(19)
(11) EP 0 390 025 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
03.10.1990  Patentblatt  1990/40

(21) Anmeldenummer: 90105692.9

(22) Anmeldetag:  26.03.1990
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5D02G 3/04, D02G 3/46
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE ES FR GB IT LI NL

(30) Priorität: 30.03.1989 DE 3910258

(71) Anmelder: BASF Aktiengesellschaft
D-67063 Ludwigshafen (DE)

(72) Erfinder:
  • Buchert, Hermann, Dr.
    D-6702 Bad Duerkheim (DE)
  • Neuberg, Rainer, Dr.
    D-6701 Dannstadt-Schauernheim (DE)
  • Matthies, Hans Georg, Dr.
    D-6700 Ludwigshafen (DE)
  • Butzheinen, Karl-Heinz
    D-8900 Augsburg 21 (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Nähgarn aus Polyetherketonen


    (57) Die Erfindung betrifft Nähgarn aus einem Polyetherketon, hergestellt aus Multifilamentgarn mit einem Einzelfilamenttiter von 1,0 bis 10 dtex, einer Bruchdehnung von 3 bis 30 % und einem Kochschrumpf von weniger als 10 %.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft Nähgarn aus mindestens einem Multifilamentgarn, dessen miteinander verzwirnte Einzelfilamente aus einem thermoplastischen Kunststoff bestehen.

    [0002] Beim Nähen von technischen Materialien, wie Planen, Sitzbezügen, Glas­geweben, aber auch von Leder und Kunststoff, werden üblicherweise Garne auf Basis von Polyestern verwendet.

    [0003] Solche Nähgarne haben jedoch den Nachteil, daß sie schon bei verhältnis­mäßig niedrigen Temperaturen schmelzen, so daß sie mit schnellaufenden Nähmaschinen, insbesondere mit Nähautomaten, wo bei abruptem Wechsel der Nähgeschwindigkeit die Nähgarne sehr heiß werden können, nur dann ver­arbeitbar sind, wenn sie eine besondere Ausrüstung haben. Außerdem weisen Polyesterfasern eine für viele Anwendungszwecke nicht ausreichende Hydro­lyse- und Lösungsmittelbeständigkeit auf.

    [0004] Eine höhere Temperaturbeständigkeit haben Nähgarne aus aromatischem Poly­amid (Kevlar®). Ihre Herstellung ist jedoch recht aufwendig; außerdem sind ihre mechanischen Eigenschaften durch den Herstellprozeß (Lösungsspinnen) festgelegt, so daß sie nur in engen Grenzen variabel sind und wechselnden Anforderungen nicht angepaßt werden können. Darüber hinaus sind sie sehr schwer anfärbbar. Derartige Nähgarne haben daher in der Praxis keine große Bedeutung erlangt.

    [0005] Es ist bekannt, daß Polyetherketone als Schmelze zu Fasern vorsponnen und anschließend verstreckt werden können. Ein geeignetes Spinnverfahren ist z.B. in der EP-A-202 082 beschrieben. Die dabei erhaltenen Multifilament­garne weisen ein breites Eigenschaftsspektrum auf. So kann z.B. der Einzeltiter zwischen 2,8 und 100 denier (entsprechend 2,5 bis 90 dtex) liegen und die Bruchdehnung kann 15 bis 200 % betragen. Es findet sich jedoch keine Aussage darüber, daß aus derartigen Fasern Nähgarne hergestellt werden können und welche Multifilamentgarne dafür besonders gut geeignet sind.

    [0006] Der Erfindung lag die Aufgabe zugrunde, Nähgarne auf Thermoplast-Basis zu entwickeln, die eine mit Polyester ebenbürtige Reißfestigkeit, Bruch­dehnung und Anfärbbarkeit aufweisen und darüber hinaus hydrolyse- und lösungsmittelbeständig sind und hohe Nähgeschwindigkeiten auch mit moder­nen Nähautomaten zulassen.

    [0007] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe dadurch gelöst, daß der thermoplasti­sche Kunststoff ein Polyetherketon ist und das Multifilamentgarn einen Einzelfilamenttiter (nach DIN 53 830) von 1,0 bis 10 dtex, eine Bruch­dehnung (nach DIN 53 815) von 3 bis 30 % und einen Kochschrumpf (nach DIN 53 866) von weniger als 10 % aufweist.

    [0008] Die erfindungsgemäßen Nähgarne weisen gute mechanische Eigenschaften, wie Reißfestigkeit, Elastizitätsmodul und Bruchdehnung sowie einen geringen Schrumpf auf, ferner eine ausgezeichnete Beständigkeit gegen Säuren, Laugen und Lösungsmittel. Von besonderem Vorteil ist die gute Hitzebestän­digkeit, die hohe Nähgeschwindigkeiten zuläßt.

    [0009] Geeignete Thermoplaste sind Polyetherketone, vorzugsweise hochmolekulare Polymere mit einer relativen Viskosität, gemessen 0,5 %ig in 96 %iger Schwefelsäure bei 25°C von mehr als 1,0, vorzugsweise mehr als 1,3.

    [0010] Bevorzugte Polyetherketone sind solche mit den Struktureinheiten



    [0011] Geeignet sind auch Copolymere, bei denen bis zu 50 % der -CO-Gruppen durch -SO₂-Gruppen oder der

    ersetzt sind.

    [0012] Es hat sich gezeigt, daß zur Herstellung von Nähgarnen besonders solche Multifilamentgarne geeignet sind, die einen Einzelfilamenttiter (nach DIN 53 830) zwischen 1,0 und 10, insbesondere zwischen 1,5 und 6 dtex auf­weisen und deren Bruchdehnung (nach DIN 53 815) 3 bis 30 %, insbesondere 5 bis 20 % beträgt. Die Reißfestigkeit der Garne (nach DIN 53 815) soll vor­zugsweise zwischen 4 und 10 cN/dtex liegen. Ihr Schrumpf, gemessen in kochendem Wasser nach DIN 53 866 soll weniger als 10 %, vorzugsweise weni­ ger als 2 % betragen. Der Hitzeschrumpf bei 180°C soll vorzugsweise unter 20 %, insbesondere unter 8 %, liegen.

    [0013] Die Multifilamentgarne bestehen vorzugsweise aus 10 bis 1000, insbesondere aus 20 bis 300 Einzelfilamenten. Die Multifilamentgarne werden bevorzugt gleich anschließend an den Spinnprozeß verstreckt, wobei das Verstreck­verhältnis zweckmäßigerweise zwischen 1,5 und 5 liegt. Man kann die Multi­filamente aber auch in einem Schnellspinnverfahren bei Anwendung hoher Aufspulgeschwindigkeiten direkt auf die geforderten hohen Festigkeiten und niedrigen Bruchdehnungswerte bringen.

    [0014] Aus diesen Multifilamentgarnen werden die erfindungsgemäßen Nähgarne auf übliche Weise hergestellt. Dabei wird das Multifilamentgarn verzwirnt, wo­bei im Falle der Verwendung eines einzigen Multifiamentgarns (single twist) der Drall (nach DIN 53 832) zwischen α = 30 und 100, vorzugsweise zwischen α = 40 und 80 in z-Draht, liegen soll. Im Prinzip kann bereits ein derartig verdrehtes Multifilamentgarn als Nähgarn eingesetzt werden. Bevorzugt werden jedoch mindestens 2, vorzugsweise 2 bis 4 Multifilament­garne zu einem Nähgarn verzwirnt, wobei der Drall für den Vorzwirn zwischen αvor = 60 und 110, und der Drall für den entgegengesetzt zum Vorzwirn gedrehten Auszwirn zwischen αaus = 80 und 120 liegen sollte. Für den Vor- und Auszwirn ist die Drehrichtung S/Z bevorzugt. Das Verhältnis von αvor zu αaus wird dabei zweckmäßigerweise so gewählt, daß das fertige Nähgarn ausbalanciert udn kringelfrei ist.

    [0015] Der Drall (nach DIN 53 832) ist definiert durch die Gleichung

    wobei T/m die Drehungen pro m bedeutet.

    [0016] Die erfindungsgemäßen Nähgarne können beim Spinnvorgang die üblichen Verarbeitungspräparationen erhalten, z.B. Schmiermittel, wie Mineralöle, Esteröle und Alkylenoxidaddukte; Emulgatoren, wie Seifen und ionische oder nichtionische oberflächenaktive Substanzen; ferner Antistatika wie Phos­phorsäureester von ethoxylierten Fettalkoholen und ethoxylierte Fettsäure­derivate. Sie können ferner anschließend mit Paraffinen, Paraffinwachsen oder Siliconwachsen zur Verbesserung der Gleiteigenschaften ausgerüstet werden.

    [0017] Ein besonderer Vorteil der Verwendung von Polyetherketon-Fasern besteht darin, daß die Nähgarne auch ohne Hitzeausrüstung verarbeitet werden können.

    Beispiele


    A. Herstellung der Multifilamentgarne



    [0018] 1. Ein Polyetherketon mit den wiederkehrenden Einheiten

    und einer relativen Lösungsviskosität von 1,478, gemessen in einer Lösung von 0,5 g Polymer in 100 ml 96 % H₂SO₄ bei 25°C, wurde konti­nuierlich einer Schmelzspinnapparatur zugeführt und aufgeschmolzen. Die Schmelzspinnapparatur bestand aus einem Einwellenextruder mit 3 el. beheizbaren Heizzonen, einer elektrisch beheizten Spinndüse mit 30 Löchern vom Durchmesser 0,4 mm, Spinnpumpe (Zahnradtyp), Nach­erhitzerzone, Blasschacht und Aufspulvorrichtung.

    [0019] Die Heizzonen des Extruders und des Spinnkopfes wurden auf eine Tem­peratur eingestellt, daß die Schmelze eine Temperatur von 415°C er­hielt. Der Durchsatz betrug 1,6 kg/Std. Die Fäden passierten einen elektrisch beheizten Nacherhitzer und einen mit Luft betriebenen An­blasschacht. Sie wurden mit einer Aufspulgeschwindigkeit von 850 m/min abgezogen und anschließend im Verhältnis 1:3,0 verstreckt, wobei die Einzugsgalette der Streckvorrichtung auf eine Temperatur von 130°C und die Heizplatte im Streckfeld auf 250°C erhitzt wurde. Die Fäden hatten folgende Eigenschaften:
    Gesamttiter : 109/30 dtex
    Einzeltiter : 3,6 dtex
    Reißfestigkeit : 5,4 cN/dtex
    Bruchdehnung : 11,4 %
    Kochschrumpf : 0,5 %
    Heißluftschrumpf: 3,5 %
    E-Modul : 45,1 cN/dtex

    [0020] 2. Ein Polyetherketon mit den wiederkehrenden Einheiten

    und einer relativen Lösungsviskosität von 1,98 wurde in der in Bei­spiel 1 beschriebenen Apparatur versponnen. Die Temperatur der Schmelze betrug 375°C, die Spinndüse hatte 30 Löcher von jeweils 0,3 mm Durchmesser und die Spulgeschwindigkeit betrug 700 m/min bei einem Durchsatz von 1,2 kg/h. Die gesponnenen Fäden wurden anschließend im Verhältnis 1:2,9 bei Temperaturen von 160 bzw. 210°C heißverstreckt und hatten danach folgende Eigenschaften:
    Gesamttiter : 110/30 dtex
    Einzeltiter : 3,7 dtex
    Reißfestigkeit : 5,9 cN/dtex
    Bruchdehnung : 14,0 %
    E-Modul : 68,0 cN/dtex
    Kochschrumpf : 2,0 %
    Heißluftschrumpf (180°C) : 5,0 %

    B. Herstellung der Nähgarne



    [0021] Ein Multifilamentgarn nach Beispiel A2 wird auf einer Schnellwinde­maschine auf Scheibenspulen parallel aufgewunden. Zur Herstellung eines 3fachen Filamentzwirnes werden 3 dieser Scheibenspulen auf die obere Etage einer Zwirn-Fach-Zwirn-Maschine aufgesteckt und zunächst in S-Richtung mit einem Vordraht versehen. Im weiteren Fadenverlauf werden die 3 hochgedrehten Multifilamentgarne gefacht und mittels einer Ringspindel 3fach in Z-Richtung verzwirnt. Für das vorliegende Beispiel wurden 700 Drehungen pro Meter S entsprechend einem Vordraht von αvor = 76 gewählt. Für den nachfolgenden Ausdraht wurden 530 Drehungen pro Meter 3 Z, entsprechend αaus = 100 gewählt.

    [0022] Aus dem so hergestellten Filamentzwirn werden anschließend Färbespulen auf einer Präzisions-Spulmaschine hergestellt. Entsprechend den thermischen Eigenschaften der Polyetherketone kann der Nähzwirn mit den üblichen Färbeverfahren, allerdings mit erhöhter Temperatur im Bereich von 180° und 200°C, gefärbt werden.

    [0023] Die thermische Eigenschaften des vorliegenden gefärbten Nähzwirns sind durch den hohen Schmelzpunkt für Polyetherketon von 334°C und einer Maximaltemperatur für Dauerbelastung von 250°C außergewöhnlich gut. Damit könnte auf eine spezielle Nähfadenausrüstung verzichtet werden. Aus Gründen der besseren Gleiteigenschaften beim Durchzug durch die Fadenleitelemente der Nähmaschine und beim Einzug in das Nähgut empfiehlt sich jedoch eine zusätzliche Ausrüstung. In diesem Falle werden auf den gefärbten Nähzwirn über eine Netzwalze silikonhaltige Wachse oder Emulsionen appliziert oder es werden andere bekannte Ausrüstungsverfahren für Nähgarne, z.B. Ausrüstung im Färbeapparat angewandt.

    [0024] Der nach diesem Verfahren hergestellte Nähzwirn weist gegenüber her­kömmlichen Nähzwirn hervorragende Näheigenschaften auf. So konnte in einem Nähtest festgestellt werden, daß der erfindungsgemäße Nähzwirn gegenüber Polyesterfilamentzwirnen eine doppelt so lange Nahtlänge bis zum Bruch aufweist. Die deutlich besseren thermischen und nähtechni­schen Eigenschaften werden ergänzt durch eine hervorragende Hydrolyse­beständigkeit und Beständigkeit gegen Chemikalien, wie z.B. Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure, Kalilauge und Trichlorethylen.


    Ansprüche

    1. Nähgarn aus mindestens einem Multifilamentgarn, dessen verzwirnte Einzelfilamente aus einem thermoplastischen Kunststoff bestehen, dadurch gekennzeichnet, daß der Thermoplast ein Polyetherketon ist und das Multifilamentgarn einen Einzelfilamenttiter (nach DIN 53 830) von 1,0 bis 10 dtex, eine Bruchdehnung (nach DIN 53 815) von 3 bis 30 % und einen Kochschrumpf (nach DIN 53 866) von weniger als 10 % aufweisen.
     
    2. Nähgarn nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Polyether­keton ein hochmolekulares Polymer mit einer relativen Viskosität, ge­messen 0,5 %ig in 96 %iger Schwefelsäure bei 25°C, von mehr als 1,0, vorzugsweise mehr als 1,3, ist.
     
    3. Nähgarn nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Polyether­keton mindestens 50 % der Struktureinheiten

    enthält.
     
    4. Nähgarn nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Multifila­mentgarn aus 10 bis 1000, vorzugsweise 20 bis 300 Einzelfilamenten, besteht.
     
    5. Nähgarn nach Anspruch 1, bei dem ein einziges Multifilamentgarn vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Drall der miteinander verzwirnten Einzelfilamente (nach DIN 53 832) zwischen α = 30 und 100 liegt.
     
    6. Nähgarn nach Anspruch 1, bei dem mindestens zwei Multifilamentgarne vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, daß der Drall für den Vorzwirn der einzelnen Ultifilamentgarne (nach DIN 53 832) zwischen αvor = 60 und 110 und der Drall für den Auszwirn der miteinander verzwirnten Multifilamentgarne (nach DIN 53 832) zwischen αaus = 80 und 120 liegt, wobei die Zwirnrichtungen des Vorzwirns und des Auszwirns einander entgegengesetzt sind.