[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Polgewebe, insbesondere Schusspolgewebe,
vorzugsweise zur Verwendung unter erschwerten Gebrauchsbedingungen.
[0002] Polgewebe sind an sich bekannt. Sie werden durch Einbinden zusätzlicher Fadensysteme
in ein Grundgewebe hergestellt. Nach Lage der zusätzlichen Fadensysteme werden Kett-
und Schussgewebe unterschieden. Beim Schusspolgewebe lässt der Webvorgang zunächst
ein glattes Gewebe entstehen, und der Flor wird durch nachträgliches Aufschneiden
des entsprechend abgebundenen Fadensystems erreicht. Bekannte Polgewebe sind Plüsch,
Samt, Velvet und Teppiche.
[0003] Bezugsstoffe für Möbel und Sitzgelegenheiten, insbesondere Autositze, müssen starke
Beanspruchungen aushalten. Sie sind besonderen mechanischen Einwirkungen und grosser
Reibung ausgesetzt und müssen weiterhin schmutzabweisend sein. Als Material hat sich
Acrylsamt und Polyamid bewährt, bei denen Polfäden in ein Stapelfasergewebe eingewebt
sind. Zur Erzielung der Elastizität des Gewebes, das bei der Montage über Ecken und
Kanten der Grundstruktur des Möbels bzw. Sitzes gezogen werden muss, sind in Kette
und Schuss Elastomerfasern (Lycra) enthalten. Das Polgewebe muss nach Art von Teppichen
von der Rückseite her mit einem Bindemittel versehen sein, einem Acrylat- bzw. Polyamidbinder,
damit die einfach gebundenen Polfäden nicht aus dem Verbund gezogen werden können.
[0004] Diese Polgewebe für Sitzmöbelbezüge, insbesondere Automobilsitze, haben Nachteile.
So ist insbesondere die Herstellung wegen der Verwendung von Elastomerfäden schwierig
und teuer. Weiterhin ist die Lichtechtheit des Polgewebes, wenn es mit den für Polyacryl
bzw. Polyamid üblichen Farbstoffen gefärbt wird, oft nicht ausreichend, wie wohl
jedem Autofahrer bekannt ist. Auch ist der Sitzkomfort wegen der absolut hydrophoben
Eigenschaften der Kunstfasern und deren elektrostatischer Aufladung unbefriedigend.
[0005] Aufgabe der Erfindung ist die Schaffung eines für Sitzmöbel, insbesondere Automobilsitze,
geeigneten verbesserten Polgewebes, das die oben geschilderten Nachteile nicht aufweist
und bei grosser Dauerhaftigkeit ein elastisches Verhalten ohne den Einbau von Elastomerfäden
besitzt. Es soll eine ausreichende Elastizität zur Montage haben, aber keine solche,
die - wie Elastomerfäden - einen Verlust der Elastizität im Laufe der Zeit oder bei
hoher Streckung unter Wellen- und Faltenbildung erleidet. Die Einfärbung der Polfäden
soll mit hochlicht- und reibechten Farbstoffen möglich sein, und der Sitzkomfort
soll bei ausreichender Scheuerfestigkeit der Fäden deutlich verbessert sein.
[0006] Cordsamtgewebe, an die zunächst gedacht wurde, konnten die gestellten Aufgaben nicht
erfüllen, da die Streckbarkeit des Gewebes nicht gegeben war und das Grundgewebe
keine ausreichenden Festigkeitswerte besitzt.
[0007] Die gestellten Aufgaben werden nun durch ein neues Polgewebe gelöst, welches Gegenstand
der Erfindung ist und im Patentanspruch 1 definiert wird. Es zeichnet sich durch eine
Grundstruktur in Leinwand- oder Köperbindung oder einer davon abgeleiteten Bindung
mit Kett- und Schussfäden aus, die aus einem Polyester-Filamentgarn bestehen, wobei
das Grundgewebe derart bei erhöhter Temperatur fixiert ist, dass es eine latente
Elastizität mindestens in Schussrichtung besitzt. Zwischen je zwei Schussfäden sind
bis zu vier Polfäden eingetragen, die mindestens zum Teil in drei- oder fünfkettiger
Poldurch- Bindung, d.h. als W-Noppen vorliegen und mindestens zum grössten Teil aus
Naturfasern wie Cellulose-Stapelfasergarnen, insbesondere Baumwolle bestehen.
[0008] Zwischen aufeinanderfolgenden Polyester-Schussfäden können sich bis zu vier Polfäden
befinden. Bei einem Polfaden entsteht ein sehr dichtes Polgewebe; bei mehr als vier
Polfäden ist die Festigkeit des Grundgewebes unzureichend. Bevorzugt sind daher zwei
Polfäden zwischen je zwei Polyester-Schussfäden.
[0009] Die drei- und fünfkettige Poldurch-Bindung der Polfäden, die nachstehend erläutert
wird, kann über das Gewebe beliebig verteilt und mit Polfäden in einkettiger Polauf-Bindung
kombiniert sein. Die Poldurch-Bindung gewährleistet eine besonders feste, nicht herausziehbare
Verankerung im Grundgewebe, ohne dass eine klebende Rückenbeschichtung erforderlich
ist.
[0010] Die dreikettige Poldurch-Bindung der Polfäden lässt sich wie folgt beschreiben (vgl.
auch Fig. 2), wenn man einen Querschnitt durch das Polgewebe von links nach rechts
betrachtet und den Polfadenverlauf verfolgt:
- aufgeschnittene Schleife - unter einem Kettfaden - über einen Kettfaden - unter
einem Kettfaden - aufgeschnittene Schleife usw.
[0011] Die fünfkettige Poldurch-Bindung stellt sich bei gleicher Betrachtung wie folgt
dar:
- aufgeschnittene Schleife - unter zwei Kettfäden - über einen Kettfaden - unter zwei
Kettfäden - aufgeschnittene Schleife usw.,
während die einkettige Polauf-Bindung, wie üblich, nur einmal unter einen Kettfaden
hindurchgeht und eine V-Noppe bildet. Mit dem erfindungsgemässen Polgewebe wird ein
neuer Bezugsstoff für Sitzmöbel geschaffen, der die Vorteile der Naturfaser Baumwolle,
d.h. insbesondere Benutzungskomfort und lichtechte Anfärbbarkeit, mit den Festigkeitswerten
eines Polyesterfilamentgarn-Grundgewebes in fester Bindung vereinigt.
[0012] Die Rückseite des neuen Polgewebes kann unverändert bleiben. Sie kann aber auch mit
einer Rückseitenbeschichtung versehen sein, die dem Verwendungszweck angepasst ist.
Diese Rückseitenbeschichtung muss den gleichen oder einen höheren Stretch als das
Pol-Grundgewebe besitzen. Elastische Beschichtungen, beispielsweise mit Schaumstoffen,
erfüllen diese Bedingung.
[0013] Das Grundgewebe muss einen merklichen, wenn auch nur relativ geringen Stretch mindestens
in Schussrichtung aufweisen. Dies kann mit Vorteil dadurch erreicht werden, dass
man das Gewebe mit möglichst geringer Schussfadenspannung webt und die Struktur bei
erhöhter Temperatur fixiert. Will man einen Stretch auch in Kettfadenrichtung erzielen,
so verwendet man schwach texturierte Kettfäden oder fixiert das Gewebe mit Voreilung
am Spannrahmen.
[0014] Die Polyesterfäden des Grundgewebes sind hochfeste Filamentgarne. Sie bestehen aus
einer Vielzahl von Endlosfibrillen, die zu einem Kabel zusammengefasst sind. Man
kann sie färben, am besten in der Spinnmasse. Bevorzugt werden Doppelfäden aus zwei
Filamenten verwendet, die mit etwas Russ spinnmassegefärbt und mit schwachem Drall
gezwirnt sind. Beim Massefärben können auch andere, an sich bekannte Additive beigefügt
werden, z.B. feuerhemmende Zusätze, Weichmacher usw.
[0015] Die Polfäden bestehen bevorzugt aus Baumwolle. Es sind aber auch solche aus Wolle
und Seide oder auch Mischfa sern anwendbar, deren Hauptbestandteil eine Naturfaser
ist. Sie werden wie üblich mit lichtechten Farbstoffen gefärbt, beispielsweise Reaktiv-
oder Metallkomplexfarbstoffen.
[0016] Die Art, Menge und Verteilung der beim Weben eingebrachten Polfäden bestimmt den
Griff, die Dichte und das Muster des Flors. Dem Fachmann sind diese Bedingungen bekannt,
auch was die Höhe des zu erzeugenden Flors betrifft. Das Gewebe wird mit hoher Kettdichte
gefertigt, damit sich ein Stretch in Schussrichtung ausbilden kann.
[0017] Eine elegante Möglichkeit, einen Stretch in allen Flächenrichtungen zu erzielen,
ist die Verwendung einer sehr eng gewirkten Maschenware als Grundsubstrat.
[0018] Es soll nun eine bevorzugte Ausführungsform des erfindungsgemässen Polgewebes unter
Bezugnahme auf die Zeichnung beschrieben werden. In der Zeichnung zeigen:
Fig. 1 einen Teil der Patrone der Ausführungsform von der Rückseite gesehen, und
Fig. 2 die Bindung der Polfäden.
[0019] In Fig. 1 ist, wie üblich, die von oben nach unten verlaufende Kette nicht gezeichnet.
Es sind 12 Schussgarne S zu sehen (leere Quadrate). Am unteren Ende der Patrone beginnt
der Rapport von neuem, ebenso nach rechts. Zwischen zwei Schussfäden liegen in regelmässigen
Abständen Polfäden entweder
(a) in fünfkettiger Poldurch- und einkettiger Polauf-Bindung (W⁵ und V)
(b) in jeweils einkettiger Polauf-Bindung (V)
(c) in jeweils fünfkettiger Poldurch-Bindung (W⁵ + W⁵), oder
(d) in jeweils dreikettiger Poldurch-Bindung (W³ + W³).
[0020] Selbstverständlich sind auch andere Kombinationen möglich. Die W⁵-Polfäden sind
von links oben nach rechts unten schraffiert, die W³-Polfäden rechts oben nach links
unten, und die V-Fäden sind schwarz.
[0021] Die Bindungsarten gehen aus Fig. 2 hervor, in der die Kettfäden im Schnitt dargestellt
sind. Die Polfäden sind zwischen je zwei aufeinanderfolgenden aufgeschnittenen Schleifen
gezeigt.
[0022] Die fünfkettige Poldurch-Bindung ist beidseits eines Kettfadens, an dem sie anliegt
und keine Schleife bildet, durch Unterführung unter je zwei Kettfäden fest verankert.
Eine feste, wenn acuh einfachere Verankerung ergibt die W³-Bindung in Fig. 2, während
die einfache V-Bindung, die zur Dichte des Flors beiträgt, in Fig. 2 ebenfalls gezeigt
ist.
[0023] Ein Polgewebe, dessen Patrone in Fig. 1 dargestellt ist, wurde aus 100% PE-Filamentgarn
in Kette und Schuss mit einer Stärke von 107/48 x 2 dtex, S-Zwirn 250/m und mit blau
gefärbten CO-Polfäden hergestellt. Das Polgewebe hatte eine angenehme, rutschfeste
Floroberfläche mit guter Feuchtigkeitsaufnahme, und das Grundgewebe zeigte einen reversiblen
Stretch in Schussrichtung von ca. 10%. Die Rückseite macht den Eindruck eines Waffelmusters.
[0024] Das erfindungsgemässe Polgewebe wird zunächst bei 130
o bis 140
oC in Gegenwart von Lauge behandelt und dann wie Cordsamt weiterverarbeitet. Nach dem
Schneiden der Polschleifen wird gebürstet, gebleicht, gewaschen, die CO-Fasern angefärbt,
gewaschen und getrocknet und in der Regel schmutzabweisend ausgerüstet. Dann kann,
wenn gewünscht, die Rückseite beschichtet oder mit anderen Flächengebilden laminiert
werden.
1. Polgewebe aus einem Grundgewebe und den Flor bildenden Polfäden, gekennzeichnet
durch eine bei erhöhter Temperatur fixierte Grundstruktur von Kette und Schuss in
Leinwand- oder Köperbindung oder einer davon abgeleiteten Bindung aus Polyester-Filamentgarn,
wobei mindestens in Schussrichtung eine latente Elastizität vorhanden ist, und mit
Polfäden, die ganz oder zum überwiegenden Teil aus Naturfasern besteht, wobei sich
zwischen zwei aufeinanderfolgenden Schussfäden bis zu vier Polfäden befinden, die
mindestens zum Teil in drei- oder fünfkettiger Poldurch-Bindung als W-Noppen gebunden
sind.
2. Polgewebe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass Kette und Schuss aus spinnmassegefärbten
Polyester-Filamentgarnen bestehen.
3. Polgewebe nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass es ebenfalls eine
latente Elastizität in Kettrichtung auf Grund leicht strukturierter oder unter negativem
Zug fixierter Kettfäden besitzt.
4. Polgewebe nach einem der vorstehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch die Abwesenheit
von Elastomerfäden oder -fasern.
5. Polgewebe nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass
die Polfäden aus Baumwolle als alleinigem oder Hauptbestandteil bestehen.
6. Polgewebe nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass
es mit einer Rückenbeschichtung versehen ist, deren Stretch mindestens demjenigen
des Polgewebes gleichkommt.
7. Verwendung des Polgewebes nach einem der Ansprüche 1 bis 6 als Sitzmöbelbezugsstoff.
8. Verwendung nach Anspruch 7 als Automobilsitz-Bezugsstoff.