(19)
(11) EP 0 292 897 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
30.11.1988  Patentblatt  1988/48

(21) Anmeldenummer: 88108163.2

(22) Anmeldetag:  20.05.1988
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4G08G 1/09
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE FR GB IT LI NL

(30) Priorität: 25.05.1987 DE 3717550

(71) Anmelder: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
80333 München (DE)

(72) Erfinder:
  • von Tomkewitsch, Romuald, Dipl.-Ing.
    D-8026 Ebenhausen (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Bewertung der in Fahrzeugen mittels einer Leit-und Informationseinrichtung gemessenen Reisezeit in einem Leit- und Informationssystem


    (57) (5 In einem Ortungs- und Navigationsrechner des Fahrzeugs ist ein digitalisierter Straßennetzplan einspeicherbar. Zwei Knoten des vermaschten Straßennetzes bilden einen Streckenabschnitt, zwei Leitpunkte eine Teilstrecke mit jeweils einer eigenen Adresse. Mit einer Reisezeitmeßeinrichtung der Leit-und Informationseinrichtung wird die Reisezeit gemessen. Pro Teilstrecke wird die in der Reisezeit enthaltene Stauzeit aus der Summe aller Zeitintervalle, bei denen die Fahrzeuggeschwindigkeit unterhalb einer vorgegebenen Grenzgeschwindigkeit liegt, berechnet. Im Ortungs- und Navigationsrechner wird die Anzahl der Verzögerungsvorgänge unterhalb der Grenzgeschwindigkeit für jede Teilstrecke gemessen und daraus ein Gewichtsfaktor gebildet. Die jeweiligen, den Stauzeiten zugehörigen Gewichtsfaktoren werden gemeinsam mit diesen zu einem zentralen Verkehrs- und Informationsleitrechner übertragen, der in Abhängigkeit von der Größe des Gewichtsfaktors die jeweilige Reise- und Stauzeit bewertet. Mit diesen bewerteten Reise- und Stauzeiten werden neue Alternativroutenempfehlungen erarbeitet und für eine Lichtsignalanlagensteuerung ausgewertet.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Bewertung der in Fahrzeugen mittels einer Leit-und Informationseinrichtung gemessenen Reisezeit in einem Leit- und Informationssystem für den Individualverkehr, mit in einem Ortungs- und Navigationsrechner der Leit- und Informationseinrichtung einspeicherbaren, digitalisierten Straßennetzplan, wobei von zwei Knoten des Straßennetzes ein Streckenabschnitt und von zwei Leitpunkten eine Teilstrecke mit jeweils einer eigenen Adresse gebildet sind und wobei mit einer Reisezeitmeßeinrichtung der Leit- und Informationseinrichtung die Reisezeit gemessen wird.

    [0002] Verkehrsleit- und Informationssysteme sind allgemein bekannt. Mit einem derartigen Leitsystem können einzelne Fahrzeuge individuell von einem jeweiligen Ausgangsort zu einem eingebbaren Zielort geführt werden. In der europäischen Patentschrift 00 21 060 ist ein Leitsystem für den Individualverkehr beschrieben, bei dem von einzelnen Leitbaken Leitinformationen für sämtliche in Betracht kommenden Fahrzeuge zyklisch an alle passierenden Fahrzeuge abgestrahlt werden. Die Auswahl der für ein bestimmtes Fahrziel geltenden Empfehlung erfolgt im Fahrzeug. Die Leitbaken sind jeweils in größeren Entfernungen voneinander angeordnet. Die Strecken zwischen ihnen werden dabei als Folge von Wegvektoren beschrieben. Dabei ist vorgesehen, daß von den Leitbaken an die Fahrzeuge jeweils Leitempfehlungen in Form einer Kette von Leitvektoren gegeben werden.

    [0003] In der europäischen Patentschrift 00 29 201 ist ein Verfahren zur Verkehrsdatenerfassung in einem Leit- und Informationssystem für den Individualverkehr beschrieben. Das bekannte Verfahren beschreibt eine Reisezeitmeßeinrichtung im Fahrzeug, mit der die Reisezeit jeweils zwischen den einzelnen Leitpunkten einer Leitvektorkette einzeln gemessen wird. Die Reisezeit innerhalb einer Teilstrecke oder eines Streckenabschnitts setzt sich aus mehreren Zeiten zusammen. Zu der reinen Fahrzeit, bei der das Fahrzeug gefahren wird, kommt noch eine Standzeit, die verkehrsbedingt sein kann, wie sie beispielsweise durch Staus bzw. Halte vor Verkehrssignalen erfolgt. Die Standzeit kann aber auch nicht verkehrsbedingt sein, wie sie beispielsweise durch Anhalten mit laufendem Motor verursacht werden kann, weil schnell Zigaretten oder eine Zeitung geholt wird oder weil beispielsweise ein Taxifahrer bei laufendem Motor den Fahrgast abkassiert. Derartig ermittelte verfälschte Reisezeiten sind jedoch nicht aussagekräftig, wenn mit Hilfe eines zentralen Leitrechners Reisezeitprognosen und situationsbedingte Routenoptimierungen erstellt werden sollen. In der obengenannten Patentschrift wurde bereits vorgeschlagen, solche unechte Reisezeiten durch eine Mittelwertsbildung der Meßwerte mehrerer Fahrzeuge zu verringern. Eine solche Glättung bedingt jedoch zwangsläufig längere Reaktionszeiten auf echte Stauungen im Straßenverkehr. Reaktionsverzögerungen sind aber unerwünscht, denn der Nutzen eines Systems zur dynamischen Verkehrsbeeinflussung hängt in hohem Maße von seinem Vermögen ab, schnell auf unerwartete Verkehrsstauungen reagieren zu können.

    [0004] Es ist daher Aufgabe der Erfindung, in einem Leit- und Informationssystem für eine Verkehrserfassung und -lenkung der obengenannten Art, bei dem die Reisezeit für jeweilige Streckenabschnitte gemessen wird, ein Verfahren anzugeben, welches gestattet, die Glaubwürdigkeit von Stauzeitmessungen zu beurteilen und auf solche Messungen, die mit großer Wahrscheinlichkeit echte Staue meiden, unverzögert durch die Empfehlung von Alternativrouten zu reagieren.

    [0005] Diese Aufgabe wird bei einem derartigen System dadurch gelöst, daß pro Teilstrecke die in der Reisezeit enthaltene Stauzeit aus der Summe aller Zeitintervalle, bei denen die Fahrzeuggeschwindigkeit unterhalb einer vorgegebenen Grenzgeschwindigkeit liegt, berechnet wird, daß im Ortungs- und Navigationsrechner die Anzahl der Verzögerungsvorgänge unterhalb der Grenzgeschwindigkeit für jede Teilstrecke gemessen und daraus ein Gewichtsfaktor gebildet wird, daß die jeweiligen, den Stauzeiten zugehörigen Gewichtsfaktoren zu einem zentralen Verkehrs- und Informationsleitrechner übertragen werden, daß in Abhängigkeit von der Größe des Gewichtsfaktors die jeweilige Reise- und Stauzeit bewertet wird, und daß mit diesen bewerteten Reise- und Stauzeiten einerseits neue alternative Routenempfehlungen erarbeitet und andererseits für Lichtsignalanlagensteuerungen ausgewertet werden.

    [0006] Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren wird durch eine Analyse der Fahrzeugbewegung ein Gewichtsfaktor gebildet, der die Glaubwürdigkeit einer Staumeldung beschreibt. Die gemessenen Stauzeiten werden in Abhängigkeit von der Größe des zugehörigen Gewichtsfaktors bewertet und lediglich Stauzeiten mit ausreichend großen Gewichtsfaktoren werden für die Weiterverarbeitung im Leitrechner herangezogen.

    [0007] Das hat den Vorteil, daß das Leit- und Informationssystem zur dynamischen Verkehrsbeeinflussung relativ frühzeitig auf echte Staus reagieren kann, indem es besondere Routenempfehlungen an die einzelnen Fahrzeuge gibt oder indem das Schaltprogramm einer Lichtsignalanlage an das tatsächliche Verkehrsaufkommen besser angepaßt wird, um die Staulängen zu reduzieren.

    [0008] Für das erfindungsgemäße Verfahren ist es zweckmäßig, zur Bildung des Gewichtsfaktors mehrere Geschwindigkeitsklassen zu bilden, die beispielsweise einen Geschwindigkeitsbereich von jeweils 5 km pro Stunde umfassen. Sechs Geschwindigkeitsbereiche ergeben eine Grenzgeschwindigkeit von 30 km pro Stunde. In vorteilhafter Weise wird nun die Anzahl der Übergänge von einem Geschwindigkeitsbereich in den nächstniedrigen Geschwindigkeitsbereich ermittelt, wobei diese Anzahl der Übergänge dem Gewichtsfaktor entsprechen.

    [0009] In einer Weiterbildung der Erfindung werden die Gewichtsfaktoren zur Bewertung der gemessenen Stauzeit normiert, indem man die Anzahl der Übergänge von einem Geschwindigkeitsbereich in einen nächst niedrigeren im Bereich einer Teilstrekke durch die Anzahl der Übergänge teilt, die sich für einen Haltevorgang aus einer Geschwindigkeit, die über der Grenzgeschwindigkeit liegt, zwangsläufig ergeben. Ist dabei der normierte Gewichtsfaktor größer oder gleich einem Grenzwert, beispielsweise zwei, so wird die zugehörige Stauzeit als echte Stauzeit bewertet. Hat der normierte Gewichtsfaktor einen Wert, der unterhalb dieses Grenzwertes, beispielsweise zwei, liegt, so kann in bekannter Weise durch eine laufende Mittelwertsbildung die Stauzeit bewertet werden.

    [0010] Zur Bewertung der gemessenen Reisezeit innerhalb eines Streckenabschnittes ist es zweckmäßig, die Gewichtsfaktoren aller Stauzeiten der einzelnen Teilstrecken, also eines Streckenabschnittes, im Verkehrs- und Informationsleitrechner zu addieren und die Größe dieses Summenfaktors für die Routenoptimierung heranzuziehen.

    [0011] Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren werden die den Stauzeitmessungen angefügten Gewichtsfaktoren zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Reisezeiten genutzt. Die Stauzeiten werden getrennt für jede Teilstrecke gemessen, welche von zwei Leit-punkten, das sind im allgemeinen zwei Signalanlagen, begrenzt werden. Reisezeiten werden im allgemeinen für ganze Streckenabschnitte, d.h. Strecken zwischen zwei Knoten im Hauptknotennetz, gemessen. Sie können mehrere Leitpunkte bzw. Lichtsignalanlagen beinhalten. Die Addition der Gewichtsfaktoren aller Stauzeiten eines Streckenabschnitts im zentralen Leitrechner ist sinnvoll, weil die Gewichtsfaktoren nichts anders sind als die Anzahl der (Norm- )Verzögerungsvorgänge bei der langsamen Fortbewegung einer aufgestauten Kolonne.

    [0012] Es ist äußerst unwahrscheinlich, daß lange Reisezeit in Verbindung mit hohen Gewichtsfaktoren auf andere als verkehrsbedingte Ursachen zurückzuführen sind. Da ein längerer Stau gewisse Zeiten benötigt, um sich auf- und abzubauen und kein individuelles Fahrverhalten mehr zuläßt, ist eine derartige mathematische Behandlung von Reisezeiten mit größeren Gewichtsfaktoren für Reisezeitprognosen nützlich, denn eine Reisezeit mit einem großen Gewichtsfaktor wird sich von Zeitintervall zu Zeitintervall nur mit Zeitkonstanten verändern können, die für jede Teilstrecke charakteristisch und durch Messungen ermittelbar sind. Es ist auch möglich, aufgrund hoher Gewichtsfaktoren unfallbedingte Störungen im Straßenverkehr automatisch zu erkennen und den Leitrechner evtl. selbsttätig Verkehrsleitmaßnahmen durchführen zu lassen.

    [0013] Anhand der Zeichnung wird das erfindungsgemäße Verfahren näher beschrieben. Dabei zeigen

    Fig. 1 schematisch das Funktionsprinzip eines Leit- und Informationssystems (ALI-SCOUT),

    Fig. 2 ein Schema eines Straßennetzes in einem begrenzten Bereich,

    Fig. 3 ein typisches Geschwindigkeitsprofil für ein Fahrzeug im Stau,

    Fig. 4 und 6 ein Geschwindigkeitsprofil im Rückstaubereich einer überlasteten Lichtsignalanlage und

    Fig. 5 und 7 ein Geschwindigkeitsprofil, verursacht durch nicht verkehrsbedingte Halte.



    [0014] In Fig.1 ist das Funktionsprinzip des Leit- und Informationssystems schematisch gezeigt. Im Fahrzeug FZ befindet sich eine Leit- und Informationseinrichtung LIE, die ein Ortungsgerät 0 mit einer Magnetfeldsonde MS und einem Radimpulsgeber RIG, sowie ein Navigationsgerät N mit einem Bediengerät BG, mit einer Reisezeitmeßeinrichtung RZM und mit einem Infrarotsender SF und einem Infrarotempfänger EF aufweist. Das Bediengerät BG weist eine Eingabetastatur ET, einen Zielspeicher ZSp und beispielsweise einen Richtungsanzeiger ANZ auf. Über den Fahrzeugsender SF des Fahrzeuges FZ werden zur Leitbake LB, die am Straßenrand beispielsweise an einem Mast SM an einer Lichtsignalanlage LSA montiert ist, die gemeinsamen Reise- und Stauzeiten einschließlich der Gewichtsfaktoren übertragen. Ebenso werden in umgekehrter Richtung von der Leitbake LB Daten zum Fahrzeug FZ übertragen und vom Fahrzeugempfänger EF empfangen. Die Leitbake LB ist mit der Bakenelektronik BE, die im Verkehrsschaltgerät VSG untergebracht sein kann, verbunden. Das Verkehrsschaltgerät VSG ist mit dem Verkehrs- und Informationsleitrechner VLR, der in einer Verkehrsleit- und Informationszentrale VLZ steht, über eine Datenleitung DL verbunden. Das bekannte Verkehrsleit- und Informationssystem braucht hier nicht weiter beschrieben zu werden.

    [0015] Fig. 2 zeigt das Schema eines Straßennetzes in einem begrenzten Bereich. Gezeigt sind die Kreuzungen bzw. Knoten K1, K2 und K3 mit jeweils einer Leitbake. Zum besseren Verständnis sind ihre Funktionen, Leitinformationen zu senden (LB1, LB2) und Zeitmeßwerte zu empfangen (MB1, MB2, MB3),getrennt dargestellt. Ein sich dem Knoten K1 - näherndes Fahrzeug FZ1 erhält von der Leitbake LB1 die Leitempfehlung, die durch die Leitpunkt LP1, LP2 bis LP5 beschriebene Route zum Knoten K2 zu benutzen. Während der Fahrt mißt die Leit-und Informationseinrichtung LIE im Fahrzeug FZ die jeweiligen Reisezeiten zwischen den erwähnten Leitpunkten LP1 bis LP5. Die gemessenen Reisezeiten überträgt es beim Passieren des Knotens K2 an die Meßbake MB2, die sie ihrerseits an den Verkehrsleitrechner VLR weiterleitet. Das Fahrzeug FZ3 wird vom Knoten K1 über die durch die Leitpunkte LP1, LP2, LP3 und LP7 zum Knoten K3 geleitet und meldet dort der Meßbake MB3, welche Teilstrecken durchfahren und welche Zeiten es auf diesen gemeinsam hat. Weitere Einzelheiten der bekannten Reisezeitmessung sind in der europäischen Patentschrift 00 29 201 beschrieben.

    [0016] Fig. 3 zeigt den typischen Verlauf eines Geschwindigkeitsprofils v = F (s) von einem sich in einer Kolonne fortbewegenden Fahrzeug. Die Geschwindigkeit v (km/h) ist über der zurückgelegten Wegstrecke s in Metern (m) aufgetragen. Dabei wird die Stauzeit tSt pro Teilstrecke aus der Summe aller Zeitintervalle tStn, tSt (n + 1) ermittelt, bei denen sich das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit fortbewegt, die unterhalb einer bestimmten Grenzgeschwindigkeit vSt liegt.

    [0017] In Fig.4 ist ebenfalls ein Geschwindigkeitsprofil eines Fahrzeugs über der Wegstrecke s an einem Beispiel für eine Meßfahrt im Rückstaubereich vor einer überlasteten Lichtsignalanlage dargestellt. Auch die Reisezeit tR ist als Funktion über den Weg s in Fig.4 eingezeichnet. Auf der Abszisse ist der Weg s in Metern (m) aufgetragen, wobei der Nullpunkt rechts eingetragen und links vom Nullpunkt (Verkehrssignalanlage) die Haltelinie HL eingezeichnet ist. Auf der rechten Ordinate ist die Geschwindigkeit v in Kilometern pro Stunde (kmih) aufgetragen. Auf der linken Koordinate ist die Reisezeit tR in Sekunden (sec) aufgetragen.

    [0018] An diesem Beispiel ist zu erkennen, daß das Fahrzeug etwa 520 m vor der Haltelinie HL auf das Ende einer aufgestauten Kolonne trifft und sich dann mit dieser entsprechend dem Schaltrhythmus der Signalanlage in zeitlichen Abständen von in diesem Beispiel ca. 60 Sekunden beschleunigend und wieder abbremsend vorwärtsbewegt (tR = F (s)). Entsprechend dazu ist die Geschwindigkeit v eingezeichnet.

    [0019] Betrachtet man nun die Fig.5, die auch ein Geschwindigkeitsprofil, für eine Meßfahrt eines Fahrzeuges zeigt, das einmal hält und dann ein zweites Mal vor einer Lichtsignalanlage an der Haltelinie HL warten muß, so erkennt man, daß eine völlig andere Situation vorliegen muß. Wie in Fig. 4 hält auch am Beispiel der Fig.5 das Fahrzeug etwa 520 m vor der Haltelinie. Es fährt aber im Gegensatz zu Fig.4 erst nach einer Zeit von ca. vier Minuten (240 sec) wieder an, bis es schließlich auch vor der Lichtsignalanlage (HL) warten muß, um nach etwa 40 weiteren Sekunden seine Fahrt fortzusetzen.

    [0020] Bei beiden Beispielen beträgt die Reisezeit etwa 360 Sekunden. Im ersten Fall (Fig.4) ist sie verkehrsbedingt, im zweiten Fall (Fig.5) dürfte sie höchstwahrscheinlich auf andere Gründe zurückzuführen sein. Im ersten Fall muß das Leitsystem auf einen verkehrsbedingten Stau erkennen und ents- T prechend reagieren, im zweiten Fall wäre dies falsch und eine Alternativroutenempfehlung unbegründet. Der typische Unterschied zwischen beiden Fahrverläufen ist augenfällig. Das Geschwindigkeitsprofil v in der Fig.4 ist gekennzeichnet durch eine relativ große Anzahl von Beschleunigungs- und Verzögerungsvorgängen. Der in Fig.5 dargestellte Geschwindigkeitsverlauf v durchläuft zwischen den beiden Halten sogar einen größeren Geschwindigkeitsbereich, weist aber erheblich weniger Wechsel auf.

    [0021] Das erfindungsgemäße Verfahren mißt daher die Anzahl der Übergänge von einer Geschwindigkeitsklasse in die nächstniedrigere und benützt diese als Gewichtsfaktor für die Bewertung der gemessenen Stauzeit. In den Figuren 6 und 7, die den Figuren 4 und 5 entsprechen, sind n = 6 Geschwindigkeitsklassen eingezeichnet, nämlich eine erste Geschwindigkeitsklasse v1, die dem Geschwindigkeitsbereich von 0 bis 5 km pro Stunde entspricht, eine zweite Klasse v2, welche dem Geschwindigkeitsbereich von 5 bis 10 km pro Stunde entspricht usw. Es sind also sechs Geschwindigkeitsklassen v1 bis v6 bis zur Grenzgeschwindigkeit vSt = 30 km/h eingetragen. Der Navigationsrechner ONR der Leit- und Informationseinrichtung LlE im Fahrzeug FZ ermittelt durch Messung der Radumdrehungen i Zeiteinheit mit dem Radimpulsgeber RIG die Anzahl der Übergänge ü von einer Geschwindigkeitsklasse in die nächstniedrige Geschwindigkeitsklasse als Gewichtsfaktor G. Diese Übergänge ü sind durch kleine Kreuzchen auf der Geschwindigkeitskurve gekennzeichnet. Es ergibt sich für das Beispiel der aufgestauten Kolonne nach Fig.6 ein ü = 39, also ein Gewichtsfaktor von G = 39. Für das Beispiel des nicht verkehrsbedingt haltenden Fahrzeugs gemäß der Fig. 7 ergeben sich 16 Übergänge (ü), also ein Gewichtsfaktor von G = 16.

    [0022] Um kleinere und anschaulichere Zahlenwerte zu bekommen, ist es zweckmäßig, einen normierten Gewichtsfaktor GN zu bilden. Die Normierung wird dabei auf die Anzahl "normaler Halte" bezogen. Verzögert ein Fahrzeug aus einer Fahrt mit einer Geschwindigkeit v = 30 km pro Stunde bis zum Stillstand, so ergeben sich bei n = 6 Geschwindigkeitsklassen v1 bis v6 insgesamt n + 1 = 7 Grenzübergänge. Der normierte Gewichtsfaktor GN ergibt sich also aus der Beziehung GN = , mit Ü = Anzahl der Grenzübergänge (entspricht dem Gewichtsfaktor G).

    [0023] Für das Beispiel der aufgestauten Kolonnen nach Fig.6 ergibt sich nach dieser Rechnung GN = 6. Für den Fall der nicht verkehrsbedingten Halte im Beispiel von Fig.7 ergibt sich GN = 2. Diese Zahlen stimmen in den beiden oben angeführten Beispielen mit der Zahl der Stops (v = 0) überein. Dies ist in den Figuren 6 und 7 mit kleinen Ringen gekennzeichnet. Man käme auch zu demselben Resultat, wenn man einfach die Anzahl der Stops zählen würde. Dies hätte aber den Nachteil, daß Fahrzeuge, die ökonomisch gefahren werden, indem sie in der Kolonne weniger beschleunigen und dafür nicht bis auf eine Geschwindigkeit von v = 0 abbremsen, bei einem Zählen der Stops einen Gewichtsfaktor von Null liefern würden. Daher wird mit dem erfindungsgemäßen Verfahren der normierte Gewichtsfaktor GN verwendet und für die Stauzeitmessung herangezogen.

    [0024] Jede Stauzeit TSt, die von dem Navigationsrechner ONR und den Reisezeitmeßeinrichtungen RZM in den Fahrzeugen FZ gemessen wird, wird mit einem Gewichtsfaktor G bzw. GN ergänzt. Dabei können die Gewichtsfaktoren relativ einfach aus der zeitlichen Dichte der Wegimpulse in dem Fahrzeug-Navigationsrechner errechnet werden. Messungen mit normierten Gewichtsfaktoren von 0 und 1 werden zweckmäßigerweise durch eine laufende Mittelwertsbildung behandelt, wie bereits bekannt. In grünen Wellen kann die Häufigkeit des Auftretens von normierten Gewichtsfaktoren GN >- 1 für eine erste überschlägige Beurteilung für die Qualität der grünen Welle dienen.

    [0025] Gewichtsfaktoren von GN k 2 besagen, daß Fahrzeuge, die bei Rotsignal in den Rückstaubereich einer Kreuzung einfahren, diese beim nächsten Grün noch nicht passieren können. Deshalb werden Gewichtsfaktoren von GN k- 2 herangezogen, um für alle Zufahrten der betreffenden Lichtsignalanlage Stauzeitganglinien im Verkehrsleitrechner aufzuzeichnen. Markant unterschiedliche Gewichtsfaktoren für die Verkehrsströme einer Kreuzung können ein eindeutiges Indiz im Gegensatz zur normal gemessenen Stauzeit dafür sein, daß die Grünzeitverteilung nicht mehr dem tatsächlichen Verkehrsaufkommen entspricht.

    [0026] Mit den den Stauzeitmessungen angefügten Gewichtsfaktoren wird auch die gemessene Reisezeit bewertet. Die Stauzeiten werden getrennt für jede Teilstrecke gemessen, die von zwei Leitpunkten begrenzt ist. Die Reisezeit wird für ganze Streckenabschnitte, d.h. die Strecke zwischen zwei Knoten im Straßennetz, gemessen. Die Reisezeiten können mehrere Leitpunkte bzw. Lichtsignalanlagen beinhalten. Es werden die Gewichtsfaktoren aller Stauzeiten eines Streckenabschnitts im zentralen Leitrechner addiert. Eine Addition ist sinnvoll, weil die Gewichtsfaktoren nichts anderes sind als die Anzahl der (Norm)Verzögerungsvorgänge bei einer aufgestauten Kolonne. Indirekt läßt sich daraus auch die Länge eines Staus ableiten, wenn man unterstellt, daß der dargestellte Geschwindigkeitsverlauf v für eine aufgestaute Kolonne gemäß der Fig.4 typisch ist, und daß dabei ein Schaltzyklus der Signalanlage von z.B. 60 Sekunden häufig vorkommt, so ist ersichtlich, daß sich Gewichtsfaktor GN in je etwa 100 m Staulänge um einen Wert erhöht. Die Summe der Gewichtsfaktoren für einen Streckenabschnitt bzw. eine Teilstrecke kann demnach als indirektes Maß für die Menge der aufgestauten Fahrzeuge auf dieser Strecke dienen.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Bewertung der in Fahrzeugen (FZ) mittels einer Leit- und Informationseinrichtung (LIE) gemessenen Reisezeit (TR) in einem Leit-und Informationssystem für den Individualverkehr, mit in einem Ortungs- und Navigationsrechner (ONR) der Leit- und Informationseinrichtung (LIE) einspeicherbaren, digitalisierten Straßennetzplan, wobei von zwei Knoten (K1,K2,...) des vermaschten Straßennetzes ein Streckenabschnitt und von zwei Leitpunkten (LP1, LP2,...) eine Teilstrecke mit jeweils einer eigenen Adresse gebildet sind und wobei mit einer Reisezeitmeßeinrichtung (RZM) der Leit- und Informationseinrichtung (LIE) die Reisezeit (TR) gemessen wird,
    dadurch gekennzeichnet, daß pro Teilstrecke die in der Reisezeit (TR) enthaltene Stauzeit (TSt) aus der Summe aller Zeitintervalle (tSt1, tSt2,...), bei denen die Fahrzeuggeschwindigkeit (v) unterhalb einer vorgegebenen Grenzgeschwindigkeit (vSt) liegt, berechnet wird, daß im Ortungs- und Navigationsrechner (ONR) die Anzahl der Verzögerungsvorgänge unterhalb der Grenzgeschwindigkeit (vSt) für jede Teilstrecke gemessen und daraus ein Gewichtsfaktor (G) gebildet wird, daß die jeweiligen, den Stauzeiten (TSt) zugehörigen Gewichtsfaktoren (G) gemeinsam mit diesen zu einem zentralen Verkehrs- und Informationsleitrechner (VLR) übertragen werden, daß in Abhängigkeit von der Größe des Gewichtsfaktors die jeweilige Reise-und Stauzeit bewertet wird, und daß mit diesen bewerteten Reise- und Stauzeiten einerseits neue Alternativroutenempfehlungen erarbeitet und andererseits für eine Lichtsignalanlagensteuerung ausgewertet werden.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1,
    dadurch gekennzeichnet, daß zur Bildung des Gewichtsfaktors (G) mehrere (n) Geschwindigkeitsklassen (v1 bis vn) gebildet und die Anzahl der Übergänge (ü) in die jeweils nächstniedrigere Geschwindigkeitsklasse ermittelt wird, wobei die Anzahl der Übergänge (ü) dem Gewichtsfaktor (G) entspricht.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2,
    dadurch gekennzeichnet, daß aus der Anzahl (n + 1) der Grenzübergänge der Geschwindigkeitsklassen (v1 bis vn) und aus dem Gewichtsfaktor (G

    ü) ein normierter Gewichtsfaktor (GN) nach folgender Beziehung
    berechnet wird, und daß normierte Gewichtsfaktoren GN, die größer als ein bestimmter oder gleich einem bestimmten Grenzwert (z.B. 2) sind, die zugehörige Stauzeit (TSt) als echte Stauzeit ausweisen, und dadurch eine unverzügliche Reaktion des Verkehrsleitrechners VLR zur Beeinflussung von Lichtsignalanlagen auslösen.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 3,
    dadurch gekennzeichnet, daß die gemessenen Stauzeiten (TSt) mit einem zugehörigen normierten Gewichtsfaktor (GN), der unterhalb des bestimmten Grenzwerts (z.B. 2) ist, durch eine laufende Mittelwertsbildung bewertet werden, wodurch ein unerwünschter Einfluß nicht verkehrsbedingter Haltevorgänge beschränkt wird.
     
    5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
    dadurch gekennzeichnet, daß mit den Gewichtsfaktoren (G bzw. GN) der zugehörigen Stauzeiten (TSt) die gemessene Reisezeit (TR) innerhalb eines Streckenabschnittes bewertet wird, indem die Gewichtsfaktoren aller Stauzeiten der einzelnen Teilstrecken im Verkehrs- und Informationsleitrechner addiert werden, und daß in Abhängigkeit von der Größe dieses berechneten Summenfaktors die Reaktion des zentralen Verkehrsleitrechners (VLR) auf überhöhten Reisezeiten bei der Alternativroutenauswahl beschleunigt wird.
     




    Zeichnung