[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft, bei dem
ein erster Einsatzluftstrom verdichtet, vorgereinigt, abgekühlt und mindestens teilweise
in die Druckstufe einer zweistufigen Rektifiziereinrichtung eingeleitet wird und bei
dem gasförmiger Sauerstoff und gasförmiger Stickstoff der Niederdruckstufe entnommen
werden.
[0002] Bei einem Verfahren zur Luftzerlegung mit zweistufiger Rektifikation wird Einsatzluft
in der Regel in die Druckstufe eingeblasen, dort in eine stickstoffreiche und eine
sauerstoffreiche Fraktion vorzerlegt, die anschließend in der Niederdruckstufe weiter
rektifiziert werden. Die Einsatzluft muß dabei auf das Druckniveau der Druckstufe,
also auf etwa 5 bis 7 bar verdichtet werden. Zu diesem Zweck benötigte Luftverdichter
binden einerseits durch ihre hohen Anschaffungskosten Kapital, andererseits sind sie
während des Betriebs der Anlage der größte Energieverbraucher.
[0003] Eine Anlage, die hauptsächlich zur Herstellung von Sauerstoff einer relativ niedrigen
Reinheit, beispielweise geringer als 98%, dient, kann auch so betrieben werden, daß
ein Teil der Einsatzluft ohne Vorzerlegung in der Druckstufe direkt in die Niederdruckstufe
eingeblasen wird, ohne daß dabei die Sauerstoffausbeute nennenswert verringert wird.
Ein Verfahren, bei dem diese Tatsache zur Rückgewinnung von Energie aus auf Drucksäulenniveau
verdichteter Einsatzluft ausgenützt wird, ist aus der DE-PS-28 54 580 bekannt. Hier
wird ein Teil der Einsatzluft nach der Verdichtung auf das Druckniveau der Niederdruckstufe
entspannt und anschließend der Niederdruckstufe zugeführt. Die beim Entspannen gewonnene
Kälte wird zur Verflüssigung von Produktgasen eingesetzt.
[0004] Das bekannte Verfahren weist jedoch wirtschaftliche Nachteile auf, da die Rückgewinnung
der Verdichtungsenergie auch bei Einsatz einer Kombination aus einer Entspannungsturbine
und einem mechanisch angekoppelten Verdichter nur unvollständig sein kann. Außerdem
mangelt es dem bekannten Verfahren an Flexibilität, da Expansionsturbinen nur in einem
eng begrenzten Bereich von Durchsatzmengen mit günstigem Wirkungsgrad betrieben werden.
Die Menge der direkt in die Niederdruckstufe eingeblasenen Luft kann also während
des Betriebes nur in beschränktem Maße verändert werden.
[0005] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren der eingangs genannten Art
zu entwickeln, das wirtschaftlich besonders günstig arbeitet.
[0006] Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, daß ein zweiter Einsatzluftstrom auf einen niedrigeren
Druck als der erste Einsatzluftstrom verdichtet wird, und der zweite Einsatzluftstrom
anschließend vorgereinigt, abgekühlt und der Niederdruckstufe der Rektifiziereinrichtung
zugeführt wird.
[0007] Mindestens ein Teil der Luft, die direkt in die Niederdruckstufe eingeblasen wird,
wird nur auf den dafür notwendigen Druck von 1,3 bis 2,5 bar, vorzugsweise 1,5 bis
1,8 bar verdichtet. Dadurch muß von vornherein weniger Energie zum Verdichten der
Einsatzluft aufgebracht werden, auf eine weniger effektive und apparativ aufwendige
Rückgewinnung überschüssiger Verdichtungsenergie kann verzichtet werden. Ein weiterer
Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht darin, daß die Menge der direkt in
die Niederdrucksäule eingeleiteten Luft über sehr weite Bereiche eingestellt werden
kann. Je nach gewünschter Reinheit des Produktsauerstoffs variiert nämlich die Luftmenge,
die direkt in die Niederdrucksäule eingeführt werden kann, ohne daß dabei die Sauerstoffausbeute
nennenswert beeinflußt wird. So kann beim Verfahren der Erfindung beispielsweise mit
Hilfe einfacher Regeleinrichtungen der Durchsatz im zweiten Einsatzluftstrom erhöht
werden, wenn die Anforderungen an die Reinheit des Produktsauerstoffs geringer sind.
[0008] In einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird die gesamte
Einsatzluft in einer ersten Stufe gemeinsam verdichtet und danach in die beiden Einsatzluftströme
aufgeteilt, und der erste Einsatzluftstrom wird anschließend in einer zweiten Stufe
weiterverdichtet.
[0009] Durch die gemeinsame Verdichtung beider Einsatzluftströme auf einen mittleren Druck
braucht keine eigene Maschine für den zweiten Einsatzluftstrom angeschafft zu werden.
Die Kapitalkosten sind also geringer. Die beiden Stufen der Verdichtung können jeweils
wieder aus mehreren einzelnen Verdichtereinheiten aufgebaut sein.
[0010] Es erweist sich als günstig, wenn beim erfindungsgemäßen Verfahren vom ersten Einsatzluftstrom
nach dem Vorreinigen ein Teilstrom abgezweigt wird, dieser nachverdichtet, abgekühlt
und arbeitsleistend entspannt wird. Mit Hilfe der Entspannung des Teilstroms kann
Kälte erzeugt werden, die außer für den Ausgleich von allgemeinen Kälteverlusten wie
Isolations- und Austauschverlusten beispielsweise auch für die Verflüssigung von Produktgasen
benötigt wird.
[0011] Dabei wird in vorteilhafter Weise die beim Entspannen des Teilstroms des ersten Einsatzluftstroms
gewonnene Arbeit zur Nachverdichtung des Teilstroms eingesetzt.
[0012] In günstiger Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird der Teilstrom des
ersten Einsatzstroms nach dem Entspannen in die Niederdruckstufe der Rektifiziereinrichtung
eingeführt. Dadurch, daß der Teilstrom auf den wesentlich niedrigeren Druck der Niederdruckstufe
entspannt wird, steht eine besonders hohe Enthalpiedifferenz zur Verfügung, die zur
Kälteerzeugung genutzt wird.
[0013] Im folgenden werden die Erfindung und weitere Einzelheiten der Erfindung anhand eines
Ausführungsbeispiels näher erläutert, das in der Figur schematisch dargestellt ist.
[0014] Über eine Leitung 1 wird atmosphärische Luft von einer ersten Verdichterstufe 2 angesaugt
und an einem ersten Verzweigungspunkt 3 auf einen ersten Einsatzluftstrom (Leitung
4) und einen zweiten Einsatzluftstrom (Leitung 7) verteilt.
[0015] Der Druck am Verzweigungspunkt 3 beträgt 1,3 bis 2,5 bar, vorzugsweise 1,5 bis 1,8
bar. Der erste Einsatzluftstrom wird in einer zweiten Verdichterstufe 5 weiter komprimiert
und in einer nur schematisch dargestellten Molsiebapparatur 6 vorgereinigt, indem
Wasserdampf, Kohlendioxid und gefährliche Kohlenwasserstoffe entfernt werden. Der
Druck im ersten Einsatzluftstrom hinter der Molsiebapparatur 6 beträgt 5,0 bis 7,0
bar, vorzugsweise 5,2 bis 6,0 bar. Der größere Teil des ersten Einsatzluftstroms wird
über Leitung 8 durch einen Wärmetauscher 9 geführt, dort im Gegenstrom zu Zerlegungsprodukten
abgekühlt und anschließend in die Druckstufe 11 einer zweistufigen Rektifiziersäule
10 eingeblasen.
[0016] An einem zweiten Verzweigungspunkt 27 wird ein Teilstrom 12 vom ersten Einsatzluftstrom
abgezweigt, in einem Nachverdichter 13 weiterverdichtet, im Wärmetauscher 9 abgekühlt
und danach in der Entspannungsturbine 14 zur Kälteerzeugung entspannt. Die beim Entspannen
des Teilstroms gewonnene Arbeit wird mechanisch an den Nachverdichter 13 übertragen.
Der entspannte Teilstrom wird über Leitung 15 in die Niederdruckstufe 12 der Rektifiziersäule
10 eingeführt. Die Niederdruckstufe 12 wird unte einem Druck von 1,1 bis 2,0 bar,
vorzugsweise 1,3 bis 1,7 bar betrieben und steht mit der Druckstufe 11 über einen
Kondensator-Verdampfer im wärmetauschender Verbindung.
[0017] Der Druckstufe 11 werden stickstoffreiche Flüssigkeit 16 und sauerstoffreiche Flüssigkeit
17 entnommen; diese beiden Ströme werden in Wärmetauschern 18 bzw. 19 im Gegenstrom
zu gasförmigem Stickstoff 21 aus der Niederdruckstufe 12 abgekühlt und anschließend
an jeweils geeigneter Stelle in die Niederdruckstufe 12 eingedrosselt. Aus der Niederdruckstufe
12 wird als Hauptprodukt gasförmiger Sauerstoff über Leitung 24 herausgeführt, daneben
werden kleinere Mengen an flüssigem Sauerstoff 23 und an flüssigem Stickstoff 25 entnommen.
Die gasförmigen Produktströme 21, 22, 24 werden im Wärmetauscher 9 auf nahezu Umgebungstemperatur
angewärmt. Der gasförmige Stickstoff 21 aus der Niederdruckstufe wird teilweise zum
Regenerieren der Molsiebapparaturen 6, 8 eingesetzt. Außerdem kann über Leitung 22
ein kleiner gasförmiger Druckstickstoffstrom entnommen werden.
[0018] Der zweite Einsatzluftstrom (Leitung 7) wird erfindungsgemäß in einer eigenen Molsiebapparatur
8 vorgereinigt, im Wärmetauscher 9 abgekühlt und anschließend nach Vereinigung mit
dem entspannten Teilstrom des ersten Einsatzluftstroms über Leitung 15 in die Niederdruckstufe
12 der Rektifiziersäule 10 eingespeist.
[0019] Das erfindungsgemäße Verfahren mit Direkteinspeisung von Einsatzluft in die Niederdruckstufe
erweist sich als wirtschaftlich günstig, wenn beim Produktsauerstoff (Leitungen 23
und 24 im Ausführungsbeispiel) eine Reinheit von 85 bis 98% erzielt werden soll. Falls
beispielsweise eine Sauerstoffreinheit von 96% gewünscht ist, können bis zu 35% der
Einsatzluft direkt in die Niederdruckstufe eingespeist werden, ohne die Sauerstoffausbeute
merklich zu verringern. Die zweite Verdichtungsstufe 5 kann also entsprechend dem
verringerten Luftdurchsatz im ersten Einsatzluftstrom kleiner ausgelegt werden, und
während des Betriebes muß entsprechend weniger Energie zum Verdichten aufgewendet
werden.
[0020] In Abweichung von dem in der Figur dargestellten Ausführungsbeispiel kann statt der
Kälteerzeugung durch Entspannen des Teilstroms 12 des ersten Einsatzluftstroms die
benötigte Kälte auch auf andere Weise zugeführt werden. Dabei wird der gesamte erste
Einsatzluftstrom in die Druckstufe eingespeist und beispielsweise ein Teil des ersten
Einsatzluftstroms durch Wärmetausch mit einem externen Kältemittel abgekühlt. In dieser
Ausführungsvariante braucht auch derjenige Teil der Einsatzluft, der beim Verfahren
der Figur arbeitsleistend entspannt wird, nur auf das Niveau der Niederdruckstufe
verdichtet zu werden; der Verdichter, welcher der zweiten Verdichterstufe 5 in der
Figur entspricht, kann also noch kleiner ausgelegt werden.
[0021] Ebenso ist es möglich, den zweiten Einsatzluftstrom völlig unabhängig vom ersten
Einsatzluftstrom zu führen, indem durch einen eigenen Verdichter atmosphärische Luft
allein für den zweiten Einsatzluftstrom angesaugt wird.
1. Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft, bei dem ein erster Einsatzluftstrom
verdichtet, vorgereinigt, abgekühlt und mindestens teilweise in die Druckstufe einer
zweistufigen Rektifiziereinrichtung eingeleitet wird und bei dem gasförmiger Sauerstoff
und gasförmiger Stickstoff der Niederdruckstufe entnommen werden, dadurch gekennzeichnet,
daß ein zweiter Einsatzluftstrom auf einen niedrigeren Druck als der erste Einsatzluftstrom
verdichtet wird und der zweite Einsatzluftstrom anschließend vorgereinigt, abgekühlt
und der Niederdruckstufe der Rektifiziereinrichtung zugeführt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die gesamte Einsatzluft
in einer ersten Stufe gemeinsam verdichtet und danach in die beiden Einsatzluftströme
aufgeteilt wird und daß der erste Einsatzluftstrom anschließend in einer zweiten Stufe
weiter verdichtet wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß vom ersten Einsatzluftstrom
nach dem Vorreinigen ein Teilstrom abgezweigt wird, der nachverdichtet, abgekühlt
und arbeitsleistend entspannt wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die beim Entspannen des
Teilstroms des ersten Einsatzluftstroms gewonnene Arbeit zur Nachverdichtung des Teilstroms
eingesetzt wird.
5. Verfahren nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Teilstrom des
ersten Einsatzstroms nach dem Entspannen in die Niederdruckstufe der Rektifiziereinrichtung
eingeführt wird.