(19)
(11) EP 0 394 552 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
31.10.1990  Patentblatt  1990/44

(21) Anmeldenummer: 89119676.8

(22) Anmeldetag:  24.10.1989
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C10G 1/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE DE FR GB IT NL SE

(30) Priorität: 28.04.1989 DE 3914057

(71) Anmelder: RUHRKOHLE AKTIENGESELLSCHAFT
D-44623 Herne (DE)

(72) Erfinder:
  • Bönisch, Ulrich
    D-4330 Mülheim-Ruhr (DE)
  • Klein, Wolf Dieter
    D-4350 Recklinghausen (DE)
  • Strecker, Claus
    D-4650 Gelsenkirchen (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Strippung von Rückständen


    (57) Nach der Erfindung erfolgt bei der Hydrierung von Kohle, Schweröl oder Bitumen die Aufarbeitung der Hydrierrückstände mit prozeßeigenen, wasser­stoffhaltigen Gasen, wobei die erforderliche Partialdruckveränderung der Dämpfe zur Abtrennung der Produkte nicht wie in der Vakuumkolonne durch das erzeugte Vakuum sondern durch das eingesetzte Gas erzeugt wird.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Hydrierung von Kohle, Schweröl, Bitumen oder dergleichen. Bei Temperaturen zwischen 250 und 350oC, vorzugs­weise zwischen 380 und 480oC und Drücken zwischen 50 und 700 bar, vorzugs­weise zwischen 100 und 325 bar, Abscheidung des Heißabschlammes, insbesondere bei Temperaturen unterhalb der Hydriertemperatur, wobei der Heißabschlamm mit Gas gestrippt wird.

    [0002] Flüssige Kohlenwasserstoffe werden nach verarbeitungs- und produktions­spezifischen Bedingungen in Produkte unterschiedlicher Siedebereiche, wie z. B. Gas, Flüssiggas, Benzin, Mittelöl, Schweröl und Rückstand in atm. Destillen aufgearbeitet. Die Sumpfprodukte der Destillen, s. g. Rückstän­de, werden entweder zu leichten Produkten konvertiert und wie oben be­schrieben in Produkt und Rückstände aufgetrennt oder als Brennstoff ein­gesetzt (Heizöl-S) und zu Bitumen weiterverarbeitet.

    [0003] Nach dem Stand der Technik werden die Rückstände in Vakuumanlagen bei ca. 400 - 450 °C und 20 - 10 mbar distilliert. Dieses Verfahren ist z. B. in jeder Raffinerie üblich.

    [0004] Eine andere Möglichkeit zur Trennung von Kohlenwasserstoffen bietet die Extraktion. Dabei werden die Eigenschaften der unterschiedlichen Löslich­keit von Flüssigkeiten genutzt. Das Extraktionsmittel löst das Extrakt aus einem Stoffgemisch. Das Extraktionsmittel wird durch die Abtrennung des Extraktes regeneriert und im Kreislauf eingesetzt. Die Trennung kann ebenfalls über Extraktion oder über Distillation erfolgen.

    [0005] Als Besonderheit zur Trennung von paraffinischen und aromatischen Kohlen­wasserstoffen und Kohlenwasserstoffgruppen von Asphalten ist die überkri­tische Extraktion bekannt. Dabei werden als Extraktionsmittel überwiegend Komponenten in überkritischem Zustand eingesetzt, d. h. das die Partial­drücke bei Gemischen die krit. Daten überschreiten müssen.

    [0006] Als Beispiel hierzu die kritischen Daten von einigen Kohlenwasserstoffen:
      TKr PKr
    H₂ - 240 13
    Methan - 82 46
    Äthan 35 49
    Propan 97 42
    n-Butan 152 34


    [0007] Bekannte Verfahren zeigen bei der praktischen Anwendung erhebliche Nachteile.

    [0008] So sind die Nachteile bei Einsatz von Vakuumdestillationsanlagen darin zu sehen, daß
    - die Erzeugung des Vakuum ein erheblicher Dampfeinsatz erfordert und Abwasserprobleme nach sich zieht,
    - durch das Vakuum Sicherheitsprobleme bei Undichtigkeiten im System (O₂-Einbruch, Explosionsgefahr) entstehen,
    - durch die hohe Temperatur Verkokungsprobleme durch ungesättigte Koh­lenwasserstoffe entstehen, die einerseits auf die Produktqualität Einfluß nehmen und andererseits zu Betriebsstörungen führen. In der Regel kann deshalb eine max. Temperatur von 450 °C nicht überschrit­ten werden.
    - durch die erzeugten hochviskosen Sumpfprodukte Austragsprobleme man­gels erforderlichem NPSH-Wert an der Austragspumpe entstehen,
    - durch die hohen Geschwindigkeiten am Eintritt (ca. 120 m/s) Ver­schleißprobleme in Ventilen und an der Kolonne entstehen und schließ­lich zur Panzerung der Systeme führt,
    - durch das Vakuum aufgrund der geringen Dämpfedichte großer Apparate­durchmesser gewählt werden müssen, um die Dämpfegeschwindigkeit auf technisch vertretbare Werte (Flüssigkeitsentriß, Druckverlust) zu be­grenzen, was zu hohen Investkosten führt.

    [0009] Die Nachteile des Extraktionsverfahrens liegt darin, daß
    - bei diesen Verfahren stoffcharakteristische Eigenschaften angespro­chen werden und somit zu jedem Extrakt ein spezielles Extraktionsmit­tel gefunden werden muß, d. h., universell einsetzbare Extraktions­mittel gibt es nicht,
    - die Regenerierung des Extraktmittels stoffabhängig und Apparateinten­siv ist. Sie kann durch Extraktion, Destillation und Druckänderung verbunden mit Temperaturänderungen erfolgen,
    - durch den Regenerationsaufwand ist ein erheblicher Apparateaufwand verbunden mit hohen Investitionskosten erforderlich,
    - durch die Löslichkeitsgleichgewichte ist immer ein Extraktionsmittel­verlust vorhanden, der zu hohen Betriebsmittelkosten führen kann.

    [0010] Die aufgezeigten Nachteile beim Einsatz von Vakuum- und Extraktionsanla­gen können durch den Einsatz der Erfindung beseitigt werden.

    [0011] Zwar ist in der DE-OS 31 23 535 beschrieben, daß die Abtrennung der ge­wünschten Komponente durch Strippung mit Gas erfolgen kann. Dabei erfolgt die erforderliche Partialdruckveränderung der Dämpfe zur Abtrennung der Produkte durch das erzeugte Vakuum. Das bekannte Verfahren arbeitet je­doch nicht optimal. Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, daß aus der DE-OS 31 23 535 bekannte Verfahren zu verbessern. Nach der Er­findung wird das dadurch erreicht, daß die erforderliche Partialdruckver­änderung der Dämpfe zur Abtrennung der Produkte durch das eingesetzte Gas erzeugt wird. Die Verdampfungswärme kann mit der Eintrittstemperatur der Flüssigkeit und/oder vorzugsweise mit der Eintrittstemperatur des Gases bereitgestellt werden.Vorteilhafterweise erfolgt die Abtrennung unter Erniedrigung der Temperatur bei konstantem Druck (Kondensation).

    [0012] In der Zeichnung ist das erfindungsgemäße Verfahren schematisch dargestellt:

    [0013] Zum Strippbehälter 1 werden die im Ofen 4 und 5 vorgewärmten Strö­me 6 als Flüssigkeit und 7 als Gas vermischt und die abzutrennenden Komponenten als Produkt abgestrippt. Diese gelangen dann mit dem Gas als Strom 8 über Kopf und werden im Kondensator 2 auskondensiert. Im Trennbehälter 3 erfolgt die Trennung des Einsatzgases vom Produkt. Das Produkt verläßt den Trennbehälter als Strom 9 , die Gase verlassen den Trennbehälter als Strom 10 über Kopf.

    [0014] Der Rückstand verläßt den Strippbehälter 1 als Strom 1].

    [0015] Das Verfahren arbeitet im
    - Temperaturbereich zwischen 250 °C - 600 °C und im
    - Druckbereich zwischen 1,2 bar - 150 bar.

    [0016] Als Gas kann jedes Raffineriegas, Erdgas od. Stadtgas eingesetzt werden, vorzugsweise H₂-haltiges Gas zwischen 20 - 100 Vol.-% H₂ die als Ab­fallgase in Raffinerien und Petrochemischen Betrieben zwangsweise anfal­len.

    [0017] Der Vorteil des Verfahrens besteht darin, daß im Vergleich zu Vakuumanla­gen
    - keine Abwasserprobleme entstehen, da der Strahlerdampf entfällt,
    - keine Sicherheitsprobleme durch O₂-Einbruch auftreten, da das Ver­fahren mit Überdruck arbeitet,
    - die Temperaturbegrenzung von ca. 450 °C aufgehoben ist und keine Ver­kokungsprobleme auftreten, da Wasserstoff zur Absättigung der unge­sättigten Komponenten in Überschuß vorhanden ist,
    - der Sumpfaustrag stellt keine Probleme dar, da im Behälter genügend Druck zur Abregelung vorhanden ist, um selbst Viskositäten bis ca. 3.000 m Pa s mühelos abzuregeln. Bei Vakuumkolonne scheitert der Aus­trag bei ca. 800 m Pa s durch Abriß der Saugpumpe,
    - die Verschleißprobleme durch hohe Geschwindigkeit nicht auftreten,
    - die Apparateabmessungen, bedingt durch den Prozeßdruck von > 1,2 bar, sind klein und somit können auch Investitionskosten eingespart werden,
    - die aufgeführten Nachteile des Extraktionsverfahrens entfallen ganz, da bei diesem Verfahren nicht die Veränderung des Flüssigkeits-Flüs­sigkeitsgleichgewichts, sondern das der Gas-/Dämpfe-Flüssigkeitsge­wichts ausgenutzt wird.

    [0018] Insgesamt wird der Apparate- und Maschinenaufwand erheblich reduziert.

    Beispiel 1:



    [0019] In einer Hydrieranlage wurde der anfallende Rückstand versuchsweise durch die im Bild 2 dargestellte Strippanlage behandelt.

    [0020] Der mit ca. 420 °C anfallende Hydrierrückstand 11 (ein Feststoff-As­phaltgemisch mit ca. 40 % Öl < 500 °C siedend) wird von 40 bar auf 10 bar im Behälter 1 entspannt.

    [0021] Prozeßbedingt fällt im vorgeschalteten Prozeß ein H₂-reiches Entspan­nungsgas 14 an, das im Ofen 5 auf 450 °C erwärmt und in den Sumpf des Entspannungsbehälters 1 gefahren wird.

    [0022] Das Entspannungsgas geht mit dem abgestrippten Öl über Kopf des Behälters als Strom 15 und wird im Kühler 9 auf 30 °C abgekühlt. Dabei konden­siert das abgestrippte Öl. Im Behälter 3 wird dieses Öl 17 von Ent­spannungsgas 16 getrennt.

    [0023] Der Rückstand 12 wird standgeregelt aus dem Behälter 1 ausgeschleußt. Die Rückstandsqualität wird durch Erhöhung oder Senkung der Entspannungs­gastemperatur nach dem Ofen eingestellt.

    [0024] In nachfolgenden Tabellen 1 u. 2 (siehe Anlage 1) ist die Produktqualität und die Rückstandsqualität beim Betrieb einer Vakuumkolonne und einer Strippanlage gegenübergestellt.

    [0025] Die Ergebnisse zeigen, daß unter den Versuchsbedingungen gleichwertige Produkte und Rückstandsqualitäten erzeugt werden können.

    Beispiel für eine Prozeßanlage:



    [0026] Eine Rückstands-Strippanlage für einen Produktionsprozeß würde 1- oder mehrstufig mit Wärmerückgewinnung ausgeführt werden. Zur Darstellung wird als Beispiel eine zweistufige Strippanlage beschrieben (s. Bild 3).

    [0027] Der aufzuarbeitende Rückstand 11 gelangt über einen Wärmetauscher im Gegenstrom zum aufgearbeiteten Rückstand 26 und einem Ofen 24 in den ersten Strippbehälter 1 . Hier wird in dem Sumpf das im Wärmetau­scher 7 und Ofen 5 aufgewärmte Strippgas 14 geleitet.

    [0028] Das mit Öl angereicherte Strippgas 15 verläßt über Kopf den ersten Strippbehälter 1 und wird in den Wärmetauscher 7 und den Kühler 9 soweit abgekühlt, daß das Öl im Behälter 3 kondensiert. Das Konden­sat 17 wird standgeregelt abgefahren. Das verbleibende Strippgas 16 geht druckgeregelt in die zweite Stufe.

    [0029] Der jetzt teilweise entölte Rückstand 12 gelangt über ein Standregel­ventil in den zweiten Strippbehälter 2 . Das Strippgas aus der ersten Stufe 19 wird wieder über einen Wärmetauscher 8 und einen Ofen 6 in den Sumpf des Strippbehälters 2 geleitet. Ggf. können hier noch andere Prozeßgase 18 eingeleitet werden.

    [0030] Das ölhaltige Strippgas 20 verläßt über Kopf den Behälter 2 und wird im Wärmetauscher 8 und im Kühler 10 soweit abgekühlt, daß das Öl im Behälter 4 kondensiert. Dieses Kondensat 22 wird standgeregelt dem Öl aus der ersten Stufe 17 beigemischt und verläßt als Produkt 23 die Anlage.

    [0031] Der entölte Rückstand 13 wird im Wärmetauscher 25 abgekühlt.

    [0032] Wenn in ausreichender Menge Prozeßgase zum Strippen vorhanden sind 14 , 18 wird das Strippgas aus dem Kondensatbehälter 4 druckgeregelt 21 zur Gasaufbereitung ausgeschleust. Ansonsten würde ein Kompressor 27 das Gas wieder zur ersten Strippstufe transportieren. Die Anlage würde somit als Kreisprozeß betrieben. Dadurch sind ausschließlich die Stripp­gasverluste in 14 abzudecken.

    Anlage 1 Versuchsergebnisse zu Bild 2



    [0033] 
    Tabelle 1
    Vergleich der Siedelagen der Produktöle
    Vol.-% Vakuumflash Strippkondensat
      Temperatur
    0 212 193
    10 242 261
    20 256 285
    30 270 302
    40 289 316
    50 291 333
    60 299 350
    70 314 365
    80 333 385
    90 356 417
    100 435 504
    Dichte (kg/m³) 968 1.009
    Feststoffgehalt (Gew.-%) 0,03 0,02
    Tabelle 2
    Vergleich der Rückstandsqualitäten
      Vakuumkolonne Strippung
    Viskosität (Pa s) 0,62 0,522
    Fließgrenze (Pa) 16 27
    Asche (Gew.-%) 13 21
    Erweichungspunkt (°C) 159 160
    Feststoffe (Gew.-%) 44 43
    Festoffe u. Asphaltene (Gew.-%) 56 55



    Ansprüche

    1. Verfahren zur Hydrierung von Kohle, Schweröl, Bitumen oder dergleichen bei Temperaturen zwischen 250 und 550oC, vorzugsweise zwischen 380 und 480oC und Drücken zwischen 50 und 700 bar, vorzugsweise zwischen 100 und 325 bar, Abscheidung des Heißschlammes, insbesondere bei Temperauren unter­halb der Hydriertemperatur, wobei der Heißabschlamm mit Gas gestrippt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die erforderliche Partikaldruckveränderung der Dämpfe zur Abtrennung der Produkte durch das eingesetzte Gas erzeugt wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Verdampfungs­wärme mit der Eintrittstemperatur der Flüssigkeit und/oder mit der Ein­trittstemperatur des Gases bereitgestellt wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß im Stripp­behälter eine Temperatur zwischen 250 bis 600 oC und/oder ein Druck von 1 bis 150 bar herrscht.
     




    Zeichnung