[0001] Die Erfindung betrifft die Verwendung einer feinkristallinen Eisen-Basislegierung
als Magnetkernwerkstoff für Fehlerstrom-Schutzschalter.
[0002] Fehlerstrom-Schutzschalter (FI-Schalter) finden seit vielen Jahren Anwendung für
den Personen- und Maschinenschutz. Wesentlicher Bestandteil der FI-Schalter ist ein
weichmagnetischer Kern, der als Differenzstromwandler wirkt. Der Auslösestrom für
FI-Schalter für den Maschinenschutz liegt im Bereich von etwa 300 bis 500 mA. Bei
FI-Schaltern für den Personenschutz liegt der Auslösestrom dagegen nur bei 30 mA.
In der Veröffentlichung von Hilzinger und Boll "Weichmagnetische kristalline und amorphe
Metalle", Elektronik, Heft 22, 1987, sind die Anforderungen an die Magnetkerne und
die hierfür verwendeten Werkstoffe dargestellt. Die Magnetkernwerkstoffe müssen neben
der hohen maximalen Permeabilität bzw. ausreichenden Induktion bei kleinen Feldstärken
insbesondere eine geringe Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften über
den gesamten Einsatzbereich aufweisen. Für 30mA-FI-Schalter werden im wesentlichen
kristalline Nickel-Eisen-Legierungen mit ca. 77 % Nickel (Permalloy-Typ) eingesetzt.
Die Sättigung dieser Werkstoffe beträgt etwa 0,8 T. Um die geforderte geringe Temperaturabhängigkeit
der magnetischen Eigenschaften der Werkstoffe zu erreichen, ist bei den Permalloy-Legierungen
jedoch eine zusätzliche, aufwendige Glühbehandlung erforderlich. Hierdurch wird die
Herstellung von Magnetkernen für FI-Schalter aufwendig und verteuert. Das Erfordernis
der Glühbehandlung wird in der Veröffentlichung von Pfeifer und Boll in IEEE Transactions
on Magnetics, Vol. MAG-5, Nr. 3, Sept. 1969, Seiten 365 bis 370, näher erörtert.
[0003] Neben kristallinen Werkstoffen wurden auch bereits amorphe Werkstoffe für FI-Schalter
vorgeschlagen. Wegen der geforderten geringen Magnetisierungsfeldstärke kommen für
30 mA-FI-Schalter nur kobaltreiche Legierungen in Frage, deren Sättigung im Bereich
von 0,55 bis 0,7 T liegt. Wie in der bereits genannten Veröffentlichung von Boll und
Hilzinger dargelegt, ergeben sich bei Verwendung der amorphen Werkstoffe jedoch Probleme
bei hohen Anforderungen bezüglich der Temperaturabhängigkeit.
[0004] Aufgabe der Erfindung ist es, einen Magnetkern-Werkstoff für FI-Schalter anzugeben,
der neben einer hohen Sättigungsinduktion eine geringe Temperaturabhängigkeit der
magnetischen Eigenschaften aufweist.
[0005] Die Aufgabe wird gelöst durch die Verwendung einer Eisen-Basislegierung mit einem
Fe-Gehalt von mehr als 60 Atom-%, deren Gefüge zu mehr als 50 % aus feinkristallinen
Körnern mit einer Korngröße von weniger als 100 nm besteht und die eine Sättigungsinduktion
von mehr als 1,1 T sowie ein Remanenzverhältnis B
r/B
S von weniger als 0,7 aufweist. B
r bezeichnet hierbei die Remanenz und B
S die Sättigungsinduktion.
[0006] Solche feinkristallinen Eisen-Basislegierungen sind aus der EP-OS 271 657 bekannt.
Es handelt sich hierbei insbesondere um Legierungen, die neben Eisen im wesentlichen
0,1 bis 3 Atom-% Kupfer, 0,1 bis 30 Atom-% eines weiteren Metalls, wie Nb, W, Ta,
Zr, Hf, Ti und Mo, bis zu 30 Atom-% Si und bis zu 25 Atom-% B aufweisen, wobei der
Gesamtgehalt an B und Si im Bereich von 5 bis 30 Atom-% liegt. Das Eisen kann teilweise
durch Kobalt und/oder Nickel ersetzt sein. Diese Materialien werden aufgrund ihrer
guten magnetischen Hochfrequenz-Eigenschaften für die Anwendung in Hochfrequenz-Transformatoren,
Drosseln und Magnetköpfen vorgeschlagen. Aus der EP-OS 299 498 ist ein Magnetkern
aus einer feinkristallinen Eisen-Basislegierung bekannt, der nur geringe zeitabhängige
Änderungen der Permeabilität aufweist. Für die dort genannten Anwendungen der Magnetkerne
in Drosseln, Filtern und Hochfrequenz-Transformatoren werden Magnetkerne mit einem
Remanenzverhältnis von 0,3 und weniger bzw. von 0,7 und mehr eingesetzt. Weiterhin
ist aus einer Veröffentlichung von Yoshizawa, Yamauchi, Yamane und Sugihara, Journal
of Applied Physics, Vol. 64, Heft 10, 1988, Seiten 6047 bis 6049, ein Magnetkern aus
einer feinkristallinen Eisen-Basislegierung zur Verwendung in einer Drosselspule
bekannt. In dieser Veröffentlichung finden sich auch Meßwerte über die Temperaturabhängigkeit
der Sättigungsinduktion und der Permeabilität für Temperaturen oberhalb des Gefrierpunktes.
[0007] Überraschenderweise wurde nun gefunden, daß feinkristalline Eisen-Basislegierungen
auch bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes bis zu der für die Anwendung in
Fehlerstrom-Schutzschaltern interessanten Temperatur von -25 °C eine extrem geringe
Abhängigkeit der magnetischen Eigenschaften von der Temperatur aufweisen. Eine geringe
Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften oberhalb des Gefrierpunktes
ist für eine Anwendung als Magnetkernwerkstoff in Fehlerstrom-Schutzschaltern nicht
ausreichend und zudem - wie von den bisher für Fehlerstromschutz-Schalter eingesetzten
Materialien bekannt ist (vgl. Fig. 4) - kein Indiz für eine geringe Temperaturabhängigkeit
bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes. Wie bereits in der Veröffentlichung
von Pfeifer und Boll dargelegt, zeigen auch Nickel-Eisen-Legierungen nach dem Stand
der Technik bei höheren Temperaturen einen geringeren, bei niedrigeren Temperaturen
dagegen einen starken Abfall der Permeabilität.
[0008] Die erfindungsgemäßen feinkristallinen Magnetkerne für FI-Schalter weisen sehr gute
weichmagnetische Eigenschaften sowie eine geringe Temperaturabhängigkeit dieser Eigenschaften
auf. Dies gilt insbesondere für Magnetkerne mit einer runden Hystereseschleife, d.
h. mit einem Remanenzverhältnis von 0,4 und mehr sowie weniger als 0,7. Die Legierungen
sind in der Herstellung kostengünstiger, da eine zusätzliche spezielle Glühbehandlung
zur Erzielung der geringen Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften nicht
erforderlich ist. Die Ringkerne zeigen eine sehr gute Stabilität sowohl gegen Pulsaussteuerung
als auch gegen kleine überlagerte Gleichfelder.
[0009] Anhand der Ausführungsbeispiele und der Figuren soll die Erfindung nun näher erläutert
werden. Es zeigen:
Fig. 1 die Abhängigkeit der Induktion von der Feldstärke für einen erfindungsgemäßen
Magnetkern mit runder Hystereseschleife
Fig. 2 die Abhängigkeit der Induktion B̂ (50 Hz), des statischen und dynamischen Induktionshubes
von der Feldstärke
Fig. 3 die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften eines erfindungsgemäßen
Magnetkerns mit runder Hystereseschleife
Fig. 4 die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften eines Kerns nach
dem Stand der Technik
Fig. 5 die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften eines erfindungsgemäßen
Kerns mit flacher Hystereseschleife.
Ausführungsbeispiele
[0010] Es wurden sowohl Ringbandkerne mit flacher als auch mit runder Hystereseschleife
hergestellt. Für die Verwendung in 30 mA FI-Schaltern erwiesen sich insbesondere Materialien
mit einem Remanenzverhältnis im Bereich von 0,4 bis 0,7 als vorteilhaft. Die feinkristallinen
Bänder wurden durch Kristallisieren eines ursprünglich amorphen Bandes unter Verwendung
eines einzigen Wärmebehandlungsschrittes und einer anschließenden Abkühlung mit einer
Abkühlgeschwindigkeit von mehr als 0,4 K/min hergestellt.
[0011] Die Herstellungsverfahren der feinkristallinen Bänder sind prinzipiell aus den bereits
genannten europäischen Offenlegungsschriften bekannt. Die Korngröße der feinkristallinen
Körner war in allen Ausführungsbeispielen stets kleiner als 25 nm. Die Magnetkerne
der Ausführungsbeispiele wiesen neben einem Eisengehalt von 73,5 Atom-% weiterhin
1 Atom-% Kupfer, 3 Atom-% Niob, 13,5 Atom-% Silizium und 9 Atom-% Bor auf. Die fertigen
Ringbandkerne hatten die Abmessungen Ø0̸ 19 x Ø 15 x 5 mm. An den Ringbandkernen wurden
jeweils die Hystereseschleifen und die Magnetisierungskurven von B̂ sowie dem statischen
Induktionshub ΔB
stat und dem dynamischen Induktionshub ΔB
dyn bei sinusförmigem, einweg- und zweiweggleichgerichtetem Strom bei Raumtemperatur
gemessen. Außerdem wurde die Temperaturabhängigkeit des statischen und dynamischen
Induktionshubes sowie der Permeabilität µ₄ bei 50 Hz bestimmt.
Beispiel 1:
[0012] Diejenigen Magnetkerne, bei denen die Wärmebehandlung ohne Magnetfeld durchgeführt
wurde, wiesen ein Remanenzverhältnis von 0,65 auf (runde Hystereseschleife). In Fig.
1 ist die quasistatische Hystereseschleife dieser Magnetkerne dargestellt. Fig. 2
zeigt den Zusammenhang zwischen B̂, ΔB
stat, ΔB
dyn und der Magnet feldstärke. Die Induktion B̂ der erfindungsgemäßen Magnetkerne mit
runder Hystereseschleife erreicht bereits bei einer Feldstärke von 10 mA/cm einen
Wert von 0,5 T und liegt damit oberhalb der Werte von Magnetwerkstoffen für FI-Schalter
nach dem Stand der Technik. Die erfindungsgemäßen Kerne weisen zudem hohe Werte für
den statischen und dynamischen Induktionshub auf. In Fig. 3 ist die Temperaturabhängigkeit
der magnetischen Eigenschaften der erfindungsgemäßen Magnetkerne dargestellt. Sie
weisen eine sehr hohe Konstanz mit geringen Schwankungen über den gesamten für die
praktische Anwendung interessierenden Temperaturbereich von -25 °C bis + 80 °C auf.
[0013] Zum Vergleich ist in Fig. 4 die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften
für eine Legierung nach dem Stand der Technik dargestellt. Es handelt sich hierbei
um eine hochnickelhaltige Legierung, die unter der Bezeichnung ULTRAPERM F 80 für
Fehlerstrom-Schutzschalter vertrieben wird. Auch diese Legierung weist für Temperaturen
oberhalb des Gefrierpunktes eine recht gute Konstanz der Magnetwerte auf. Für Temperaturen
unterhalb des Gefrierpunktes zeigen sich hier jedoch starke Änderungen.
Beispiel 2:
[0014] An Magnetkernen, bei denen die Wärmebehandlung in einem magnetischen Querfeld durchgeführt
wurde, wurde ein Remanenzverhältnis von 0,1 (flache Schleife) gemessen. Sie wiesen
ebenfalls eine gute Konstanz der magnetischen Eigenschaften bei Temperaturänderungen
auf, wie aus Fig. 5 ersichtlich ist. Die Änderungen waren jedoch größer als bei den
Kernen mit runder Hystereseschleife.
1. Verwendung einer Eisen-Basislegierung mit einem Eisengehalt von mehr als 60 Atom-%,
deren Gefüge zu mehr als 50 % aus feinkristallinen Körnern mit einer Korngröße von
weniger als 100 nm besteht und die eine Sättigungsinduktion von mehr als 1,1 T sowie
ein Remanenzverhältnis Br/BS von weniger als 0,7 aufweist, als Magnetkernwerkstoff für Fehlerstrom-Schutzschalter.
2. Magnetkernwerkstoff für Fehlerstrom-Schutzschalter nach Patentanspruch 1, gekennzeichnet durch ein Remanenzverhältnis von 0,4 und mehr.
3. Magnetkernwerkstoff für Fehlerstrom-Schutzschalter nach Patentanspruch 1, gekennzeichnet durch eine temperaturabhängige Änderung des Induktionshubes beim Arbeitspunkt von weniger
als +/- 10 % im Temperaturbereich von -25 °C bis +80 °C gegenüber Raumtemperatur.
4. Magnetkernwerkstoff für Fehlerstrom-Schutzschalter nach Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die feinkristallinen Körner eine Korngröße von weniger als 25 nm aufweisen.