[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines gesinterten Hartmetallkörpers,
der aus zumindest einem Hartstoff aus dem Bereich der Carbide, Nitride und/oder Carbonitride
der Übergangsmetalle der Gruppen 4, 5 und/oder 6 des Periodensystems besteht und wenigstens
eines der Bindermetalle Eisen, Nickel und Cobalt enthält, wobei der Hartstoff als
Carbid und/oder Mischcarbid und/oder Nitrid und/oder Mischnitrid in Form kubischer
Kristalle bzw. Mischkristalle vorliegt, und durch Mischen sowie Mahlen pulverförmiger
Ausgangsstoffe und durch Verpressen und anschließendes Sintern der Ausgangspulvermischung
hergestellt wird. Gegenstand der Erfindung ist außerdem ein gesinterter Hartmetallkörper,
der mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens herstellbar ist.
[0002] Verfahren zur Herstellung gesinterter Hartmetallkörper sind grundsätzlich aus z.B.
Kieffer-Benesovsky, "Hartmetall", 1965, Springer-Verlag, sowie "Hartmetall für den
Praktiker, Aufbau, Herstellung, Eigenschaften und industrielle Anwendung einer modernen
Werkstoffgruppe", VDI-Verlag GmbH, 1988, ebenso bekannt, wie die möglichen Zusammensetzungen
der Hartmetallkörper. Insbesondere ist es bekannt, daß der Binderanteil zwischen 3
und 30 Massen-% liegt.
[0003] Gesinterte Hartmetalle auf der Basis von Titancarbid (US-PS 29 67 349) oder Titancarbonitrid
als Hartstoffphase (AT-PS 2 99 561, US-PS 39 94 692) - die jeweils durch einen Nickel-Molybdän-Binder
gebunden ist - zeichnen sich bekanntlich gegenüber herkömmlichen Hartmetall mit Wolframcarbid
als der einen Hartstoffphase sowie kubischen Titan-Mischcarbiden - in denen ein Teil
der Titanatome durch Tantal, Niob, Wolfram ersetzt ist - als der zweiten Hartstoffphase
und Cobalt als Bindermetall durch erhöhte Verschleißfestigkeit aus. Als Schneidwerkzeuge,
insbesondere bei hohen Schnittgeschwindigkeiten und bei zyklischer thermischer Belastung
(wie beim Fräsen) sind Titancarbid- und Titancarbonitridhartmetall allerdings nur
beschränkt einsetzbar; unter der Wirkung der an der Schneidkante auftretenden hohen
Temperaturen verliert das Bindermetall nämlich seine Festigkeit und neigt unter
dem Einfluß der Schnittkräfte zu plastischer Verformung. Die im Vergleich zu Wolframcarbid
deutlich geringere Wärmeleitfähigkeit der TiC-Mo, Ni- und Ti(C,N)-Mo, Ni-Hartmetalle
führt gerade an der höchst beanspruchten Stelle zu einem Hitzestau.
[0004] Um diesen Nachteil der hinsichtlich ihrer Verschleißfestigkeit überlegenen TiC-Mo,
Ni- und Ti(C,N)-Mo, Ni-Hartmetalle zu beseitigen, wurde bereits der Vorschlag unterbreitet,
Carbonitridhartmetalle unter Zusatz von Wolframcarbid und einem legierten Nickel-
oder Cobaltbinder zu sintern (US-PS 38 40 367, DE-OS 25 46 623). Wegen der Reaktionsbereitschaft
von Ti(C,N) mit Wolframcarbid muß der Hartmetallkörper allerdings unter einem von
der Zusammensetzung und der Sintertemperatur abhängigen Stickstoffpartialdruck gesintert
werden, wodurch im Gefüge Mikroporosität entsteht und somit eine Qualitätsminderung
des Hartmetalls verursacht wird.
[0005] In der US-PS 39 71 656 wird ein Hartmetall beschrieben, in dem die Hartstoffteilchen
aus zwei Phasen bestehen, nämlich aus einer titan- und stickstoffreichen Carbonitridmischphase
im Inneren des Hartstoffteilchens und einer anderen Phase, die reich an Metallen der
6. Gruppe des Periodensystems und arm an Stickstoff ist und welche die Carbonitridmischphase
umhüllt. Es ist bekannt, daß Titannitrid gegenüber Titancarbid die Kolkfestigkeit
von Hartmetallen bei Spanungsoperationen erhöht. Nach der Lehre der US-PS 39 71 656
wird vorausgesetzt, daß sich innerhalb des aus zwei Mischphasen bestehenden Hartstoffteilchens
das Gleichgewicht einstellt. Der Kern des Hartstoffteilchens besteht demnach aus relativ
kohlenstoffreichem Carbonitrid, da unlegiertes Titannitrid mit der geforderten zweiten
(Mo,W)- reichen Phase nicht im Gleichgewicht stehen kann. Nach der US-PS 39 71 656
wird somit ein Hartmetall geschaffen, dessen Verschleißfestigkeit noch nicht optimal
ist.
[0006] Eine andere Möglichkeit, Sinterhartmetalle mit verbesserter Hochtemperaturfestigkeit
zu schaffen, besteht in der Erhöhung der Warmfestigkeit des Bindermetalls. Beispielsweise
wurde dem Bindermetall außer Molybdän, das Nickel durch Mischkristallverfestigung
zu härten vermag, zusätzlich Aluminium zulegiert, um den von den Superlegierungen
her bekannten Effekt der γ′-Härtung (Härtung durch Ausscheidung kohärenter Partikel
mit kfz-Struktur) in der Binderphase nachzubilden. Durch elektronenmikroskopische
Untersuchungen von aluminiumlegierten Binderphasen in Ti(C,N)-Mo, Ni-Hartmetallen
konnte das Auftreten von γ′-Phasen nachgewiesen werden. Der Aluminiumzusatz hatte
eine Erhöhung der bei Raumtemperatur gemessenen Härte zur Folge, mit der allerdings
eine Abnahme der Biegefestigkeit verbunden ist (H. Doi und K. Nishigaki: in H. H.
Hausner (ed.) Modern Development in P/M 10, 525-542; (D. Moskowitz und M. Humenik;
in H. H. Hausner (ed.) Modern Development in P/M 14, 307, 1980). Bei dem in Rede
stehenden Verfahren wurde der Aluminiumanteil dem Hartmetallansatz in Form gepulverter,
d.h. sehr feinkörniger Ni-Al-Legierungen mit Korngrößen im µm-Bereich zugesetzt, deren
Herstellung wegen der sehr großen Plastizität der intermetallischen Legierungen im
System Ni-Al außerordentlich schwierig und aufwendig ist. Zur Erzielung optimaler
Eigenschaften des Bindermetalls muß außerdem der vorgeschriebene Kohlenstoffgehalt
der gesinterten Legierung genau eingehalten werden, damit die für eine kohärente
Ausscheidung von γ′-Phase notwendige Menge an Titan aus dem Hartstoff in Lösung geht.
Nur dann, wenn das Verhältnis des im Bindermetall gelösten Anteils an Aluminium und
an Titan etwa gleich groß ist, ist eine merkliche Beeinflussung der Eigenschaften
des Bindermetalls zu erwarten. Bei zu hohem Titangehalt wird die γ′-Aus scheidung
metastabil; bei Abwesenheit von Titan wird die Kohärenzspannung zu klein, wodurch
der Härtungseffekt bei mittleren Temperaturen absinkt.
[0007] Dem in der DE-PS 28 30 010 beschriebenen Binder wird zur Verbesserung der Warmfestigkeit
AlN zugesetzt; dieses verbleibt als "dispergierte Phase" im Gefüge und verbessert
die Härte. AlN bildet jedoch unter Sinterbedingungen weder mit TiC noch mit TiN Mischkristalle,
stellt einen nichtmetallischen Hartstoff dar, der keine guten Benetzungseigenschaften
besitzt, ist außerdem in feinverteilter Form unbeständig gegen Luftfeuchtigkeit und
zersetzt sich unter deren Einwirkung zu Al(OH)₃ und NH₃. Dies wirkt sich vor allem
bei der Mahlung mit nicht gänzlich wasserfreien Mahlflüssigkeiten sehr nachteilig
aus.
[0008] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die Herstellung eines gesinterten Hartmetalls
zu ermöglichen, welches unter Vermeidung der zuvor geschilderten Nachteile eine erhöhte
Verschleißfestigkeit auch bei höheren Temperaturen aufweist. Das gesinterte Hartmetall
soll insbesondere auch als Schneidwerkzeug bzw. Schneidplatte einsetzbar sein und
vor allem bei der spanenden Bearbeitung kurz- und langspanender Werkstückstoffe deutlich
verbesserte Schnittleistungen aufweisen.
[0009] Die auf das Verfahren bezogene Aufgabe wird durch die im Anspruch 1 aufgeführten
Maßnahmen gelöst. Die Unteransprüche 2 bis 14 beschreiben Weiterentwicklungen dieses
Verfahrens. Vorzugsweise sollen aluminiumhaltige Komplexcarbide bzw. Komplexnitride
verwendet werden, ferner solche Komplexcarbide bzw. Komplexnitride, die dem Aluminium
wirkungsgleich bzw. wirkungsähnliche Stoffe enthalten. Insbesondere bieten sich die
Stoffe NbCrN, TaCrN, V₅Si₃N
1-x, Mo₅Si₃C
0,6, an.
[0010] Bei einer vorteilhaften Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens kommen aluminiumhaltige
Komplexcarbide und/oder -nitride aus der Familie der H-Phasen und/oder Chi-Phasen
und/oder Kappa-Phasen zur Anwendung.
[0011] Der Begriff Komplexcarbide wird u.a. in "Angew. Chem.", 84ster Jahrgang, 1972, Nr.
20, S. 973 ff., erläutert. Weitere Informationen über die Kristallchemie werden z.B.
in Peter S. Rudman, John Stringer, Robert I. Jaffee: "Phase Stability in Metals and
Alloys", Mc-Graw-Hill Book Company, New York, 1967, S. 319 bis 336, und "Journal of
the Institute of Metals", 1969, Vol. 97, S. 180 bis 186, gegeben.
[0012] Beim Sintern einer durch Pressen verdichteten Ausgangspulvermischung aus den harten
und verschleißfesten Carbiden und/oder Nitriden der Übergangsmetalle unter Zusatz
zumindest eines Komplexcarbids und/oder -nitrids (insbesondere aus der Familie der
H-, Chi- oder Kappa-Phasen) und Nickel und/oder Cobalt und/oder Eisen bilden sich
nämlich in überraschender Weise besonders harte und verschleißfeste Legierungen aus,
die vor allem bei der Bearbeitung kurz- und langspanender Werkstoffe im kontinuierlichen
und unterbrochenen Schnitt sowie beim Fräsen den herkömmlichen Hartmetallen überlegen
sind.
[0013] Als aluminiumhaltige Komplexcarbide oder Komplexnitride aus der Familie der H-, Chi-
und Kappa-Phasen kommen beispielsweise folgende Verbindungen in Frage:
[0014] Ti₂AlN, Ti₂AlC, V₂AlC, V₂AlN, Nb₂AlC, Ta₂AlC, Cr₂AlC, Nb₃Al₂C, Ta₃Al₂C, Nb₃AlN, Mo₃Al₂C,
MoCr₂Al₂C, Mo-Ni-Al-C, Mo-Co-Al-C, Mo-Mn-Al-C, W-Mn-Al-C, W-Fe-Al-C.
[0015] Die aluminiumhaltigen Komplexcarbide und -nitride werden durch Reaktion des Nitrids
oder Carbids des Aluminiums mit den pulverförmigen Übergangsmetallen oder durch Reaktion
der Nitride oder Carbide der Übergangsmetalle mit Aluminium hergestellt. Sie werden
nach den in der Hartmetallindustrie übli chen Zerkleinerungsmethoden pulverisiert
und mit den übrigen Legierungsbestandteilen des Hartmetalls in an sich bekannter
Weise zu einem gesinterten Hartmetallkörper - insbesondere zu Schneidwerkzeugen bzw.
Schneidplatten - verarbeitet.
[0016] Die relativen Mengenverhältnisse zwischen dem aluminiumhaltigen Komplexcarbid oder
-nitrid und Bindermetall werden dabei zur Erzielung optimaler Eigenschaften so gewählt,
daß - unter der Annahme, daß der gesamte Aluminiumgehalt des Komplexcarbides oder
-nitrides im gesinterten (also fertiggestellten) Hartmetallkörper verbleibt - der
Aluminiumgehalt des Bindermetalls 20 Massen-%, vorzugsweise 10 Massen-%, nicht übersteigt;
im gesinterten Hartmetallkörper sollte der Mindestgehalt an Aluminium im Bindermetall
dabei in der Größenordnung um 1 Massen-% liegen.
[0017] Besonders günstige Ergebnisse sind erzielbar, wenn der Aluminiumgehalt des Bindermetalls
zwischen 2 und 8 Massen-% beträgt.
[0018] Die Komplexcarbide und -nitride sind gegen die üblicherweise verwendeten Mahlhilfsmittel
weitgehend resistent. Ein chemischer Angriff auf die Komplexcarbide und -nitride
oder eine Hydrolyse dieser Verbindungen ist nicht zu befürchten.
[0019] Die in Rede stehenden Komplexcarbide und -nitride zersetzen sich in Gegenwart von
Nickel und/oder Cobalt bei den üblicherweise angewendeten Sintertemperaturen (etwa
1350 bis 1550 °C), wobei sich aus ihnen in der Regel die Monocarbide bzw. Mononitride
der Übergangsmetalle der 4. bis 6. Gruppe des Periodensystems ausscheiden, während
Aluminium im Überschuß des Nickel-Cobalts gelöst wird, durch Mischkristallhärtung
den Binder verfestigt und sich bei Überschreiten eines Mindestgehaltes an Aluminium
im Bindermetall beim Abkühlen ggf. als γ′-Phase ausscheidet (z.B. H. Nowotny et al
: Montash. Chem. 114 (1985), 127-135). Bei Komplexcarbiden mit Chrom, Molybdän und
Wolfram als Übergangsmetallkomponenten diffundiert ein Teil des Übergangsmetalls in
die Hartstoffteilchen; ein anderer Teil bleibt im Bindermetall gelöst und festigt
das Bindermetall durch Mischkristallhärtung.
[0020] Die während der Umsetzung der Komplexcarbide und -nitride mit dem flüssigen Bindermetall
sich bildenden Monocarbide und -nitride der Übergangsmetalle schlagen sich epitaktisch
an der Oberfläche der Hartstoffteilchen nieder und umhüllen das Hartstoffteilchen
vollständig. Bei Sintertemperaturen zwischen 1350 °C und 1550 °C sowie Sinterzeiten
bis zu 2 Stunden reichen die Diffusionsgeschwindigkeiten in den Hartstoffteilchen
nicht aus, um ein metallurgisches Gleichgewicht zwischen dem betreffenden Hartstoffteilchen
und seiner Hülle aus Monocarbiden bzw. -nitriden der Übergangsmetalle herbeizuführen.
Vielmehr bildet die Hülle aus Monocarbiden bzw. -nitriden der Übergangsmetalle eine
diffusionshemmende Sperrschicht, die auch den weiteren Stoffaustausch zwischen dem
betreffenden Hartstoffteilchen und dem Bindermetall verhindert. Die chemische Zusammensetzung
des Kerns des umhüllten Hartstoffteilchens im gesinterten Hartmetall ist somit im
wesentlichen mit der chemischen Zusammensetzung des entsprechenden Hartstoffteilchens
in der Ausgangspulvermischung, aus welcher der Hartmetallkörper durch Verpressen und
Sintern hergestellt worden ist, identisch. Der das umhüllte Hartstoffteilchen bildende
kubische Mischkristall verbleibt auch im gesinterten Hartmetallkörper in einem Ungleichgewichtszustand.
Im metallographischen Schliff macht sich diese Erscheinung dadurch bemerkbar, daß
auch feinkörnige Hartstoffteilchen eine deutlich erkennbare Randzone aufweisen. Von
der Kernzone des Hartmetallteilchens ist diese Randzone aus Monocarbiden und - nitriden
der Übergangsmetalle sowohl hinsichtlich ihrer Metallkomponenten (allgemein: Übergangsmetalle
der 4. und 6. Gruppe des Periodensystems) als auch ihrer Nichtmetallkomponenten (Kohlenstoff
und Stickstoff) deutlich zu unterscheiden.
[0021] Das erfindungsgemäße gesinterte Hartmetall vereint die günstigen Eigenschaften der
von den üblichen Bindermetallen gut benetzbaren Carbide der Übergangsmetalle in der
Randzone mit der hohen Verschleißfestigkeit der Nitride im Kern und besitzt aufgrund
des Gehalts an Titan und Aluminium im Bindermetall eine so hohe Verschleißfestigkeit,
daß die daraus hergestellten Schneidwerkzeuge bzw. Schneidplatten deutlich verbesserte
Schnittleistungen aufweisen. Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Hartmetalls
besteht darin, daß die während der Umsetzung der Komplexcarbide und -ni tride mit
dem flüssigen Bindermetall sich bildenden Monocarbide und -nitride der übergangsmetalle
sich an der Oberfläche der Hartstoffteilchen epitaktisch niederschlagen und damit
eine weitere Veränderung des Hartstoffkerns unter der Wirkung des flüssigen Bindermetalls
verhindern. Auf diese Weise ist es z.B. möglich, den Stickstoffgehalt eines feinkörnigen
Titannitrids im Kern der Hartstoffteilchen auch bei Sinterung im Vakuum weitgehend
zu erhalten, beispielsweise wenn Titannitrid mit Ti₂AlC oder V₂AlC und Nickel zur
Anwendung kommen.
[0022] Der gesinterte Hartmetallkörper, der sich mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens
herstellen läßt, ist im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß die Ausgangspulvermischung
mitbildenden Hartstoffe im gesinterten Hartmetallkörper (d.h. nach Abschluß des Herstellvorgangs)
im wesentlichen in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung vorliegen:
[0023] Die vorhandenen, mit einer diffusionshemmenden Schicht umhüllten Carbide und/oder
Mischcarbide und/oder Nitride und/oder Mischnitride lassen also an ihrem Aufbau erkennen,
daß zwischen den verschiedenen Hartstoffen innerhalb des Hartstoffteilchens eine Gleichgewichtseinstellung
im metallurgischen Sinne vermieden worden ist. Dieser bewußt herbeigeführte Ungleichgewichtszustand
hat die bereits erwähnte verbesserte Verschleißfestigkeit - auch unter extremen Arbeitsbedingungen
- zur Folge.
[0024] Weitere wesentliche Merkmale des gesinterten Hartmetallkörpers sind in den Ansprüchen
16 bis 19 beschrieben.
[0025] Die Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf die Zeichnungen anhand von Ausführungsbeispielen
im einzelnen erläutert. Es zeigt.
Fig. 1 im Vergleich der Werte der Kolktiefe und des Freiflächenverschleißes für eine
Schneidplatte aus einem herkömmlichen Hartmetall bzw. aus zwei Hartmetallen, denen
unterschiedliche Gehalte an Komplexnitrid aus der Familie der H-Phasen - nämlich
Ti₂AlN - zugesetzt worden sind, und zwar beim Drehen von Stahl Cm45N im kontinuierlichen
Schnitt,
Fig. 2 im Vergleich die Werte für die Schlagzahlen, welche die im Zusammenhang mit
Fig. 1 beschriebenen Hartmetalle beim Drehen von Stahl CK45N im unterbrochenen Schnitt
erreichen.
Fig. 3 im Vergleich die Werte der Fräslänge der im Zusammenhang mit Fig. 1 beschriebenen
Hartmetall und
Fig. 4 eine Tabelle mit acht Ausführungsbeispielen für die Zusammensetzung der Ausgangspulvermischung
und des erfindungsgemäßen Hartmetallkörpers.
[0026] Das zum Vergleich herangezogene herkömmliche Hartmetall (vgl. Fig. 1, linke Blöcke)
besteht aus 57 % Tic, 10 % TiN, 10 % WC, 2 % VC, 10 % Mo sowie 5,5 % Ni und 5,5 %
Co. Die erfindungsgemäßen Hartmetalle mit komplexnitridmodifiziertem Bindermetall
(vgl. die Blöcke in der Mitte und auf der rechten Seite der Fig. 1) wurden aus dem
gleichen Grundwerkstoff unter Zusatz von 0,6 % bzw. 2,2 % Ti₂AlN unter gleichzeitiger
Verminderung des Nickel- und Cobaltgehalts auf 5,2 % bzw. 4,4 % auf an sich bekannte
Weise hergestellt; im gesinterten Hartmetall beträgt der zugehörige Aluminiumgehalt
im Binder etwa 2 bzw. etwas mehr als 7 %.
[0027] Wie die in Rede stehenden Darstellung zeigt, liegt die Kolktiefe KT bei Schneidversuchen
am Werkstückstoff Cm45N bei einer Schnittgeschwindigkeit von 355 m/min, einer Schnittzeit
von 12,5 min sowie einem Produkt aus Schnittiefe und Vorschub in der Größenordnung
von 1,0 x 0,1 mm²/U bei den miteinander zu vergleichenden Hartmetallen im Bereich
zwischen etwa 30 bis 35 µm.
[0028] Der Freiflächenverschleiß VB beträgt für das herkömmliche Hartmetall (links) 450
µm und wird mit zunehmendem Gehalt an Ti₂AlN geringer (Mitte und rechte Seite der
Darstellung). Während die Kolktiefe KT durch das Zusetzen von Ti₂AlN nicht verbessert
werden konnte, nimmt der festgestellte Freiflächenverschleiß VB mit zunehmendem Ti₂AlN-Gehalt
von etwa 450 auf 280 µm ab.
[0029] In Fig. 2 ist die Schlagzahl von 10 Schneiden für die drei zuvor erwähnten Hartmetalle
dargestellt. Der Schneidversuch wurde an einer Welle aus dem Werkstückstoff Ck45N
durchgeführt, und zwar mit einer Schnittgeschwindigkeit von 200 m/min bei einem Produkt
aus Schnittiefe und Vorschub von 2,5 x 0,2 mm²/U.
[0030] Während das herkömmliche Hartmetall (links) nur eine Schlagzahl von etwa 10 000 erreicht,
wird durch das Zusetzen von 0,6 % Ti₂AlN bereits eine Verdoppelung der Schlagzahl
auf 20 000 erzielt; demgegenüber hält das Hartmetall, dessen Ausgangsmischung 2,2
% Ti₂AlN zugesetzt worden ist (rechter Block in der Darstellung) sogar 160 000 Schlägen
stand. Beim Drehen im unterbrochenen Schnitt sind die erfindungsgemäß ausgebildeten
Hartmetalle dem herkömmlichen Hartmetall also deutlich überlegen.
[0031] Beim Fräsen (vgl. Fig. 3) kann mit einem Werkzeug bzw. einer Schneidplatte aus einem
erfindungsgemäß ausgebildeten Hartmetall im Vergleich zu einem Werkzeug aus herkömmlichem
Hartmetall eine erheblich größere Schnittleistung erbracht werden: Durch Zusatz von
0,6 bzw. 2,2 % Ti₂AlN erhöht sich der erzielte Fräsweg von etwa 800 mm auf 1200 mm
bzw. 1600 mm.
[0032] Die Fräsversuche, deren Ergebnis in der Zeichnung in Form des Fräsweges LF (in mm)
festgehalten ist, wurden an einer Welle aus vergütetem Stahl 42CrMo4 bei einer Schnittgeschwindigkeit
von 250 m/min durchgeführt; das zugehörige Produkt aus Schnittiefe, Spanungsquerschnitt
und Vorschub pro Zahn liegt bei 1,0 x 120 x 0,1 mm/Zahn.
[0033] Werkzeuge bzw. Schneidplatten aus Hartmetall, dessen Ausgangsmischung aluminiumhaltige
Komplexnitride zugesetzt worden sind, sind somit - wie die Versuchsergebnisse belegen
- bezüglich der Schnittleistung insbesondere beim Drehen im unterbrochenen Schnitt
und beim Fräsen den Werkzeugen bzw. Schneidplatten, die aus herkömmlichen Hartmetallen
hergestellt worden sind, deutlich überlegen.
[0034] Die verbesserte Verschleißfestigkeit - welche die erfindungsgemäßen Hartmetalle
auch für andere Anwendungsbereiche interessant macht - beruht darauf, daß die Ausgangsmischung
zur Herstellung des Hartmetalls bzw. Hartmetallkörpers in der Weise zusammengestellt
ist, daß zu Beginn des Aufschmelzens der Bindephase sehr rasch bestimmte chemische
Reaktionen eingeleitet werden, welche die Bildung einer diffusionshemmenden Schicht
um die Oberfläche der Hartstoffteilchen der Ausgangsmischung zur Folge haben. Die
bewußte Auswahl der die Ausgangspulvermischung bildenden Bestandteile führt also dazu,
daß sich im fertigen Hartmetall bzw. Hartmetallkörper kein metallurgisches Gleichgewicht
einstellen kann. Dadurch wird erreicht, daß die für die vorgesehenen Anwendungen jeweils
optimalen Eigenschaften der unterschiedlichen Hartstoffteilchen - wie etwa die bekannte
Verschleißfestigkeit des Titannitrids und die bekannte hervorragende Härte des Titancarbids
- im fertigen Hartmetall erhalten bleiben. Durch die Einstellung des metallurgischen
Gleichgewichts, die nach dem Stand der Technik üblicherweise gegeben ist, würden diese
individuellen Eigenschaften der erfindungsgemäßen Hartstoffteilchen zumindest teilweise
verloren gehen.
[0035] Die Erfindung besteht also im Gegensatz zum bekannten Stand der Technik darin, daß
ausdrücklich kein metallurgisches Gleichgewicht angestrebt wird und vorliegt.
[0036] Fig. 4 zeigt eine Tabelle mit acht Ausführungsbeispielen für die Zusammensetzung
der Ausgangspulvermischung des erfindungsgemäßen Hartmetallkörpers.
[0037] Bei den Hartmetallen Nr. 1 bis 4 werden - mit Ausnahme des Komplexcarbids/nitrids
- zur Herstellung des gesinterten Hartmetallkörpers ausschließlich Pulver in Form
der reinen Komponenten (z.B. TiC, TiN, WC usw.) verwendet. Für die Herstellung der
Hartmetalle Nr. 5 bis 8 wurden pulverförmige Vorlegierungen (z.B. Ti(N, C), (W, Ti,
Ta,Nb)C) eingesetzt. Diese Herstellungsvariante hat den Vorteil, daß, im Vergleich
zur Herstellung des gesinterten Hartmetalls aus den reinen Komponenten, infolge eines
geringeren Bedarfs an chemischen Reaktionen zwischen den einzelnen Bestandteilen der
Ausgangspulvermischung, ein Produkt mit deutlich verbesserter Qualität geschaffen
werden kann.
[0038] Bei allen Prozentangaben handelt es sich um Massengehalts-%.
1. Verfahren zur Herstellung eines gesinterten Hartmetallkörpers, der aus zumindest
einem Hartstoff aus dem Bereich der Carbide, Nitride und/oder Carbonitride der Übergangsmetalle
der Gruppen 4, 5 und/oder 6 des Periodensystems besteht und wenigstens eines der Bindemetalle
Eisen, Nickel und Cobalt enthält, wobei der Hartstoff als Carbid und/oder Mischcarbid
und/oder Nitrid und/oder Mischnitrid in Form kubischer Kristalle bzw. Mischkristalle
vorliegt und durch Mischen sowie Mahlen pulverförmiger Ausgangsstoffe und durch Verpressen
und anschließendes Sintern der Ausgangspulvermischung hergestellt wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Ausgangspulvermischung zumindest ein Komplexcarbid und/oder -nitrid beigegeben
wird, das zu Beginn des Aufschmelzens der Bindephase unter Bildung eines Übergangsmetallcarbides
und/oder -nitrides zerfällt und unter Bildung einer diffusionshemmenden Schicht auf
die Oberfläche der Hartstoffteilchen der Ausgangspulvermischung aufwächst.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß bis zu 3 Massen-% - bezogen
auf die gesamte Ausgangspulvermischung - Komplexcarbid und/oder -nitrid beigegeben
wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Ausgangspulvermischung
ein aluminiumhaltiges Komplexnitrid bzw. aluminiumhaltiges Komplexcarbid zugesetzt
wird.
4. Verfahren nach zumindest einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet,
daß der Ausgangspulvermischung ein aluminiumhaltiges Komplexnitrid bzw. aluminiumhaltiges
Komplexcarbid aus der Familie der H-Phasen zugesetzt wird.
5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß Ti₂AlN, Ti₂AlC, V₂AlC, Nb₂AlC,
Ta₂AlC oder Cr₂AlC zugesetzt wird.
6. Verfahren nach zumindest einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet,
daß der Ausgangspulvermischung ein aluminiumhaltiges Komplexnitrid oder aluminiumhaltiges
Komplexcarbid aus der Familie der Chi-Phasen zugesetzt wird.
7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß Nb₃Al₂C, Ta₃Al₂C, Nb₃AlN
oder Mo₃Al₂C zugesetzt wird.
8. Verfahren nach zumindest einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet,
daß der Ausgangspulvermischung ein aluminiumhaltiges Komplexnitrid oder aluminiumhaltiges
Komplexcarbid aus der Familie der Kappa-Phasen zugesetzt wird.
9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß Mo-Ni-Al-C, Mo-Co-Al-C,
Mo-Mn-Al-C, W-Mn-Al-C oder W-Fe-Al-C zugesetzt wird.
10. Verfahren nach zumindest einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet,
daß das aluminiumhaltige Komplexcarbid bzw. aluminiumhaltige Komplexnitrid in einer
solchen Menge zugesetzt wird, daß im gesinterten Hartmetallkörper der Aluminiumgehalt
im Bindermetall 20 Massen-%, vorzugsweise 10 Massen-%, nicht übersteigt.
11. Verfahren nach zumindest einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet,
daß das aluminiumhaltige Komplexcarbid bzw. aluminiumhaltige Komplexnitrid in einer
solchen Menge zugesetzt wird, daß im gesinterten Hartmetallkörper der Aluminiumgehalt
im Bindermetall 2 bis 8 Massen-% nicht übersteigt.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, daß eines
oder mehrere der folgenden Komplexcarbide oder -nitride der Ausgangspulvermischung
beigegeben wird bzw. werden: Ti₂AlN, Ti₂AlC, V₂AlC, Nb₂AlC, Ta₂AlC, Cr₂AlC, Nb₃Al₂C,
Ta₃Al₂C, Nb₃AlN, Mo₃Al₂C, MoCr₂Al₂C, Mo-Ni-Al-C, Mo-Co-Al-C, Mo-Mn-Al-C, W-Mn-Al-C,
W-Fe-Al-C, NbCrN, TaCrN, V₅Si₃N1-x, Mo₅Si₃C0,6, Ni-Mo-N.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, daß eines
oder mehrere der folgenden Komplexcarbide oder -nitride zugegeben wird: Ti₂AlC, Ti₂AlN,
V₂AlC, Nb₂AlC, Ta₂AlC, NbCrN, TaCrN.
14. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, daß eines
oder mehrere der folgenden Komplexcarbide oder -nitride zugegeben wird: Ti₂AlC, Ti₂AlN,
V₂AlC, Ta₂AlC.
15. Gesinterter Hartmetallkörper, der mittels eines Verfahrens nach zumindest einem
der Ansprüche 1 bis 14 hergestellt ist und der zumindest aus einem Hartstoff aus
dem Bereich der Carbide, Nitride und/oder Carbonitride der Übergangsmetalle der Gruppen
4, 5 und/oder 6 des Periodensystems besteht und wenigstens eines der Bindermetalle
Eisen, Nickel und Cobalt enthält, wobei der Hartstoff als Carbid und/oder Mischcarbid
und/oder Nitrid und/oder Mischnitrid in Form kubischer Kristalle bzw. Mischkristalle
vorliegt, dadurch gekennzeichnet, daß die Hartstoffe der Ausgangspulvermischung im
wesentlichen in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung enthalten sind.
16. Gesinterter Hartmetallkörper nach Anspruch 15, dadurch gekennzeichnet, daß die
Hartstoffe der Ausgangspulvermischung von einer diffusionshemmenden Hülle aus epitaktisch
an ihrer Oberfläche niedergeschlagenen Monocarbiden und/oder -nitriden und/oder Mischcarbiden
und/oder Mischnitriden umgeben sind.
17. Gesinterter Hartmetallkörper nach Anspruch 15 oder 16, dadurch gekennzeichnet,
daß der Komplexcarbid- und/oder Komplexnitrid-Anteil an der gesamten Ausgangsmischung
vor dem Sintern maximal 3 % beträgt.
18. Gesinterter Hartmetallkörper nach einem der Ansprüche 11 bis 17, dadurch gekennzeichnet,
daß im gesinterten Hartmetallkörper der Aluminiumgehalt im Bindermetall 20 Gew.-%,
vorzugsweise 10 Gew.-%, nicht übersteigt.
19. Gesinterter Hartmetallkörper nach einem der Ansprüche 15 bis 18, dadurch gekennzeichnet,
daß im gesinterten Hartmetallkörper der Aluminiumgehalt im Bindermetall 2 bis 8 Gew.-%
nicht übersteigt.