hoch vernetzt sind, vollständig ablösen bzw. dispergieren, ohne daß erhöhte Scherkräfte anzuwenden sind. Lösungsmittelrückstände in den Anlagen müssen sicher vermieden werden.

    [0009] Die Lösung der genannten Aufgabe besteht in einem Reini­gungsmittel mit der Zusammensetzung, wie sie im kennzeich­nenden Teil des Anspruchs 1 angegeben ist. Die Unteransprü­che betreffen vorteilhafte Varianten.

    [0010] Der Weichmacheranteil des erfindungsgemäßen Reinigungsmit­tels ist bisher nur aus der PVC-Verarbeitung und in der Lackherstellung bekannt. Geeignete Weichmacher sind Ester der Phthalsäure mit kürzer- bis mittelkettigen (C₂ bis C₁₃) aliphatischen Alkoholen, besonders Diethyl- oder Dioctyl­phthalat, oder es sind kürzer- bis mittelkettige Alkylsul­fonsäureester von Phenolen. Letztere sind als fertige Han­delsprodukte erhältlich.

    [0011] Geeignete Mineralölprodukte sind Mineralölfraktionen mit Kohlenstoffzahlen von 8 bis 17 aus aliphatischen, naphthe­nischen oder aromatischen Kohlenwasserstoffen oder Mischun­gen daraus. Der Siedebereich der Fraktionen muß zwischen 120°C und 300°C liegen. Aus Gründen der unbedenklichen Ver­arbeitet ist es vorteilhaft, Fraktionen mit Siedebe­reichen über 180°C bei Flammpunkten über 55°C einzusetzen. Bewährt haben sich hierbei Petroleum und/oder Testbenzin.

    [0012] Besonders vorteilhaft, auch in toxikologischer Hinsicht, sind aromatenfreie Mineralölfraktionen, deren Siedebereich zwischen 230 und 260°C und deren Flammpunkt über 100°C liegt.

    [0013] Wesentlich ist, daß die Mischungsverhältnisse dieser Frak­tionen völlig unkritisch sind, also auf die Wirkung des er­findungsgemäßen Reinigungsmittels keine qualitativen Ein­flüsse haben. Solche Gemische von Kohlenwasserstofffraktio­nen sind ebenfalls unter verschiedenen Bezeichnungen im Handel erhältlich.

    [0014] Die Flammpunkte der Weichmacher liegen oberhalb 150°C; diese sind daher ebenfalls unproblematisch verwendbar.

    [0015] Die Beseitigung verbrauchter Reste des Reinigungsmittels ist leicht und gefahrlos möglich. Falls sie in das Betriebs­abwasser gelangen, können sie aus diesem mittels eines - in der Regel vorhandenen - Leichtflüssigkeits-Abscheiders abgetrennt werden. Reste noch reaktiver Isocyanat-Kompo­nenten können durch entsprechenden Wasser-, Ammoniak- und/­oder Alkoholzusatz danach in unschädliche, ausreagierte Pro­dukte umgewandelt werden.

    [0016] Die erfindungsgemäße Rezeptur des Lösungsmittels war nicht naheliegend, da beide Komponenten für sich allein nicht die geforderte Reinigungswirkung zeigen. Ihr Mischungsverhält­nis ist innerhalb der erfindungsgemäßen Grenzen durch ein­fache Vorversuche für die jeweils zu entfernenden Rückstän­de optimierbar. Typische Inhaltsstoffe dieser Rückstände sind z. B.: 4,4ʹ-Diphenylmethandiisocyanat, auch in modifi­zierter Form; Toluylen-diisocyanat; die in der Polyurethan­chemie üblichen linearen und verzweigten Polyether und Po­lyester, wie z. B. von Naphthylen-1,5-Diisocyanat mit einem linearen Polyester aus Adipinsäure und Ethylenglycol.

    [0017] Die Verwendung des erfindungsgemäßen Spülmittels geschieht in bekanter Weise dadurch, daß es anstelle der Reaktions­komponenten die Verarbeitungsanlage durchläuft, gegebenen­falls unterstützt durch Pumpen. Anschließend kann beschleu­nigt mit einem Luftstrom von 6 bar Überdruck getrocknet bzw. das Reinigungsmittel abgeblasen werden.

    [0018] Zusammensetzung, Anwendung und Vorteile des erfindungsgemä­ßen Reinigungsmittels werden durch die folgenden Beispiele näher erläutert:

    Beispiel 1



    [0019] Eine Mischung aus 61 Gewichtsprozent Dibutylphthalat und 39 Gewichtsprozent Testbenzin (Siedebereich 180 bis 210°C) wird zur Reinigung einer Gießmaschine mit Mischkammer und Rührwerk verwendet, in welcher Polyurethanschaumteile aus einem verzweigten Polyether auf Basis Polyethylen/Prolypro­pylenglycol, modifiziertem Diphenylmethandiisocyanat und mit üblichen Zusatzmitteln hergestellt werden. Nach dem Misch- und Ausstoßvorgang bleiben ca. 20 ml reaktives Ge­misch in der Mischkammer zurück.

    [0020] Diese wird mit 60 ml der genannten Reinigungsmittelmischung während 6 Sekunden aus dem Vorratstank durchgespült. An­schließend wird 3 Sekunden lang mit strömender Luft (6 bar Luftüberdruck) getrocknet. Das Mischaggregat ist danach zum nächsten Mischvorgang bereit. Spülmittel- oder Reaktions-­Komponenten sind in der Anlage nicht mehr vorhanden.

    Beispiel 2



    [0021] Eine Mischung aus 70 Gewichtsprozent Dioctylphthalat und 30 Gewichtsprozent einer nicht-aromatischen Kohlenwasser­stofffraktion (Siedebereich 240 bis 260°C, ein Handelspro­dukt) wird hergestellt. Eine Anlage, auf der Polyurethan-­Elastomerteile aus einem Addukt aus Naphthylen-1,5-Diisocy­anat und einem linearen Polyester aus Adipinsäure und Ethy­lenglycol bei 90°C hergestellt werden, wird mit 100 ml Rei­nigungsmischung während 3 Sekunden gespült und 2 Sekunden mit Preßluft von 6 bar Überdruck ausgeblasen. Die Anlage läuft reinigungslos über die Dauer einer Schicht, wie dies vorher nur bei der Verwendung von Dichlormethan der Fall war.

    Beispiel 3



    [0022] Eine Mischung aus 66 Gewichtsprozent Alkylsulfonsäureestern von Phenolen (Handelsprodukt) und 34 Gewichtsprozent Petro­leum (Siedebereich 180 bis 245°C) wird zur Reinigung einer Anlage wie in Beispiel 1 verwendet. Das Reinigungsergebnis ist gleichwertig demjenigen von Beispiel 1.

    [0023] Die verschmutzten Reinigungsmittelreste der Beispiele 1 bis 3 werden mit Wasser ausreagieren gelassen, wodurch die Isocyanat-Komponenten in unschädliche Produkte überführt werden. Falls erforderlich, können Ammoniak und/oder ein Alkohol zugesetzt werden.

    [0024] Die gebildeten Feststoffe werden durch Absitzenlassen von der flüssigen Phase getrennt. Diese kann erneut zur Her­stellung eines erfindungsgemäßen Reinigungsmittels einge­setzt werden.


    Ansprüche

    1. Mittel zum Reinigen von Verarbeitungsanlagen für reakti­ve isocyanathaltige Mehrkomponentengemische, dieses Mit­tel bestehend aus einem Weichmacher und einem Lösungs­mittel, gekennzeichnet durch folgende Zusammensetzung:
    50 bis 75 Gewichtsprozent eines Esters aus a) Phthal­säure und einem aliphatischen Alkohol mit einer Ketten­länge von C₂ bis C₁₃ oder
    b) einer kürzer- bis mittelkettigen Alkylsulfonsäure und einem Phenol;
    25 bis 50 Gewichtsprozent Mineralölfraktionen mit Koh­lenstoffzahlen von C₈ bis C₁₇ aus aliphatischen, naphthe­mischen oder aromatischen Kohlenwasserstoffen, oder de­ren Mischungen, wobei der Siedebereich der Fraktionen zwischen 120°C und 300°C liegt.
     
    2. Reinigungsmittel nach Anspruch 1, dadurch gekennzeich­net, daß der Weichmacher Diethyl- oder Dioctylphthalat ist.
     
    3. Reinigungsmittel nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekenn­zeichnet, daß die enthaltenen Mineralölfraktionen einen Siedebereich über 180°C bei einem Flammpunkt über 55°C aufweisen.
     
    4. Reinigungsmittel nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß es als Mineralölfraktion Petroleum und/oder Testben­zin enthält.
     
    5. Reinigungsmittel nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekenn­zeichnet, daß es aromatenfreie Mineralölfraktionen mit einem Siedebereich von 230°C bis 260°C bei einem Flamm­punkt über 100°C enthält.