(19)
(11) EP 0 340 567 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
08.11.1989  Patentblatt  1989/45

(21) Anmeldenummer: 89107232.4

(22) Anmeldetag:  21.04.1989
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4C02F 3/28, C02F 3/34, C02F 3/30
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE ES FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 04.05.1988 DE 3815123

(71) Anmelder: BAYER AG
51368 Leverkusen (DE)

(72) Erfinder:
  • Glanser, Margarete, Prof. Dr.
    YU-41000 Zagreb (YU)
  • Ban, Sinisa, Prof. Dr.
    YU-41000 Zagreb (YU)
  • Pascik, Imre, Dr.
    D-4019 Monheim (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zum biologischen Abbau von komplexen, langsam abbaubaren organischen Abwasserinhaltsstoffen


    (57) Bei einem zweistufigen Verfahren zum biologischen Abbau von komplexen, langsam abbaubaren Abwasserinhaltsstoffen erfolgt in der ersten Stufe eine Ansäuerung und in der zweiten Stufe ein anaerober Abbau in Gegenwart von methanogenen Organismen. In der ersten Stufe wird das Abwasser neben den acidogenen Organismen mit dehalogenie­renden und/oder desulfonierenden und/oder desaminierenden Stämmen angereichert. Außerdem werden in der ersten Stufe, bezogen auf die organische Kohlenstoffbelastung, stark unterstöchiometrische Mengen Sauerstoff direkt oder indirekt durch Zugabe sauerstoffabspaltender Verbin­dungen zudosiert. Beide Stufen werden vorteilhaft als Wirbelbettverfahren unter Verwendung von Trägerkörpern zur Immobilisierung der Biomasse betrieben.




    Beschreibung


    [0001] Gegenstand der Erfindung ist der Bioabbau von komplexen, langsam abbaubaren organischen Abwasserinhaltsstoffen. Abwasserströme dieser Art kommen sowohl in den Grund­stoffindustrien, wie z.B. Sägewerken und Zellstoff­industrie, vor, aber auch in den verarbeitenden Indu­strien, wie z.B. Chemiewerken, Textilindustrie, Lackierereien, Gerbereien usw. Diese Abwässer enthalten meistens eine ganze Palette sehr unterschiedlich aufge­bauter Organica, zum Teil auch deren Dimere, Trimere, Oligomere bzw. Kondensationsprodukte, die sich dadurch auch in ihrer Bioabbaubarkeit wesentlich unterscheiden.

    [0002] Zu diesen Abwasserströmen zählen z.B. auch die Bleiche­reiabwässer aus der Zellstoffherstellung. Weiterhin ge­hören hierzu auch die Spülwässer aus Lackierereien, die eine Vielzahl von sowohl gut abbaubaren als auch langsam abbaubaren Komponenten enthalten. Derzeit sind kaum wirksame, leistungsfähige biologische Verfahren zur Lö­sung dieser Probleme bekannt.

    [0003] Die anaeroben Bakterien zeigen zwar relativ gute Aktivi­täten der Aromaten auf, sind aber sehr anfällig auf qualitative Abwasserschwankungen, auf inhibierende Stöße und haben außerdem eine sehr geringe Wachstumsrate, so daß bei Betriebsstörungen es sehr lange dauern kann, bis die volle Leistung der Anlage wieder erreicht werden kann.

    [0004] Gemäß DE 3 046 686 wird die Rückhaltung der Biomasse und die Abpufferung toxischer Stöße durch Immobilisierung auf synthetischen und natürlichen Trägern erreicht. Ein Schutz vor Betriebsstörungen der obengenannten Art ist damit jedoch nicht gewährleistet.

    [0005] Gemäß gmf-Wasser/Abwasser, Nr. 126 (1985) 2, Seite 81-87 (Heijnen und Mitarbeiter), wird eine höhere Prozeßstabi­lität bei der anaeroben Behandlung komplexer Fermenta­tionsabwässer aus der Hefeherstellung durch die zweistu­fige anaerobe Behandlung mit trägergebundenen Organismen erreicht. Hierbei handelt es sich jedoch um relativ gut abbaubare Abwasserinhaltsstoffe.

    [0006] Zweistufige anaerobe Verfahren sind prinzipiell für die Behandlung der obengenannten komplexen Abwasserströme geeignet. B. Rosén und L. Gunarsson berichten z.B. (H.I.T. 85, Symposium über anaerobe Behandlung von Industrieabwässern, Hannover 03.10. bis 04.10.1985) über die zweistufige anaerobe Behandlung von Abwässern der Zellstoffherstellung nach dem chemisch-thermomechani­schen Verfahren (CTMP-Chemical thermomechanical pulp), wobei trotz der Zweistufigkeit manchmal mit für die Anaerobiern toxischen Stößen zu rechnen ist, was bei diesem Verfahren mit Entgiftung durch Vermischung mit aerobem Überschußschlamm verhindert werden soll.

    [0007] Das Problem beim zweistufigen anaeroben Verfahren liegt vor allem darin, daß durch Schädigung der hydrolytischen und acidogenen Biomasse in der ersten Stufe auch die zweite, besonders empfindliche methanogene Biomasse, stark geschädigt wird, was bedingt durch die langen Ge­nerationszeiten dieser Organismen zu sehr lange andau­ernden Regenerations- bzw. Ausfallzeiten der Kläranlage führt.

    [0008] Es wurde überraschend gefunden, daß man diesen Nachteil der zweistufigen Behandlung vermeiden kann, wenn das zu behandelnde Abwasser in der ersten Stufe neben den aci­dogenen Organismen mit dehalogenierenden und/oder desul­fonierenden und/oder desaminierenden Stämmen angerei­chert wird und in der gleichen Stufe, bezogen auf die organische Kohlenstoffbelastung, stark unterstöchio­metrische Mengen Sauerstoff direkt oder indirekt durch Zugabe Sauerstoff-abspaltender Verbindungen zudosiert werden und in der 2. Stufe in Gegenwart einer methano­gene Organismen enthaltenden Biomasse in bekannter Weise ein anaerober Abbau erfolgt. Das Verfahren nach der Erfindung besteht also im wesentlichen darin, daß das zu reinigende Abwasser in der ersten Stufe anoxisch/­semiaerob behandelt wird, während in der zweiten Stufe unter streng anaeroben Bedingungen in Gegenwart von methanogenen, gegebenenfalls auf Trägerkörpern fixierten Mikroorganismen, gearbeitet wird.

    [0009] Besonders gut läßt sich das erfindungsgemäße Verfahren realisieren, wenn die beiden Stufen als Wirbelbettver­fahren unter Verwendung von Trägerkörpern zur Immobili­sierung der Biomasse betrieben werden. Als Trägerkörper verwendet man dabei vorzugsweise stückige Polyurethan­massen, die als Füllstoff reaktiv und abriebfest gebun­denes Kohlepulver enthalten.

    [0010] Vorteilhaft wird das erfindungsgemäße Verfahren in der Weise durchgeführt, daß die Sauerstoffkonzentration in der ersten Stufe im Bereich zwischen 0,01 bis 1,2 mg/l, vorzugsweise zwischen 0,02 bis 1 mg/l und besonders be­vorzugt zwischen 0,05 bis 0,8 mg/l, liegt.

    [0011] Der pH-Wert in der ersten Stufe wird zweckmäßig zwischen 2,5 und 7,5, vorzugsweise zwischen 3,0 und 6,8 und be­sonders bevorzugt zwischen 4,0 und 6,5 eingestellt.

    [0012] Mit der Erfindung werden folgende Vorteile erzielt:
    - Bei Problemabwässern mit komplexen, langsam abbau­baren Abwasserinhaltsstoffen können mit dem erfin­dungsgemäßen Verfahren grundsätzlich höhere Abbau­raten erreicht werden als bei einem rein anaeroben zweistufigen Verfahren.
    - Durch die semiaerobe Prozeßführung wird in der ersten Stufe das Wachstum von obligat anaeroben Mikroorganismen unterdrückt. Damit wird das Ver­fahren relativ unempfindlich gegenüber zufällig auftretenden Sauerstoffstößen in der ersten Stufe. Daraus resultiert eine höhere Prozeßstabilität sowohl gegenüber einem einstufigen als auch gegen­über einem zweistufigen rein anaeroben Verfahren.
    - Die CSB-Elimination und die Elimination von organi­schen Chlorverbindungen (AOX) sind höher als beim einstufigen und auch zweistufigen anaeroben Verfah­ren.
    - Eine H₂S-Vergiftung der zweiten Stufe kann vermie­den werden, da in der ersten Stufe Schwefelionen in Elementarschwefel umgewandelt werden.

    [0013] Mit der Erfindung wird also die Aufgabe, das anaerobe Abwasserreinigungsverfahren gegenüber inhibierend wir­kenden betriebsbedingten Sauerstoffstößen unempfindlich zu machen, in zufriedenstellender Weise gelöst. Daraus resultieren eine wesentlich größere Zuverlässigkeit und damit eine prinzipielle Verbesserung des anaeroben Ab­baus in der Hauptstufe (Methanstufe).

    [0014] Im folgenden wird die Erfindung anhand von Vergleichs­versuchen erläutert. Mit Hilfe der in der Zeichnung schematisch dargestellten Versuchsanlage wurde das erfindungsgemäße Verfahren (Anlage C) mit einem einstu­figen (Anlage A) und einem zweistufigen aeroben Verfah­ren (Anlagen B) verglichen. Die Ergebnisse sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefaßt.

    [0015] Gemäß der Zeichnung werden die drei Anlagen A, B, C von einem gemeinsamen Abwasserbehälter 1 gespeist. Die Anla­ge A für das einstufige Anaerobverfahren besteht aus dem Anaerobreaktor 2 mit einer Trägerkörperschüttung 3, einer Gasmeßvorrichtung 4 und einem Ablaufbecken 5, das über ein Siphon 6 mit dem Anaerobreaktor in Verbindung steht. Dem Anaerobreaktor 2 wird das zu behandelnde Abwasser durch die Pumpe 7 am Boden des Reaktors zuge­führt.

    [0016] Das Volumen des Anaerobreaktors betrug 4,0 l. Er ent­hielt 1.000 ml einer Schüttung von stückigen Träger­körpern aus modifizierten Polyurethanmassen, die als Füllstoff reaktiv und abriebfest gebundenes Kohlepulver enthielten. Solche kohlemodifizierten PUR-Schaumstoff­trägerkörper werden im Prinzip dadurch hergestellt, daß man NCO-Prepolymere mit einer weit überstöchiometrischen Menge an Wasser in Gegenwart von zerkleinerten, vorge­fertigten PU-Schaumstoffen und Kohlepulver umsetzt. Die­se Trägerkörpermassen sind herstellungsbedingt stark gequollen, besitzen eine sehr hohe Wasseraufnahmefähig­keit und bilden eine ideale Trägermatrix für die Ansied­lung von Mikroorganismen im wäßrigen Milieu. Hinsicht­lich technischer Details wird auf das Europäische Patent EP 151 937 verwiesen.

    [0017] Um definierte Startbedingungen für das Abwasserreini­gungsverfahren zu gewährleisten, wurde das zu behandeln­de, bereits acidogene Mikroorganismen enthaltende Abwas­ser mit dehalogenierenden und/oder desulfonierenden und/oder desaminierenden Stämmen angereichert. Die Anreicherung geschah in der Weise, daß diese Stämme in einem separaten Schritt durch Kontaktierung von Biomasse mit Substraten, die die obengenannten Verbindungsgruppen als Hauptkohlenstoffquelle enthielten, gezielt gezüchtet wurden. Wesentlich ist dabei, daß eine stabile Mischkul­tur herangezüchtet wird, die bei Verfahrensbeginn zu­grunde gelegt wird.

    [0018] Die Menge der dem zu behandelnden Abwasser im Anaerob­reaktor 2 zugeführten PUR-Trägerkörper entsprach einem Trockensubstanzgehalt von 85 g TS/l Suspension. Das Ab­wasser wurde am Boden des Reaktors mit einer so hohen Strömungsgeschwindigkeit eingepumpt, daß die PUR-Träger­körper aufgewirbelt werden und im Reaktor freischwebend in einer Wirbelschicht gehalten werden (turbulente und zirkulierende Strömungen). Derartige Wirbelschichtreak­toren sind in der Abwassertechnik bekannt und werden z.B. in der Monographie von P.F. Cooper, B. Atkinson; Biological Fluidised Bed Treatment of Water and Waste­water; Ellis Horwood Ltd.; Chichester 1981, ausführlich behandelt. Auch bei den nachfolgend erläuterten Anlagen B und C werden solche Wirbelschichtreaktoren einge­setzt.

    [0019] Bei der Anlage B handelt es sich um eine zweistufige Anaerobanlage nach dem Stand der Technik. Sie bestand aus zwei hintereinandergeschalteten Anaerobreaktoren 8 und 9 mit einem Volumen von jeweils 2,0 l. Die Abwasser­zufuhr erfolgt wieder über Pumpen 7 jeweils am Boden der Reaktoren 8 und 9. Der Methanreaktor 9 enthielt 400 ml der im Beispiel A beschriebenen PUR-Trägerkörper. Im übrigen sind genau wie bei der nachfolgend beschriebenen Anlage C gleiche Bauteile mit gleichen Ziffern nume­riert.

    [0020] Mit der Anlage C wurde das erfindungsgemäße Verfahren durchgeführt. Die erste Stufe ist hier als Semi-Anaerob­reaktor 10 mit einer Gasfritte 11 am Boden des Reaktors für die Zuführung geringer Mengen Sauerstoff bzw. Luft ausgebildet. Der Sauerstoffeintrag betrug z.B. 0,6 mg/l. Der Reaktorinhalt hatte dabei einen pH-Wert von 6,6 bis 6,9. Das im Reaktor 10 vorbehandelte Abwasser wurde über den Überlauf und den Siphon 6 mittels der Pumpe 7 dem Methanreaktor 9 zugeführt, der in gleicher Weise ausge­führt ist wie bei der Anlage B. Beide Reaktoren 9 und 10 haben wieder ein Volumen von 2 l.

    [0021] Alle Reaktoren wurden mit einer dehalognierenden, an­aeroben Biomasse in Form einer 15 %igen Suspension (be­zogen auf das Volumen) gefüllt. Diese Biomasse wurde durch eine mit Hilfe der Anreicherungsmethode erzielte Adaptierung auf ein aus einer Sulfitzellstoffproduk­tionsanlage stammendes Mischabwasser gewonnen. Sodann wurden die Reaktoren parallel unter den gleichen CSB-­Raumbelastungen mit dem gleichen Abwasser beschickt (Abwasserbehälter 1). Die für die Abbauleistung charak­teristischen Meßergebnisse sind in der nachfolgenden Tabelle einander gegenübergestellt.

    [0022] Der chemische Sauerstoffbedarf (CSB) wurde in bekannter Weise nach DIN 38 409, Teil 41, und der Anteil der auf Aktivkohle absorbierbaren Chlorkohlenwasserstoffe (AOX-­Gehalt) nach DIN 38 409, Teil 14, gemessen. Die Meßwerte lassen erkennen, daß das erfindungsgemäße Verfahren C sowohl hinsichtlich der Abbauleistung (CSB) als auch hinsichtlich der AOX-Elimination überlegen ist.
      Tag 44 Tag 65 Tag 90
    Anlage A B C A B C A B C
    CSB (mg/l)                  
    Zulauf 2150 2150 2150 2380 2380 2380 1780 1780 1780
    Ablauf 475 500 458 1800 1750 712 1170 1210 732
    % Elimination 77,9 76,7 78,7 24,4 26,5 70,1 34,3 32,0 58,9
    AOX (mg/l)                  
    Zulauf 11,5 11,5 11,5 17,0 17,0 17,0 26,7 26,7 26,7
    Ablauf 6,2 6,14 6,36 13,4 12,7 11,9 20,6 21,5 20,0
    % Elimination 45,9 46,6 44,7 21,2 25,3 30,0 22,8 19,5 25,1



    Ansprüche

    1. Zweistufiges Verfahren zum biologischen Abbau von komplexen, langsam abbaubaren Abwasserinhaltsstof­fen, bei dem in der ersten Stufe eine Ansäuerung und in der zweiten Stufe ein anaerober Abbau in Gegenwart von methanogenen Organismen erfolgt, dadurch gekennzeichnet, daß das zu behandelnde Abwasser in der ersten Stufe neben den acidogenen Organismen mit dehalogenierenden und/oder desulfo­nierenden und/oder desaminierenden Stämmen angerei­chert wird, daß in der gleichen Stufe auf die orga­nische Kohlenstoffbelastung bezogen, stark unter­stöchiometrische Mengen Sauerstoff direkt oder indirekt durch Zugabe Sauerstoff-abspaltender Ver­bindungen zudosiert werden.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß beide Stufen als Wirbelbettverfahren unter Verwendung von Trägerkörpern zur Immobilisierung der Biomasse betrieben werden.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Trägerkörper stückige Polyurethanmassen verwendet werden, die als Füllstoff reaktiv und abriebfest gebundenes Kohlepulver enthalten.
     
    4. Verfahren gemäß Anspruch 1 bis 3, dadurch gekenn­zeichnet, daß die Sauerstoffkonzentration in der ersten Stufe im Bereich zwischen 0,01 bis 1,2 mg/l, bevorzugt zwischen 0,02 bis 1 mg/l und besonders bevorzugt zwischen 0,05 bis 0,8 mg/l gehalten wird.
     
    5. Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch ge­kennzeichnet, daß der pH-Wert in der ersten Stufe zwischen 2,5 bis 7,5, bevorzugt zwischen 3,0 und 6,8 und besonders bevorzugt zwischen 4,0 und 6,5, eingestellt wird.
     




    Zeichnung







    Recherchenbericht