(19)
(11) EP 0 418 506 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
27.03.1991  Patentblatt  1991/13

(21) Anmeldenummer: 90114203.4

(22) Anmeldetag:  25.07.1990
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C21D 1/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE DE IT SE

(30) Priorität: 18.08.1989 DE 3927276

(71) Anmelder: SMS SCHLOEMANN-SIEMAG AKTIENGESELLSCHAFT
D-40237 Düsseldorf (DE)

(72) Erfinder:
  • Meyer, Meinert
    D-4006 Erkrath (DE)
  • Plociennik, Uwe
    D-4030 Ratingen (DE)
  • Albedyhl, Manfred
    D-4020 Mettmann (DE)

(74) Vertreter: Müller, Gerd, Dipl.-Ing. et al
Patentanwälte Hemmerich-Müller-Grosse Pollmeier-Valentin-Gihske Hammerstrasse 2
57072 Siegen
57072 Siegen (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zum Härten von Stahl mit Hilfe flüssiger Kühlmedien


    (57) Mit den bisher bekannten Verfahren zum Härten von Stahl mit Hilfe von flüssigen Kühlmedien wird auch bei Stahlstäben mit geringen Stabdurchmessern eine nur geringe, auf die Randzone bezogene Einhärtungstiefe erreicht. Demgegenüber wird mit der eigenen Erfindung nicht nur eine erhebliche Steigerung der Einhärtungstiefe, sondern auch ein vollständiges Durchhärten insbesondere von stabförmigen Walzprodukten bis zu 70 mm Durchmesser in besonders einfacher Weise dadurch ermöglicht, daß das Walzprodukt aus Stahl unmittelbar nach dem Walzprozeß einer mit Kühlmedien versehenen Kühlstrecke zugeführt und darin hohen Strömungsgeschwindigkeiten ausgesetzt wird, wobei zweckmäßigerweise die Strömungsgeschwindigkeiten in der Kühlstrecke so hoch sind, daß Wärmeübergangszahlen größer oder gleich 50000 W/m²/K erzeugt werden und darin so lange gekühlt wird, bis die Durchschnittstemperatur des Walzgutquerschnittes unterhalb der MS-Temperatur liegt, so daß nach Verlassen der Kühlstrecke durch den Temperaturausgleich über den Querschnitt der im Kern noch vorliegende Austenit in Zwischenstufengefüge (Bainit) umgewandelt wird, während gleichzeitig in der martensitischen Randzone durch Wiederansteigen der Temperatu bis auf maximal MS-Temperatur ein großer Teil der sich überlagernden Wärme- und Umwandlungsspannungen abgebaut wird.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Härten von Stahl mit Hilfe flüssiger Kühlmedien, insbesondere zum Härten von stabförmigen Walzprodukten aus legiertem und unlegiertem Vergütungsstahl mit verhältnismäßig großen Durchmessern, und zwar unmittelbar im Anschluß an den Walzprozeß.

    [0002] Aus der deutschen Patentschrift 24 26 920 ist ein Verfahren zum Herstellen von schweißbarem Stabstahl aus einem Stahl mit niedrigem Kohlenstoffgehalt bekannt, gemäß dem das Walzgut unmittelbar nach dem letzten Walzprozeß einer einmaligen oder auch mehrmaligen Wasserkühlung und daran anschließenden Abkühlung an ruhender Luft unterzogen wird. Durch dieses einmalige oder auch mehrmalige Abkühlen des stabförmigen Walzgutes im Wasser und in ruhender Luft soll eine Verbesserung des Mikrogefüges, insbesondere ein ausreichendes Anlassen des Härtungsgefüges in der Randzone des Stabstahles und eine Umwandlung zu einem Mikrogefüge mit höherer Festigkeit im Stabstahlkern erzielt werden. Dieses bekannte Verfahren zum Herstellen von schweißbarem Stabstahl erfordert auf Grund der mehrmaligen, aufeinanderfolgenden Abkühlprozesse im Wasser und in der Luft nicht nur einen verhältnismäßig hohen Energie-, Zeit- und Kostenaufwand, sondern es kann mit diesem Verfahren auch bei Stahlstäben mit geringen Stabdurchmessern (z. B. 10-20 mm) nur eine geringe, auf die Randzone bezogene Einhärtungstiefe erreicht werden. Darüber hinaus ist dieses Verfahren auf die Herstellung von schweißbarem Stabstahl mit niedrigem Kohlenstoffgehalt beschränkt.

    [0003] Demgegenüber besteht die Aufgabe der Erfindung darin, ein Verfahren zum Härten von Stahl zu schaffen, das nicht nur eine erhebliche Steigerung der Einhärtungstiefe in den Stahl von beliebiger Beschaffenheit und von beliebig großer Dimensionierung ermöglicht, sondern das auch ein Durchhärten insbesondere von stabförmigen Walzprodukten aus Stahl mit verhältnismäßig großen Durchmessern in einfacher Weise ermöglicht.

    [0004] Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, daß das Walzprodukt aus Stahl unmittelbar nach dem Walzprozeß einer mit Kühlmedien versehenen Kühlstrecke zugeführt und darin hohen Strömungsgeschwindigkeiten ausgesetzt wird. Dadurch, daß das Walzprodukt in der Kühlstrecke, die beispielsweise als langgestreckter Trog oder als langgestreckte Rinne ausgebildet sein kann, hohen Strömungsgeschwindigkeiten ausgesetzt wird, wird die Außenfläche des Walzproduktes in Bruchteilen von Sekunden mit ständig neuem Kühlmedium zusammengebracht und dadurch die Wärmeabfuhr und die damit verbundene Abkühlgeschwindigkeit des Walzproduktes ganz wesentlich beschleunigt.

    [0005] Nach einer besonders vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung sind die Strömungsgeschwindigkeiten in der Kühlstrecke so hoch, daß Wärmeübergangszahlen größer oder gleich 50000 W/m²/K erzeugt werden und darin so lange gekühlt wird, bis die Durchschnittstemperatur des Walzgutquerschnittes unterhalb der MS-Temperatur liegt, so daß nach Verlassen der Kühlstrecke durch den Temperaturausgleich über den Querschnitt der im Kern noch vorliegende Austenit in Zwischenstufengefüge (Bainit) umgewandelt wird, während gleichzeitig in der martensitischen Randzone durch Wiederansteigen der Temperatur bis auf maximal MS-Temperatur ein großer Teil der sich überlagernden Wärme- und Umwandlungsspannungen abgebaut wird. Auf diese Weise wird mit großem Vorteil die Gefahr von Rißbildung vermieden.

    [0006] Besonders zweckmäßig wird das Walzprodukt in der Kühlstrecke so lange gekühlt, bis die Temperatur des gesamten Querschnitts unterhalb der MS-Temperatur liegt, so daß auch die Kernzone martensitisch wird.

    [0007] In weiterer Ausgestaltung der Erfindung ist vorgesehen, daß das durchgehärtete Walzprodukt in einer zusätzlichen Wärmebehandlung auf eine für die Weiterverarbeitung erforderliche Temperatur angelassen wird.

    [0008] Das Härten von Stahl kann in vorteilhafter Weise gemäß der Erfindung entweder so erfolgen, daß das Walzprodukt mit hoher Geschwindigkeit durch das in der Kühlstrecke befindliche Kühlmedium transportiert wird, oder aber daß das Walzprodukt in das in der Kühlstrecke befindliche Medium eingetaucht und das Kühlmedium mit hoher Geschwindigkeit - das Walzprodukt allseitig umspülend - durch die Kühlstrecke bewegt wird. Mit beiden Methoden kann dieselbe Kühlwirkung und Durchhärtung des Stahls gemäß der Erfindung erreicht werden. Es ist lediglich von Fall zu Fall, und zwar insbesondere bei bestehenden Anlagen und Walzwerken, zu entscheiden, welche Härtemethode am schnellsten und einfachsten in den Materialfluß der bereits vorhandenen Walzwerke und Nachbehandlungsanlagen integriert werden kann.

    [0009] Vorzugsweise wird gemäß der Erfindung als Kühl- und Abschreckmedium zum Härten von Stahl Wasser mit hoher Effektivität verwendet. Selbstverständlich besteht aber auch die Möglichkeit, anstatt Wasser als Kühl- und Abschreckmedium andere Flüssigkeiten wie öl, Eiswasser, Salzlösungen oder dergleichen zum Härten von Stahl einzusetzen, man wird aber auf diese Kühl- und Abschreckmedien zum Härten von Stahl nur in Sonderfällen zurückgreifen, und zwar dann, wenn das Wasser als Kühl- und Abschreckmedium nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt.

    [0010] Weitere Einzelheiten, Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachstehenden Erläuterung eines an Hand von Diagrammen dargestellten Ausführungsbeispieles, wobei ein Stabstahl der Qualität 34 CrMo 4 mit einem Durchmesser von 70 mm der erfindungsgemäßen Kühl- bzw. Wärmebehandlung, d. h. einer Vergütung aus der Walzhitze unterzogen wird.

    Figur 1 zeigt dabei als Diagramm die Abkühlkurven des Stabstahles im Kern (K), an der Oberfläche (O) sowie die mittlere Querschnittstemperatur (M), ausgehend von einer Walztemperatur von 1050 Grad Celsius, wobei der fertig gewalzte Stabstahl sodann in einer Wasserkühlstrecke (W) bei Wärmeübergangszahlen von alpha > 50000 W/m²/K über einen Zeitraum von 32 Sekunden behandelt und danach in einer Ausgleichszone (A) an Luft nach weiteren etwa 50 bis 60 Sekunden eine gleiche Temperatur über den gesamten Querschnitt von 380 Grad Celsius aufweist.

    Figur 2 zeigt die Temperaturverläufe über dem Stabquerschnitt als Funktion der Abkühlzeit. Vertikale Schnittlinien bei Radien von 25 und 30 mm entsprechen den Temperaturverläufen bzw. Abkühlkurven in Entfernungen von 10 und 5 mm vom Rand des behandelten Stabstahles (vgl. Abkühlkurven R₁₀ und R₅ in Fig. 3).

    Bei Figur 3 handelt es sich um ein bekanntes kontinuierliches Zeit- Temperatur- Umwandlungs- Schaubild (Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle / II-­108 E) bei einer Austenitisierungstemperatur von 1050 Grad Celsius bei einer Haltedauer von 10 Minuten, aufgeheizt in 2 Minuten, in das die Abkühlkurven der Randzone (R), 5 mm vom Rand (R₅), 10 mm vom Rand (R₁₀) und der Kernzone (K) eingetragen wurden. Mit (AT) ist dabei der Bereich des Austenits bezeichnet, mit (FT) der Bereich der Ferritbildung, mit (PT) der Bereich der Perlitbildung, mit (ZW) der Bereich der Zwischenstufen- Gefügebildung und mit (MT) der Bereich der Martensitbildung. Härtewerte sind als umrandete Zahlen in HRc bzw. HV angegeben. Die übrigen Zahlenangaben im Diagramm beziehen sich bekanntermaßen auf die entsprechenden Gefügeanteile in %. Bei einer Anlaßtemperatur von 380 Grad Celsius (vgl. Fig 1) ergeben sich im Oberfächenbereich des Stabstahles Härtewerte von 44 HRc.

    Figur 4 zeigt die Umwandlung der Kernzone (K) im isothermen ZTU-Schaubild (Austenitisierungstemperatur 1050 Grad C, Haltedauer 5 min, aufgeheizt in 1 min) mit Härtewerten von etwa 40 HRc. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Härte über den Stabquerschnitt zwischen 40 HRc im Kern und ca. 44 HRc an der Oberfläche liegt. Auf diese Weise ergibt sich eine Vergleichmäßigung der Festigkeit über den Querschnitt, die mit herkömmlichen Wärmebehandlungen nicht erreichbar ist.



    [0011] Die erfindungsgemäßen Maßnahmen sind nicht auf das in den Diagrammen dargestellte Ausführungsbeispiel beschränkt. So können beispielsweise, ohne den Rahmen der Erfindung zu verlassen, beliebige legierte und unlegierte Vergütungsstähle erfindungsgemäß behandelt werden. Insbesondere ist auch die Art der Kühlbehandlung und konstruktive Ausgestaltung der Kühlstrecke in Anpassung an den speziellen Einsatzbereich dem Fachmann anheimgestellt. Es ist ferner nach der Erfindung auch möglich, Walzprodukte mit beliebigem Profil oder beliebige andere, vorgeformte, härtbare Produkte aus Stahl der besonderen Kühl- und Wärmebehandlung zu unterziehen. In jedem Fall wird durch die erfindungsgemäßen Maßnahmen eine bisher nicht erreichte, hohe Einhärtungstiefe oder auch eine volle Durchhärtung bis in den Kern des Stahlproduktes mit im Vergleich zu den bekannten Verfahren wesentlich geringerem Energie- und Kostenaufwand erreicht.


    Ansprüche

    1. Verfahren zum Härten von Stahl mit Hilfe flüssiger Kühlmedien, insbesondere zum Härten von stabförmigen Walzprodukten aus legiertem und unlegiertem Vergütungsstahl mit verhältnismäßig großen Durchmessern, und zwar unmittelbar im Anschluß an den Walzprozeß, dadurch gekennzeichnet, daß das Walzprodukt aus Stahl unmittelbar nach dem Walzprozeß einer mit Kühlmedien versehenen Kühlstrecke zugeführt und darin hohen Strömungsgeschwindigkeiten ausgesetzt wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Strömungsgeschwindigkeiten in der Kühlstrecke so hoch sind, daß Wärmeübergangszahlen größer oder gleich 50000 W/m²/K erzeugt werden und darin so lange gekühlt wird, bis die Durchschnittstemperatur des Walzgutquerschnittes unterhalb der MS-Temperatur liegt, so daß nach Verlassen der Kühlstrecke durch den Temperaturausgleich über den Querschnitt der im Kern noch vorliegende Austenit in Zwischenstufengefüge (Bainit) umgewandelt wird, während gleichzeitig in der martensitischen Randzone durch Wiederansteigen der Temperatur bis auf maximal MS-Temperatur ein großer Teil der sich überlagernden Wärme- und Umwandlungsspannungen abgebaut wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Walzprodukt in der Kühlstrecke so lange gekühlt wird, bis die Temperatur des gesamten Querschnitts unterhalb der MS-Temperatur liegt, so daß auch die Kernzone martensitisch wird.
     
    4. Verfahren nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß das durchgehärtete Walzprodukt in einer zusätzlichen Wärmebehandlung auf eine für die Weiterverarbeitung erforderliche Temperatur angelassen wird.
     
    5. Verfahren nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß als Kühlmedium Wasser eingesetzt wird.
     
    6. Verfahren nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 5, gekennzeichnet durch die Behandlung von stabförmigen Vergütungsstählen mit Durchmessern bis zu 70 mm.
     




    Zeichnung
















    Recherchenbericht