[0001] Die Erzeugung von Werkstoffen mit nanokristalliner Struktur kann so erfolgen, daß
Kristalle mit einem Durchmesser von einigen Nanometern unter hohem Druck (einige MPa)
zu einem Festkörper kompaktiert werden. Prinzipiell eignen sich also alle Methoden,
die die Herstellung von hinreichend kleinen Kristallen mit "sauberer" Oberfläche ermöglichen,
zur Produktion von nanokristallinen Materialien.
[0002] Grundsätzlich lassen sich bei der Herstellung kleiner Kristallite chemische und physikalische
Methoden unterscheiden.
[0003] Bei den chemischen Verfahren handelt es sich vorrangig um die thermische Zersetzung
fester bzw. gasförmiger Verbindungen sowie um die Reduktion fester Substanzen bzw.
von Metallionen in Lösungen. Ein wesentlicher Nachteil vieler chemischer Herstellungsverfahren
ist die Belegung der freien Oberfläche der Kristallite mit Fremdatomen bzw. Molekülen.
[0004] Zu den bekannten physikalischen Methoden, die für die Herstellung kleiner Kristalle
am häufigsten benutzt werden, zählen Zerstäuben im elektrischen Lichtbogen und Verdampfen
in einer inerten Atmosphäre bzw. im Vakuum mit nachfolgender isoentroper Entspannung.
Diese Verfahren haben den Vorteil, daß die Oberfläche des erhaltenen einzelnen Kristallpulverteilchens
- bei geeigneter Versuchsführung - praktisch frei von Fremdstoffen gehalten werden
kann, und daß das Pulver direkt zu Formkörpern mit nanokristalliner Struktur kompaktierbar
ist. Da zur Erzeugung von beispielsweise einer Monolage Sauerstoff auf der freien
Oberfläche von 1 g Eisenkristalliten mit einem Durchmesser von 5 nm nur ca. 0,1 g
Sauerstoff erforderlich sind und dies ca. 10¹⁰ mal mehr Sauerstoff ist als typischerweise
im Restgas eines Vakuumrezipieten enthalten ist, dauert es nicht lange bis sich auf
der hohen spezifischen Oberfläche der hier beispielhaft angeführten Eisenpartikel
im Nanometer-Bereich relativ große Mengen von unerwünschtem Sauerstoff, Stickstoff
oder/und Wassermolekülen angelagert haben, um dort beispielsweise Oxid-, Nitrid- oder/und
Oxinitrid-Beläge auszubilden. Die Vermeidung der Verunreinigung der Oberflächen ist
auch hier das größte Problem. Die Herstellung von sauberen Werkstoffen mit nanokristalliner
Struktur ist also sehr aufwendig.
[0005] Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, diesen großen Nachteil in der Herstellung
nanokristalliner Werkstoffe zu umgehen, dadurch daß man Sekundärpulverteilchen im
Bereich von einigen µm mit nanokristalliner Struktur erzeugt, die auf ihrer äußeren
Oberfläche gasdicht gegenüber den möglichen Komponenten des Umgebungsmediums versiegelt
sind und somit unter den üblichen Bedingungen einer pulvermetallurgischen Fertigung
problemlos zu Formkörpern mit nanokristalliner Struktur verarbeitbar sind.
[0006] Die Lösung der Aufgabe gelingt für Pulvermischungen, die in ihrer Zusammensetzung
zur Einstellung amorpher Gefügeanteile neigen, überraschenderweise durch mechanische
Beanspruchung von mindestens 12 g handelsüblicher Ausgangspulver zwischen 2 und 250
µm über längere Zeit unter neutraler bzw. reduzierender Atmosphäre bei Raumtemperatur.
Die Dauer zur Herstellung des erfindungsgemäßen Sekundärpulvers wird bestimmt nach
transmissions-elektromikroskopischen Aufnahmen (TEM). Erst wenn diese Aufnahmen nur
Kristallite < 10 mm ausweisen, ist der erfindungsgemäße Zustand für die Sekundärpulverteilchen
erreicht. Beim Mahlvorgang muß eine starke Erwärmung vermieden werden, da sonst die
metastabile amorphe Phase nicht erhalten bleibt, andererseits darf der Mahlvorgang
auch nicht zu langsam ablaufen, da sich dann keine nanokristalline Struktur ausbildet.
[0007] Besonders vorteilhaft ist eine Zusammensetzung des Sekundärpulvers, bei der nach
dem entsprechenden metastabilen Phasendiagramm bei geeigneter Temperatur ein Mehrphasengebiet
zwischen amorpher und kristalliner Phase vorliegt.
[0008] Diese Sekundärpulverteilchen können unter den Bedingungen der umgebenden Atmosphäre
ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen weiterverarbeitet werden. Das nach bekannten Methoden
kompaktierte Material aus diesen Sekundärpulverteilchen zeigt nanokristalline Struktur.
[0009] Das Verfahren eignet sich entsprechend Anspruch 1 für Ausgangspulver aus metallischen
Werkstoffen, aus Werkstoffen mit Metallcharakter und aus keramischen Werkstoffen mit
mehreren Komponenten. Besonders vorteilhaft sind binäre oder mehrphasige Stoffe, die
aus mindestens einem Element der Gruppe Y, Ti,Zr, Hf,Mo, Nb, Ta, W und mindestens
einem Element der Gruppe V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu, Pd ohne oder unter Hinzufügung
von Begleitelementen wie Si, Ge, B und/oder Oxiden, Nitriden, Boriden, Carbiden sowie
aus deren möglichen Mischkristallen bestehen entweder in reiner Form oder als entsprechende
Vorlegierungen dieser Gruppen.
[0010] Die extremen Verformungsgrade können besonders vorteilhaft durch Hochenergiemahlen
z.B. durch Impact-Grinding insbesondere in einem Attritor erreicht werden.
[0011] Oberraschenderweise nimmt die spezifische Oberfläche der erfindungsgemäß hergestellten
Sekundärpulverteilchen mit der Mahldauer nicht zu, sondern bleibt gleich oder nimmt
geringfügig ab, d.h., daß die Versiegelung gasdicht ist und daß keine inneren Oberflächen
im Bereich der nanokristallinen Gefügeanteile vorliegen, die den Gasen der umgebenden
Atmosphäre zugänglich sind. Die Oberflächen im nanokristallinen Bereich bleiben sauber,
die chemische Resistenz ist überraschend hoch, da die kleinen Kristallite in einer
amorphen Phase eingebettet sind.
[0012] Der Gegenstand der Erfindung wird am Beispiel einer Titan-Nickel-Pulvermischung als
Ausgangsmaterial dargestellt.
[0013] Die Pulvermischung besteht aus 70 Gew.-% handsüblichen Ti-Pulver (FSSS 28 µm) und
30 Gew.-% handelsüblichen Nickelpulver (FSSS 4,7 µm). Die Pulver werden zunächst eine
Stunde in einem (Turbula)-Mischer gemischt und dann in einem horizontal liegenden
Attritor gemahlen. Das Pulverchargengewicht beträgt 1000 g. Die Mahlung erfolgt unter
Verwendung von Wälzlagerkugeln mit einem Durchmesser von ca. 6 mm. Das Massenverhältnis
Kugeln zu Pulver beträgt 20:1. Die Mahldauer beträgt 90 Stunden bei einer Rührarmdrehung
von 200 U/min. Durch Einsatz größerer Mahlaggregate (Chargeneinsatz 10 kg) können
die Mahldauern signifikant abgesenkt werden.
[0014] Fig. 1 und Fig. 2 zeigen TEM-Aufnahmen mit einer Vergrößerung von 200.000:1 von Ti
Ni Sekundärpulver mit 70/30 Massen %. Auf den Aufnahmen sind deutlich die Kristallite
eingebettet in einer amorphen Phase zu erkennen. Fig. 1 zeigt das Mahlergebnis nach
40 Stunden Mahldauer. Hier ist zwar die amorphe Phase bereits vorhanden, die Kristallite
haben jedoch teilweise noch eine Größe > 10 nm. Bei 90 Stunden Mahldauer (Fig. 2)
sieht man nur Kristallite < 10 nm.
[0015] Die Messung der spezifischen Oberfläche eines Ti Ni Pulvers mit 70/30 Massen % nach
dem BET-Verfahren zeigt folgende Werte: 0,152 m²/g (0 h), 0,140 m²/g (90 h), 0,137
m²/g (180 h). Die spezifische Oberfläche nimmt also überraschenderweise mit der Mahldauer
geringfügig ab.
[0016] Die Bilder 3a bis 3c zeigen die Ergebnisse von Versuchen, bei denen jeweils 50 mg
des Ti Ni-Pulvers mit 70/30 Massen % in eine 1 NHNo₃-Lösung bei 30 °C (Fig. 3a), bei
40 °C (Fig. 3b) und bei 50 °C (Fig. 3c) eingebracht wurden. Dargestellt ist die abgelöste
Ni-Menge in Abhängigkeit von der Zeit, für Pulver, die mit unterschiedlicher Mahldauer
gewonnen wurden. Die Pulver wurden jeweils zunächst 1 h im Turbula Mischer gemischt
und danach 0 h - 180 h im Attritor gemahlen. Es ist deutlich zu erkennen, daß bei
längerer Mahldauer die abgelöste Ni-Menge wesentlich geringer wird. Das Sekundärpulver
zeigt bereits nach 36 Stunden Mahldauer erheblich höhere chemische Resistenz als die
unbehandelte Ausgangspulvermischung.
1. Verfahren zur Herstellung von Sekundärpulverteilchen mit nanokristalliner Struktur
und mit versiegelter Teilchenoberfläche aus Pulvern von mindestens zwei Werkstoffen
der Gruppen der Metalle, der Verbindungen mit Metallcharakter und der keramischen
Werkstoffe, in einer Zusammensetzung, die zur Einstellung amorpher Gefügeanteile neigt,
dadurch gekennzeichnet, daß die Pulver gemischt und solange einer hohen Beanspruchung von mindestens 12
g ausgesetzt werden, bis in der elektronenmikroskopischen Durchstrahlung nur noch
Kristallite < 10 nm nachzuweisen sind.
2. Verfahren zur Herstellung von Sekundärpulverteilchen mit nanokristalliner Struktur
und mit versiegelter Teilchenoberfläche aus binären oder mehrphasigen Stoffen, die
aus mindestens einem der Elemente Y, Ti, Zr, Hf, Nb, Mo, Ta und W mit mindestens einem
der Elemente V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu und Pd, bestehen in einer Zusammensetzung,
die zur Einstellung amorpher Gefügeanteile neigt, dadurch gekennzeichnet, daß die
ausgewählten Elemente in reiner Form oder als Vorlegierungen als Pulver gemischt und
solange einer hohen mechanischen Beanspruchung von mindestens 12 g ausgesetzt werden,
bis in der elektronenmikroskopischen Durchstrahlung nur noch Kristallite < 10 nm nachzuweisen
sind.
3. Verfahren zur Herstellung von Sekundärpulverteilchen mit nanokristalliner Struktur
und mit versiegelter Teilchenoberfläche aus binären oder mehrphhasigen Stoffen, die
aus mindestens einem der Elemente Y, Ti, Zr, Hf, Nb, Mo, Ta und W mit mindestens einem
der Elemente V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu und Pd, und mindestens einem Begleitelement
wie Si, Ge, B oder Oxiden, Nitriden, Boriden, Carbiden, sowie deren möglichen Mischkristallen
bestehen in einer Zusammensetzung, die zur Einstellung amorpher Gefügeanteile neigt,
dadurch gekennzeichnet, daß die ausgewählten Bestandteile in reiner Form oder als
Vorlegierungen als Pulver gemischt und solange einer hohen mechanischen Beanspruchung
von mindestens 12 g ausgesetzt werden, bis in der elektronenmikroskopischen Durchstrahlung
nur noch Kristallite < 10 nm nachzuweisen sind.
4. Verfahren zur Herstellung von Sekundärpulverteilchen mit nanokristalliner Struktur
und mit versiegelter Teilchenoberfläche aus binären oder mehrphasigen Stoffen, die
aus mindestens einem der Elemente Y, Ti, Zr, Hf, Nb, Mo, Ta und W mit mindestens einem
der Elemente V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu und Pd, und mindestens einem Begleitelement
wie Si, Ge, B und Oxiden, Nitriden, Boriden, Carbiden, sowie deren möglichen Mischkristallen
bestehen, in einer Zusammensetzung, die zur Einstellung amorpher Gefügeanteile neigt,
dadurch gekennzeichnet, daß die Bestandteile in reiner Form oder als Vorlegierungen
als Pulver gemischt und solange einer hohen mechanischen Beanspruchung von mindestens
12 g ausgesetzt werden, bis in der elektronenmikroskopischen Durchstrahlung nur noch
Kristallite < 10 nm nachzuweisen sind.
5. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Zusammensetzung
des Sekundärpulvers so gewählt ist, daß nach dem entsprechenden metastabilen Phasendiagramm
bei dieser Zusammensetzung bei geeigneter Temperatur ein Mehrphasengebiet zwischen
amorpher und kristalliner Phase vorliegt.
6. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die hohe mechanische
Beanspruchung durch Kaltverformen erfolgt.
7. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die hohe mechanische
Beanspruchung durch Hochenergiemahlen, z.B. Impact-Grinding, bewirkt wird.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß zum Hochenergiemahlen ein
Attritor verwendet wird.
9. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen,
erhältlich nach dem Verfahrensanspruch 1.
10. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen,
erhältlich nach dem Verfahrensanspruch 2.
11. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen,
erhältlich nach dem Verfahrensanspruch 3.
12. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen,
erhältlich nach dem Verfahrensanspruch 4.
13. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen,
erhältlich nach dem Verfahrensanspruch 5.
14. Sekundärpulver mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur und versiegelten Teilchenoberflächen
nach den Ansprüchen 9 bis 13, dadurch gekennzeichnet, daß das Legierungssystem der
Bestandteile eine ausgeprägte eutektische bzw. eutektoide Reaktion zeigt, und daß
das Mischungsverhältnis so gewählt ist, daß es außerhalb der Randlöslichkeiten liegt.
15. Formkörper mit einem Gefüge nanokristalliner Struktur erhältlich aus einem Sekundärpulver
nach den Ansprüchen 9 bis 14 durch Verdichten des Sekundärpulvers bei einer deutlich
unterhalb der Rekristallisationstemperatur liegenden Temperatur.