(19)
(11) EP 0 342 436 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
23.11.1989  Patentblatt  1989/47

(21) Anmeldenummer: 89108038.4

(22) Anmeldetag:  03.05.1989
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4F25J 3/04
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE DE FR GB GR IT NL SE

(30) Priorität: 20.05.1988 DE 3817244

(71) Anmelder: Linde Aktiengesellschaft
D-65189 Wiesbaden (DE)

(72) Erfinder:
  • Rohde, Wilhelm
    D-8000 München 71 (DE)

(74) Vertreter: Schaefer, Gerhard, Dr. 
Linde Aktiengesellschaft Zentrale Patentabteilung
D-82049 Höllriegelskreuth
D-82049 Höllriegelskreuth (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft


    (57) Bei einem Verfahren zur Luftzerlegung mit zweistufiger Rektifikation 10 wird ein Teil der Einsatzluft lediglich auf den Druck der Niederdrucksäule 12 verdichtet und nach Vorreinigung 8 und Abkühlung (Wärmetauscher 9) direkt in die Niederdruckstufe 12 eingespeist (Leitung 15).


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft, bei dem ein erster Einsatzluftstrom verdichtet, vorgereinigt, abgekühlt und mindestens teilweise in die Druckstufe einer zweistufigen Rektifiziereinrichtung eingeleitet wird und bei dem gasförmiger Sauerstoff und gasförmiger Stickstoff der Niederdruckstufe entnommen werden.

    [0002] Bei einem Verfahren zur Luftzerlegung mit zweistufiger Rektifikation wird Einsatzluft in der Regel in die Druckstufe eingeblasen, dort in eine stickstoffreiche und eine sauerstoffreiche Fraktion vorzerlegt, die anschließend in der Niederdruckstufe weiter rektifiziert werden. Die Einsatzluft muß dabei auf das Druckniveau der Druckstufe, also auf etwa 5 bis 7 bar verdichtet werden. Zu diesem Zweck benötigte Luftverdichter binden einerseits durch ihre hohen Anschaffungskosten Kapital, andererseits sind sie während des Betriebs der Anlage der größte Energieverbraucher.

    [0003] Eine Anlage, die hauptsächlich zur Herstellung von Sauerstoff einer relativ niedrigen Reinheit, beispielweise geringer als 98%, dient, kann auch so betrieben werden, daß ein Teil der Einsatzluft ohne Vorzerlegung in der Druckstufe direkt in die Niederdruckstufe eingeblasen wird, ohne daß dabei die Sauerstoffausbeute nennenswert verringert wird. Ein Verfahren, bei dem diese Tatsache zur Rückgewinnung von Energie aus auf Drucksäulenniveau verdichteter Einsatzluft ausgenützt wird, ist aus der DE-PS-28 54 580 bekannt. Hier wird ein Teil der Einsatzluft nach der Verdichtung auf das Druckniveau der Niederdruckstufe entspannt und anschließend der Niederdruckstufe zugeführt. Die beim Entspannen gewonnene Kälte wird zur Verflüssigung von Produktgasen eingesetzt.

    [0004] Das bekannte Verfahren weist jedoch wirtschaftliche Nachteile auf, da die Rückgewinnung der Verdichtungsenergie auch bei Einsatz einer Kombination aus einer Entspannungsturbine und einem mechanisch angekoppelten Verdichter nur unvollständig sein kann. Außerdem mangelt es dem bekannten Verfahren an Flexibilität, da Expansionsturbinen nur in einem eng begrenzten Bereich von Durchsatzmengen mit günstigem Wirkungsgrad betrieben werden. Die Menge der direkt in die Niederdruckstufe eingeblasenen Luft kann also während des Betriebes nur in beschränktem Maße verändert werden.

    [0005] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren der eingangs genannten Art zu entwickeln, das wirtschaftlich besonders günstig arbeitet.

    [0006] Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, daß ein zweiter Einsatz­luftstrom auf einen niedrigeren Druck als der erste Einsatzluftstrom verdichtet wird, und der zweite Einsatzluftstrom anschließend vorgereinigt, abgekühlt und der Niederdruckstufe der Rektifiziereinrichtung zugeführt wird.

    [0007] Mindestens ein Teil der Luft, die direkt in die Niederdruckstufe eingeblasen wird, wird nur auf den dafür notwendigen Druck von 1,3 bis 2,5 bar, vorzugsweise 1,5 bis 1,8 bar verdichtet. Dadurch muß von vornherein weniger Energie zum Verdichten der Einsatzluft aufgebracht werden, auf eine weniger effektive und apparativ aufwendige Rückgewinnung überschüssiger Verdichtungsenergie kann verzichtet werden. Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht darin, daß die Menge der direkt in die Niederdrucksäule eingeleiteten Luft über sehr weite Bereiche eingestellt werden kann. Je nach gewünschter Reinheit des Produktsauerstoffs variiert nämlich die Luftmenge, die direkt in die Niederdrucksäule eingeführt werden kann, ohne daß dabei die Sauerstoffausbeute nennenswert beeinflußt wird. So kann beim Verfahren der Erfindung beispielsweise mit Hilfe einfacher Regeleinrichtungen der Durchsatz im zweiten Einsatzluftstrom erhöht werden, wenn die Anforderungen an die Reinheit des Produktsauerstoffs geringer sind.

    [0008] In einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird die gesamte Einsatzluft in einer ersten Stufe gemeinsam verdichtet und danach in die beiden Einsatzluftströme aufgeteilt, und der erste Einsatzluftstrom wird anschließend in einer zweiten Stufe weiterverdichtet.

    [0009] Durch die gemeinsame Verdichtung beider Einsatzluftströme auf einen mittleren Druck braucht keine eigene Maschine für den zweiten Einsatzluftstrom angeschafft zu werden. Die Kapitalkosten sind also geringer. Die beiden Stufen der Verdichtung können jeweils wieder aus mehreren einzelnen Verdichtereinheiten aufgebaut sein.

    [0010] Es erweist sich als günstig, wenn beim erfindungsgemäßen Verfahren vom ersten Einsatzluftstrom nach dem Vorreinigen ein Teilstrom abgezweigt wird, dieser nachverdichtet, abgekühlt und arbeitsleistend entspannt wird. Mit Hilfe der Entspannung des Teilstroms kann Kälte erzeugt werden, die außer für den Ausgleich von allgemeinen Kälteverlusten wie Isolations- und Austauschverlusten beispielsweise auch für die Verflüssigung von Produktgasen benötigt wird.

    [0011] Dabei wird in vorteilhafter Weise die beim Entspannen des Teilstroms des ersten Einsatzluftstroms gewonnene Arbeit zur Nachverdichtung des Teilstroms eingesetzt.

    [0012] In günstiger Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird der Teilstrom des ersten Einsatzstroms nach dem Entspannen in die Niederdruckstufe der Rektifiziereinrichtung eingeführt. Dadurch, daß der Teilstrom auf den wesentlich niedrigeren Druck der Niederdruckstufe entspannt wird, steht eine besonders hohe Enthalpiedifferenz zur Verfügung, die zur Kälteerzeugung genutzt wird.

    [0013] Im folgenden werden die Erfindung und weitere Einzelheiten der Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels näher erläutert, das in der Figur schematisch dargestellt ist.

    [0014] Über eine Leitung 1 wird atmosphärische Luft von einer ersten Verdichterstufe 2 angesaugt und an einem ersten Verzweigungspunkt 3 auf einen ersten Einsatzluftstrom (Leitung 4) und einen zweiten Einsatzluftstrom (Leitung 7) verteilt.

    [0015] Der Druck am Verzweigungspunkt 3 beträgt 1,3 bis 2,5 bar, vorzugsweise 1,5 bis 1,8 bar. Der erste Einsatzluftstrom wird in einer zweiten Verdichterstufe 5 weiter komprimiert und in einer nur schematisch dargestellten Molsiebapparatur 6 vorgereinigt, indem Wasserdampf, Kohlendioxid und gefährliche Kohlenwasserstoffe entfernt werden. Der Druck im ersten Einsatzluftstrom hinter der Molsiebapparatur 6 beträgt 5,0 bis 7,0 bar, vorzugsweise 5,2 bis 6,0 bar. Der größere Teil des ersten Einsatzluftstroms wird über Leitung 8 durch einen Wärmetauscher 9 geführt, dort im Gegenstrom zu Zerlegungsprodukten abgekühlt und anschließend in die Druckstufe 11 einer zweistufigen Rektifiziersäule 10 eingeblasen.

    [0016] An einem zweiten Verzweigungspunkt 27 wird ein Teilstrom 12 vom ersten Einsatzluftstrom abgezweigt, in einem Nachverdichter 13 weiterverdichtet, im Wärmetauscher 9 abgekühlt und danach in der Entspannungsturbine 14 zur Kälteerzeugung entspannt. Die beim Entspannen des Teilstroms gewonnene Arbeit wird mechanisch an den Nachverdichter 13 übertragen. Der entspannte Teilstrom wird über Leitung 15 in die Niederdruckstufe 12 der Rektifiziersäule 10 eingeführt. Die Niederdruckstufe 12 wird unte einem Druck von 1,1 bis 2,0 bar, vorzugsweise 1,3 bis 1,7 bar betrieben und steht mit der Druckstufe 11 über einen Kondensator-Verdampfer im wärmetauschender Verbindung.

    [0017] Der Druckstufe 11 werden stickstoffreiche Flüssigkeit 16 und sauerstoffreiche Flüssigkeit 17 entnommen; diese beiden Ströme werden in Wärmetauschern 18 bzw. 19 im Gegenstrom zu gasförmigem Stickstoff 21 aus der Niederdruckstufe 12 abgekühlt und anschließend an jeweils geeigneter Stelle in die Niederdruckstufe 12 eingedrosselt. Aus der Niederdruckstufe 12 wird als Hauptprodukt gasförmiger Sauerstoff über Leitung 24 herausgeführt, daneben werden kleinere Mengen an flüssigem Sauerstoff 23 und an flüssigem Stickstoff 25 entnommen. Die gasförmigen Produktströme 21, 22, 24 werden im Wärmetauscher 9 auf nahezu Umgebungstemperatur angewärmt. Der gasförmige Stickstoff 21 aus der Niederdruckstufe wird teilweise zum Regenerieren der Molsiebapparaturen 6, 8 eingesetzt. Außerdem kann über Leitung 22 ein kleiner gasförmiger Druckstickstoffstrom entnommen werden.

    [0018] Der zweite Einsatzluftstrom (Leitung 7) wird erfindungsgemäß in einer eigenen Molsiebapparatur 8 vorgereinigt, im Wärmetauscher 9 abgekühlt und anschließend nach Vereinigung mit dem entspannten Teilstrom des ersten Einsatzluftstroms über Leitung 15 in die Niederdruckstufe 12 der Rektifiziersäule 10 eingespeist.

    [0019] Das erfindungsgemäße Verfahren mit Direkteinspeisung von Einsatzluft in die Niederdruckstufe erweist sich als wirtschaftlich günstig, wenn beim Produktsauerstoff (Leitungen 23 und 24 im Ausführungsbeispiel) eine Reinheit von 85 bis 98% erzielt werden soll. Falls beispielsweise eine Sauerstoffreinheit von 96% gewünscht ist, können bis zu 35% der Einsatzluft direkt in die Niederdruckstufe eingespeist werden, ohne die Sauerstoffausbeute merklich zu verringern. Die zweite Verdichtungsstufe 5 kann also entsprechend dem verringerten Luftdurchsatz im ersten Einsatzluftstrom kleiner ausgelegt werden, und während des Betriebes muß entsprechend weniger Energie zum Verdichten aufgewendet werden.

    [0020] In Abweichung von dem in der Figur dargestellten Ausführungsbeispiel kann statt der Kälteerzeugung durch Entspannen des Teilstroms 12 des ersten Einsatzluftstroms die benötigte Kälte auch auf andere Weise zugeführt werden. Dabei wird der gesamte erste Einsatzluftstrom in die Druckstufe eingespeist und beispielsweise ein Teil des ersten Einsatzluftstroms durch Wärmetausch mit einem externen Kältemittel abgekühlt. In dieser Ausführungsvariante braucht auch derjenige Teil der Einsatzluft, der beim Verfahren der Figur arbeitsleistend entspannt wird, nur auf das Niveau der Niederdruckstufe verdichtet zu werden; der Verdichter, welcher der zweiten Verdichterstufe 5 in der Figur entspricht, kann also noch kleiner ausgelegt werden.

    [0021] Ebenso ist es möglich, den zweiten Einsatzluftstrom völlig unabhängig vom ersten Einsatzluftstrom zu führen, indem durch einen eigenen Verdichter atmosphärische Luft allein für den zweiten Einsatzluftstrom angesaugt wird.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft, bei dem ein erster Einsatzluftstrom verdichtet, vorgereinigt, abgekühlt und mindestens teilweise in die Druckstufe einer zweistufigen Rektifiziereinrichtung eingeleitet wird und bei dem gasförmiger Sauerstoff und gasförmiger Stickstoff der Niederdruckstufe entnommen werden, dadurch gekennzeichnet, daß ein zweiter Einsatzluftstrom auf einen niedrigeren Druck als der erste Einsatzluftstrom verdichtet wird und der zweite Einsatzluftstrom anschließend vorgereinigt, abgekühlt und der Niederdruckstufe der Rektifiziereinrichtung zugeführt wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die gesamte Einsatzluft in einer ersten Stufe gemeinsam verdichtet und danach in die beiden Einsatzluftströme aufgeteilt wird und daß der erste Einsatzluftstrom anschließend in einer zweiten Stufe weiter verdichtet wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß vom ersten Einsatzluftstrom nach dem Vorreinigen ein Teilstrom abgezweigt wird, der nachverdichtet, abgekühlt und arbeitsleistend entspannt wird.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die beim Entspannen des Teilstroms des ersten Einsatzluftstroms gewonnene Arbeit zur Nachverdichtung des Teilstroms eingesetzt wird.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Teilstrom des ersten Einsatzstroms nach dem Entspannen in die Niederdruckstufe der Rektifiziereinrichtung eingeführt wird.
     




    Zeichnung