[0001] Die Erfindung betrifft Nähgarn aus mindestens einem Multifilamentgarn, dessen miteinander
verzwirnte Einzelfilamente aus einem thermoplastischen Kunststoff bestehen.
[0002] Beim Nähen von technischen Materialien, wie Planen, Sitzbezügen, Glasgeweben, aber
auch von Leder und Kunststoff, werden üblicherweise Garne auf Basis von Polyestern
verwendet.
[0003] Solche Nähgarne haben jedoch den Nachteil, daß sie schon bei verhältnismäßig niedrigen
Temperaturen schmelzen, so daß sie mit schnellaufenden Nähmaschinen, insbesondere
mit Nähautomaten, wo bei abruptem Wechsel der Nähgeschwindigkeit die Nähgarne sehr
heiß werden können, nur dann verarbeitbar sind, wenn sie eine besondere Ausrüstung
haben. Außerdem weisen Polyesterfasern eine für viele Anwendungszwecke nicht ausreichende
Hydrolyse- und Lösungsmittelbeständigkeit auf.
[0004] Eine höhere Temperaturbeständigkeit haben Nähgarne aus aromatischem Polyamid (Kevlar®).
Ihre Herstellung ist jedoch recht aufwendig; außerdem sind ihre mechanischen Eigenschaften
durch den Herstellprozeß (Lösungsspinnen) festgelegt, so daß sie nur in engen Grenzen
variabel sind und wechselnden Anforderungen nicht angepaßt werden können. Darüber
hinaus sind sie sehr schwer anfärbbar. Derartige Nähgarne haben daher in der Praxis
keine große Bedeutung erlangt.
[0005] Es ist bekannt, daß Polyetherketone als Schmelze zu Fasern vorsponnen und anschließend
verstreckt werden können. Ein geeignetes Spinnverfahren ist z.B. in der EP-A-202 082
beschrieben. Die dabei erhaltenen Multifilamentgarne weisen ein breites Eigenschaftsspektrum
auf. So kann z.B. der Einzeltiter zwischen 2,8 und 100 denier (entsprechend 2,5 bis
90 dtex) liegen und die Bruchdehnung kann 15 bis 200 % betragen. Es findet sich jedoch
keine Aussage darüber, daß aus derartigen Fasern Nähgarne hergestellt werden können
und welche Multifilamentgarne dafür besonders gut geeignet sind.
[0006] Der Erfindung lag die Aufgabe zugrunde, Nähgarne auf Thermoplast-Basis zu entwickeln,
die eine mit Polyester ebenbürtige Reißfestigkeit, Bruchdehnung und Anfärbbarkeit
aufweisen und darüber hinaus hydrolyse- und lösungsmittelbeständig sind und hohe Nähgeschwindigkeiten
auch mit modernen Nähautomaten zulassen.
[0007] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe dadurch gelöst, daß der thermoplastische Kunststoff
ein Polyetherketon ist und das Multifilamentgarn einen Einzelfilamenttiter (nach DIN
53 830) von 1,0 bis 10 dtex, eine Bruchdehnung (nach DIN 53 815) von 3 bis 30 % und
einen Kochschrumpf (nach DIN 53 866) von weniger als 10 % aufweist.
[0008] Die erfindungsgemäßen Nähgarne weisen gute mechanische Eigenschaften, wie Reißfestigkeit,
Elastizitätsmodul und Bruchdehnung sowie einen geringen Schrumpf auf, ferner eine
ausgezeichnete Beständigkeit gegen Säuren, Laugen und Lösungsmittel. Von besonderem
Vorteil ist die gute Hitzebeständigkeit, die hohe Nähgeschwindigkeiten zuläßt.
[0009] Geeignete Thermoplaste sind Polyetherketone, vorzugsweise hochmolekulare Polymere
mit einer relativen Viskosität, gemessen 0,5 %ig in 96 %iger Schwefelsäure bei 25°C
von mehr als 1,0, vorzugsweise mehr als 1,3.
[0010] Bevorzugte Polyetherketone sind solche mit den Struktureinheiten

[0011] Geeignet sind auch Copolymere, bei denen bis zu 50 % der -CO-Gruppen durch -SO₂-Gruppen
oder der

ersetzt sind.
[0012] Es hat sich gezeigt, daß zur Herstellung von Nähgarnen besonders solche Multifilamentgarne
geeignet sind, die einen Einzelfilamenttiter (nach DIN 53 830) zwischen 1,0 und 10,
insbesondere zwischen 1,5 und 6 dtex aufweisen und deren Bruchdehnung (nach DIN 53
815) 3 bis 30 %, insbesondere 5 bis 20 % beträgt. Die Reißfestigkeit der Garne (nach
DIN 53 815) soll vorzugsweise zwischen 4 und 10 cN/dtex liegen. Ihr Schrumpf, gemessen
in kochendem Wasser nach DIN 53 866 soll weniger als 10 %, vorzugsweise weni ger
als 2 % betragen. Der Hitzeschrumpf bei 180°C soll vorzugsweise unter 20 %, insbesondere
unter 8 %, liegen.
[0013] Die Multifilamentgarne bestehen vorzugsweise aus 10 bis 1000, insbesondere aus 20
bis 300 Einzelfilamenten. Die Multifilamentgarne werden bevorzugt gleich anschließend
an den Spinnprozeß verstreckt, wobei das Verstreckverhältnis zweckmäßigerweise zwischen
1,5 und 5 liegt. Man kann die Multifilamente aber auch in einem Schnellspinnverfahren
bei Anwendung hoher Aufspulgeschwindigkeiten direkt auf die geforderten hohen Festigkeiten
und niedrigen Bruchdehnungswerte bringen.
[0014] Aus diesen Multifilamentgarnen werden die erfindungsgemäßen Nähgarne auf übliche
Weise hergestellt. Dabei wird das Multifilamentgarn verzwirnt, wobei im Falle der
Verwendung eines einzigen Multifiamentgarns (single twist) der Drall (nach DIN 53
832) zwischen α = 30 und 100, vorzugsweise zwischen α = 40 und 80 in z-Draht, liegen
soll. Im Prinzip kann bereits ein derartig verdrehtes Multifilamentgarn als Nähgarn
eingesetzt werden. Bevorzugt werden jedoch mindestens 2, vorzugsweise 2 bis 4 Multifilamentgarne
zu einem Nähgarn verzwirnt, wobei der Drall für den Vorzwirn zwischen α
vor = 60 und 110, und der Drall für den entgegengesetzt zum Vorzwirn gedrehten Auszwirn
zwischen α
aus = 80 und 120 liegen sollte. Für den Vor- und Auszwirn ist die Drehrichtung S/Z bevorzugt.
Das Verhältnis von α
vor zu α
aus wird dabei zweckmäßigerweise so gewählt, daß das fertige Nähgarn ausbalanciert udn
kringelfrei ist.
[0015] Der Drall (nach DIN 53 832) ist definiert durch die Gleichung

wobei T/m die Drehungen pro m bedeutet.
[0016] Die erfindungsgemäßen Nähgarne können beim Spinnvorgang die üblichen Verarbeitungspräparationen
erhalten, z.B. Schmiermittel, wie Mineralöle, Esteröle und Alkylenoxidaddukte; Emulgatoren,
wie Seifen und ionische oder nichtionische oberflächenaktive Substanzen; ferner Antistatika
wie Phosphorsäureester von ethoxylierten Fettalkoholen und ethoxylierte Fettsäurederivate.
Sie können ferner anschließend mit Paraffinen, Paraffinwachsen oder Siliconwachsen
zur Verbesserung der Gleiteigenschaften ausgerüstet werden.
[0017] Ein besonderer Vorteil der Verwendung von Polyetherketon-Fasern besteht darin, daß
die Nähgarne auch ohne Hitzeausrüstung verarbeitet werden können.
Beispiele
A. Herstellung der Multifilamentgarne
[0018] 1. Ein Polyetherketon mit den wiederkehrenden Einheiten

und einer relativen Lösungsviskosität von 1,478, gemessen in einer Lösung von 0,5
g Polymer in 100 ml 96 % H₂SO₄ bei 25°C, wurde kontinuierlich einer Schmelzspinnapparatur
zugeführt und aufgeschmolzen. Die Schmelzspinnapparatur bestand aus einem Einwellenextruder
mit 3 el. beheizbaren Heizzonen, einer elektrisch beheizten Spinndüse mit 30 Löchern
vom Durchmesser 0,4 mm, Spinnpumpe (Zahnradtyp), Nacherhitzerzone, Blasschacht und
Aufspulvorrichtung.
[0019] Die Heizzonen des Extruders und des Spinnkopfes wurden auf eine Temperatur eingestellt,
daß die Schmelze eine Temperatur von 415°C erhielt. Der Durchsatz betrug 1,6 kg/Std.
Die Fäden passierten einen elektrisch beheizten Nacherhitzer und einen mit Luft betriebenen
Anblasschacht. Sie wurden mit einer Aufspulgeschwindigkeit von 850 m/min abgezogen
und anschließend im Verhältnis 1:3,0 verstreckt, wobei die Einzugsgalette der Streckvorrichtung
auf eine Temperatur von 130°C und die Heizplatte im Streckfeld auf 250°C erhitzt wurde.
Die Fäden hatten folgende Eigenschaften:
Gesamttiter : 109/30 dtex
Einzeltiter : 3,6 dtex
Reißfestigkeit : 5,4 cN/dtex
Bruchdehnung : 11,4 %
Kochschrumpf : 0,5 %
Heißluftschrumpf: 3,5 %
E-Modul : 45,1 cN/dtex
[0020] 2. Ein Polyetherketon mit den wiederkehrenden Einheiten

und einer relativen Lösungsviskosität von 1,98 wurde in der in Beispiel 1 beschriebenen
Apparatur versponnen. Die Temperatur der Schmelze betrug 375°C, die Spinndüse hatte
30 Löcher von jeweils 0,3 mm Durchmesser und die Spulgeschwindigkeit betrug 700 m/min
bei einem Durchsatz von 1,2 kg/h. Die gesponnenen Fäden wurden anschließend im Verhältnis
1:2,9 bei Temperaturen von 160 bzw. 210°C heißverstreckt und hatten danach folgende
Eigenschaften:
Gesamttiter : 110/30 dtex
Einzeltiter : 3,7 dtex
Reißfestigkeit : 5,9 cN/dtex
Bruchdehnung : 14,0 %
E-Modul : 68,0 cN/dtex
Kochschrumpf : 2,0 %
Heißluftschrumpf (180°C) : 5,0 %
B. Herstellung der Nähgarne
[0021] Ein Multifilamentgarn nach Beispiel A2 wird auf einer Schnellwindemaschine auf Scheibenspulen
parallel aufgewunden. Zur Herstellung eines 3fachen Filamentzwirnes werden 3 dieser
Scheibenspulen auf die obere Etage einer Zwirn-Fach-Zwirn-Maschine aufgesteckt und
zunächst in S-Richtung mit einem Vordraht versehen. Im weiteren Fadenverlauf werden
die 3 hochgedrehten Multifilamentgarne gefacht und mittels einer Ringspindel 3fach
in Z-Richtung verzwirnt. Für das vorliegende Beispiel wurden 700 Drehungen pro Meter
S entsprechend einem Vordraht von α
vor = 76 gewählt. Für den nachfolgenden Ausdraht wurden 530 Drehungen pro Meter 3 Z,
entsprechend α
aus = 100 gewählt.
[0022] Aus dem so hergestellten Filamentzwirn werden anschließend Färbespulen auf einer
Präzisions-Spulmaschine hergestellt. Entsprechend den thermischen Eigenschaften der
Polyetherketone kann der Nähzwirn mit den üblichen Färbeverfahren, allerdings mit
erhöhter Temperatur im Bereich von 180° und 200°C, gefärbt werden.
[0023] Die thermische Eigenschaften des vorliegenden gefärbten Nähzwirns sind durch den
hohen Schmelzpunkt für Polyetherketon von 334°C und einer Maximaltemperatur für Dauerbelastung
von 250°C außergewöhnlich gut. Damit könnte auf eine spezielle Nähfadenausrüstung
verzichtet werden. Aus Gründen der besseren Gleiteigenschaften beim Durchzug durch
die Fadenleitelemente der Nähmaschine und beim Einzug in das Nähgut empfiehlt sich
jedoch eine zusätzliche Ausrüstung. In diesem Falle werden auf den gefärbten Nähzwirn
über eine Netzwalze silikonhaltige Wachse oder Emulsionen appliziert oder es werden
andere bekannte Ausrüstungsverfahren für Nähgarne, z.B. Ausrüstung im Färbeapparat
angewandt.
[0024] Der nach diesem Verfahren hergestellte Nähzwirn weist gegenüber herkömmlichen Nähzwirn
hervorragende Näheigenschaften auf. So konnte in einem Nähtest festgestellt werden,
daß der erfindungsgemäße Nähzwirn gegenüber Polyesterfilamentzwirnen eine doppelt
so lange Nahtlänge bis zum Bruch aufweist. Die deutlich besseren thermischen und nähtechnischen
Eigenschaften werden ergänzt durch eine hervorragende Hydrolysebeständigkeit und
Beständigkeit gegen Chemikalien, wie z.B. Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure,
Kalilauge und Trichlorethylen.
1. Nähgarn aus mindestens einem Multifilamentgarn, dessen verzwirnte Einzelfilamente
aus einem thermoplastischen Kunststoff bestehen, dadurch gekennzeichnet, daß der Thermoplast
ein Polyetherketon ist und das Multifilamentgarn einen Einzelfilamenttiter (nach DIN
53 830) von 1,0 bis 10 dtex, eine Bruchdehnung (nach DIN 53 815) von 3 bis 30 % und
einen Kochschrumpf (nach DIN 53 866) von weniger als 10 % aufweisen.
2. Nähgarn nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Polyetherketon ein hochmolekulares
Polymer mit einer relativen Viskosität, gemessen 0,5 %ig in 96 %iger Schwefelsäure
bei 25°C, von mehr als 1,0, vorzugsweise mehr als 1,3, ist.
3. Nähgarn nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Polyetherketon mindestens
50 % der Struktureinheiten

enthält.
4. Nähgarn nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Multifilamentgarn aus
10 bis 1000, vorzugsweise 20 bis 300 Einzelfilamenten, besteht.
5. Nähgarn nach Anspruch 1, bei dem ein einziges Multifilamentgarn vorgesehen ist,
dadurch gekennzeichnet, daß der Drall der miteinander verzwirnten Einzelfilamente
(nach DIN 53 832) zwischen α = 30 und 100 liegt.
6. Nähgarn nach Anspruch 1, bei dem mindestens zwei Multifilamentgarne vorgesehen
sind, dadurch gekennzeichnet, daß der Drall für den Vorzwirn der einzelnen Ultifilamentgarne
(nach DIN 53 832) zwischen αvor = 60 und 110 und der Drall für den Auszwirn der miteinander verzwirnten Multifilamentgarne
(nach DIN 53 832) zwischen αaus = 80 und 120 liegt, wobei die Zwirnrichtungen des Vorzwirns und des Auszwirns einander
entgegengesetzt sind.