[0001] Die Erfindung betrifft einen textilen Werkstoff auf der Basis von Seide, in dem die
Seide in gewalktem (gefilztem) Zustand vorliegt.
[0002] Bisher ist es nicht möglich, Seide zu filzen bzw. zu walken, da der Seidenfaden im
Gegensatz zu Naturwolle oder Naturhaar eine glatte Oberfläche aufweist.
[0003] Die bei textilen Werkstoffen auf Naturhaarbasis übliche Walk- oder Filzbehandlung
beruht darauf, dass die rauhen Wollhaare sich gegenseitig verketten und verkrallen.
Naturgemäss ist eine derartige Behandlung mit dem glatten Seidenfaden nicht möglich.
[0004] Naturseide gilt als edelster Textilrohstoff und findet vor allem in neuester Zeit
wieder zunehmende Beachtung, da Seide aus reiner Naturfaser gebildet und wertvolle
Eigenschaften, wie geringes Gewicht, günstige Wärme- und Feuchtigkeitsregulierung,
hautfreundliche Beschaffenheit und dergl., aufweist.
[0005] Textile Filzwerkstoffe haben unter anderem den Vorteil, dass sie keinen regelmässigen
Fadenverlauf aufweisen und man somit bei der Verarbeitung den Fadenverlauf nicht zu
berücksichtigen braucht. Ferner sind derartige textile Werkstoffe aufgrund ihrer bauschigen
Struktur relativ günstig in Bezug auf Wärme- und Feuchtigkeitsregulierung.
[0006] Aufgabe der Erfindung ist es, einen textilen Werkstoff zu schaffen, bei dem die bereits
vorhandenen günstigen Eigenschaften von Seide mit der vorteilhaften Struktur und
den daraus resultierenden Eigenschaften eines Walkstoffs (Filzes) vereinigt werden.
[0007] Gegenstand der Erfindung ist ein Seidenwalkstoff (Seidenfilz), der eine Zwischenlage
aus Naturhaar und zwei Decklagen aus Seidenwatte aufweist.
[0008] Die Wolle stellt also nur ein Hilfsmittel dar, das dazu dient, die Seidenfäden durch
Verketten und Verkrallen im Filz festzuhalten. Der Wollanteil wird möglichst gering
gehalten, wobei zur Gewährleistung einer höheren Reissfestigkeit höhere Wollanteile
erforderlich sind, da dies zu einer intensiveren Fesselung der Seidenfäden beiträgt.
[0009] Der vorgenannte, sandwichartige Seidenwalkstoff kann auch mehrfach übereinander angeordnet
sein, d.h. er weist mehrere Zwischenlagen aus Naturhaar und eine entsprechende Anzahl
von Decklagen aus Seidenwatte auf.
[0010] Die Zwischenlage aus Naturhaar besteht vorzugsweise aus unversponnener Wolle, insbesondere
Kammzug oder kadierter Wolle. Der Gewichtsanteil des Naturhaars beträgt je nach Qualität
und Sorte und je nach Stärke des gewünschten Filzes 3 bis 30 Gew.-%, insbesondere
10 bis 25 Gew.-%. Insbesondere kann bei Verwendung von hochwertiger Cashmere-Wolle
als Hilfsmittel der Fremdanteil auf etwa 5% oder darunter verringert werden. Üblicherweise
besteht die Tendenz, den Wollanteil möglichst gering zu halten, da die Wollfäden nur
als Bindemittel dienen, um den Zusammenhalt des Seidenwalkstoffs zu gewährleisten.
[0011] Gegenstand der Erfindung ist ferner ein Verfahren zur Herstellung des vorgenannten
Seidenwalkstoffs, das dadurch gekennzeichnet ist, dass man eine Zwischenlage (1) aus
Naturhaar mit zwei Decklagen aus Seidenwatte zusammenwalkt.
[0012] Vorzugsweise wird das erfindungsgemässe Verfahren dadurch durchgeführt, dass man
(a) einen Schichtstoff aus einer dünnen Zwischenlage aus unversponnenem Naturhaar
und zwei Decklagen aus gleichmässigem Vlies aus Seidenwatte herstellt,
(b) den Schichtstoff mit einer Tränkflüssigkeit mit einem Gehalt an Schmierseife,
Wollfett und einem Emulgiermittel tränkt,
(c) den getränkten Schichtstoff zwischen feingenoppten Folien durch regellose Streichbewegungen
unter leichtem Druck walkt bzw. filzt,
(d) den Schichtstoff mitsamt den Folien einrollt und unter gleichmässigem Ausstreichen
die Tränkflüssigkeit nach aussen ausdrängt,
(e) die Rolle einer Knet- und Streichbehandlung unterzieht,
(f) die Rolle auswickelt, den erhaltenen Schichtstoff in eine grossgenoppte Folie
einrollt und einem weiteren Walk- bzw. Filzvorgang gemäss Stufen (d) und (e) unterzieht
und
(g) die Rolle auswickelt und den erhaltenen Schichtstoff in ein saugfähiges Tuch einwickelt,
die erhaltene Rolle in gleichmässigen Abständen abbindet und dann in einer Waschmaschine
spült und schleudert.
[0013] Nachstehend wird die Erfindung anhand der Zeichnung näher erläutert.
[0014] Die Zeichnung zeigt einen Querschnitt, durch einen erfindungsgemässen, sandwichartigen
Seidenwalkstoff, wobei die Zwischenlage aus Naturhaar das Bezugszeichen 1 und die
Decklagen aus Seidenwatte das Bezugszeichen 2 aufweisen.
[0015] Als Seidenmaterial für die Decklage dient vorzugsweise Seidenwatte (Oblong), Flockseide
oder Kammzug (Sliver), Z.B. von der Maulbeerraupe, der Eichenraupe oder anderen Seidenraupen.
[0016] Als Naturhaar für die Zwischenlage wird vorzugsweise unversponnene Wolle verwendet,
z.B. Yakwolle, Cashmere, Kamelhaarwolle, Alpakawolle, oder einfache Schafwolle. Mohairwolle
(von der Angoraziege) ist wegen ihrer glatten Faserbeschaffenheit ungeeignet.
[0017] Das Wesen des erfindungsgemässen Verfahrens besteht darin, dass die Fäden der an
sich nicht walkfähigen Seidenwatte beim Walkvorgang von der schuppenartigen Struktur
der Wolle eingefangen werden und sich darin verheddern. Je intensiver die Pressbewegungen
durchgeführt werden, desto stärker wird die Verfilzung.
[0018] Als Tränkflüssigkeit dient vorzugsweise ein wässeriges Gemisch mit einem Gehalt an
Schmierseife, Wollfett (Lanolin) und einem Emulgiermittel. Als Emulgiermittel hat
sich emulgierender Cetylstearylalkohol besonders bewährt. Vorzugsweise wird die Tränkflüssigkeit
hergestellt, indem man Schmierseife in heissem Wasser löst und dann ein Gemisch aus
Wollfett und Emulgiermittel darunter mischt. Beim Wasser handelt es sich vorzugsweise
um weiches Wasser, d.h. es weist einen relativ niedrigen Calciumgehalt auf. Man kann
also beispielsweise abgekochtes Wasser oder entionisiertes Wasser verwenden. Vor der
Anwendung muss die Tränkflüssigkeit auf 60°C oder darunter abgekühlt werden, wobei
die Höhe der Temperatur davon abhängt, wie die Wolle die Temperatur verträgt.
[0019] Besonders zweckmässig ist es, zur Herstellung der Tränkflüssigkeit ein Vorgemisch
aus gleichen Gewichtsteilen Wollfett und emulgierendem Cetylstearylalkohol in Wasser
bereitzustellen. Vorzugsweise werden jeweils 50-300 g Wollfett und emulgierender
Cetylstearylalkohol mit 1 Liter Wasser vermischt. Zur Herstellung der Tränkflüssigkeit
wird dann vorzugsweise ca. 1 Esslöffel dieses Vorgemisches (Lotion) zusammen mit
ca. 2 Esslöffel Schmierseife zu 1 Liter Wasser gegeben und zur Gewährleistung einer
optimalen Lösung der Schmierseife kurz aufgekocht.
[0020] Nachstehend wird eine bevorzugte Ausführungsform des erfindungsgemässen Verfahrens
zur Herstellung eines dünnen Filzes unter Verwendung von Cashmere-Wolle als Zwischenlage
näher beschrieben. Selbstverständlich können auch Filze unter Verwendung anderer Wollarten
hergestellt werden, wobei die Materialdicken je nach den verwendeten Materialien und
den gewünschten Eigenschaften variieren können.
[0021] Zunächst wird als Arbeitsfläche eine Unterlage mit feinen Noppen bereitgestellt.
Hierfür eignet sich beispielsweise eine Luftpolster-Noppenfolie, wie sie für Verpackungszwecke
bekannt ist. Der Noppendurchmesser beträgt bis etwa 8 mm. (Geeignet als starre Unterlage
ist beispielsweise auch ein Waschbrett, wie es früher zum Wäschewaschen verwendet
wurde.) Auf die feine Noppenfolie wird zu einem dünnen Vlies ausgezupfte Seidenwatte
(Oblong) gelegt. Es ist darauf zu achten, dass das Vlies eine möglichst gleichmässige
Stärke aufweist und keine Nester vorhanden sind. Sodann wird unversponnene Cashmere-Wolle
zu kleinen dünnen Flauschen ausgezupft und schuppenartig oder dachziegelartig auf
das Seidenvlies gelegt. Die Wollabdeckung soll gleichmässig und flächendeckend sein,
da die Wolle die Bindung der Seidenfäden herstellt. Auf die Wollzwischenlage wird
wieder eine Lage aus gezupftem Seidenvlies gelegt. Der Wollanteil beträgt 5% des
gesamten Schichtstoffs.
[0022] Ggf. können eine oder mehrere weitere Wollagen und eine entsprechende Anzahl von
weiteren Decklagen aus Seidenvlies aufgebracht werden.
[0023] Eine Tränkflüssigkeit die durch Vermischen von ca. 40 g Schmierseife, ca. 5 g Lanolin
und ca. 5 g emulgierendem Cetylstearylalkohol mit 1 Liter heissem, abgekochten Wasser
hergestellt worden ist, wird mit einer Temperatur von höchstens 60°C auf den Schichtstoff
gesprüht, so dass sich eine satte Tränkung des Schichtstoffs ergibt. Unter leichten
Druckbewegungen wird langsam die Luft aus dem Gewebe gepresst. Das gepresste und
mit Lauge gesättigte Filzmaterial wird unter leichtem Druck unregelmässigen Streichbewegungen
ausgesetzt, wobei sich die Streichbewegungen anfänglich von innen nach aussen und
anschliessend kreuz und quer und auch kreisförmig bewegen. Dabei sollte kein zu hoher
Druck ausgeübt werden, um ein Ineinandergleiten der Fasern zu ermöglichen. Dabei sollen
die Fasern eine Art Schwimmbewegung ausführen. Während der Streichbehandlung gleiten
Wolle und Seidenfäden ineinander und es kommt dazu, dass die Fasern eine Art Kettverbindung
eingehen (Reissverschlussprinzip). Dabei dient die Tränkflüssigkeit insbesondere
als Gleitmittel. Aufgrund der unterschiedlichen Oberflächenstruktur (Seide glatt,
Wolle rauh) und aufgrund der ausgeführten Reibe- und Massagebewegungen, die durch
die noppige Unterlage unterstützt werden, werden die Seidenfäden durch die Wolle
mit ihrer Schuppenstruktur eingefangen und verheddert. Je intensiver die ,"Seidenmassage"
durchgeführt wird, desto stärker wird die Verfilzung.
[0024] Anschliessend wird das bereits halbwegs abgebundene Filzmaterial gewendet, und die
gleiche Bearbeitung wird von der ande ren Seite aus durchgeführt. Da das Material
stets mit der Tränkflüssigkeit getränkt sein soll, muss eventuell Flüssigkeit nachgegossen
werden.
[0025] Nach Beendigung dieses Arbeitsgangs wird eine weitere kleingenoppte Folie aufgelegt,
und die Streichbewegungen werden wiederholt.
[0026] Schliesslich wird der entstandene Filz zwischen den Folien unter gleichzeitigen Ausstreichen
nach aussen eingerollt, um die Flüssigkeit herauszudrängen. Die Rolle wird dann abwechselnd
geknetet und gestrichen. Hierbei ergibt sich eine weitere Verfestigung der Bindung
zwischen Seiden- und Wollfasern.
[0027] Eine weitere Erhöhung der Stabilität lässt sich erreichen, indem man den auf vorstehende
Weise behandelten Filz auf eine gross genoppte Folie (Noppendurchmesser bis etwa 20
mm) legt, einwickelt und erneut der vorstehend geschilderten Knet- und Streichbehandlung
unterwirft.
[0028] Schliesslich wird die Tränkflüssigkeit aus dem erhaltenen Filz entfernt. Hierbei
wird der Filz vorzugsweise in einen saugfähigen textilen Werkstoff eingewickelt und
einer Spülbehandlung (vorzugsweise bei Normaltemperatur) in einer Waschmaschine unterworfen.
Dabei kommt es zu einer weiteren Vertiefung des Filzvorgangs. Schliesslich wird die
Rolle geschleudert. Dabei wird sie vorzugsweise in kleinen Abschnitten abgebunden,
um beim Schleudern keine Wulste oder Knuppel durch Verschiebung entstehen zu lassen.
[0029] Nach dem Auswickeln wird der Seidenfilz oder Seidenwalkstoff an der Luft getrocknet.
[0030] Der Filz lässt sich wie normales Seidengewebe auf beliebige Weise einfärben. Es ist
möglich, bereits während des Tränkvorgangs eine Färbung durchzuführen, indem man
der Tränkflüssig keit eine Batik- oder Seidenfarbe zusetzt.
[0031] Ein Vorteil des Seidenfilzes besteht darin, dass man im Gegensatz zu üblichem Gewebe
keine Rücksicht auf den Fadenverlauf nehmen muss. Es ist möglich, die Schnitte puzzleförmig
zusammenzusetzen. Der Filz ist stanzbar. Ein weitgehend Verwertung auch von kleineren
Abfallteilen ist möglich.
[0032] Der Seidenfilz zeichnet sich durch eine aussergewöhnlich hohe Temperaturregulierung
aus. Ferner zeigt er eine hohe Feuchtigkeitsaufnahme, ohne dass er sich nass anfühlt.
Schliesslich ist das äusserst geringe Gewicht des erfindungsgemässen textilen Werkstoffs
bemerkenswert.
[0033] Der erfindungsgemässe Seidenwalkstoff eignet sich beispielsweise zur Herstellung
von Jacken, Mänteln, Matratzenauflagen, Decken (wegen des geringen Gewichts und der
optimalen Temperaturregulierung besonders für Rheuma- und Gichtkranke), Schuhe, Handschuhe,
Einlegesohlen, Schonbezüge, Futtermaterialien (insbesondere für Winterbekleidung)
und Hüte.
1. Seidenwalkstoff (Seidenfilz), enthaltend eine Zwischenlage (1) aus Naturhaar und
Decklagen (2) aus Seidenwatte.
2. Seidenwalkstoff nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Zwischenlagen
und mehrere Decklagen übereinander vorgesehen sind.
3. Seidenwalkstoff nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Zwischenlage
3 bis 30 Gew.-% des Walkstoffs ausmacht.
4. Seidenwalkstoff nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Zwischenlage
5 bis 20 Gew.-% des Walkstoffs ausmacht.
5. Verfahren zur Herstellung des Seidenwalkstoffs nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
dass man eine Zwischenlage (1) aus Naturhaar mit zwei Decklagen (2) aus Seidenwatte
zusammenwalkt bzw. zusammenfilzt.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass man
(a) einen Schichtstoff aus einer dünnen Zwischenlage aus unversponnenem Naturhaar
und zwei Decklagen aus gleichmässigem Vlies aus Seidenwatte herstellt,
(b) den Schichtstoff mit einer Tränkflüssigkeit mit einem Gehalt an Schmierseife,
Wollfett und einem Emulgiermittel tränkt,
(c) den getränkten Schichtstoff zwischen feingenoppten Folien durch regellose Streichbewegungen
unter leichtem Druck walkt bzw. filzt,
(d) den Schichtstoff mitsamt den Folien einrollt und unter gleichmässigem Ausstreichen
die Tränkflüssigkeit nach aussen ausdrängt,
(e) die Rolle einer Knet- und Streichbehandlung unterzieht,
(f) die Rolle auswickelt, den erhaltenen Schichtstoff in eine grossgenoppte Folie
einrollt und einem weiteren Walk- bzw. Filzvorgang gemäss Stufen (d) und (e) unterzieht
und
(g) die Rolle auswickelt und den erhaltenen Schichtstoff in ein saugfähiges Tuch einwickelt,
die erhaltene Rolle in gleichmässigen Abständen abbindet und dann in einer Waschmaschine
spült und schleudert.
7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass man als Emulgiermittel
emulgierenden Cetylstearylalkohol verwendet.
8. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass man eine Tränkflüssigkeit
verwendet, die pro 1 Liter Wasser 10 bis 100 g Schmierseife, 1 bis 20 g Wollfett und
1 bis 20 g emulgierenden Cetylstearylalkohol enthält.
9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass man die Tränkflüssigkeit
mit einer Temperatur von 50 bis 60°C auf den Schichtstoff aufbringt.
10. Zusammensetzung zur Verwendung im Verfahren nach einem der Ansprüche 5 bis 9,
enthaltend Wollfett und emulgierenden Cetylstearylalkohol.