(19)
(11) EP 0 313 736 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
03.05.1989  Patentblatt  1989/18

(21) Anmeldenummer: 88112010.9

(22) Anmeldetag:  26.07.1988
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4D01F 9/12, D01F 9/145
(84) Benannte Vertragsstaaten:
DE FR GB NL

(30) Priorität: 28.10.1987 DE 3736494

(71) Anmelder: RÜTGERSWERKE AKTIENGESELLSCHAFT
60326 Frankfurt (DE)

(72) Erfinder:
  • Beneke, Herbert, Dr.
    D-4620 Castrop-Rauxel (DE)
  • Collin, Gerd, Dr.
    D-4100 Duisburg (DE)
  • Meinbreckse, Manfred Dipl.-Ing.
    D-6382 Friedrichsdorf (DE)
  • Wilhelm, Gerhard, Dr.
    D-6802 Ladenburg (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung von Kohlenstoffasern


    (57) Zur Senkung der Spinntemperatur wird vorgeschlagen, das bituminöse hochschmelzende Kohlenstoffaser-Vorprodukt vor dem Verspinnen mit einem im überkritischen Zustand befindlichem Alkohol zu mischen. Überraschenderweise entstehen in der Faser keine Gas- oder Feststoffeinschlüsse. Die Feststoffneubildung wird mit dem erfindungsgemäßen Verfahren verhindert.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Kohlenstoffasern aus hochsiedenden bituminösen Stoffen wie beispielsweise Steinkohlenteerpech, Petrolpech, Rückstandsölen der Kohleverflüssigung und Synthesepechen.
    Verfahren dieser Art sind an sich bekannt. Die bituminösen Stoffe werden gereinigt und gegebenenfalls nach einer Vorbehandlung polymerisiert. Dabei entsteht ein Mesophasenpech mit unterschiedlichen Mengen an anisotropen Pechbestandteilen, aus dem die leichter flüchtigen und die isotropen Bestandteile zumindest teilweise entfernt werden müssen, um ein Kohlenstoffaser-Vorprodukt mit hohem optisch anisotropem Anteil zu erhalten.
    Dieses Vorprodukt muß folgenden Anforderungen genügen:

    a) Der Anteil an Feststoffen sollte gering sein, damit es beim Verspinnen nicht zu Fadenbrüchen kommt.

    b) Unter Spinnbedingungen darf es nicht zu einer Gasentwicklung kommen, um Fadenbrüche zu vermeiden.

    c) Die Viskosität sollte bei hohem Verkokungsrückstand niedrig sein, damit das Vorprodukt bei Temperaturen versponnen werden kann, die deutlich unter der Polymerisationstemperatur liegen.



    [0002] Das Vorprodukt wird meist über einen Extruder versponnen, und der Pechfaden durch Oxidation unschmelzbar gemacht, carbonisiert und gegebenenfalls graphitiert.
    Die Reinigung des bituminösen Stoffes kann durch Filtration oder Extraktion mit gegebenenfalls anschließendem Abdestillieren des Lösungsmittels erfolgen. Diese Verfahrensstufe ist nicht kritisch und wird technisch beherrscht.
    Die Polymerisation wird bei erhöhter Temperatur mit oder ohne Katalysator durchgeführt. Die Bedingungen sind so zu wählen, daß möglichst wenig Chinolinunlösliches (QI) aber ein hoher Anteil an optisch anisotropem Material entsteht. Die Neigung zur QI-Bildung kann durch vorheriges Hydrieren vermindert werden. Die Katalysatoren müssen, soweit welche verwendet werden, restlos aus dem Mesophasenpech entfernt werden.

    [0003] Um bereits bei der Polymerisation einen ausreichend hohen Anteil an anisotropem Material zu erhalten, kann dieser Verfahrensschritt unter hohem Vakuum oder unter Einleiten eines Trägergases durchgeführt werden. Die Neubildung von Chinolinunlöslichem läßt sich jedoch nicht vollständig vermeiden, so daß sich häufig an die Polymerisation noch eine Extraktionsstufe anschließen muß. Das verwendete Lösungsmittel muß unter schonenden Bedingungen restlos aus dem Kohlenstoffaser-Vorprodukt destillativ entfernt werden.
    Als Rückstand verbleibt eine bei Temperaturen oberhalb etwa 250 °C schmelzende hochviskose Masse, die bei ca. 100 K höheren Temperaturen versponnen wird.
    Spinntemperaturen bis etwa 400 °C sind durchaus üblich. Dabei polymerisiert das Vorprodukt weiter, und es besteht die Gefahr, daß sich Feststoffe bilden, die zu Fadenbrüchen führen oder sogar die Spinndüsen verstopfen. Hohe Fließpunkte sind aber notwendig, damit die Pechfäden bei dem bei Temperaturen oberhalb 200 °C beginnenden Oxydationsprozeß noch eine ausreichende Festigkeit besitzen und nicht verkleben. Dieses Problem ist bisher nicht zufriedenstellend gelöst. Es ist vielmehr als Hauptgrund dafür anzusehen, daß die Herstellung von Kohlenstoffasern aus Pech bisher sich großtechnisch nicht hat durchsetzen können.

    [0004] Es besteht daher die Aufgabe, ein Verfahren zur Herstellung von Kohlenstoffasern zu entwicklen, bei dem das hochschmelzende Vorprodukt bei vergleichbar niedrigen Temperaturen versponnen werden kann.

    [0005] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß dem Kohlenstoffaser-Vorprodukt unmittelbar vor dem Verspinnen 2 bis 10 Gew.-% eines Lösungsmittels, das unter normalen Bedingungen in dem Vorprodukt nicht oder nur in sehr geringem Maße löslich ist, zugegeben und unter Bedingungen, unter denen das Lösungsmittel im überkritischem Zustand vorliegt, mit diesem vermischt wird, wobei die Mischzeit mindestens 10 min beträgt. Als Lösungsmittel können beispielsweise hochsiedende Alkohole, Wasser usw. verwendet werden, die unter 100 °C bei Normaldruck in flüssiger Form vorliegen. Durch seinen überkritischen Zustand löst sich das Lösungsmittel vollständig und homogen in dem Vorprodukt.

    [0006] Überraschenderweise wurde gefunden, daß es auch innerhalb eines Zeitraumes von etwa 15 min beim Verspinnen nicht zu einer Entmischung kommt. Das Vorprodukt ließ sich länger als 60 min ohne Fadenbruch bei nicht mehr als 30 K über dem Schmelzpunkt liegenden Temperaturen zu 10 µm dicken Fasern verspinnen. Auch nach tagelangen Dauerversuchen zeigten die Spinndüsen keine Verstopfungen. Beim Oxydationsprozeß diffundiert der überwiegende Teil des Lösungsmittels aus der Faser, ohne daß in der Faser bleibende Gasblasen gefunden werden.

    [0007] Die Erfindung wird anhand des nachfolgenden Beispiels näher erläutert:

    Beispiel 1



    [0008] 100 Gew.-Teile eines Kohlenstoffaser-Vorprodukts aus Steinkohlenteer mit folgenden Eigenschaften:

    werden unter einem Stickstoffdruck von 50 bar in einem Rührwerk auf 360 °C aufgeheizt. Unter intensivem Rühren werden innerhalb von 10 min 40 Gew.-Teile Heptanol gleichmäßig zudosiert und über weitere 10 min intensiv mit dem Vorprodukt gemischt. Das Gemisch wird auf 320 °C abgekühlt und über einen Doppelwellenextruder mit einer Düsenplatte innerhalb von 15 min mit einer Abzugsgeschwindigkeit von 500 m/min versponnen. Die Düsenplatte hat 6 Bohrungen mit einem Durchmesser von 0,8 mm. Die 10 µm dicken Pechfäden werden gekühlt und aufgewickelt. In einem zweiten Rührwerk wird gleichzeitig ein weiterer Ansatz für das Verspinnen vorbereitet, so daß der Spinnversuch ohne Unterbrechung weitergeführt werden kann.
    Der Versuch wird nach 1 1/4 h abgebrochen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist kein Fadenbruch aufgetreten. Die Pechfasern werden in Luft mit 3 K/min bis auf 150 °C und dann mit 1 K/min bis auf 300 °C erhitzt und diese Temperatur 30 min lang erhalten, um die Fasern durch Oxidation zu stabilisieren. Die stabilisierten Fasern werden anschließend in einer Stickstoffatmosphäre mit 5 K/min bis auf 1000 °C aufgeheizt und diese Temperatur 30 min lang gehalten, um die Fasern zu carbonisieren.

    [0009] Die carbonisierten Fasern werden in einem Argonstrom mit einer Temperatursteigerung von 25 K/min bis 2500 °C graphitiert. Die Zugfestigkeit betrug 2,5 kN/mm² bei einem Elastizitäts-Modul von 0,4 MN/mm². An den Bruchstellen sind keine sichtbaren Gas- oder Feststoffeinschlüsse erkennbar.

    Beispiel 2 (Vergleich)



    [0010] Das gleiche Kohlenstoffaser-Vorprodukt wie in Beispiel 1 wird auf 320 °C erhitzt und direkt dem Extruder mit Düsenplatte zugeführt. Die Zähigkeit war so hoch, daß der Scherbolzen des Extruderantriebs abriß. Es trat kein Pech aus der Düsenplatte aus.

    Beispiel 3 (Vergleich)



    [0011] Der im Beispiel 2 beschriebene Versuch wurde bei jeweils nur 20 K erhöhter Temperatur wiederholt. Bei einer Temperatur von 400 °C gelang es, Pechfäden mit einer Abzugsgeschwindigkeit von 300 K/min zu spinnen. Die Fasern hatten einen Durchmesser von 15 µm. Nach 8 min trat jedoch bereits ein Fadenbruch auf. Der Versuch wurde fortgesetzt. Nach 4 h hatte sich die Düsenplatte jedoch mit Feststoffen zugesetzt, so daß der Versuch abgebrochen werden mußte, um Extruder und Düsenplatte zu reinigen.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Herstellung von Kohlenstoffasern aus hochsiedenden bituminösen Stoffen, aus denen durch Reinigung, Polymerisation, gegebenenfalls nach einer Vorbehandlung, und Aufkonzentration ein Kohlenstoffaser-Vorprodukt hergestellt wird, das, zu Fasern versponnen, oxydiert, carbonisiert und gegebenenfalls graphitiert wird, dadurch gekennzeichnet, daß dem Kohlenstoffaser-Vorprodukt unmittelbar vor dem Verspinnen 2 bis 10 Gew.-% eines Lösungsmittels, das unter normalen Bedingungen in dem Vorprodukt nicht oder nur in sehr geringem Maße löslich ist, zugegeben und unter Bedingungen, unter denen das Lösungsmittel im überkritischem Zustand vorliegt, mit diesem vermischt wird, wobei die Mischzeit mindestens 10 min beträgt.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Lösungsmittel ein hochsiedender Alkohol ist.
     
    3. Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß das fertige Gemisch aus Kohlenstoffaser-Vorprodukt und Lösungsmittel bei einer Temperatur von nicht mehr als 30 K oberhalb des Schmelzpunktes des Vorproduktes innerhalb 15 min versponnen wird.