(19)
(11) EP 0 319 786 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
14.06.1989  Patentblatt  1989/24

(21) Anmeldenummer: 88119570.5

(22) Anmeldetag:  24.11.1988
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4B22F 9/04
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE CH FR IT LI LU NL SE

(30) Priorität: 04.12.1987 DE 3741119

(71) Anmelder: Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp
D-45143 Essen (DE)

(72) Erfinder:
  • Grewe, Hans, Dr-Ing.
    D-4155 Grefrath-Vinkrath (DE)
  • Schlump, Wolfgang, Dr.
    D-4300 Essen 1 (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung von Sekundärpulverteilchen mit nanokristalliner Struktur und mit versiegelter Teilchenoberfläche


    (57) Es wird ein Verfahren zur Herstellung eines Sekundärpulvers mit nanokristalliner Struktur und versiegelter Teilchenoberfläche aus Pulvern von mindestens zwei Werkstoffen der Gruppe der Metalle, der Verbindungen mit Metallcharakter und der keramischen Werkstoffe, in einer Zusammensetzung, die zur Einstellung amorpher Gefügeanteile neigen beschrieben. Die Ausgangspulver werden einer hohen Beanspruchung von mindestens 12 g ausgesetzt, bis in der elektronenmikroskopischen Durchstrahlung nur noch Kristallite < 10 nm nachzuweisen sind.


    Beschreibung


    [0001] Die Erzeugung von Werkstoffen mit nanokristalliner Struktur kann so erfolgen, daß Kristalle mit einem Durchmesser von einigen Nanometern unter hohem Druck (einige MPa) zu einem Festkörper kompaktiert werden. Prinzipiell eignen sich also alle Methoden, die die Herstellung von hinreichend kleinen Kristallen mit "sauberer" Oberfläche ermöglichen, zur Produktion von nanokristallinen Materialien.

    [0002] Grundsätzlich lassen sich bei der Herstellung kleiner Kristallite chemische und physikalische Methoden unterscheiden.

    [0003] Bei den chemischen Verfahren handelt es sich vorrangig um die thermische Zersetzung fester bzw. gasförmiger Verbindungen sowie um die Reduktion fester Substanzen bzw. von Metallionen in Lösungen. Ein wesentlicher Nachteil vieler chemischer Herstellungsverfahren ist die Belegung der freien Oberfläche der Kristallite mit Fremdatomen bzw. Molekülen.

    [0004] Zu den bekannten physikalischen Methoden, die für die Herstellung kleiner Kristalle am häufigsten benutzt werden, zählen Zerstäuben im elektrischen Lichtbogen und Verdampfen in einer inerten Atmosphäre bzw. im Vakuum mit nachfolgender isoentroper Entspannung. Diese Verfahren haben den Vorteil, daß die Oberfläche des erhaltenen einzelnen Kristallpulverteilchens - bei geeigneter Versuchsführung - praktisch frei von Fremdstoffen gehalten werden kann, und daß das Pulver direkt zu Formkörpern mit nanokristalliner Struktur kompaktierbar ist. Da zur Erzeugung von beispielsweise einer Monolage Sauerstoff auf der freien Oberfläche von 1 g Eisenkristalliten mit einem Durchmesser von 5 nm nur ca. 0,1 g Sauerstoff erforderlich sind und dies ca. 10¹⁰ mal mehr Sauerstoff ist als typischerweise im Restgas eines Vakuumrezipieten enthalten ist, dauert es nicht lange bis sich auf der hohen spezifischen Oberfläche der hier beispielhaft angeführten Eisenpartikel im Nanometer-Bereich relativ große Mengen von unerwünschtem Sauerstoff, Stickstoff oder/und Wassermolekülen angelagert haben, um dort beispielsweise Oxid-, Nitrid- oder/und Oxinitrid-Beläge auszubilden. Die Vermeidung der Verunreinigung der Oberflächen ist auch hier das größte Problem. Die Herstellung von sauberen Werkstoffen mit nanokristalliner Struktur ist also sehr aufwendig.

    [0005] Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, diesen großen Nachteil in der Herstellung nanokristalliner Werkstoffe zu umgehen, dadurch daß man Sekundärpulverteilchen im Bereich von einigen µm mit nanokristalliner Struktur erzeugt, die auf ihrer äußeren Oberfläche gasdicht gegenüber den möglichen Komponenten des Umgebungsmediums versiegelt sind und somit unter den üblichen Bedingungen einer pulvermetallurgischen Fertigung problemlos zu Formkörpern mit nanokristalliner Struktur verarbeitbar sind.

    [0006] Die Lösung der Aufgabe gelingt für Pulvermischungen, die in ihrer Zusammensetzung zur Einstellung amorpher Gefügeanteile neigen, überraschenderweise durch mechanische Beanspruchung von mindestens 12 g handelsüblicher Ausgangspulver zwischen 2 und 250 µm über längere Zeit unter neutraler bzw. reduzierender Atmosphäre bei Raumtemperatur. Die Dauer zur Herstellung des erfindungsgemäßen Sekundärpulvers wird bestimmt nach transmissions-elektromikroskopischen Aufnahmen (TEM). Erst wenn diese Aufnahmen nur Kristallite < 10 mm ausweisen, ist der erfindungsgemäße Zustand für die Sekundärpulverteilchen erreicht. Beim Mahlvorgang muß eine starke Erwärmung vermieden werden, da sonst die metastabile amorphe Phase nicht erhalten bleibt, andererseits darf der Mahlvorgang auch nicht zu langsam ablaufen, da sich dann keine nanokristalline Struktur ausbildet.

    [0007] Besonders vorteilhaft ist eine Zusammensetzung des Sekundärpulvers, bei der nach dem entsprechenden metastabilen Phasendiagramm bei geeigneter Temperatur ein Mehrphasengebiet zwischen amorpher und kristalliner Phase vorliegt.

    [0008] Diese Sekundärpulverteilchen können unter den Bedingungen der umgebenden Atmosphäre ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen weiterverarbeitet werden. Das nach bekannten Methoden kompaktierte Material aus diesen Sekundärpulverteilchen zeigt nanokristalline Struktur.

    [0009] Das Verfahren eignet sich entsprechend Anspruch 1 für Ausgangspulver aus metallischen Werkstoffen, aus Werkstoffen mit Metallcharakter und aus keramischen Werkstoffen mit mehreren Komponenten. Besonders vorteilhaft sind binäre oder mehrphasige Stoffe, die aus mindestens einem Element der Gruppe Y, Ti,Zr, Hf,Mo, Nb, Ta, W und mindestens einem Element der Gruppe V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu, Pd ohne oder unter Hinzufügung von Begleitelementen wie Si, Ge, B und/oder Oxiden, Nitriden, Boriden, Carbiden sowie aus deren möglichen Mischkristallen bestehen entweder in reiner Form oder als entsprechende Vorlegierungen dieser Gruppen.

    [0010] Die extremen Verformungsgrade können besonders vorteilhaft durch Hochenergiemahlen z.B. durch Impact-Grinding insbesondere in einem Attritor erreicht werden.

    [0011] Oberraschenderweise nimmt die spezifische Oberfläche der erfindungsgemäß hergestellten Sekundärpulverteilchen mit der Mahldauer nicht zu, sondern bleibt gleich oder nimmt geringfügig ab, d.h., daß die Versiegelung gasdicht ist und daß keine inneren Oberflächen im Bereich der nanokristallinen Gefügeanteile vorliegen, die den Gasen der umgebenden Atmosphäre zugänglich sind. Die Oberflächen im nanokristallinen Bereich bleiben sauber, die chemische Resistenz ist überraschend hoch, da die kleinen Kristallite in einer amorphen Phase eingebettet sind.

    [0012] Der Gegenstand der Erfindung wird am Beispiel einer Titan-Nickel-Pulvermischung als Ausgangsmaterial dargestellt.

    [0013] Die Pulvermischung besteht aus 70 Gew.-% handsüblichen Ti-Pulver (FSSS 28 µm) und 30 Gew.-% handelsüblichen Nickelpulver (FSSS 4,7 µm). Die Pulver werden zunächst eine Stunde in einem (Turbula)-Mischer gemischt und dann in einem horizontal liegenden Attritor gemahlen. Das Pulverchargengewicht beträgt 1000 g. Die Mahlung erfolgt unter Verwendung von Wälzlagerkugeln mit einem Durchmesser von ca. 6 mm. Das Massenverhältnis Kugeln zu Pulver beträgt 20:1. Die Mahldauer beträgt 90 Stunden bei einer Rührarmdrehung von 200 U/min. Durch Einsatz größerer Mahlaggregate (Chargeneinsatz 10 kg) können die Mahldauern signifikant abgesenkt werden.

    [0014] Fig. 1 und Fig. 2 zeigen TEM-Aufnahmen mit einer Vergrößerung von 200.000:1 von Ti Ni Sekundärpulver mit 70/30 Massen %. Auf den Aufnahmen sind deutlich die Kristallite eingebettet in einer amorphen Phase zu erkennen. Fig. 1 zeigt das Mahlergebnis nach 40 Stunden Mahldauer. Hier ist zwar die amorphe Phase bereits vorhanden, die Kristallite haben jedoch teilweise noch eine Größe > 10 nm. Bei 90 Stunden Mahldauer (Fig. 2) sieht man nur Kristallite < 10 nm.

    [0015] Die Messung der spezifischen Oberfläche eines Ti Ni Pulvers mit 70/30 Massen % nach dem BET-Verfahren zeigt folgende Werte: 0,152 m²/g (0 h), 0,140 m²/g (90 h), 0,137 m²/g (180 h). Die spezifische Oberfläche nimmt also überraschenderweise mit der Mahldauer geringfügig ab.

    [0016] Die Bilder 3a bis 3c zeigen die Ergebnisse von Versuchen, bei denen jeweils 50 mg des Ti Ni-Pulvers mit 70/30 Massen % in eine 1 NHNo₃-Lösung bei 30 °C (Fig. 3a), bei 40 °C (Fig. 3b) und bei 50 °C (Fig. 3c) eingebracht wurden. Dargestellt ist die abgelöste Ni-Menge in Abhängigkeit von der Zeit, für Pulver, die mit unterschiedlicher Mahldauer gewonnen wurden. Die Pulver wurden jeweils zunächst 1 h im Turbula Mischer gemischt und danach 0 h - 180 h im Attritor gemahlen. Es ist deutlich zu erkennen, daß bei längerer Mahldauer die abgelöste Ni-Menge wesentlich geringer wird. Das Sekundärpulver zeigt bereits nach 36 Stunden Mahldauer erheblich höhere chemische Resistenz als die unbehandelte Ausgangspulvermischung.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Herstellung von Sekundärpulverteilchen mit nanokristalliner Struktur und mit versiegelter Teilchenoberfläche aus Pulvern von mindestens zwei Werkstoffen der Gruppen der Metalle, der Verbindungen mit Metallcharakter und der keramischen Werkstoffe, in einer Zusammensetzung, die zur Einstellung amorpher Gefügeanteile neigt, dadurch gekennzeichnet, daß die Pulver gemischt und solange einer hohen Beanspruchung von mindestens 12 g ausgesetzt werden, bis in der elektronenmikroskopischen Durchstrahlung nur noch Kristallite < 10 nm nachzuweisen sind.
     
    2. Verfahren zur Herstellung von Sekundärpulverteilchen mit nanokristalliner Struktur und mit versiegelter Teilchenoberfläche aus binären oder mehrphasigen Stoffen, die aus mindestens einem der Elemente Y, Ti, Zr, Hf, Nb, Mo, Ta und W mit mindestens einem der Elemente V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu und Pd, bestehen in einer Zusammensetzung, die zur Einstellung amorpher Gefügeanteile neigt, dadurch gekennzeichnet, daß die ausgewählten Elemente in reiner Form oder als Vorlegierungen als Pulver gemischt und solange einer hohen mechanischen Beanspruchung von mindestens 12 g ausgesetzt werden, bis in der elektronenmikroskopischen Durchstrahlung nur noch Kristallite < 10 nm nachzuweisen sind.
     
    3. Verfahren zur Herstellung von Sekundärpulverteilchen mit nanokristalliner Struktur und mit versiegelter Teilchenoberfläche aus binären oder mehrphhasigen Stoffen, die aus mindestens einem der Elemente Y, Ti, Zr, Hf, Nb, Mo, Ta und W mit mindestens einem der Elemente V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu und Pd, und mindestens einem Begleitelement wie Si, Ge, B oder Oxiden, Nitriden, Boriden, Carbiden, sowie deren möglichen Mischkristallen bestehen in einer Zusammensetzung, die zur Einstellung amorpher Gefügeanteile neigt, dadurch gekennzeichnet, daß die ausgewählten Bestandteile in reiner Form oder als Vorlegierungen als Pulver gemischt und solange einer hohen mechanischen Beanspruchung von mindestens 12 g ausgesetzt werden, bis in der elektronenmikroskopischen Durchstrahlung nur noch Kristallite < 10 nm nachzuweisen sind.
     
    4. Verfahren zur Herstellung von Sekundärpulverteilchen mit nanokristalliner Struktur und mit versiegelter Teilchenoberfläche aus binären oder mehrphasigen Stoffen, die aus mindestens einem der Elemente Y, Ti, Zr, Hf, Nb, Mo, Ta und W mit mindestens einem der Elemente V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu und Pd, und mindestens einem Begleitelement wie Si, Ge, B und Oxiden, Nitriden, Boriden, Carbiden, sowie deren möglichen Mischkristallen bestehen, in einer Zusammensetzung, die zur Einstellung amorpher Gefügeanteile neigt, dadurch gekennzeichnet, daß die Bestandteile in reiner Form oder als Vorlegierungen als Pulver gemischt und solange einer hohen mechanischen Beanspruchung von mindestens 12 g ausgesetzt werden, bis in der elektronenmikroskopischen Durchstrahlung nur noch Kristallite < 10 nm nachzuweisen sind.
     
    5. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Zusammensetzung des Sekundärpulvers so gewählt ist, daß nach dem entsprechenden metastabilen Phasendiagramm bei dieser Zusammensetzung bei geeigneter Temperatur ein Mehrphasengebiet zwischen amorpher und kristalliner Phase vorliegt.
     
    6. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die hohe mechanische Beanspruchung durch Kaltverformen erfolgt.
     
    7. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die hohe mechanische Beanspruchung durch Hochenergiemahlen, z.B. Impact-Grinding, bewirkt wird.
     
    8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß zum Hochenergiemahlen ein Attritor verwendet wird.
     
    9. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen, erhältlich nach dem Verfahrensanspruch 1.
     
    10. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen, erhältlich nach dem Verfahrensanspruch 2.
     
    11. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen, erhältlich nach dem Verfahrensanspruch 3.
     
    12. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen, erhältlich nach dem Verfahrensanspruch 4.
     
    13. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen, erhältlich nach dem Verfahrensanspruch 5.
     
    14. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen nach den Ansprüchen 9 bis 13, dadurch gekennzeichnet, daß das Legierungssystem der Bestandteile eine ausgeprägte eutektische bzw. eutektoide Reaktion zeigt, und daß das Mischungsverhältnis so gewählt ist, daß es außerhalb der Randlöslichkeiten liegt.
     
    15. Formkörper mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur erhältlich aus einem Sekundärpulver nach den Ansprüchen 9 bis 14 durch Verdichten des Sekundärpulvers bei einer deutlich unterhalb der Rekristallisationstemperatur liegenden Temperatur.
     




    Zeichnung
















    Recherchenbericht