[0001] Gegenstand der Erfindung ist der Bioabbau von komplexen, langsam abbaubaren organischen
Abwasserinhaltsstoffen. Abwasserströme dieser Art kommen sowohl in den Grundstoffindustrien,
wie z.B. Sägewerken und Zellstoffindustrie, vor, aber auch in den verarbeitenden
Industrien, wie z.B. Chemiewerken, Textilindustrie, Lackierereien, Gerbereien usw.
Diese Abwässer enthalten meistens eine ganze Palette sehr unterschiedlich aufgebauter
Organica, zum Teil auch deren Dimere, Trimere, Oligomere bzw. Kondensationsprodukte,
die sich dadurch auch in ihrer Bioabbaubarkeit wesentlich unterscheiden.
[0002] Zu diesen Abwasserströmen zählen z.B. auch die Bleichereiabwässer aus der Zellstoffherstellung.
Weiterhin gehören hierzu auch die Spülwässer aus Lackierereien, die eine Vielzahl
von sowohl gut abbaubaren als auch langsam abbaubaren Komponenten enthalten. Derzeit
sind kaum wirksame, leistungsfähige biologische Verfahren zur Lösung dieser Probleme
bekannt.
[0003] Die anaeroben Bakterien zeigen zwar relativ gute Aktivitäten der Aromaten auf, sind
aber sehr anfällig auf qualitative Abwasserschwankungen, auf inhibierende Stöße und
haben außerdem eine sehr geringe Wachstumsrate, so daß bei Betriebsstörungen es sehr
lange dauern kann, bis die volle Leistung der Anlage wieder erreicht werden kann.
[0004] Gemäß DE 3 046 686 wird die Rückhaltung der Biomasse und die Abpufferung toxischer
Stöße durch Immobilisierung auf synthetischen und natürlichen Trägern erreicht. Ein
Schutz vor Betriebsstörungen der obengenannten Art ist damit jedoch nicht gewährleistet.
[0005] Gemäß gmf-Wasser/Abwasser, Nr. 126 (1985) 2, Seite 81-87 (Heijnen und Mitarbeiter),
wird eine höhere Prozeßstabilität bei der anaeroben Behandlung komplexer Fermentationsabwässer
aus der Hefeherstellung durch die zweistufige anaerobe Behandlung mit trägergebundenen
Organismen erreicht. Hierbei handelt es sich jedoch um relativ gut abbaubare Abwasserinhaltsstoffe.
[0006] Zweistufige anaerobe Verfahren sind prinzipiell für die Behandlung der obengenannten
komplexen Abwasserströme geeignet. B. Rosén und L. Gunarsson berichten z.B. (H.I.T.
85, Symposium über anaerobe Behandlung von Industrieabwässern, Hannover 03.10. bis
04.10.1985) über die zweistufige anaerobe Behandlung von Abwässern der Zellstoffherstellung
nach dem chemisch-thermomechanischen Verfahren (CTMP-Chemical thermomechanical pulp),
wobei trotz der Zweistufigkeit manchmal mit für die Anaerobiern toxischen Stößen zu
rechnen ist, was bei diesem Verfahren mit Entgiftung durch Vermischung mit aerobem
Überschußschlamm verhindert werden soll.
[0007] Das Problem beim zweistufigen anaeroben Verfahren liegt vor allem darin, daß durch
Schädigung der hydrolytischen und acidogenen Biomasse in der ersten Stufe auch die
zweite, besonders empfindliche methanogene Biomasse, stark geschädigt wird, was bedingt
durch die langen Generationszeiten dieser Organismen zu sehr lange andauernden Regenerations-
bzw. Ausfallzeiten der Kläranlage führt.
[0008] Es wurde überraschend gefunden, daß man diesen Nachteil der zweistufigen Behandlung
vermeiden kann, wenn das zu behandelnde Abwasser in der ersten Stufe neben den acidogenen
Organismen mit dehalogenierenden und/oder desulfonierenden und/oder desaminierenden
Stämmen angereichert wird und in der gleichen Stufe, bezogen auf die organische Kohlenstoffbelastung,
stark unterstöchiometrische Mengen Sauerstoff direkt oder indirekt durch Zugabe Sauerstoff-abspaltender
Verbindungen zudosiert werden und in der 2. Stufe in Gegenwart einer methanogene
Organismen enthaltenden Biomasse in bekannter Weise ein anaerober Abbau erfolgt. Das
Verfahren nach der Erfindung besteht also im wesentlichen darin, daß das zu reinigende
Abwasser in der ersten Stufe anoxisch/semiaerob behandelt wird, während in der zweiten
Stufe unter streng anaeroben Bedingungen in Gegenwart von methanogenen, gegebenenfalls
auf Trägerkörpern fixierten Mikroorganismen, gearbeitet wird.
[0009] Besonders gut läßt sich das erfindungsgemäße Verfahren realisieren, wenn die beiden
Stufen als Wirbelbettverfahren unter Verwendung von Trägerkörpern zur Immobilisierung
der Biomasse betrieben werden. Als Trägerkörper verwendet man dabei vorzugsweise stückige
Polyurethanmassen, die als Füllstoff reaktiv und abriebfest gebundenes Kohlepulver
enthalten.
[0010] Vorteilhaft wird das erfindungsgemäße Verfahren in der Weise durchgeführt, daß die
Sauerstoffkonzentration in der ersten Stufe im Bereich zwischen 0,01 bis 1,2 mg/l,
vorzugsweise zwischen 0,02 bis 1 mg/l und besonders bevorzugt zwischen 0,05 bis 0,8
mg/l, liegt.
[0011] Der pH-Wert in der ersten Stufe wird zweckmäßig zwischen 2,5 und 7,5, vorzugsweise
zwischen 3,0 und 6,8 und besonders bevorzugt zwischen 4,0 und 6,5 eingestellt.
[0012] Mit der Erfindung werden folgende Vorteile erzielt:
- Bei Problemabwässern mit komplexen, langsam abbaubaren Abwasserinhaltsstoffen können
mit dem erfindungsgemäßen Verfahren grundsätzlich höhere Abbauraten erreicht werden
als bei einem rein anaeroben zweistufigen Verfahren.
- Durch die semiaerobe Prozeßführung wird in der ersten Stufe das Wachstum von obligat
anaeroben Mikroorganismen unterdrückt. Damit wird das Verfahren relativ unempfindlich
gegenüber zufällig auftretenden Sauerstoffstößen in der ersten Stufe. Daraus resultiert
eine höhere Prozeßstabilität sowohl gegenüber einem einstufigen als auch gegenüber
einem zweistufigen rein anaeroben Verfahren.
- Die CSB-Elimination und die Elimination von organischen Chlorverbindungen (AOX)
sind höher als beim einstufigen und auch zweistufigen anaeroben Verfahren.
- Eine H₂S-Vergiftung der zweiten Stufe kann vermieden werden, da in der ersten Stufe
Schwefelionen in Elementarschwefel umgewandelt werden.
[0013] Mit der Erfindung wird also die Aufgabe, das anaerobe Abwasserreinigungsverfahren
gegenüber inhibierend wirkenden betriebsbedingten Sauerstoffstößen unempfindlich
zu machen, in zufriedenstellender Weise gelöst. Daraus resultieren eine wesentlich
größere Zuverlässigkeit und damit eine prinzipielle Verbesserung des anaeroben Abbaus
in der Hauptstufe (Methanstufe).
[0014] Im folgenden wird die Erfindung anhand von Vergleichsversuchen erläutert. Mit Hilfe
der in der Zeichnung schematisch dargestellten Versuchsanlage wurde das erfindungsgemäße
Verfahren (Anlage C) mit einem einstufigen (Anlage A) und einem zweistufigen aeroben
Verfahren (Anlagen B) verglichen. Die Ergebnisse sind in der nachfolgenden Tabelle
zusammengefaßt.
[0015] Gemäß der Zeichnung werden die drei Anlagen A, B, C von einem gemeinsamen Abwasserbehälter
1 gespeist. Die Anlage A für das einstufige Anaerobverfahren besteht aus dem Anaerobreaktor
2 mit einer Trägerkörperschüttung 3, einer Gasmeßvorrichtung 4 und einem Ablaufbecken
5, das über ein Siphon 6 mit dem Anaerobreaktor in Verbindung steht. Dem Anaerobreaktor
2 wird das zu behandelnde Abwasser durch die Pumpe 7 am Boden des Reaktors zugeführt.
[0016] Das Volumen des Anaerobreaktors betrug 4,0 l. Er enthielt 1.000 ml einer Schüttung
von stückigen Trägerkörpern aus modifizierten Polyurethanmassen, die als Füllstoff
reaktiv und abriebfest gebundenes Kohlepulver enthielten. Solche kohlemodifizierten
PUR-Schaumstoffträgerkörper werden im Prinzip dadurch hergestellt, daß man NCO-Prepolymere
mit einer weit überstöchiometrischen Menge an Wasser in Gegenwart von zerkleinerten,
vorgefertigten PU-Schaumstoffen und Kohlepulver umsetzt. Diese Trägerkörpermassen
sind herstellungsbedingt stark gequollen, besitzen eine sehr hohe Wasseraufnahmefähigkeit
und bilden eine ideale Trägermatrix für die Ansiedlung von Mikroorganismen im wäßrigen
Milieu. Hinsichtlich technischer Details wird auf das Europäische Patent EP 151 937
verwiesen.
[0017] Um definierte Startbedingungen für das Abwasserreinigungsverfahren zu gewährleisten,
wurde das zu behandelnde, bereits acidogene Mikroorganismen enthaltende Abwasser
mit dehalogenierenden und/oder desulfonierenden und/oder desaminierenden Stämmen angereichert.
Die Anreicherung geschah in der Weise, daß diese Stämme in einem separaten Schritt
durch Kontaktierung von Biomasse mit Substraten, die die obengenannten Verbindungsgruppen
als Hauptkohlenstoffquelle enthielten, gezielt gezüchtet wurden. Wesentlich ist dabei,
daß eine stabile Mischkultur herangezüchtet wird, die bei Verfahrensbeginn zugrunde
gelegt wird.
[0018] Die Menge der dem zu behandelnden Abwasser im Anaerobreaktor 2 zugeführten PUR-Trägerkörper
entsprach einem Trockensubstanzgehalt von 85 g TS/l Suspension. Das Abwasser wurde
am Boden des Reaktors mit einer so hohen Strömungsgeschwindigkeit eingepumpt, daß
die PUR-Trägerkörper aufgewirbelt werden und im Reaktor freischwebend in einer Wirbelschicht
gehalten werden (turbulente und zirkulierende Strömungen). Derartige Wirbelschichtreaktoren
sind in der Abwassertechnik bekannt und werden z.B. in der Monographie von P.F. Cooper,
B. Atkinson; Biological Fluidised Bed Treatment of Water and Wastewater; Ellis Horwood
Ltd.; Chichester 1981, ausführlich behandelt. Auch bei den nachfolgend erläuterten
Anlagen B und C werden solche Wirbelschichtreaktoren eingesetzt.
[0019] Bei der Anlage B handelt es sich um eine zweistufige Anaerobanlage nach dem Stand
der Technik. Sie bestand aus zwei hintereinandergeschalteten Anaerobreaktoren 8 und
9 mit einem Volumen von jeweils 2,0 l. Die Abwasserzufuhr erfolgt wieder über Pumpen
7 jeweils am Boden der Reaktoren 8 und 9. Der Methanreaktor 9 enthielt 400 ml der
im Beispiel A beschriebenen PUR-Trägerkörper. Im übrigen sind genau wie bei der nachfolgend
beschriebenen Anlage C gleiche Bauteile mit gleichen Ziffern numeriert.
[0020] Mit der Anlage C wurde das erfindungsgemäße Verfahren durchgeführt. Die erste Stufe
ist hier als Semi-Anaerobreaktor 10 mit einer Gasfritte 11 am Boden des Reaktors
für die Zuführung geringer Mengen Sauerstoff bzw. Luft ausgebildet. Der Sauerstoffeintrag
betrug z.B. 0,6 mg/l. Der Reaktorinhalt hatte dabei einen pH-Wert von 6,6 bis 6,9.
Das im Reaktor 10 vorbehandelte Abwasser wurde über den Überlauf und den Siphon 6
mittels der Pumpe 7 dem Methanreaktor 9 zugeführt, der in gleicher Weise ausgeführt
ist wie bei der Anlage B. Beide Reaktoren 9 und 10 haben wieder ein Volumen von 2
l.
[0021] Alle Reaktoren wurden mit einer dehalognierenden, anaeroben Biomasse in Form einer
15 %igen Suspension (bezogen auf das Volumen) gefüllt. Diese Biomasse wurde durch
eine mit Hilfe der Anreicherungsmethode erzielte Adaptierung auf ein aus einer Sulfitzellstoffproduktionsanlage
stammendes Mischabwasser gewonnen. Sodann wurden die Reaktoren parallel unter den
gleichen CSB-Raumbelastungen mit dem gleichen Abwasser beschickt (Abwasserbehälter
1). Die für die Abbauleistung charakteristischen Meßergebnisse sind in der nachfolgenden
Tabelle einander gegenübergestellt.
[0022] Der chemische Sauerstoffbedarf (CSB) wurde in bekannter Weise nach DIN 38 409, Teil
41, und der Anteil der auf Aktivkohle absorbierbaren Chlorkohlenwasserstoffe (AOX-Gehalt)
nach DIN 38 409, Teil 14, gemessen. Die Meßwerte lassen erkennen, daß das erfindungsgemäße
Verfahren C sowohl hinsichtlich der Abbauleistung (CSB) als auch hinsichtlich der
AOX-Elimination überlegen ist.
|
Tag 44 |
Tag 65 |
Tag 90 |
Anlage |
A |
B |
C |
A |
B |
C |
A |
B |
C |
CSB (mg/l) |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Zulauf |
2150 |
2150 |
2150 |
2380 |
2380 |
2380 |
1780 |
1780 |
1780 |
Ablauf |
475 |
500 |
458 |
1800 |
1750 |
712 |
1170 |
1210 |
732 |
% Elimination |
77,9 |
76,7 |
78,7 |
24,4 |
26,5 |
70,1 |
34,3 |
32,0 |
58,9 |
AOX (mg/l) |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Zulauf |
11,5 |
11,5 |
11,5 |
17,0 |
17,0 |
17,0 |
26,7 |
26,7 |
26,7 |
Ablauf |
6,2 |
6,14 |
6,36 |
13,4 |
12,7 |
11,9 |
20,6 |
21,5 |
20,0 |
% Elimination |
45,9 |
46,6 |
44,7 |
21,2 |
25,3 |
30,0 |
22,8 |
19,5 |
25,1 |
1. Zweistufiges Verfahren zum biologischen Abbau von komplexen, langsam abbaubaren
Abwasserinhaltsstoffen, bei dem in der ersten Stufe eine Ansäuerung und in der zweiten
Stufe ein anaerober Abbau in Gegenwart von methanogenen Organismen erfolgt, dadurch
gekennzeichnet, daß das zu behandelnde Abwasser in der ersten Stufe neben den acidogenen
Organismen mit dehalogenierenden und/oder desulfonierenden und/oder desaminierenden
Stämmen angereichert wird, daß in der gleichen Stufe auf die organische Kohlenstoffbelastung
bezogen, stark unterstöchiometrische Mengen Sauerstoff direkt oder indirekt durch
Zugabe Sauerstoff-abspaltender Verbindungen zudosiert werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß beide Stufen als Wirbelbettverfahren
unter Verwendung von Trägerkörpern zur Immobilisierung der Biomasse betrieben werden.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Trägerkörper stückige
Polyurethanmassen verwendet werden, die als Füllstoff reaktiv und abriebfest gebundenes
Kohlepulver enthalten.
4. Verfahren gemäß Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Sauerstoffkonzentration
in der ersten Stufe im Bereich zwischen 0,01 bis 1,2 mg/l, bevorzugt zwischen 0,02
bis 1 mg/l und besonders bevorzugt zwischen 0,05 bis 0,8 mg/l gehalten wird.
5. Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß der pH-Wert
in der ersten Stufe zwischen 2,5 bis 7,5, bevorzugt zwischen 3,0 und 6,8 und besonders
bevorzugt zwischen 4,0 und 6,5, eingestellt wird.