(19)
(11) EP 0 371 908 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
06.06.1990  Patentblatt  1990/23

(21) Anmeldenummer: 89730209.7

(22) Anmeldetag:  26.10.1989
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5A61L 27/00, A61N 1/375
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT CH DE FR GB IT LI

(30) Priorität: 29.11.1988 DE 8815083 U

(71) Anmelder: BIOTRONIK Mess- und Therapiegeräte GmbH & Co Ingenieurbüro Berlin
D-12359 Berlin (DE)

(72) Erfinder:
  • Bolz, Armin, Dipl.-Phys.
    D-8520 Erlangen (DE)
  • Schaldach, Max, Prof. Dr.-Ing.
    D-8520 Erlangen (DE)

(74) Vertreter: Christiansen, Henning, Dipl.-Ing. 
Patentanwalt Pacelliallee 43/45
14195 Berlin
14195 Berlin (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Implantat


    (57) Implantat für die vorzugsweise kardiovaskuläre Anwendung mit einer Oberflächenbeschichtung (2) aus halbleitendem Mate­rial.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Implantat der im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Art.

    [0002] Derartige kardiovaskuläre Implantate werden vorzugsweise als Herzklappenprothesen oder Herzschrittmacherelektroden im menschlichen Körper eingesetzt. Die Blutverträglichkeit kordiovaskulärer Implantate wird jedoch entscheidend von der Beschaffenheit ihrer Oberfläche beeinflußt. Für die Antithrombogenität ist zum einen eine geringe Rauhtiefe notwendig um die Anlagerung bzw. Zerstörung korpuskulärer Bestandteile des Blutes und die damit verbundene Aktivie­rung des Gerinnungssystemes zu verhindern. Desweiteren müssen jedoch auch direkte Ladungsaustauschprozesse zwi­schen gerinnungsspezifischen Proteinen und der Implantat­oberfläche verhindert werden.

    [0003] Es ist bekannt, zur Erfüllung dieser Erfordernisse Be­schichtungen aus pyrolytischem Kohlenstoff als dem ge­bräuchlichsten Werkstoff für Herzklappen einzusetzen. Dies ist beispielsweise in der DE-A1-31 16 040 beschrieben. Da­neben ist er bekannt, zur Verhinderung der Ladungsaus­tauschprozesse zwischen den gerinnungsspezifischen Protei­nen und der Implantatoberfläche halbleitende Materialien, vorzugsweise Rutilkeramik, als Implantatwerkstoff zu ver­wenden.

    [0004] Diese Art der Implantate mit einer Beschichtung aus Koh­lenstoff mit seiner porösen Struktur werden zwar den An­sprüchen an die Oberflächenbeschaffenheit gerecht, sie ha­ben jedoch den Nachteil, daß ein Elektronentransfer durch Tunneln von besetzten, valenzbandartigen Zuständen des Proteins in freie Zustände des Festkörpers zu einer Spal­tung des Fibrinogens im Blut führt. Die dabei entstehenden Fibrinmonomere können sich polymerisieren und zu einem ir­reversiblen Thrombus führen. Implantate aus Rutilkeramik unterbinden auch diese Ladungsaustauschprozesse, sie sind jedoch aufgrund der hohen Produktionskosten nicht zur Se­rienreife gelangt.

    [0005] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, bei einem Im­plantat der eingangs genannten Gattung eine kardiovaskulär verträgliche Oberfläche zu schaffen, die auch kostengün­stig herzustellen ist.

    [0006] Diese Aufgabe wird mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst.

    [0007] Die Verwendung einer Beschichtung aus halbleitendem Mate­rial bei einem Implantat ist deswegen besonders vorteil­haft, weil damit Elektronenströme verhindert werden, wel­che eine Fibrinaktivierung begünstigen. Dazu muß nur eine äußerst dünne Oberflächenschicht aus Halbleitermaterial bestehen. Die entsprechenden Beschichtungen lassen sich kostengünstig durch PVD- oder CVD-Verfahren erzeugen. Dabei ist insbesondere die Erzeugung von amorphem SiC nach dem sogenannten Plasma-CVD-Verfahren (Plasma assisted che­mical vapor deposition) günstig. Auf diese Weise lassen sich Schichten sehr geringer elektrischer Zustandsdichte erzeugen.

    [0008] Insbesondere sind noch folgende vorteilhafte Weiterbildun­gen günstig:

    [0009] Die porenfreie Halbleiterbeschichtung besteht entweder aus einem amorphen oder einem mikrokristallinen Werkstoff. Die Rauhtiefe der Oberfläche beträgt weniger als 0,1 µm. Da­durch wird die Anlagerung bzw. Zerstörung korpuskulärer Bestandteile des Blutes und die damit verbundene Aktivie­rung des Gerinnungssystemes verhindert.

    [0010] Die Lösung basiert auf der Erkenntnis, daß auf dem energe­tischen Niveau der elektronischen Proteinzustände die Zu­standsdichte der Beschichtung gering ist. Damit werden thrombogene Ladungsaustauschprozesse zwischen gerinnungs­spezifischen Proteinen und der Implantatoberfläche verhin­dert.

    [0011] Bevorzugt wird zur antithrombogenen Beschichtung amorphes Siliziumkarbid (a-SiC:H), ein Abscheidungsprodukt eines Gemisches enthaltend Silan (SiH₄) und/oder Methan (CH₄), verwendet.

    [0012] Die Beschichtung ist insbesondere möglichst porenfrei aus­gebildet. Dadurch erhöht sich auch deren Stabilität. Statt Siliziumkarbid kann auch Siliziumnitrid (a-SiN:H) benutzt werden, das insoweit übereinstimmende Oberflächeneigen­schaften aufweist.

    [0013] Um die Haftfähigkeit zwischen Substrat und Beschichtung zu verbessern und insbesondere zu verhindern, daß sich beim Abkühlen nach dem Beschichtungsprozeß Teile der Beschich­tung ablösen, ist es günstig, zwischen Substrat und Be­schichtung eine Zwischenschicht vorgesehen ist, welche Wärmedehnungen ausgleicht, wobei dieser Ausgleich durch einen Werkstoff mit wesentlich geringerem Elastizitätsmo­dul erfolgt.

    [0014] Bevorzugt besteht diese Zwischenschicht aus Graphit, Glas­kohlenstoff oder pyrolitischem Kohlenstoff bzw. bildet bei einem metallischen Substrat eine Legierung der Materialien von Beschichtung und Substrat.

    [0015] Zur Stabilisierung des Silikatnetzwerkes ist bevorzugt ei­ne geringfügige Dotierung mit Phosphor vorgesehen. Dabei wird der Phosphor insbesondere in Form von Phosphin mit einer Konzentration von weniger als einem Prozent einge­bracht.

    [0016] Andere vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen gekennzeichnet bzw. werden nachstehend zusammen mit der Beschreibung der bevorzugten Ausführung der Erfindung anhand der Figur näher dargestellt.

    [0017] Die einzige Figur zeigt ein Ausführungsbeispiel der Erfin­dung als Schnitt durch eine Oberflächenschicht des Implan­tats.

    [0018] Bei dem in der Figur dargestellten Ausführungsbeispiel ei­nes erfindungsgemäßen kardiovaskulären Implantats ist des­sen Schichtaufbau im Querschnitt wiedergegeben. Auf der Oberfläche eines Implantats, gebildet durch ein aus einem Grundwerkstoff bestehendes Teil 1, befindet sich eine po­renfreie Beschichtung 2 aus amorphem Siliziumkarbid (a-SiC:H) als Halbleiterwerkstoff, das ein Abscheidungs­produkt eines Gemisches enthaltend Silan (SiH₄) und/oder Methan (CH₄) bildet und dessen Oberfläche 14 antithrombo­gen ausgebildet ist. Bei dem Teil 1 handelt es sich bei­spielsweise um den äußeren Ring einer Herzklappenprothese oder die nicht isolierten (aktiven) Bereiche einer Herz­schrittmacherelektrode.

    [0019] Die Dicke der Beschichtung 2 liegt insbesondere im Bereich von bis zu 1 µ und beträgt maximal 10 µm. Sie ist weicher und hat einen wesentlich geringeren Elastizitätsmodul als die benachbarten Schichten.

    [0020] Die Oberfläche 3 weist eine Rauhtiefe von ca. 0,1 µm oder weniger auf. Die Zustandsdichte der Beschichtung 2 liegt im Bereich des energetischen Niveaus der Proteinzustände im Blut, also bei 10¹⁸ cm⁻³eV-1 oder niedriger. Die Ausbildung der Oberfläche 3 verhindert direkte Ladungsaus­tauschprozesse zwischen gerinnungsspezifischen Proteinen und der Implantatoberfläche.

    [0021] Bei einer weiteren Ausführungsvariante befindet sich auf einem aus einem Grundwerkstoff bestehenden Teil 1 eine Schicht 2 aus einem mikrokristallinen Halbleiterwerkstoff, insbesondere Siliziumnitrid (a-SiN:H). Im übrigen weist die Oberfläche 3 dieses Ausführungsbeispiels entsprechende Eigenschaften wie die des zuvor beschriebenen Ausführungs­beispiels auf.

    [0022] Zur Stabilisierung des Silikatnetzwerkes ist insbesondere eine geringfügige Dotierung mit Phosphor vorgesehen, ins­besondere in Form von Phosphin mit einer Konzentration von weniger als einem Prozent. Hiermit ist gleichzeitig die erwünschte Erhöhung der Leitfähigkeit verbunden.

    [0023] Bei dem in der Figur ausschnittsweise dargestellten Im­plantat ist zwischen Substrat und Beschichtung eine Zwi­schenschicht 4 vorgesehen, welche Wärmedehnungen aus­gleicht. Dieser Ausgleich erfolgt durch eine geringere Dichte und/oder einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten der Zwischenschicht, dessen Wert zwischen demjenigen des Substrats und der Beschichtung liegt. Während eine Be­schichtung geringerer mechanischer Dichte die thermischen Ausgleichsbewegungen elastisch "puffert", bewirkt ein Zwi­schenwert des thermischen Ausdehnungskoeffizienten einen Ausgleich mechanischer Spannungen, der die Haftfestigkeit verbessert. Die Zwischenschicht 4 besteht bei dem darge­stellten Ausführungsbeispiel aus Graphit, Glaskohlenstoff oder pyrolitischem Kohlenstoff. Bei einem metallischen Substrat würde die Zwischenschicht 4 bevorzugt eine Le­gierung der Materialien von Beschichtung und Substrat bil­den.

    [0024] Die Erfindung beschränkt sich in ihrer Ausführung nicht auf das vorstehend angegebene bevorzugte Ausführungsbei­spiel. Vielmehr ist eine Anzahl von Varianten denkbar, welche von der dargestellten Lösung auch bei grundsätzlich anders gearteten Ausführungen Gebrauch machen.


    Ansprüche

    1. Implantat, insbesondere für kardiovaskuläre Anwen­dung, mit einer Oberflächenbeschichtung,
    dadurch gekennzeichnet,
    die Oberflächenbeschichtung (2) aus einem halbleitenden Material besteht.
     
    2. Implantat nach Anspruch 1, dadurch ge­kennzeichnet, daß das halbleitende Material amorph ist.
     
    3. Implantat nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das halbleitende Material mikrokristallin ist.
     
    4. Implantat nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Be­schichtung (3) eine Dicke im Bereich von 1 µm, maximal 10 µ, aufweist.
     
    5. Implantat nach Anspruch 4, dadurch ge­kennzeichnet, daß die Oberflächenrauhigkeit im Bereich von 0,1 µ liegt.
     
    6. Implantat nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Zu­standsdichte der Beschichtung (2) auf dem energetischen Niveau der Proteinzustände gering ist, so daß direkte La­dungsaustauschprozesse zwischen gerinnungsspezifischen Proteinen und der Implantatoberfläche (3) verhindert wer­den.
     
    7. Implantat nach Anspruch 1, dadurch ge­kennzeichnet,
    daß die Beschichtung (2) aus pyrolytischem oder amor­phem Siliziumkarbid (a-SiC:H) besteht, wobei das amorphe Siliziumkarbid insbesondere ein Abscheidungs­produkt eines Gemisches, enthaltend Silan (SiH4) und/oder Methan (CH4), bildet, oder
    daß die Beschichtung (2) aus amorphem Siliziumnitrid (a-SiN:H) oder Siliziumoxid (a-SiO:H) besteht.
     
    8. Implantat nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Be­schichtung (2) im wesentlichen porenfrei ist.
     
    9. Implantat nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen Substrat und Beschichtung eine Zwischenschicht (4) vorge­sehen ist, welche Wärmedehnungen ausgleicht, wobei dieser Ausgleich durch eine geringere Dichte; einen ther­mischen Ausdehnungskoeffizienten erfolgt, dessen Wert zwi­schen demjenigen des Substrats und der Beschichtung liegt und/oder weicher ist als die angrenzenden Werkstoffe und dabei einen wesentlich geringeren E-Modul aufweist.
     
    10. Implantat nach Anspruch 9, dadurch ge­kennzeichnet, daß die Zwischenschicht (4) aus Graphit, Glaskohlenstoff oder pyrolytischem Kohlenstoff besteht, wobei insbesondere bei einem metallischen Sub­strat die Zwischenschicht (4) eine Legierung der Materia­lien von Beschichtung und Substrat bildet.
     
    11. Implantat nach einem der vorangehnenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß zur Sta­bilisierung des Silikatnetzwerkes eine geringfügige Dotie­rung mit Phosphor vorgesehen ist, insbesondere in Form von Phosphin mit einer Konzentration von weniger als einem Prozent.
     




    Zeichnung







    Recherchenbericht