[0001] Die Erfindung betrifft hochfeste vollaustenitische Chrom-Nickel-Stähle mit mindestens
50 % oberhalb der Stickstofflöslichkeitsgrenze bei Normaldruck liegenden Stickstoffgehalten,
die bei 1050 °C bis 1200 °C einer Lösungsglühung unterzogen und anschließend in Wasser
abgeschreckt werden.
[0002] In den letzten Jahren sind die Anforderungen an Bauteile aus austenitischen Chrom-Nickel-Stählen,
besonders im Bereich der Energietechnik und der chemischen Industrie, stark angestiegen.
Man ist deshalb seit langem bemüht, die Dehngrenzenwerte solcher Stähle auf mehr als
600 N/mm² zu erhöhen.
[0003] Es ist bekannt, daß Stickstoff in hochlegierten austenitischen Chrom-Nickel-Stählen
den Drehngrenzenwert R
p0,2 erheblich verbessert. Beim Erschmelzen solcher Stähle unter Normaldruck darf der
Schmelze jedoch nicht mehr Stickstoff zugeführt werden, als es der Stickstofflöslichkeitsgrenze
des jeweiligen Stahles bei Normaldruck entspricht. Andernfalls kommt es zur Ausbildung
von Gasblasen im erstarrten Block. Die Stickstofflöslichkeitsgrenze ist von dem Gehalt
des Stahles an bestimmten Legierungselementen, die die Stickstofflöslichkeit erhöhen
(z.B. Chrom, Mangan, Molybdän) bzw. erniedrigen (z.B. Nickel), abhängig.
[0004] Einer der bekanntesten Stähle, in welchen durch Abstimmung der chemischen Zusammensetzung
bei Normaldruck hohe Stickstoffgehalte eingebracht werden, ist der Chrom-Nickel-Stahl
mit der Werkstoff-Nr. 1.3964 (Stahl-Eisen-Liste, 7. Auflage, Seite 88/89). Bei der
Richtanalyse 0,05 Gew.-% Kohlenstoff, 1 Gew.-% Silizium, 6 Gew.-% Mangan, 21 Gew.-%
Chrom, 3,5 Gew.-% Molybdän, 17 Gew.-% Nickel, 0,35 Gew.-% Stickstoff, Rest Eisen werden
nach Lösungsglühen bei 1100 °C und anschließendem Abschrecken in Wasser Dehngrenzenwerte
R
p0,2 von ca. 430 N/mm² erzielt. Im Vergleich dazu weisen stickstofffreie austenitische
Chrom-Nickel-Stähle dieses Legierungstyps nur Dehngrenzenwerte RP
p0,2µm 270 N/mm² auf.
[0005] Mit Hilfe eines in der DE-PS 2 924 415 beschriebenen Verfahrens können beim Elektroschlackeumschmelzen
unter Überdruck in hochlegierten Stählen durch Zugabe von stickstoffhaltigem Silizium-Nitrid
reproduzierbar Stickstoffgehalte eingestellt werden, die weit oberhalb der Stickstofflöslichkeitsgrenze
bei Normaldruck liegen. Ohne merkliche Verringerung der Zähigkeitswerte werden dadurch
z. B. in austenitischen Stählen mit chemischen Zusammensetzungen ähnlich jenen des
Stahles 1.3964 durch Einstellung von Stickstoffgehalten > 0,75 Gew.-% die R
p0,2 Dehngrenzen auf Werte oberhalb von 600 N/mm² angehoben. Darüber hinaus werden das
Langzeitverhalten bei Raumtemperatur und höheren Temperaturen sowie die Korrosionsbeständigkeit
dieser Stähle herausragend verbessert.
[0006] Für eine noch deutlichere Erhöhung der Dehngrenzenwerte R
p0,2 auf mehr als 700 N/mm² ist in Chrom-Nickel-Stählen die Einstellung von Stickstoffgehalten
oberhalb von 0,85 Gew.-% erforderlich.Hierzu müssen jedoch große Mengen an Siliziumnitrid
beim Umschmelzen in die Schlacke eingebracht werden. Aus der Praxis des Elektroschlackeumschmelzens
ist bekannt, daß mit steigenden Mengen an Legierungszusätzen in die Schlacke erhebliche
qualitative und wirtschaftliche Nachteile für das Produkt entstehen.
[0007] Der Erfindung liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, austenitische Chrom-Nickel-Stähle
anzugeben, die in Gegenwart von Stickstoffgehalten, die mindestens 50% oberhalb der
Stickstofflöslichkeitsgrenze bei Normaldruck liegen, Dehngrenzenwerte von mehr als
600N/mm² aufweisen und deren Stickstoffgehalt im Bereich oberhalb des genannten Mindestgehalts
möglichst gering ist.
[0008] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß austenitische Chrom-Nickel-Stähle
mit mindestens 50 % oberhalb der Stickstofflöslichkeitsgrenze bei Normaldruck liegenden
Stickstoffgehalten, die bei 1050 °C bis 1200 °C einer Lösungsglühung unterzogen und
anschließend in Wasser abgeschreckt werden, bei einem Stickstoffgehalt von 0,5 bis
1,5 Gew.-% einen Kobaltgehalt von 6 bis 12 Gew.-% aufweisen mit der Maßgabe, daß der
Nickelgehalt geringer als 5 Gew.-% ist. Derartige Chrom-Nickel-Stähle weisen dadurch,
daß das Legierungselement Nickel in den angegebenen Gehaltsgrenzen durch das Legierungselement
Kobalt substituiert wird, wesentliche höhere Dehngrenzenwerte R
p0,2 auf als kobaltfreie austenitische Chrom-Nickel-Stähle im gleichen Wärmebehandlungszustand
und mit gleichem Stickstoffgehalt.
[0009] Der Gegenstand der Erfindung wird nachfolgend anhand von zwei Ausführungsbeispielen
näher erläutert. Die Tabellen 1 und 2 sowie die Fig. 1 zeigen hierzu:
Tabelle 1 |
den Vergleich der mechanischen Eigenschaften eines Chrom-Nickel-Stahles und eines
Chrom-Nickel-Kobalt-Stahles mit Stickstoffgehalten größer als 0,5 Gew.-%, |
Tabelle 2 |
den Vergleich der mechanischen Eigenschaften eines Chrom-Nickel-Stahles und eines
Chrom-Nickel-Kobalt-Stahles mit Stickstoffgehalten größer als 0,7 Gew.-%, |
Fig. 1 |
die Abhängigkeit der Dehngrenzenwerte Rp0,2 vom Stickstoffgehalt des Stahles für verschiedene Kobalt- und Nickelstähle. |
[0010] Die in Tabelle 1 und 2 aufgeführten Stähle wurden mit Hilfe des Druckelektroschlackeumschmelzverfahrens
hergestellt. Während des Umschmelzens wurde den Stählen zur Einstellung des gewünschten
Stickstoffgehaltes kontinuierlich Silizium-Nitrid unter Überdruck zugesetzt. Die Stähle
wurden anschließend einem Lösungsglühen bei 1150 °C unterzogen und dann in Wasser
abgeschreckt.
[0011] Bei dem in Tabelle 1 angegebenen Chrom-Nickel-Stahl (mit der Bezeichnung Ni-Stahl)
beträgt die Stickstofflöslichkeitsgrenze bei 1 bar und 1600 °C 0,27 Gew.-%. Durch
das Elektroschlackeumschmelzen unter Überdruck konnte ein Stickstoffgehalt von 0,56
Gew.-% eingestellt werden. Der Stickstoffgehalt liegt somit um mehr als 50% oberhalb
der Stickstofflöslichkeitsgrenze. Der Dehngrenzenwert R
p0,2 des Stahls beträgt 510 N/mm².
Bei dem unter sonst gleichen Bedingungen hergestellten, nur 0,43 Gew.-% Nickel enthaltenden
Chrom-Kobalt-Stahl (mit der Bezeichnung Co-Stahl), der den gleichen Stickstoffgehalt
(0,56 Gew.-%) aufweist und dessen Stickstofflöslichkeitsgrenze (0,22 Gew.-% bei 1
bar 1600 °C) ebenfalls um mehr als 50% überschritten wurde, beträgt der Dehngrenzenwert
R
p0,2 630 N/mm²: Er liegt also um mehr als 100 N/mm² höher als derjenige des vergleichbaren
Chrom-Nickel-Stahls.
[0012] Bei dem in Tabelle 2 angegebenen Chrom-Nickel-Stahl (Ni-Stahl) beträgt der Stickstoffgehalt
0,79 Gew.-%. Die Stickstofflöslichkeitsgrenze dieses Stahls liegt bei 0,33 Gew.-%
(1 bar und 1600 °C) und wurde somit um mehr als 50% überschritten. Der Stahl besitzt
einen Dehngrenzenwert von 640 N/mm². Ein Chrom-Kobalt-Stahl (Co-Stahl) mit einem Nickelgehalt
von 0,52 Gew.-% und etwa gleich großem Stickstoffgehalt (0,78 Gew.-%), bei dem die
Stickstofflöslichkeitsgrenze (0,24 Gew.-% bei 1 bar 1600 °C) ebenfalls um mehr als
50% überschritten wurde, weist dagegen einen Dehngrenzenwert von 755 N/mm² auf. Auch
bei diesem Stahl ist der Dehngrenzenwert durch die erfindungsgemäße Substitution des
Legierungselementes Nickel durch Kobalt um etwa 100 N/mm² erhöht.
[0013] In Fig. 1 sind Dehngrenzenwerte R
p0,2 für verschiedene Kobalt- und Nickel-Stähle in Abhängigkeit vom Stickstoffgehalt des
Stahls dargestellt. Aus dieser Übersicht, wie auch aus den Ausführungsbeispielen,
geht hervor, daß die kobalthaltigen Stähle bei ungefähr gleichem Stickstoffgehalt
um mehr als 100 N/mm² höhere Dehngrenzenwerte aufweisen als die nickelhaltigen, kobaltfreien
Stähle.
[0014] Unter "Stickstofflöslichkeit bei Normaldruck" ([%N]

) wird der Stickstoffgehalt des Stahles verstanden, der entsprechend der Formel

aus der Stickstofflöslichkeit des reinen Eisens ([%N]
Fe) und dem Wechselwirkungskoeffizienten (f
,Y...) der Mehrstofflegierung berechnet wird.Für die Berechnung wurden Daten verwendet,
die bei einer Temperatur von 1600 °C und einem Druck von 1 bar experimentell ermittelt
wurden. Die Werte wurden der Datensammlung von Gmelin-Durrer (Bd. 5, S. 159a/160a,
Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1978) entnommen.
Tabelle 1
|
chemische Zusammensetzung in % |
Stickstofflöslichkeitsgrenze |
mechanische Eigenschaften |
|
C |
Si |
Mn |
Cr |
Ni |
Co |
Mo |
Nb |
N |
bei 1 bar und 1600 °C |
Rp0,2 N/mm² |
Rm N/mm² |
A₅ % |
Z % |
aK J |
E-Modul · 10⁵ |
Ni-Stahl |
0,05 |
0,70 |
3,37 |
20,40 |
15,70 |
---- |
3,06 |
0,15 |
0,56 |
0,27 |
510 |
910 |
52 |
70 |
180 |
1,8 |
Co-Stahl |
0,06 |
1,05 |
2,62 |
17,95 |
0,43 |
11,30 |
3,70 |
0,18 |
0,56 |
0,22 |
630 |
1050 |
51 |
70 |
150 |
2,16 |
Wärmebehandlung: 1150 °C/H₂O |
Tabelle 2
|
chemische Zusammensetzung in % |
Stickstofflöslichkeitsgrenze |
mechanische Eigenschaften |
|
C |
Si |
Mn |
Cr |
Ni |
Co |
Mo |
Nb |
N |
bei 1 bar und 1600 °C |
Rp0,2 N/mm² |
Rm N/mm² |
A₅ % |
Z % |
aK J |
E-Modul · 10⁵ |
Ni-Stahl |
0,05 |
1,75 |
4,75 |
20,80 |
7,2 |
--- |
2,8 |
0,27 |
0,79 |
0,33 |
640 |
1070 |
42 |
72 |
114 |
2,01 |
Co-Stahl |
0,03 |
1,82 |
3,05 |
19,02 |
0,52 |
7,5 |
2,5 |
0,12 |
0,78 |
0,24 |
755 |
1180 |
39 |
65 |
110 |
2,18 |
Wärmebehandlung: 1150 °C/H₂O |
1. Hochfeste vollaustenitische Chrom-Nickel-Stähle mit mindestens 50 % oberhalb der
Stickstofflöslichkeitsgrenze bei Normaldruck liegendend Stickstoffgehalten, die bei
1050 °C bis 1200 °C einer Lösungsglühung unterzogen und anschließen in Wasser abgeschreckt
werden,
dadurch gekennzeichnet,
daß sie bei einem Stickstoffgehalt von 0,5 bis 1,5 Gew.-% einen Kobaltgehalt von 6
bis 12 Gew.-% aufweisen mit der Maßgabe, daß der Nickelgehalt geringer als 5 Gew.-%
ist.
2. Hochfeste vollaustenitische Chrom-Nickel-Stähle nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
daß ihr Nickelgehalt zwischen 0,2 und 3 Gew.-% liegt.
3. Hochfeste vollaustenitische Chrom-Nickel-Stähle nach einem der Ansprüche 1 bis
2, dadurch gekennzeichnet, daß sie als weitere Legierungsbestandteile 0,01 bis 0,1
Gew.-% Kohlenstoff, 0,5 bis 2 Gew.-% Silizium, 0,5 bis 8 Gew.-% Mangan, 15 bis 25
Gew.-% Chrom, 0,5 bis 5 Gew.-% Molybdän, 0 bis 0,5 Gew.-% Niob, 0 bis 0,5 Gew.-% Vanadium,
0 bis 3 Gew.-% Wolfram, 0 bis 0,2 Gew.-% Cerium, 0 bis 0,1 Gew.-% Bor, 0 bis 0,5 Gew.-%
Tantal, 0 bis 0,5 Gew.-% Titan, Rest Eisen sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen
enthalten.