(19)
(11) EP 0 330 913 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
06.09.1989  Patentblatt  1989/36

(21) Anmeldenummer: 89102623.9

(22) Anmeldetag:  16.02.1989
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4C22C 1/05
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT CH DE ES FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 02.03.1988 DE 3806602

(71) Anmelder: Krupp Widia GmbH
45145 Essen (DE)

(72) Erfinder:
  • Kolaska, Hans
    D-4250 Bottrop (DE)
  • Ettmayer, P., Prof. Dr.
    A-1060 Wien (AT)

(74) Vertreter: Vomberg, Friedhelm, Dipl.-Phys. 
Schulstrasse 8
42653 Solingen
42653 Solingen (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung eines gesinterten Hartmetallkörpers und gesinterter Hartmetallkörper


    (57) Zur Verbesserung der Warmfestigkeitseigenschaften von Sinterhartmetallen, insbesondere im Hinblick auf die Erzielung höherer Schnittleistungen bei Verwendung als Schneidwerkzeug, wird der Vorschlag unterbreitet, dem mit zumindest einer Hartstoffphase versetzten Bindermetall aluminiumhaltige Komplexnitride und/oder aluminiumhaltige Komplexcarbide, insbesondere aus der Familie der H-, Chi- oder Kappa-Phasen, zuzulegieren.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines gesinterten Hartmetallkörpers, der aus zumindest einem Hartstoff aus dem Bereich der Carbide, Nitride und/oder Carbonitride der Übergangsmetalle der Gruppen 4, 5 und/oder 6 des Periodensystems besteht und wenigstens eines der Binderme­talle Eisen, Nickel und Cobalt enthält, wobei der Hartstoff als Carbid und/oder Mischcarbid und/oder Nitrid und/oder Mischnitrid in Form kubischer Kristalle bzw. Mischkristalle vorliegt, und durch Mischen sowie Mahlen pul­verförmiger Ausgangsstoffe und durch Verpressen und anschließendes Sintern der Ausgangspulvermischung hergestellt wird. Gegenstand der Erfindung ist außerdem ein gesinterter Hartmetallkörper, der mittels des erfindungsge­mäßen Verfahrens herstellbar ist.

    [0002] Verfahren zur Herstellung gesinterter Hartmetallkörper sind grundsätzlich aus z.B. Kieffer-Benesovsky, "Hartmetall", 1965, Springer-Verlag, sowie "Hartmetall für den Praktiker, Aufbau, Herstellung, Eigenschaften und indu­strielle Anwendung einer modernen Werkstoffgruppe", VDI-Verlag GmbH, 1988, ebenso bekannt, wie die möglichen Zusammensetzungen der Hartmetallkörper. Insbesondere ist es bekannt, daß der Binderanteil zwischen 3 und 30 Mas­sen-% liegt.

    [0003] Gesinterte Hartmetalle auf der Basis von Titancarbid (US-PS 29 67 349) oder Titancarbonitrid als Hartstoffphase (AT-PS 2 99 561, US-PS 39 94 692) - die jeweils durch einen Nickel-Molybdän-Binder gebunden ist - zeichnen sich be­kanntlich gegenüber herkömmlichen Hartmetall mit Wolframcarbid als der einen Hartstoffphase sowie kubischen Titan-Mischcarbiden - in denen ein Teil der Titanatome durch Tantal, Niob, Wolfram ersetzt ist - als der zwei­ten Hartstoffphase und Cobalt als Bindermetall durch erhöhte Verschleißfe­stigkeit aus. Als Schneidwerkzeuge, insbesondere bei hohen Schnittgeschwin­digkeiten und bei zyklischer thermischer Belastung (wie beim Fräsen) sind Titancarbid- und Titancarbonitridhartmetall allerdings nur beschränkt ein­setzbar; unter der Wirkung der an der Schneidkante auftretenden hohen Tem­peraturen verliert das Bindermetall nämlich seine Festigkeit und neigt un­ter dem Einfluß der Schnittkräfte zu plastischer Verformung. Die im Ver­gleich zu Wolframcarbid deutlich geringere Wärmeleitfähigkeit der TiC-Mo, Ni- und Ti(C,N)-Mo, Ni-Hartmetalle führt gerade an der höchst beanspruchten Stelle zu einem Hitzestau.

    [0004] Um diesen Nachteil der hinsichtlich ihrer Verschleißfestigkeit überlegenen TiC-Mo, Ni- und Ti(C,N)-Mo, Ni-Hartmetalle zu beseitigen, wurde bereits der Vorschlag unterbreitet, Carbonitridhartmetalle unter Zusatz von Wolframcar­bid und einem legierten Nickel- oder Cobaltbinder zu sintern (US-­PS 38 40 367, DE-OS 25 46 623). Wegen der Reaktionsbereitschaft von Ti(C,N) mit Wolframcarbid muß der Hartmetallkörper allerdings unter einem von der Zusammensetzung und der Sintertemperatur abhängigen Stickstoffpartialdruck gesintert werden, wodurch im Gefüge Mikroporosität entsteht und somit eine Qualitätsminderung des Hartmetalls verursacht wird.

    [0005] In der US-PS 39 71 656 wird ein Hartmetall beschrieben, in dem die Hart­stoffteilchen aus zwei Phasen bestehen, nämlich aus einer titan- und stick­stoffreichen Carbonitridmischphase im Inneren des Hartstoffteilchens und einer anderen Phase, die reich an Metallen der 6. Gruppe des Periodensy­stems und arm an Stickstoff ist und welche die Carbonitridmischphase um­hüllt. Es ist bekannt, daß Titannitrid gegenüber Titancarbid die Kolkfe­stigkeit von Hartmetallen bei Spanungsoperationen erhöht. Nach der Lehre der US-PS 39 71 656 wird vorausgesetzt, daß sich innerhalb des aus zwei Mischphasen bestehenden Hartstoffteilchens das Gleichgewicht einstellt. Der Kern des Hartstoffteilchens besteht demnach aus relativ kohlenstoffreichem Carbonitrid, da unlegiertes Titannitrid mit der geforderten zweiten (Mo,W)- reichen Phase nicht im Gleichgewicht stehen kann. Nach der US-PS 39 71 656 wird somit ein Hartmetall geschaffen, dessen Verschleißfestigkeit noch nicht optimal ist.

    [0006] Eine andere Möglichkeit, Sinterhartmetalle mit verbesserter Hochtemperatur­festigkeit zu schaffen, besteht in der Erhöhung der Warmfestigkeit des Bin­dermetalls. Beispielsweise wurde dem Bindermetall außer Molybdän, das Nickel durch Mischkristallverfestigung zu härten vermag, zusätzlich Alumi­nium zulegiert, um den von den Superlegierungen her bekannten Effekt der γ′-Härtung (Härtung durch Ausscheidung kohärenter Partikel mit kfz-Struk­tur) in der Binderphase nachzubilden. Durch elektronenmikroskopische Unter­suchungen von aluminiumlegierten Binderphasen in Ti(C,N)-Mo, Ni-Hartmetal­len konnte das Auftreten von γ′-Phasen nachgewiesen werden. Der Aluminium­zusatz hatte eine Erhöhung der bei Raumtemperatur gemessenen Härte zur Folge, mit der allerdings eine Abnahme der Biegefestigkeit verbunden ist (H. Doi und K. Nishigaki: in H. H. Hausner (ed.) Modern Development in P/M 10, 525-542; (D. Moskowitz und M. Humenik; in H. H. Hausner (ed.) Mo­dern Development in P/M 14, 307, 1980). Bei dem in Rede stehenden Verfahren wurde der Aluminiumanteil dem Hartmetallansatz in Form gepulverter, d.h. sehr feinkörniger Ni-Al-Legierungen mit Korngrößen im µm-Bereich zugesetzt, deren Herstellung wegen der sehr großen Plastizität der intermetallischen Legierungen im System Ni-Al außerordentlich schwierig und aufwendig ist. Zur Erzielung optimaler Eigenschaften des Bindermetalls muß außerdem der vorgeschriebene Kohlenstoffgehalt der gesinterten Legierung genau eingehal­ten werden, damit die für eine kohärente Ausscheidung von γ′-Phase notwen­dige Menge an Titan aus dem Hartstoff in Lösung geht. Nur dann, wenn das Verhältnis des im Bindermetall gelösten Anteils an Aluminium und an Titan etwa gleich groß ist, ist eine merkliche Beeinflussung der Eigenschaften des Bindermetalls zu erwarten. Bei zu hohem Titangehalt wird die γ′-Aus scheidung metastabil; bei Abwesenheit von Titan wird die Kohärenzspannung zu klein, wodurch der Härtungseffekt bei mittleren Temperaturen absinkt.

    [0007] Dem in der DE-PS 28 30 010 beschriebenen Binder wird zur Verbesserung der Warmfestigkeit AlN zugesetzt; dieses verbleibt als "dispergierte Phase" im Gefüge und verbessert die Härte. AlN bildet jedoch unter Sinterbedingungen weder mit TiC noch mit TiN Mischkristalle, stellt einen nichtmetallischen Hartstoff dar, der keine guten Benetzungseigenschaften besitzt, ist außer­dem in feinverteilter Form unbeständig gegen Luftfeuchtigkeit und zersetzt sich unter deren Einwirkung zu Al(OH)₃ und NH₃. Dies wirkt sich vor allem bei der Mahlung mit nicht gänzlich wasserfreien Mahlflüssigkeiten sehr nachteilig aus.

    [0008] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die Herstellung eines gesinterten Hartmetalls zu ermöglichen, welches unter Vermeidung der zuvor geschilderten Nachteile eine erhöhte Verschleißfestigkeit auch bei höheren Temperaturen aufweist. Das gesinterte Hartmetall soll insbesondere auch als Schneidwerkzeug bzw. Schneidplatte einsetzbar sein und vor allem bei der spanenden Bearbeitung kurz- und langspanender Werkstückstoffe deutlich verbesserte Schnittleistungen aufweisen.

    [0009] Die auf das Verfahren bezogene Aufgabe wird durch die im Anspruch 1 aufge­führten Maßnahmen gelöst. Die Unteransprüche 2 bis 14 beschreiben Wei­terentwicklungen dieses Verfahrens. Vorzugsweise sollen aluminiumhaltige Komplexcarbide bzw. Komplexnitride verwendet werden, ferner solche Komplex­carbide bzw. Komplexnitride, die dem Aluminium wirkungsgleich bzw. wir­kungsähnliche Stoffe enthalten. Insbesondere bieten sich die Stoffe NbCrN, TaCrN, V₅Si₃N1-x, Mo₅Si₃C0,6, an.

    [0010] Bei einer vorteilhaften Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens kom­men aluminiumhaltige Komplexcarbide und/oder -nitride aus der Familie der H-Phasen und/oder Chi-Phasen und/oder Kappa-Phasen zur Anwendung.

    [0011] Der Begriff Komplexcarbide wird u.a. in "Angew. Chem.", 84ster Jahrgang, 1972, Nr. 20, S. 973 ff., erläutert. Weitere Informationen über die Kri­stallchemie werden z.B. in Peter S. Rudman, John Stringer, Robert I. Jaffee: "Phase Stability in Metals and Alloys", Mc-Graw-Hill Book Company, New York, 1967, S. 319 bis 336, und "Journal of the Institute of Metals", 1969, Vol. 97, S. 180 bis 186, gegeben.

    [0012] Beim Sintern einer durch Pressen verdichteten Ausgangspulvermischung aus den harten und verschleißfesten Carbiden und/oder Nitriden der Übergangsme­talle unter Zusatz zumindest eines Komplexcarbids und/oder -nitrids (insbe­sondere aus der Familie der H-, Chi- oder Kappa-Phasen) und Nickel und/oder Cobalt und/oder Eisen bilden sich nämlich in überraschender Weise besonders harte und verschleißfeste Legierungen aus, die vor allem bei der Bearbei­tung kurz- und langspanender Werkstoffe im kontinuierlichen und unterbro­chenen Schnitt sowie beim Fräsen den herkömmlichen Hartmetallen überlegen sind.

    [0013] Als aluminiumhaltige Komplexcarbide oder Komplexnitride aus der Familie der H-, Chi- und Kappa-Phasen kommen beispielsweise folgende Verbindungen in Frage:

    [0014] Ti₂AlN, Ti₂AlC, V₂AlC, V₂AlN, Nb₂AlC, Ta₂AlC, Cr₂AlC, Nb₃Al₂C, Ta₃Al₂C, Nb₃AlN, Mo₃Al₂C, MoCr₂Al₂C, Mo-Ni-Al-C, Mo-Co-Al-C, Mo-Mn-Al-C, W-Mn-Al-C, W-Fe-Al-C.

    [0015] Die aluminiumhaltigen Komplexcarbide und -nitride werden durch Reaktion des Nitrids oder Carbids des Aluminiums mit den pulverförmigen Übergangsmetal­len oder durch Reaktion der Nitride oder Carbide der Übergangsmetalle mit Aluminium hergestellt. Sie werden nach den in der Hartmetallindustrie übli­ chen Zerkleinerungsmethoden pulverisiert und mit den übrigen Legierungsbe­standteilen des Hartmetalls in an sich bekannter Weise zu einem gesinterten Hartmetallkörper - insbesondere zu Schneidwerkzeugen bzw. Schneidplatten - verarbeitet.

    [0016] Die relativen Mengenverhältnisse zwischen dem aluminiumhaltigen Komplexcar­bid oder -nitrid und Bindermetall werden dabei zur Erzielung optimaler Ei­genschaften so gewählt, daß - unter der Annahme, daß der gesamte Aluminium­gehalt des Komplexcarbides oder -nitrides im gesinterten (also fertigge­stellten) Hartmetallkörper verbleibt - der Aluminiumgehalt des Binderme­talls 20 Massen-%, vorzugsweise 10 Massen-%, nicht übersteigt; im gesinter­ten Hartmetallkörper sollte der Mindestgehalt an Aluminium im Bindermetall dabei in der Größenordnung um 1 Massen-% liegen.

    [0017] Besonders günstige Ergebnisse sind erzielbar, wenn der Aluminiumgehalt des Bindermetalls zwischen 2 und 8 Massen-% beträgt.

    [0018] Die Komplexcarbide und -nitride sind gegen die üblicherweise verwendeten Mahlhilfsmittel weitgehend resistent. Ein chemischer Angriff auf die Kom­plexcarbide und -nitride oder eine Hydrolyse dieser Verbindungen ist nicht zu befürchten.

    [0019] Die in Rede stehenden Komplexcarbide und -nitride zersetzen sich in Gegen­wart von Nickel und/oder Cobalt bei den üblicherweise angewendeten Sinter­temperaturen (etwa 1350 bis 1550 °C), wobei sich aus ihnen in der Regel die Monocarbide bzw. Mononitride der Übergangsmetalle der 4. bis 6. Gruppe des Periodensystems ausscheiden, während Aluminium im Überschuß des Nickel-Co­balts gelöst wird, durch Mischkristallhärtung den Binder verfestigt und sich bei Überschreiten eines Mindestgehaltes an Aluminium im Bindermetall beim Abkühlen ggf. als γ′-Phase ausscheidet (z.B. H. Nowotny et al : Montash. Chem. 114 (1985), 127-135). Bei Komplexcarbiden mit Chrom, Molyb­dän und Wolfram als Übergangsmetallkomponenten diffundiert ein Teil des Übergangsmetalls in die Hartstoffteilchen; ein anderer Teil bleibt im Bin­dermetall gelöst und festigt das Bindermetall durch Mischkristallhärtung.

    [0020] Die während der Umsetzung der Komplexcarbide und -nitride mit dem flüssigen Bindermetall sich bildenden Monocarbide und -nitride der Übergangsmetalle schlagen sich epitaktisch an der Oberfläche der Hartstoffteilchen nieder und umhüllen das Hartstoffteilchen vollständig. Bei Sintertemperaturen zwi­schen 1350 °C und 1550 °C sowie Sinterzeiten bis zu 2 Stunden reichen die Diffusionsgeschwindigkeiten in den Hartstoffteilchen nicht aus, um ein me­tallurgisches Gleichgewicht zwischen dem betreffenden Hartstoffteilchen und seiner Hülle aus Monocarbiden bzw. -nitriden der Übergangsmetalle herbeizu­führen. Vielmehr bildet die Hülle aus Monocarbiden bzw. -nitriden der Über­gangsmetalle eine diffusionshemmende Sperrschicht, die auch den weiteren Stoffaustausch zwischen dem betreffenden Hartstoffteilchen und dem Binder­metall verhindert. Die chemische Zusammensetzung des Kerns des umhüllten Hartstoffteilchens im gesinterten Hartmetall ist somit im wesentlichen mit der chemischen Zusammensetzung des entsprechenden Hartstoffteilchens in der Ausgangspulvermischung, aus welcher der Hartmetallkörper durch Verpressen und Sintern hergestellt worden ist, identisch. Der das umhüllte Hartstoff­teilchen bildende kubische Mischkristall verbleibt auch im gesinterten Hartmetallkörper in einem Ungleichgewichtszustand. Im metallographischen Schliff macht sich diese Erscheinung dadurch bemerkbar, daß auch feinkör­nige Hartstoffteilchen eine deutlich erkennbare Randzone aufweisen. Von der Kernzone des Hartmetallteilchens ist diese Randzone aus Monocarbiden und - nitriden der Übergangsmetalle sowohl hinsichtlich ihrer Metallkomponenten (allgemein: Übergangsmetalle der 4. und 6. Gruppe des Periodensystems) als auch ihrer Nichtmetallkomponenten (Kohlenstoff und Stickstoff) deutlich zu unterscheiden.

    [0021] Das erfindungsgemäße gesinterte Hartmetall vereint die günstigen Eigen­schaften der von den üblichen Bindermetallen gut benetzbaren Carbide der Übergangsmetalle in der Randzone mit der hohen Verschleißfestigkeit der Ni­tride im Kern und besitzt aufgrund des Gehalts an Titan und Aluminium im Bindermetall eine so hohe Verschleißfestigkeit, daß die daraus hergestell­ten Schneidwerkzeuge bzw. Schneidplatten deutlich verbesserte Schnittlei­stungen aufweisen. Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Hartmetalls besteht darin, daß die während der Umsetzung der Komplexcarbide und -ni tride mit dem flüssigen Bindermetall sich bildenden Monocarbide und -ni­tride der übergangsmetalle sich an der Oberfläche der Hartstoffteilchen epitaktisch niederschlagen und damit eine weitere Veränderung des Hart­stoffkerns unter der Wirkung des flüssigen Bindermetalls verhindern. Auf diese Weise ist es z.B. möglich, den Stickstoffgehalt eines feinkörnigen Titannitrids im Kern der Hartstoffteilchen auch bei Sinterung im Vakuum weitgehend zu erhalten, beispielsweise wenn Titannitrid mit Ti₂AlC oder V₂AlC und Nickel zur Anwendung kommen.

    [0022] Der gesinterte Hartmetallkörper, der sich mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens herstellen läßt, ist im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß die Ausgangspulvermischung mitbildenden Hartstoffe im gesinterten Hartme­tallkörper (d.h. nach Abschluß des Herstellvorgangs) im wesentlichen in ih­rer ursprünglichen Zusammensetzung vorliegen:

    [0023] Die vorhandenen, mit einer diffusionshemmenden Schicht umhüllten Carbide und/oder Mischcarbide und/oder Nitride und/oder Mischnitride lassen also an ihrem Aufbau erkennen, daß zwischen den verschiedenen Hartstoffen innerhalb des Hartstoffteilchens eine Gleichgewichtseinstellung im metallurgischen Sinne vermieden worden ist. Dieser bewußt herbeigeführte Ungleichgewichts­zustand hat die bereits erwähnte verbesserte Verschleißfestigkeit - auch unter extremen Arbeitsbedingungen - zur Folge.

    [0024] Weitere wesentliche Merkmale des gesinterten Hartmetallkörpers sind in den Ansprüchen 16 bis 19 beschrieben.

    [0025] Die Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf die Zeichnungen anhand von Ausführungsbeispielen im einzelnen erläutert. Es zeigt.

    Fig. 1 im Vergleich der Werte der Kolktiefe und des Freiflächen­verschleißes für eine Schneidplatte aus einem herkömmlichen Hartmetall bzw. aus zwei Hartmetallen, denen unterschied­liche Gehalte an Komplexnitrid aus der Familie der H-Phasen - nämlich Ti₂AlN - zugesetzt worden sind, und zwar beim Drehen von Stahl Cm45N im kontinuierlichen Schnitt,

    Fig. 2 im Vergleich die Werte für die Schlagzahlen, welche die im Zusammenhang mit Fig. 1 beschriebenen Hartmetalle beim Drehen von Stahl CK45N im unterbrochenen Schnitt erreichen.

    Fig. 3 im Vergleich die Werte der Fräslänge der im Zusammenhang mit Fig. 1 beschriebenen Hartmetall und

    Fig. 4 eine Tabelle mit acht Ausführungsbeispielen für die Zusam­mensetzung der Ausgangspulvermischung und des erfindungsge­mäßen Hartmetallkörpers.



    [0026] Das zum Vergleich herangezogene herkömmliche Hartmetall (vgl. Fig. 1, linke Blöcke) besteht aus 57 % Tic, 10 % TiN, 10 % WC, 2 % VC, 10 % Mo sowie 5,5 % Ni und 5,5 % Co. Die erfindungsgemäßen Hartmetalle mit komplexnitrid­modifiziertem Bindermetall (vgl. die Blöcke in der Mitte und auf der rech­ten Seite der Fig. 1) wurden aus dem gleichen Grundwerkstoff unter Zusatz von 0,6 % bzw. 2,2 % Ti₂AlN unter gleichzeitiger Verminderung des Nickel- und Cobaltgehalts auf 5,2 % bzw. 4,4 % auf an sich bekannte Weise herge­stellt; im gesinterten Hartmetall beträgt der zugehörige Aluminiumgehalt im Binder etwa 2 bzw. etwas mehr als 7 %.

    [0027] Wie die in Rede stehenden Darstellung zeigt, liegt die Kolktiefe KT bei Schneidversuchen am Werkstückstoff Cm45N bei einer Schnittgeschwindigkeit von 355 m/min, einer Schnittzeit von 12,5 min sowie einem Produkt aus Schnittiefe und Vorschub in der Größenordnung von 1,0 x 0,1 mm²/U bei den miteinander zu vergleichenden Hartmetallen im Bereich zwischen etwa 30 bis 35 µm.

    [0028] Der Freiflächenverschleiß VB beträgt für das herkömmliche Hartmetall (links) 450 µm und wird mit zunehmendem Gehalt an Ti₂AlN geringer (Mitte und rechte Seite der Darstellung). Während die Kolktiefe KT durch das Zu­setzen von Ti₂AlN nicht verbessert werden konnte, nimmt der festgestellte Freiflächenverschleiß VB mit zunehmendem Ti₂AlN-Gehalt von etwa 450 auf 280 µm ab.

    [0029] In Fig. 2 ist die Schlagzahl von 10 Schneiden für die drei zuvor erwähnten Hartmetalle dargestellt. Der Schneidversuch wurde an einer Welle aus dem Werkstückstoff Ck45N durchgeführt, und zwar mit einer Schnittgeschwindig­keit von 200 m/min bei einem Produkt aus Schnittiefe und Vorschub von 2,5 x 0,2 mm²/U.

    [0030] Während das herkömmliche Hartmetall (links) nur eine Schlagzahl von etwa 10 000 erreicht, wird durch das Zusetzen von 0,6 % Ti₂AlN bereits eine Ver­doppelung der Schlagzahl auf 20 000 erzielt; demgegenüber hält das Hartme­tall, dessen Ausgangsmischung 2,2 % Ti₂AlN zugesetzt worden ist (rechter Block in der Darstellung) sogar 160 000 Schlägen stand. Beim Drehen im un­terbrochenen Schnitt sind die erfindungsgemäß ausgebildeten Hartmetalle dem herkömmlichen Hartmetall also deutlich überlegen.

    [0031] Beim Fräsen (vgl. Fig. 3) kann mit einem Werkzeug bzw. einer Schneidplatte aus einem erfindungsgemäß ausgebildeten Hartmetall im Vergleich zu einem Werkzeug aus herkömmlichem Hartmetall eine erheblich größere Schnittlei­stung erbracht werden: Durch Zusatz von 0,6 bzw. 2,2 % Ti₂AlN erhöht sich der erzielte Fräsweg von etwa 800 mm auf 1200 mm bzw. 1600 mm.

    [0032] Die Fräsversuche, deren Ergebnis in der Zeichnung in Form des Fräsweges LF (in mm) festgehalten ist, wurden an einer Welle aus vergütetem Stahl 42CrMo4 bei einer Schnittgeschwindigkeit von 250 m/min durchgeführt; das zugehörige Produkt aus Schnittiefe, Spanungsquerschnitt und Vorschub pro Zahn liegt bei 1,0 x 120 x 0,1 mm/Zahn.

    [0033] Werkzeuge bzw. Schneidplatten aus Hartmetall, dessen Ausgangsmischung alu­miniumhaltige Komplexnitride zugesetzt worden sind, sind somit - wie die Versuchsergebnisse belegen - bezüglich der Schnittleistung insbesondere beim Drehen im unterbrochenen Schnitt und beim Fräsen den Werkzeugen bzw. Schneidplatten, die aus herkömmlichen Hartmetallen hergestellt worden sind, deutlich überlegen.

    [0034] Die verbesserte Verschleißfestigkeit - welche die erfindungsgemäßen Hartme­talle auch für andere Anwendungsbereiche interessant macht - beruht darauf, daß die Ausgangsmischung zur Herstellung des Hartmetalls bzw. Hartmetall­körpers in der Weise zusammengestellt ist, daß zu Beginn des Aufschmelzens der Bindephase sehr rasch bestimmte chemische Reaktionen eingeleitet wer­den, welche die Bildung einer diffusionshemmenden Schicht um die Oberfläche der Hartstoffteilchen der Ausgangsmischung zur Folge haben. Die bewußte Auswahl der die Ausgangspulvermischung bildenden Bestandteile führt also dazu, daß sich im fertigen Hartmetall bzw. Hartmetallkörper kein metallur­gisches Gleichgewicht einstellen kann. Dadurch wird erreicht, daß die für die vorgesehenen Anwendungen jeweils optimalen Eigenschaften der unter­schiedlichen Hartstoffteilchen - wie etwa die bekannte Verschleißfestigkeit des Titannitrids und die bekannte hervorragende Härte des Titancarbids - im fertigen Hartmetall erhalten bleiben. Durch die Einstellung des metallurgi­schen Gleichgewichts, die nach dem Stand der Technik üblicherweise gegeben ist, würden diese individuellen Eigenschaften der erfindungsgemäßen Hart­stoffteilchen zumindest teilweise verloren gehen.

    [0035] Die Erfindung besteht also im Gegensatz zum bekannten Stand der Technik darin, daß ausdrücklich kein metallurgisches Gleichgewicht angestrebt wird und vorliegt.

    [0036] Fig. 4 zeigt eine Tabelle mit acht Ausführungsbeispielen für die Zusammen­setzung der Ausgangspulvermischung des erfindungsgemäßen Hartmetallkörpers.

    [0037] Bei den Hartmetallen Nr. 1 bis 4 werden - mit Ausnahme des Komplexcarbids/­nitrids - zur Herstellung des gesinterten Hartmetallkörpers ausschließlich Pulver in Form der reinen Komponenten (z.B. TiC, TiN, WC usw.) verwendet. Für die Herstellung der Hartmetalle Nr. 5 bis 8 wurden pulverförmige Vorle­gierungen (z.B. Ti(N, C), (W, Ti, Ta,Nb)C) eingesetzt. Diese Herstellungs­variante hat den Vorteil, daß, im Vergleich zur Herstellung des gesinterten Hartmetalls aus den reinen Komponenten, infolge eines geringeren Bedarfs an chemischen Reaktionen zwischen den einzelnen Bestandteilen der Ausgangspul­vermischung, ein Produkt mit deutlich verbesserter Qualität geschaffen wer­den kann.

    [0038] Bei allen Prozentangaben handelt es sich um Massengehalts-%.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Herstellung eines gesinterten Hartmetallkörpers, der aus zumindest einem Hartstoff aus dem Bereich der Carbide, Nitride und/oder Carbonitride der Übergangsmetalle der Gruppen 4, 5 und/oder 6 des Periodensystems besteht und wenigstens eines der Bin­demetalle Eisen, Nickel und Cobalt enthält, wobei der Hartstoff als Carbid und/oder Mischcarbid und/oder Nitrid und/oder Mischnitrid in Form kubischer Kristalle bzw. Mischkristalle vorliegt und durch Mi­schen sowie Mahlen pulverförmiger Ausgangsstoffe und durch Verpressen und anschließendes Sintern der Ausgangspulvermischung hergestellt wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Aus­gangspulvermischung zumindest ein Komplexcarbid und/oder -nitrid bei­gegeben wird, das zu Beginn des Aufschmelzens der Bindephase unter Bildung eines Übergangsmetallcarbides und/oder -nitrides zerfällt und unter Bildung einer diffusionshemmenden Schicht auf die Oberfläche der Hartstoffteilchen der Ausgangspulvermischung aufwächst.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß bis zu 3 Massen-% - bezogen auf die gesamte Ausgangspulvermischung - Kom­plexcarbid und/oder -nitrid beigegeben wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Ausgangspulvermischung ein aluminiumhaltiges Komplexnitrid bzw. alu­miniumhaltiges Komplexcarbid zugesetzt wird.
     
    4. Verfahren nach zumindest einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekenn­zeichnet, daß der Ausgangspulvermischung ein aluminiumhaltiges Kom­plexnitrid bzw. aluminiumhaltiges Komplexcarbid aus der Familie der H-Phasen zugesetzt wird.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß Ti₂AlN, Ti₂AlC, V₂AlC, Nb₂AlC, Ta₂AlC oder Cr₂AlC zugesetzt wird.
     
    6. Verfahren nach zumindest einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekenn­zeichnet, daß der Ausgangspulvermischung ein aluminiumhaltiges Kom­plexnitrid oder aluminiumhaltiges Komplexcarbid aus der Familie der Chi-Phasen zugesetzt wird.
     
    7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß Nb₃Al₂C, Ta₃Al₂C, Nb₃AlN oder Mo₃Al₂C zugesetzt wird.
     
    8. Verfahren nach zumindest einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekenn­zeichnet, daß der Ausgangspulvermischung ein aluminiumhaltiges Kom­plexnitrid oder aluminiumhaltiges Komplexcarbid aus der Familie der Kappa-Phasen zugesetzt wird.
     
    9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß Mo-Ni-Al-C, Mo-Co-Al-C, Mo-Mn-Al-C, W-Mn-Al-C oder W-Fe-Al-C zugesetzt wird.
     
    10. Verfahren nach zumindest einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekenn­zeichnet, daß das aluminiumhaltige Komplexcarbid bzw. aluminiumhal­tige Komplexnitrid in einer solchen Menge zugesetzt wird, daß im ge­sinterten Hartmetallkörper der Aluminiumgehalt im Bindermetall 20 Massen-%, vorzugsweise 10 Massen-%, nicht übersteigt.
     
    11. Verfahren nach zumindest einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch ge­kennzeichnet, daß das aluminiumhaltige Komplexcarbid bzw. aluminium­haltige Komplexnitrid in einer solchen Menge zugesetzt wird, daß im gesinterten Hartmetallkörper der Aluminiumgehalt im Bindermetall 2 bis 8 Massen-% nicht übersteigt.
     
    12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, daß eines oder mehrere der folgenden Komplexcarbide oder -nitride der Ausgangspulvermischung beigegeben wird bzw. werden: Ti₂AlN, Ti₂AlC, V₂AlC, Nb₂AlC, Ta₂AlC, Cr₂AlC, Nb₃Al₂C, Ta₃Al₂C, Nb₃AlN, Mo₃Al₂C, MoCr₂Al₂C, Mo-Ni-Al-C, Mo-Co-Al-C, Mo-Mn-Al-C, W-Mn-Al-C, W-Fe-Al-C, NbCrN, TaCrN, V₅Si₃N1-x, Mo₅Si₃C0,6, Ni-Mo-N.
     
    13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, daß eines oder mehrere der folgenden Komplexcarbide oder -nitride zu­gegeben wird: Ti₂AlC, Ti₂AlN, V₂AlC, Nb₂AlC, Ta₂AlC, NbCrN, TaCrN.
     
    14. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, daß eines oder mehrere der folgenden Komplexcarbide oder -nitride zu­gegeben wird: Ti₂AlC, Ti₂AlN, V₂AlC, Ta₂AlC.
     
    15. Gesinterter Hartmetallkörper, der mittels eines Verfahrens nach zu­mindest einem der Ansprüche 1 bis 14 hergestellt ist und der zumin­dest aus einem Hartstoff aus dem Bereich der Carbide, Nitride und/oder Carbonitride der Übergangsmetalle der Gruppen 4, 5 und/oder 6 des Periodensystems besteht und wenigstens eines der Bin­dermetalle Eisen, Nickel und Cobalt enthält, wobei der Hartstoff als Carbid und/oder Mischcarbid und/oder Nitrid und/oder Mischnitrid in Form kubischer Kristalle bzw. Mischkristalle vorliegt, dadurch ge­kennzeichnet, daß die Hartstoffe der Ausgangspulvermischung im we­sentlichen in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung enthalten sind.
     
    16. Gesinterter Hartmetallkörper nach Anspruch 15, dadurch gekennzeich­net, daß die Hartstoffe der Ausgangspulvermischung von einer dif­fusionshemmenden Hülle aus epitaktisch an ihrer Oberfläche niederge­schlagenen Monocarbiden und/oder -nitriden und/oder Mischcarbiden und/oder Mischnitriden umgeben sind.
     
    17. Gesinterter Hartmetallkörper nach Anspruch 15 oder 16, dadurch ge­kennzeichnet, daß der Komplexcarbid- und/oder Komplexnitrid-Anteil an der gesamten Ausgangsmischung vor dem Sintern maximal 3 % beträgt.
     
    18. Gesinterter Hartmetallkörper nach einem der Ansprüche 11 bis 17, da­durch gekennzeichnet, daß im gesinterten Hartmetallkörper der Alumi­niumgehalt im Bindermetall 20 Gew.-%, vorzugsweise 10 Gew.-%, nicht übersteigt.
     
    19. Gesinterter Hartmetallkörper nach einem der Ansprüche 15 bis 18, da­durch gekennzeichnet, daß im gesinterten Hartmetallkörper der Alumi­niumgehalt im Bindermetall 2 bis 8 Gew.-% nicht übersteigt.
     




    Zeichnung