[0001] Die Erfindung betrifft Plastisolformmassen, insbesondere auf der Basis von PVC-Polymerisaten
und/oder -Copolymerisaten.
[0002] Plastisolformmassen werden in großem Umfange im Fahrzeugbau zum Abdichten, Verbinden
und Versiegeln von Nähten und Bördelfälzen von Karosserieblechen im Innen- und Außenbereich
verwendet. Insbesondere kommen für diesen Zweck Plastisole auf der Basis von PVC-Polymerisaten
und/oder -Copolymerisaten in Frage. Derartige Plastisolformmassen bestehen bekanntlich
aus feinen Polymerteilchen, die in einem flüssigen, nicht flüchtigen Weichmacher dispergiert
sind. Bei Raumtemperatur sind die festen Polymerteilchen im Weichmacher unlöslich,
der sie jedoch bei erhöhter Temperatur solvatisiert, so daß eine homogene Lösung
des Polymeren im Weichmacher erhalten wird, die sich beim Abkühlen zu einem mehr oder
weniger starren Film verfestigt. Zusätzlich können die Plastisole Zuschlagstoffe,
wie Füllstoffe, Hilfsmittel, die das Fließverhalter steuern, wasserabsorbierende
Substanzen, wie Calciumoxid, Etabilisatoren, Pigmente und Haftvermittler enthalten.
Aufgabe der Haftvermittler ist es, eine dauerhafte Haftfestigkeit auf den Oberflächen
von gebräuchlichen Werkstoffen, wie beispielsweise nichtentfettetem Rohstahl, verzinkten
oder verzinnten Blechen, elektrotauchlackierten Blechen etc., zu bewirken.
[0003] Beispiele für Haftvermittler für PVC-Plastisole sind Polyaminoamide, Polyamine,
Umsetzungsprodukte überschüssiger Mengen von polyfunktionellen Aminen mit monomeren
oder oligomeren Bisphenol-A-Glycidylethern, blockierte Isocyanate, Silane, Gemische
von Urotropin mit Resorzinol etc., sowie deren Mischungen.
[0004] Im Fahrzeugbau werden Plastisole, insbesondere PVC-Plastisole, entweder im Rohbau
auf nichtentfettetes Rohblech oder anschließend an die Elektrotauchlackierung auf
die mit üblicherweise kataphoretisch aufgetragener Grundierung versehene Bleche aufgetragen.
Werden die Plastisole im Rohbau aufgetragen, findet der Geliervorgang mit nachfolgender
Verfestigung in einem Vorgelierofen vor der Elektrotauchlackierung oder im Einbrennofen
der Elektrotauchlackierung statt. Im Falle des Auftrags auf elektrotauchlackierte
Bleche findet die Verfestigung der Plastisole beim Einbrennen der nachfolgend aufgetragenen
Füller, d.h. einer Zwischenschichtlackierung, oder Decklacke statt. In den meisten
Fällen werden beim Spritzauftrag der Füller oder Decklacke auch die zuvor aufgetragenen
bereits gelierten oder noch nicht gelierten Plastisole überlackiert.
[0005] Es wird häufig festgestellt, daß sich weiße, helle oder pastellfarbene Decklackierungen
an denjenigen Stellen gelblich verfärben, an welchen sie auf Plastisole aufgetragen
wurden. Derartige störende Verfärbungen treten unabhängig davon auf, ob die Plastisole
vor dem Überlackieren geliert wurden oder nach dem Naß-in-Naß-Verfahren auf ein ungeliertes
Plastisol eine Schicht des Decklacks aufgetragen wurde. Die zu beobachtende gelbliche
Verfärbung der überlackierten Stellen ist selten unmittelbar nach dem Einbrennen der
Decklackierung sichtbar, in den meisten Fällen tritt die störende gelbliche bis bräunliche
Verfärbung erst innerhalb einiger Wochen oder Monate auf. Vergilbungen dieser Art
wurden insbesondere dann festgestellt, wenn die Blechvorbehandlung von anodischer
auf kathodische Tauchlackierung umgestellt wurde und die Innenräume von Automobilkarosserien
nicht mehr mit einer Zwischenlackschicht versehen wurden.
[0006] Die vorliegende Erfindung hat sich die Aufgabe gestellt, Plastisolformmassen zu schaffen,
bei deren Verwendung nicht mehr die vorstehend geschilderten Vergilbungen von Deck
lackierungen auftreten.
[0007] Diese Aufgabe wird durch die erfindungsgemäßen Plastisolformmassen, insbesondere
auf der Basis von PVC-Polymerisaten und/oder -copolymerisaten gelöst, welche dadurch
gekennzeichnet sind, daß sie stark saure Kationenaustauscher enthalten.
[0008] Die Erfindung beruht demgemäß auf der überraschenden Feststellung, daß im Falle
des Vorliegens von stark sauren Kationenaustauschern in den genannten Plastisolformmassen
keine Vergilbungen bzw. Verfärbungen aufgebrachter weißer, heller oder pastellfarbener
Decklackierungen mehr auftreten.
[0009] Die DE-OS 29 39 130 beschreibt PVC-Plastisole, die als inerte wasserbindende Stoffe
Molekularsiebe enthalten. Derartige Molekularsiebe reagieren meistens alkalisch. Daß
sie nicht als stark saure Kationenaustauscher eingesetzt werden, wird auch durch den
Hinweis belegt, daß saure Puffersubstanzen in den Plastisolen verwendet werden.
[0010] Nachdem die erfindungsgemäßen Plastisolformmassen gewöhnlich erhebliche Mengen an
stark basischen Zuschlagstoffen, wie Calciumoxid, Bariumoxid, Calciumcarbonat oder
Metallseifen, enthalten, ist es überraschend, daß die stark sauren Kationenaustauscher
in den erfindungsgemäßen Plastisolformmassen ihre Wirkung entfalten können, die vermutlich
darin besteht, beim Einbrennen frei werdende niedermolekulare Amine zu binden.
[0011] Erfindungsgemäß kommen alle bekannten stark sauren Kationenaustauscher in Frage,
die erhalten werden durch Polymerisation oder Copolymerisation von Styrol, Divinylbenzol,
Acrylsäure, Styrolsulfonsäuren, bzw. nachträgliche Sulfonierung von solchen Polymeren
oder Copolymeren (vgl. dazu auch Römpps Chem. Lexikon, 7. Aufl., Seiten 1616 und 1617).
[0012] Als besonders geeignet haben sich stark saure Kationenaustauscherharze auf der Basis
von Polystyrol-Sulfonsäuren erwiesen, die eine Austauschkapazität im Bereich von
0,5 mVal/g, jedoch nicht mehr als 10,0 mVal/g und insbesondere von 1,0 mVal/g bis
5,0 mVal/g besitzen. Die Säuregruppen dieser Kationenaustauscherharze sollen dabei
überwiegend in der sauren protonisierten Form vorliegen.
[0013] Vorzugsweise enthalten die erfindungsgemäßen Plastisole die stark sauren Kationenaustauscher
in einer Menge von 0,005 bis 5,0 Gew.-%, insbesondere 0,01 bis 2,0 Gew.-%.
[0014] Vorzugsweise übersteigt die Korngröße der eingesetzten pulverisierten Kationenaustauscherharze
nicht diejenige von vorliegenden PVC-Harzen, körnigen Additiven und Füllstoffen.
[0015] Die erfindungsgemäßen Plastisolformmassen werden durch gründliches Einmischen der
stark sauren Kationenaustauscher hergestellt. In zweckmäßiger Weise erfolgt das Einmischen
der stark sauren Kationenaustauscher in der Weise, daß eine Paste aus Plastisolweichmacher,
stark sauren Kationenaustauscherharzen sowie gegebenenfalls verwendeten Additiven,
wie Füllstoffen, Pigmenten, wasserabsorbierenden Substanzen, das Fließverhalten steuernden
Substanzen oder Haftvermittlern, hergestellt und in eine Plastisolformmasse eingemischt
wird. Eine derartige Paste besteht beispielsweise aus 35 bis 75 Gew.-% eines oder
mehrerer Weichmacher, 5 bis 35 Gew.-% eines oder mehrerer stark saurer Kationenaustauscher
und 10 bis 50 Gew.-% eines oder mehrerer mineralischer Füllstoffe, wobei sich die
Anteile zu 100 % ergänzen, wobei diese Paste vorzugsweise in einer Menge von 0,1 bis
15 Gew.-%, bezogen auf eine Plastisolformmassen, dieser zugemischt wird. Natürlich
ist es auch möglich, die stark sauren Kationenaustauscher in Form eines Pulvers oder
einer Dispersion in einem flüssigen Trägermaterial, das aus Weichmacher und/oder
Lösungsmittel bestehen kann, in die Formmasse einzubringen. Die stark sauren Kationenaustauscher
können auch zusammen mit pulverförmigen Additiven in die Plastisolformmassen eingemischt
werden.
[0016] Die Herstellung von Plastisolen und die dafür verwendeten Vorrichtungen sind bekannt,
beispielsweise aus folgenden Fachbüchern: Krekeler, Wick, Kunststoff-Handbuch (1963),
Band II, Teil 1, Seite 21 ff., W.A. Colomb, Verlag Stuttgart; Becker, Braun, Kunststoff-Handbuch
(1986), Band II, Teil 1 und 2, Hanser Verlag, München-Wien.
[0017] PVC-Plastisole, die erfindungsgemäß bevorzugt werden, enthalten beispielsweise folgende
Bestandteile in den angegebenen Mengenverhältnissen; die sich zu 100 Gew.-% ergänzen:
a) 10 bis 60 Gew.-% eines PVC-Homo- oder Copolymerisats, das durch Emulsions-, Mikrosuspensions-,
Suspensions-, Lösungs- oder Massenpolymerisation hergestellt wurde.
b) 20 bis 50 Gew.-% eines Weichmachers auf Basis von Estern aliphatischer oder aromatischer
Mono-, Di- oder Polycarbonsäuren mit mono- oder di-funktionellen Alkoholen, Chlorparaffinen
und/oder Sekundärweichmacher auf Basis von Kohlenwasserstoffen, Fettsäureestern, Sulfonsäureestern
oder dergleichen.
c) 5 bis 60 Gew.-% mineralische oder organische Füllstoffe und Pigmente
d) funktionelle Additive, wie Stabilisatoren, Haftvermittler, Hilfsmittel zur Steuerung
des Fließverhaltens, Lösungsmittel etc.
[0018] Die folgenden Beispiele erläutern die Erfindung.
Beispiel 1
[0019] Es wird ein pastenförmiges Plastisol "A" durch Vermischen der folgenden Bestandteile
hergestellt:
Diisononylphthalat |
28 Gew.-Teile |
PVC-Emulsionspolymerisatpulver, verpastbar |
15 Gew.-Teile |
gefällte Kreide |
21 Gew.-Teile |
gemahlene natürliche Kreide |
29 Gew.-Teile |
pulverisierter gebrannter Kalk |
4 Gew.-Teile |
Polyaminoamid-Lösung 1) |
1 Gew.-Teil |
|
anorganische Bleiverbindung 2) |
1 Gew.-Teil |
|
hochsiedendes aliphatisches Benzin 3) |
1 Gew.-Teil |
1) Polyaminoamid auf der Basis eines Umsetzungsproduktes aus dimerisierter Leinölfettsäure
mit einem Überschuß an Diethylentriamin (Aminzahl 290), 50 %ige Lösung in Diisononylphthalat, |
2) dreibasisches Bleisulfat. |
3) Siedebereich 200 bis 250°C. |
[0020] Die pulverförmigen Bestandteile und Zuschlagstoffe der Plastisolformulierung werden
in dem vorgelegten Weichmacher mit einem hochtourigen Rührgerät angepastet und anschließend
mit einem Walzenstuhl über drei Zylinder abgerieben.
[0021] Unter Verwendung der gleichen Bestandteile in den angegebenen Mengen wird ein zweites
Plastisol "B" hergestellt, dem zusätzlich 3 Gew.-Teile einer Paste aus einem Polystyrol/Sulfonsäure-Pulver
zugemischt werden.
Polystyrol-Sulfonsäurepulver-Paste |
Diisononylphthalat |
52 Gew.-Teile |
|
stark saurer Kationenaustauscher in H-Form auf der Basis von Polystyrol mit Sulfonsäuregruppen,
in Pulverform mit einer maximalen Korngröße von 32 µm, 4,4 mVal/g |
|
20 Gew.-Teile |
|
gefällte Kreide |
28 Gew.-Teile |
[0022] Die Plastisole A und B werden unter gleichen Bedingungen wie folgt verarbeitet:
*PPG - Pittsburgh Plate Glass
[0023] Mit einer Fadenpistole wird eine ca. 1 mm dicke und 15 mm breite Naht des Plastisols
A bzw. B über die Schnittkante des überlappenden Blechs einer Bördelnaht einer Personenwagentüre
gelegt und 30 Minuten bei 160°C geliert. Das Blech wird vor dem Plastisolauftrag alkalisch
entfettet, phosphatiert und mit einer handelsüblichen kataphoretischen Elektrotauchlackierung
(Uniprime der Firma PPG*) versehen. Unmittelbar nach dem Auftrag des Plastisols wird
ein weißer Seriendecklack aufgetragen, dessen Bindemittelsystem im wesentlichen aus
einem säurehärtenden System auf der Basis von Alkyd/Melamin-Harz besteht. Der überlackierte
Verbund wird anschließend während 30 Minuten bei 130°C eingebrannt.
[0024] Im Bereich des erfindungsgemäßen Plastisols B weist die Naht auch nach 2-monatigem
Fahrbetrieb in feuchtem und warmem Klima eine reinweiße Farbe auf. Das Plastisol A
gemäß dem Stand der Technik ohne den erfindungsgemäßen Zusatz von stark saurem Ionenaustauscherpulver
zeigt im Bereich des überlackierten Plastisols eine auffällige gelbliche Verfärbung.
Beispiel 2
[0025] Aus folgenden Komponenten wird als Plastisol (C) eine Steinschlagschutzbeschichtung
hergestellt, die nach Überlackieren und mehrwöchiger Lagerung im Feuchtklima eine
Vergilbung erkennen läßt.
Mischung von C₈-Dialkylphthalaten |
33 Gew.-Teile |
aliphatische Kohlenwasserstoffe, Siedepunkt 240°C |
5 Gew.-Teile |
Polyaminoamid-Lösung 1) |
1 Gew.-Teil |
Zinksulfidpigmente |
3 Gew.-Teile |
Calciumoxidpulver |
5 Gew.-Teile |
1)Polyaminoamid auf der Basis eines Umsetzungsproduktes aus dimerisierter Leinölfettsäure
mit einem Überschuß an Diethylentriamin (Aminzahl 290), 50 %ige Lösung in Diisononylphthalat. |
Mischung von PVC und Copolymer-Pulver, verpastbar |
27 Gew.-Teile |
Mischung aus gemahlener und gefällter Kreide |
26 Gew.-Teile. |
[0026] Bei Lagerung im Feuchtklima ist eine Vergilbung bereits nach 5 bis 10 Tagen feststellbar.
[0027] Auf Musterbleche üblicher Größe wird ein PVC-Plastisol (D) mit der Zusammensetzung
wie in Plastisol C in einer Schichtdicke von 600 µm mit erfindungsgemässem Zusatz
von von 3 Gew.-% stark saurem Kationenaustauscher aufgetragen, dann bei 40 Minuten
bei 140°C geliert, mit weißem Decklack überlackiert, während 30 Minuten bei 130°C
eingebrannt und im Klimaschrank bei 40°C und 100 % relativer Feuchtigkeit lichtgeschützt
gelagert. Auch nach 3 Wochen dauernder Lagerung im Feuchtklima ist keine Vergilbung
erkennbar.
1. Plastisol-Formmassen, insbesondere auf der Basis von PVC-Polymerisation und/oder
-Copolymerisation, dadurch gekennzeichnet, daß sie stark saure Kationenaustauscher
enthalten.
2. Formmassen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die stark sauren Kationenaustauscher
in einer Menge von 0,005 bis 5,0 Gew.-%, insbesondere 0,01 bis 2,0 Gew.-% vorliegen.
3. Formmassen nach den Ansprüchen 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Korngröße
der stark sauren Kationenaustauscher diejenige von gegebenenfalls vorliegenden Additivteilchen
nicht übersteigt.
4. Formmassen nach den Ansprüchen 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die stark
sauren Kationenaustauscher solche auf der Basis von Polystyrol mit Säuregruppen mit
mindestens 0,5 mVal/g, jedoch nicht mehr als 10,0 mVal/g und insbesondere 1,0 mVal/g
bis 5,0 mVal/g sind.
5. Verfahren zur Herstellung von Formmassen gemäß den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch
gekennzeichnet, daß in Plastisol-Formmassen, insbesondere PVC-Plastisol-Formmassen,
saure Kationenaustauscher eingemengt werden.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die stark sauren Kationenaustauscher
in Form einer Paste aus Plastisolweichmacher, sauren Kationenaustauscherharzen sowie
gegebenenfalls Additiven in die Plastisol-Formmassen eingemischt werden.
7. Verwendung der Plastisol-Formmassen gemäß den vorhergehenden Ansprüchen als Verklebungs-,
Nahtabdichtungs- oder Beschichtungsmassen im Fahrzeugbau.