(19)
(11) EP 0 318 875 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
07.06.1989  Patentblatt  1989/23

(21) Anmeldenummer: 88119746.1

(22) Anmeldetag:  26.11.1988
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4C22F 1/00, C21D 1/00, C21D 6/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
DE FR GB IT

(30) Priorität: 05.12.1987 DE 3741290

(71) Anmelder: GKSS-FORSCHUNGSZENTRUM GEESTHACHT GMBH
D-21502 Geesthacht (DE)

(72) Erfinder:
  • Gerling, Rainer, Dr.
    D-2057 Reinbek (DE)
  • Schimansky, Frank-Peter, Dr.
    D-2054 Geesthacht (DE)

(74) Vertreter: Niedmers, Ole, Dipl.-Phys. et al
Patentanwälte Niedmers & Partner Stahltwiete 23
22761 Hamburg
22761 Hamburg (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Wiederherstellung der Verformbarkeit von versprädeten amorphen Legierungen


    (57) Es wird ein Verfahren zur Wiederherstellung der Verform­barkeit von versprödeten amorphen Legierungen vorgeschla­gen. Bei der Ausführung des Verfahrens wird die Legierung zunächst über ein bestimmtes Zeitintervall Δt₁ einer Temperatur T₁ ausgesetzt. Nachfolgend wird die Legierung über ein bestimmtes Zeitintervall Δt₂ schockartig einer Temperatur T₂ ausgesetzt. Die Temperatur T₁ ist größer als die Temperatur T₂.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Wiederherstel­lung der Verformbarkeit von versprödeten amorphen Legie­rungen.

    [0002] Es ist bekannt, daß amorphe Legierungen, die einer erhöh­ten Temperatur ausgesetzt sind, verspröden, wobei eine Versprödung der amorphen Legierungen auch schon während des Herstellungsprozesses eintreten kann. Um bestimmte magnetische Eigenschaften der amorphen Legierungen zu erreichen, werden diese bei bestimmten Temperaturen be­handelt. Diese Temperaturbehandlung hat jedoch zur Folge, daß die Legierung versprödet mit der nachteiligen Folge, daß magnetisch optimierte amorphe Legierungen nicht mehr mechanisch bearbeitet werden können.

    [0003] Ein weiterer Nachteil der bisher bekannten Art der Her­stellung von amorphen Legierungen besteht darin, daß bei­spielsweise aus den Legierungen hergestellte flache Bän­der oberhalb einer bestimmten Banddicke derart spröde sind, daß sie nur noch bedingt verformbar sind, obwohl es für bestimmte Anwendungszwecke wünschenswert wäre, daß bei großer Banddicke dennoch eine gute Verformbarkeit gewährleistet ist.

    [0004] Zwar ist es bisher auch grundsätzlich schon möglich, bei der Herstellung oder infolge thermischer Behandlung ver­sprödete amorphe Legierungen wieder verformbar zu machen, indem diese einer Teilchenstrahlung aus Neutronen oder leichten Ionen ausgesetzt wird, diese bekannte Methode hat jedoch einen erheblichen Nachteil, da während der Teilchenbestrahlung die amorphen Legierungen radioaktiv werden, so daß eine Weiterverarbeitung praktisch nicht mehr möglich ist. Für nahezu alle Einsatzarten der amorphen Legierungen scheidet somit dieses Verfahren aus.

    [0005] Es ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung ein Verfahren zu schaffen, mit dem auf sehr wirtschaftliche Weise sprö­de bzw. versprödete amorphe Legierungen ohne grundsätz­liche Veränderung ihrer Legierungseigenschaften und ohne Beschränkung ihrer Verwendungsmöglichkeiten wieder ver­formbar gemacht werden können, wobei das Verfahren grund­sätzlich auf alle amorphen Legierungen anwendbar ist.

    [0006] Gelöst wird die Aufgabe gemäß der Erfindung dadurch, daß die Legierung über ein bestimmtes Zeitintervall Δt₁ einer Temperatur T₁ ausgesetzt wird und nachfolgend über ein bestimmtes Zeitintervall Δt₂ schockartig einer Temperatur T₂ ausgesetzt wird, wobei die Temperatur T₁ größer als die Temperatur T₂ ist.

    [0007] Der Vorteil des Verfahrens liegt darin, daß amorphe Le­gierungen, die magnetisch optimiert wurden und dadurch bisher irreversibel spröde wurden, nun nach der erfolgten magnetischen Optimierung wiederum verformbar gemacht wer­den können, ohne daß die magnetischen Eigenschaften be­einflußt werden. Ein weiterer Vorteil ist, daß die Legierungen nach Ausführung des Verfahrens ohne Einbußen mechanisch bearbeitet werden können, beispielsweise durch stanzen, bohren, schleifen, biegen, wickeln usw. Mit dem Verfahren können amorphe Legierungen wieder verformbar gemacht werden, die während des Herstellungsprozesses versprödeten. Alle genannten Vorteile sind von hohem Nutzen.

    [0008] Gemäß einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung ist in Abhängigkeit des Grades der Versprödung der Legierung die Temperatur T₁ unterschiedlich wählbar, wobei die Tem­peratur T₁ auch von der Zusammensetzung der Legierung abhängt.

    [0009] Vorteilhafterweise liegt in Abhängigkeit des Grades der Versprödung der Legierung die Temperatur T₁ zwischen 200 und 600°C.

    [0010] Vorzugsweise wird in Abhängigkeit des Grades der Versprö­dung der Legierung und/oder in Abhängigkeit der Tempera­tur T₁ das Zeitintervall Δt₁ zwischen 10⁻¹ und 3 x 10³ s eingestellt, wobei auch die Art der Zusammensetzung der Legierung und dessen Vorbehandlung als ein Parameter zur Bestimmung der Länge des Zeitintervalls Δt₁ eingeht.

    [0011] Wesentlich für eine erfolgreiche Durchführung des Verfah­rens bzw. zum Erreichen der angestrebten Verformbarkeit ist es, daß die Änderung der Temperatur der Legierung von T₁ auf T₂ mit einer hohen Rate erfolgt, vorzugsweise we­nigstens 100°K/min. Dabei ist in Abhängigkeit des Grades der Versprödung der Legierung die Temperatur T₂ wiederum unterschiedlich wählbar.

    [0012] Gemäß einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung des Ver­fahrens liegt die Temperatur T₂ in Abhängigkeit des Gra­des der Versprödung der Legierung zwischen +150 und -200°C, wobei die Temperatur T₂ bei vielen Legierungen bei der Raumtemperatur liegt.

    [0013] Grundsätzlich kann die Legierung auf jede erdenkliche Weise auf die Temperatur T₁ gebracht werden, beispiels­weise in einem Ölbad, mittels Heißluft, in einem Heiß-­Schutzgas oder über Strahlungswärme. Vorzugsweise wird jedoch die Legierung in einem Salzbad auf die Temperatur T₁ gebracht.

    [0014] Auch auf die Temperatur T₂ kann die Legierung auf belie­bige Weise gebracht werden, es eignet sich jedoch dazu vorzugsweise ein auf die Temperatur T₂ gebrachtes Wasser­bad, in das die Legierung eingebracht wird.

    [0015] Die Erfindung wird nun unter Bezugnahme auf die nachfol­genden graphischen Darstellungen von Meßergebnissen an­hand eines Ausführungsbeispieles eingehend beschrieben. Darin zeigen:

    Fig. 1 die relative Bruchdehnung einer bandartig aus­gebildeten amorphen Legierung Fe Ni P nach iso­chroner Auslagerung (43 h) bei verschiedenen Temperaturen

    Fig. 2 die relative Bruchdehnung in Abhängigkeit der Dauer einer Nachbehandlung bei zwei unter­schiedlichen Nachbehandlungstemperaturen und

    Fig. 3 die relative Bruchdehnung in Abhängigkeit der Dauer der Nachbehandlung einer weiteren Le­gierungsprobe.



    [0016] Bevor auf das eigentliche Verfahren zur Wiederherstellung der Verformbarkeit von versprödeten amorphen Legierungen im einzelnen eingegangen wird, wird zunächst anhand der Darstellung von Fig. 1 die relative Bruchdehnung εf in Abhängigkeit der Auslagerungstemperatur erläutert. Fig. 1 zeigt die relative Bruchdehnung εf einer amorphen Legie­rung Fe₄₀Ni₄₀P₂₀ bei verschiedenen Auslagerungstempera­turen. Die amorphe Legierung ist in Form eines Metall­bandes mit einer Dicke von 20µm ausgebildet. Proben die­ser Metallegierung, die bei unterschiedlichen Temperatu­ren ausgelagert wurden, wurden einem Biegetest unterwor­fen, bei dem die relative Bruchdehnung εf der Proben be­stimmt wurde. Wie schon dargelegt, gibt εf Auskunft über die Verformbarkeit bzw. die Versprödung der Legierung. Ist εf = 1, so kann das Legierungsband um 180° gebogen werden, ohne daß es bricht. Ist εf < 1, so bricht das Legierungsband beim Biegen und es bricht um so eher, je kleiner εf ist.

    [0017] Aus Fig. 1 ist ersichtlich, daß das Legierungsband bis zu einer Temperatur von ungefähr 210°C gut verformbar ist, d. h. εf = 1. Mit Zunahme der Temperatur geht die Ver­formbarkeit mit gleichzeitig zunehmender Versprödung der Legierung zurück, d. h. εf < 1. Im Bereich einer Tempera­tur von 230 bis 300°C wird ein Plateau erreicht, d. h. in diesem Temperaturbereich ist die Verformbarkeit mit εf < 1 nahezu konstant. In diesem Temperaturbereich ist die Legierung allerdings schon sehr spröde. Eine weitere Ver­sprödung setzt oberhalb einer Temperatur von 300°C ein. Diese zweite Stufe der Versprödung mündet in die Kristal­lisation der Legierung.

    [0018] Gemäß dem Verfahren wird zur Wiederherstellung der Ver­formbarkeit der versprödeten amorphen Legierung diese über ein bestimmtes Zeitintervall Δt₁ einer Temperatur T₁ ausgesetzt (T₁ = Erholungstemperatur). Nachfolgend wird über ein bestimmtes Zeitintervall Δt₂ die Legierung schockartig einer Temperatur T₂ ausgesetzt (T₂ = Ab­schreckungstemperatur). Die Temperatur T₁ liegt im Tempe­raturintervall zwischen einer Versprödungstemperatur T₃ (T₃ = Versprödungstemperatur) und der unter diesen Bedin­gungen gültigen Kristallisationstemperatur.

    [0019] Fig. 2 zeigt die Wiederherstellung der Verformbarkeit einer Fe₄₀Ni₄₀P₂₀-Probe, die zuvor bei T₃ = 251°C versprö­det worden war. Die Verformbarkeit der Probe ist in Fig. 2 bei zwei Erholungstemperaturen T₁, nämlich bei 303 und 372°C dargestellt. Das Zeitintervall Δt₁ zur Wiederher­stellung einer relativen Bruchdehnung εf = 1 ist bei T₁ = 303°C zwischen 10 und 3x10² Sekunden lang. Für T₁ = 372°C ist das Zeitintervall Δt₁ für die Nachbehandlung zwischen 1 und 12 Sekunden lang. Grundsätzlich kann die Verformbarkeit bei allen Temperaturen zwischen 303 und 372°C wiederhergestellt werden. Die Abschreckungstempera­tur T₂ entspricht in diesem Fall der Raumtemperatur. Fig. 3 zeigt die Wiederherstellung der Verformbarkeit der band­förmig ausgebildeten amorphen Legierung gemäß der Darstel­lung von Fig. 2, diese wurde jedoch bei einer Temperatur T₃ = 265°C versprödet. Die Wiederherstellung der Verform­barkeit wurde dabei bei einer Temperatur von T₁ = 359°C erreicht. Das Zeitintervall Δt₁, in dem eine relative Bruchdehnung von εf=1 erreicht werden kann, ist zwischen 7 und 15 Sekunden lang.

    [0020] Es sei erwähnt, daß die hier beispielhaft erwähnte amor­phe Legierung Fe₄₀Ni₄₀P₂₀ eine typische Legierung aus der Klasse amorpher Legierungen ist, die neben Obergangsme­tallatomen (Fe, Ni) einen Glasbildner enthalten (P). Das Verfahren ist, wie Versuche gezeigt haben, grundsätzlich für alle amorphen Legierungen anwendbar. So sind mit gleich guten Ergebnissen amorphe Legierungen wie Fe₄₀Ni₄₀B₂₀ und Cu₆₄Ti₃₆ gemäß dem Verfahren erfolgreich behandelt worden, so daß die angestrebte Verformbarkeit nach Abschluß des Verfahrens erreicht wurde.

    [0021] Das erfindungsgemäße Verfahren hat den Vorteil, daß jetzt zunächst große Mengen der amorphen Legierung magnetisch optimiert werden können und die damit einhergehende Ver­sprödung durch Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens beseitigt werden kann, wobei dann aus der amorphen Legie­rung die verschiedensten Bauteile ohne Einschränkungen hergestellt werden können. In einigen Fällen konnten bis­her die amorphen Legierungen bezüglich ihrer mechanischen Eigenschaften, obwohl das grundsätzlich möglich gewesen wäre, nicht optimiert werden, da die damit einhergehende Versprödung der Legierung für eine weitere Verarbeitung zu groß gewesen wäre. Gemäß dem erfindungsgemäßen Verfah­ren können jetzt Bauteile mit verbesserten Kenndaten her­gestellt werden. Außerdem können jetzt amorphe Bänder größerer Dicke hergestellt werden, die zwar nach dem Her­stellungsprozeß spröde sind, durch dieses Verfahren je­doch verformbar gemacht werden können.

    [0022] Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang erwähnt, daß bei der Herstellung von Spulen bisher das Ausgangsmaterial zunächst auf einen Spulenkörper gewickelt und danach die fertige Spule zur Optimierung magnetischer Eigenschaften thermisch behandelt wurde. Das bedeutet aber, daß das Material des Spulenkörpers diese Temperaturbehandlung ohne Veränderungen überstehen können mußte. Das erfin­dungsgemäße Verfahren gestattet es, daß das Ausgangsma­terial zunächst magnetisch optimiert wird, dann mittels Anwendung des Verfahrens verformbar gemacht wird und an­schließend auf einen Spulenkörper gewickelt wird.

    [0023] Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens ergibt sich daraus, daß jetzt die optimierten amorphen Legierungen mit nicht-temperaturbeständigen Materialien kombiniert werden können.

    [0024] Bislang stellen die Hersteller amorpher Legierungen nur zum Teil fertige Bauteile her. Ein großer Teil der Legie­rungen wird an weiterverarbeitende Betriebe verkauft. Diese stellen dann Bauteile her und führen die magneti­sche Optimierung durch. Mit der vorliegenden Erfindung kann der Hersteller bereits optimierte Legierungen anbie­ten.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Wiederherstellung der Verformbarkeit von versprödeten amorphen Legierungen, dadurch gekenn­zeichnet, daß die Legierung über ein bestimmtes Zeitin­tervall Δt₁ einer Temperatur T₁ ausgesetzt wird und nach­folgend über ein bestimmtes Zeitintervall Δt₂ schockartig einer Temperatur T₂ ausgesetzt wird, wobei die Temperatur T₁ größer als die Temperatur T₂ ist.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß in Abhängigkeit des Grades der Versprödung der Legie­rung die Temperatur T₁ unterschiedlich wählbar ist.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß in Abhängigkeit des Grades der Versprödung der Legie­rung die Temperatur T₁ zwischen 200 und 600°C liegt.
     
    4. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß in Abhängigkeit des Grades der Versprödung der Legierung und/oder in Abhängigkeit der Temperatur T₁ das Zeitintervall Δt₁ zwischen 10⁻¹ s und 3 x 10³ s liegt.
     
    5. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Änderung der Tem­peratur der Legierung von T₁ auf T₂ mit einer Rate von wenigstens 100°K/min erfolgt.
     
    6. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche l bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß in Abhängigkeit des Grades der Versprödung der Legierung die Temperatur T₂ unterschiedlich wählbar ist.
     
    7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß in Abhängigkeit des Grades der Versprödung der Legie­rung die Temperatur T₂ zwischen +150 und -200°C liegt.
     
    8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Temperatur T₂ die Raumtemperatur ist.
     
    9. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierung in einem Salzbad auf die Temperatur T₁ gebracht wird.
     
    10. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierung durch Eingabe in ein Wasserbad schockartig auf die Temperatur T₂ gebracht wird.
     




    Zeichnung













    Recherchenbericht