(19)
(11) EP 0 392 204 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
17.10.1990  Patentblatt  1990/42

(21) Anmeldenummer: 90104798.5

(22) Anmeldetag:  14.03.1990
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5H01H 83/14, H02H 3/33
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE ES FR IT LI

(30) Priorität: 08.04.1989 DE 3911480

(71) Anmelder: VACUUMSCHMELZE GMBH
D-63412 Hanau (DE)

(72) Erfinder:
  • Hilzinger, Hans-Reiner, Dr.
    D-6456 Langenselbold (DE)
  • Radeloff, Christian, Dr.
    D-6454 Bruchköbel (DE)
  • Herzer, Giselher, Dr.
    D-6450 Hanau 1 (DE)

(74) Vertreter: Fuchs, Franz-Josef, Dr.-Ing. 
Postfach 22 13 17
D-80503 München
D-80503 München (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verwendung einer feinkristallinen Eisen-Basis-Legierung als Magnetwerkstoff für Fehlerstrom-Schutzschalter


    (57) Bei Magnetkernwerkstoffen für Fehlerstrom-Schutzschalter wird eine hohe Konstanz der magnetischen Eigenschaften über den gesamten Anwendungstemperaturbereich von -25 °C bis +80 °C gefordert. Bei den bekannten hoch Nickel-haltigen Magnetkernwerkstoffen vom Permalloy-Typ ist hierfür eine spezielle, zusätzliche Glühbehandlung erforderlich. Diese entfällt, wenn als Magnetkernwerkstoff eine Eisen-Basislegierung mit einem Eisengehalt von mehr als 60 Atom-% verwendet wird, deren Gefüge zu mehr als 50 % aus feinkristallinen Körnern mit einer Korngröße von weniger als 100 nm besteht und die eine Sättigungsinduktion von mehr als 1,1 T sowie ein Remanenzverhältnis von weniger als 0,7 aufweist.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft die Verwendung einer feinkristal­linen Eisen-Basislegierung als Magnetkernwerkstoff für Fehlerstrom-Schutzschalter.

    [0002] Fehlerstrom-Schutzschalter (FI-Schalter) finden seit vielen Jahren Anwendung für den Personen- und Maschinen­schutz. Wesentlicher Bestandteil der FI-Schalter ist ein weichmagnetischer Kern, der als Differenzstromwandler wirkt. Der Auslösestrom für FI-Schalter für den Maschinenschutz liegt im Bereich von etwa 300 bis 500 mA. Bei FI-Schaltern für den Personenschutz liegt der Auslöse­strom dagegen nur bei 30 mA. In der Veröffentlichung von Hilzinger und Boll "Weichmagnetische kristalline und amorphe Metalle", Elektronik, Heft 22, 1987, sind die Anforderungen an die Magnetkerne und die hierfür verwen­deten Werkstoffe dargestellt. Die Magnetkernwerkstoffe müssen neben der hohen maximalen Permeabilität bzw. ausreichenden Induktion bei kleinen Feldstärken insbeson­dere eine geringe Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften über den gesamten Einsatzbereich aufweisen. Für 30mA-FI-Schalter werden im wesentlichen kristalline Nickel-Eisen-Legierungen mit ca. 77 % Nickel (Permalloy-­Typ) eingesetzt. Die Sättigung dieser Werkstoffe beträgt etwa 0,8 T. Um die geforderte geringe Temperaturabhängig­keit der magnetischen Eigenschaften der Werkstoffe zu erreichen, ist bei den Permalloy-Legierungen jedoch eine zusätzliche, aufwendige Glühbehandlung erforderlich. Hierdurch wird die Herstellung von Magnetkernen für FI-Schalter aufwendig und verteuert. Das Erfordernis der Glühbehandlung wird in der Veröffentlichung von Pfeifer und Boll in IEEE Transactions on Magnetics, Vol. MAG-5, Nr. 3, Sept. 1969, Seiten 365 bis 370, näher erörtert.

    [0003] Neben kristallinen Werkstoffen wurden auch bereits amorphe Werkstoffe für FI-Schalter vorgeschlagen. Wegen der gefor­derten geringen Magnetisierungsfeldstärke kommen für 30 mA-FI-Schalter nur kobaltreiche Legierungen in Frage, deren Sättigung im Bereich von 0,55 bis 0,7 T liegt. Wie in der bereits genannten Veröffentlichung von Boll und Hilzinger dargelegt, ergeben sich bei Verwendung der amor­phen Werkstoffe jedoch Probleme bei hohen Anforderungen bezüglich der Temperaturabhängigkeit.

    [0004] Aufgabe der Erfindung ist es, einen Magnetkern-Werkstoff für FI-Schalter anzugeben, der neben einer hohen Sätti­gungsinduktion eine geringe Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften aufweist.

    [0005] Die Aufgabe wird gelöst durch die Verwendung einer Eisen-­Basislegierung mit einem Fe-Gehalt von mehr als 60 Atom-%, deren Gefüge zu mehr als 50 % aus feinkristallinen Körnern mit einer Korngröße von weniger als 100 nm besteht und die eine Sättigungsinduktion von mehr als 1,1 T sowie ein Remanenzverhältnis Br/BS von weniger als 0,7 aufweist. Br bezeichnet hierbei die Remanenz und BS die Sättigungsinduktion.

    [0006] Solche feinkristallinen Eisen-Basislegierungen sind aus der EP-OS 271 657 bekannt. Es handelt sich hierbei insbe­sondere um Legierungen, die neben Eisen im wesentlichen 0,1 bis 3 Atom-% Kupfer, 0,1 bis 30 Atom-% eines weiteren Metalls, wie Nb, W, Ta, Zr, Hf, Ti und Mo, bis zu 30 Atom-% Si und bis zu 25 Atom-% B aufweisen, wobei der Gesamtgehalt an B und Si im Bereich von 5 bis 30 Atom-% liegt. Das Eisen kann teilweise durch Kobalt und/oder Nickel ersetzt sein. Diese Materialien werden aufgrund ihrer guten magnetischen Hochfrequenz-Eigenschaften für die Anwendung in Hochfrequenz-Transformatoren, Drosseln und Magnetköpfen vorgeschlagen. Aus der EP-OS 299 498 ist ein Magnetkern aus einer feinkristallinen Eisen-Basis­legierung bekannt, der nur geringe zeitabhängige Ände­rungen der Permeabilität aufweist. Für die dort genannten Anwendungen der Magnetkerne in Drosseln, Filtern und Hoch­frequenz-Transformatoren werden Magnetkerne mit einem Remanenzverhältnis von 0,3 und weniger bzw. von 0,7 und mehr eingesetzt. Weiterhin ist aus einer Veröffentlichung von Yoshizawa, Yamauchi, Yamane und Sugihara, Journal of Applied Physics, Vol. 64, Heft 10, 1988, Seiten 6047 bis 6049, ein Magnetkern aus einer feinkristallinen Eisen-­Basislegierung zur Verwendung in einer Drosselspule bekannt. In dieser Veröffentlichung finden sich auch Meßwerte über die Temperaturabhängigkeit der Sättigungs­induktion und der Permeabilität für Temperaturen oberhalb des Gefrierpunktes.

    [0007] Überraschenderweise wurde nun gefunden, daß feinkristal­line Eisen-Basislegierungen auch bei Temperaturen unter­halb des Gefrierpunktes bis zu der für die Anwendung in Fehlerstrom-Schutzschaltern interessanten Temperatur von -25 °C eine extrem geringe Abhängigkeit der magne­tischen Eigenschaften von der Temperatur aufweisen. Eine geringe Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigen­schaften oberhalb des Gefrierpunktes ist für eine Anwen­dung als Magnetkernwerkstoff in Fehlerstrom-Schutzschal­tern nicht ausreichend und zudem - wie von den bisher für Fehlerstromschutz-Schalter eingesetzten Materialien bekannt ist (vgl. Fig. 4) - kein Indiz für eine geringe Temperaturabhängigkeit bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes. Wie bereits in der Veröffentlichung von Pfeifer und Boll dargelegt, zeigen auch Nickel-Eisen-­Legierungen nach dem Stand der Technik bei höheren Temperaturen einen geringeren, bei niedrigeren Tempera­turen dagegen einen starken Abfall der Permeabilität.

    [0008] Die erfindungsgemäßen feinkristallinen Magnetkerne für FI-Schalter weisen sehr gute weichmagnetische Eigen­schaften sowie eine geringe Temperaturabhängigkeit dieser Eigenschaften auf. Dies gilt insbesondere für Magnetkerne mit einer runden Hystereseschleife, d. h. mit einem Remanenzverhältnis von 0,4 und mehr sowie weniger als 0,7. Die Legierungen sind in der Herstellung kostengünstiger, da eine zusätzliche spezielle Glühbehandlung zur Erzielung der geringen Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften nicht erforderlich ist. Die Ringkerne zeigen eine sehr gute Stabilität sowohl gegen Pulsaussteuerung als auch gegen kleine überlagerte Gleichfelder.

    [0009] Anhand der Ausführungsbeispiele und der Figuren soll die Erfindung nun näher erläutert werden. Es zeigen:

    Fig. 1 die Abhängigkeit der Induktion von der Feldstärke für einen erfindungsgemäßen Magnetkern mit runder Hystereseschleife

    Fig. 2 die Abhängigkeit der Induktion B̂ (50 Hz), des statischen und dynamischen Induktionshubes von der Feldstärke

    Fig. 3 die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften eines erfindungsgemäßen Magnetkerns mit runder Hystereseschleife

    Fig. 4 die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften eines Kerns nach dem Stand der Technik

    Fig. 5 die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften eines erfindungsgemäßen Kerns mit flacher Hystereseschleife.


    Ausführungsbeispiele



    [0010] Es wurden sowohl Ringbandkerne mit flacher als auch mit runder Hystereseschleife hergestellt. Für die Verwendung in 30 mA FI-Schaltern erwiesen sich insbesondere Materia­lien mit einem Remanenzverhältnis im Bereich von 0,4 bis 0,7 als vorteilhaft. Die feinkristallinen Bänder wurden durch Kristallisieren eines ursprünglich amorphen Bandes unter Verwendung eines einzigen Wärmebehandlungsschrittes und einer anschließenden Abkühlung mit einer Abkühl­geschwindigkeit von mehr als 0,4 K/min hergestellt.

    [0011] Die Herstellungsverfahren der feinkristallinen Bänder sind prinzipiell aus den bereits genannten europäischen Offen­legungsschriften bekannt. Die Korngröße der feinkristal­linen Körner war in allen Ausführungsbeispielen stets kleiner als 25 nm. Die Magnetkerne der Ausführungs­beispiele wiesen neben einem Eisengehalt von 73,5 Atom-% weiterhin 1 Atom-% Kupfer, 3 Atom-% Niob, 13,5 Atom-% Silizium und 9 Atom-% Bor auf. Die fertigen Ringbandkerne hatten die Abmessungen Ø0̸ 19 x Ø 15 x 5 mm. An den Ringbandkernen wurden jeweils die Hystereseschleifen und die Magnetisierungskurven von B̂ sowie dem statischen In­duktionshub ΔBstat und dem dynamischen Induktions­hub ΔBdyn bei sinusförmigem, einweg- und zweiweg­gleichgerichtetem Strom bei Raumtemperatur gemessen. Außerdem wurde die Temperaturabhängigkeit des statischen und dynamischen Induktionshubes sowie der Permeabilität µ₄ bei 50 Hz bestimmt.

    Beispiel 1:



    [0012] Diejenigen Magnetkerne, bei denen die Wärmebehandlung ohne Magnetfeld durchgeführt wurde, wiesen ein Remanenz­verhältnis von 0,65 auf (runde Hystereseschleife). In Fig. 1 ist die quasistatische Hystereseschleife dieser Magnetkerne dargestellt. Fig. 2 zeigt den Zusammenhang zwischen B̂, ΔBstat, ΔBdyn und der Magnet­ feldstärke. Die Induktion B̂ der erfindungsgemäßen Magnet­kerne mit runder Hystereseschleife erreicht bereits bei einer Feldstärke von 10 mA/cm einen Wert von 0,5 T und liegt damit oberhalb der Werte von Magnetwerkstoffen für FI-Schalter nach dem Stand der Technik. Die erfindungs­gemäßen Kerne weisen zudem hohe Werte für den statischen und dynamischen Induktionshub auf. In Fig. 3 ist die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften der erfindungsgemäßen Magnetkerne dargestellt. Sie weisen eine sehr hohe Konstanz mit geringen Schwankungen über den gesamten für die praktische Anwendung interessierenden Temperaturbereich von -25 °C bis + 80 °C auf.

    [0013] Zum Vergleich ist in Fig. 4 die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften für eine Legierung nach dem Stand der Technik dargestellt. Es handelt sich hierbei um eine hochnickelhaltige Legierung, die unter der Bezeich­nung ULTRAPERM F 80 für Fehlerstrom-Schutzschalter ver­trieben wird. Auch diese Legierung weist für Temperaturen oberhalb des Gefrierpunktes eine recht gute Konstanz der Magnetwerte auf. Für Temperaturen unterhalb des Gefrier­punktes zeigen sich hier jedoch starke Änderungen.

    Beispiel 2:



    [0014] An Magnetkernen, bei denen die Wärmebehandlung in einem magnetischen Querfeld durchgeführt wurde, wurde ein Remanenzverhältnis von 0,1 (flache Schleife) gemessen. Sie wiesen ebenfalls eine gute Konstanz der magnetischen Eigenschaften bei Temperaturänderungen auf, wie aus Fig. 5 ersichtlich ist. Die Änderungen waren jedoch größer als bei den Kernen mit runder Hystereseschleife.


    Ansprüche

    1. Verwendung einer Eisen-Basislegierung mit einem Eisen­gehalt von mehr als 60 Atom-%, deren Gefüge zu mehr als 50 % aus feinkristallinen Körnern mit einer Korngröße von weniger als 100 nm besteht und die eine Sättigungsinduk­tion von mehr als 1,1 T sowie ein Remanenzverhältnis Br/BS von weniger als 0,7 aufweist, als Magnetkernwerkstoff für Fehlerstrom-Schutzschalter.
     
    2. Magnetkernwerkstoff für Fehlerstrom-Schutzschalter nach Patentanspruch 1, gekennzeichnet durch ein Remanenz­verhältnis von 0,4 und mehr.
     
    3. Magnetkernwerkstoff für Fehlerstrom-Schutzschalter nach Patentanspruch 1, gekennzeichnet durch eine temperatur­abhängige Änderung des Induktionshubes beim Arbeitspunkt von weniger als +/- 10 % im Temperaturbereich von -25 °C bis +80 °C gegenüber Raumtemperatur.
     
    4. Magnetkernwerkstoff für Fehlerstrom-Schutzschalter nach Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die fein­kristallinen Körner eine Korngröße von weniger als 25 nm aufweisen.
     




    Zeichnung