[0001] Die Erfindung bezieht sich auf eine Formgedächtnislegierung für wiederholte Anwendungen,
die keine Edelmetalle enthält.
[0002] Für kommerzielle Anwendungen, welche durch den Verzicht auf Edelmetalle als Legierungsbestandteile
gekennzeichnet sind, stehen bisher im allgemeinen nur Formgedächtnislegierungen der
Systeme NiTi, CuZnAl und CuAlNi zur Verfügung.
[0003] NiTi-Formgedächtnislegierungen haben bekanntlich hervorragende Eigenschaften. Sie
zeichnen sich bei nahezu stöchiometrischer Zusammensetzung durch einen besonders hohen
Betrag der reversiblen Verformung im Einweg- und Zweiwegeffekt, durch eine hohe Zugfestigkeit
und Duktilität sowie durch eine sehr gute Korrosionsbeständigkeit aus. Außerdem besitzen
diese Formgedächtnislegierungen eine hervorragende Stabilität der Effektgröße gegenüber
thermischen Zyklen. Zusätzlich können sie verhältnismäßig weit über die Temperatur
A
f (Temperatur des Abschlusses der Austenitbildung) erhitzt werden, ohne daß schädliche
irreversible Gefügeänderungen eintreten, welche die Größe des Formgedächtniseffektes
vermindern oder die Umwandlungstemperatur ungewollt verschieben.
[0004] Zur Nutzung des Zweiwegeffektes sollte die A
s-Temperatur (Temperatur des Beginns der Austenitbildung) verhältnismäßig hoch liegen,
beispielsweise bei Temperaturen oberhalb von 100°C. Die mit NiTi-Formgedächtnislegierungen
maximal erreichbaren A
s-Temperaturen für wiederholte Anwendungen liegen jedoch unter 100°C.
Im nachfolgenden wird dabei als in Betracht kommende A
s-Temperatur diejenige A
s-Temperatur bezeichnet, die sich nach mehreren thermischen Zyklen einstellt.
[0005] In der Literatur wird die Zugabe von Zirkonium als drittes Element, das Titan substituieren
soll, zur Erhöhung der Umwandlungstemperatur angegeben. Eckelmeyer (Scripta Met.
10 (1976), S. 667-672) beschreibt den Einfluß von bis zu 2 At.-% Zr, die anstelle von
Ti zugesetzt werden. Die Umwandlungstemperatur beim Aufheizen soll demnach um etwa
42°C/At.-% Zr ansteigen. Die höchsten gemessenen A
s-Temperaturen-Werte liegen bei etwa 105°C für den Einwegeffekt (bei 2 At.-% Zr), wobei
nicht deutlich erkennbar ist, ob A
s, A
f oder ein Mittelwert gemessen wurde. Die in Rede stehende Veröffentlichung enthält
im übrigen keinen Hinweis auf Legierungen mit höheren Zr-Gehalten als 2 At.-%.
[0006] Kleinherenbrink und Beyer (Conference: The martensitic transformation in science
and technology, Bochum, FRG, 9.-10.3.1989) haben in Anlehnung an die zuvor beschriebenen
Arbeiten Formgedächtnislegierungen mit bis zu 1,5 At.-% Zr untersucht. Es konnte keine
erhöhte Umwandlungstemperatur gemessen werden, d.h. das Ergebnis der erstgenannten
Veröffentlichung konnte nicht bestätigt werden.
[0007] Zur Zeit kommen für wiederholte Anwendungen im kommerziellen Bereich bei A
s-Temperaturen über 100°C nur Formgedächtnislegierungen des Systems CuAlNi in Frage
(Duerig, Albrecht, Gessinger: A Shape memory alloy for high-temperature applications.
Journal of metals
34 (1982), S. 14-20). Mit diesen sind A
s-Temperaturen bis zu 175°C realisierbar, allerdings unter Inkaufnahme gravierender
Nachteile. So beträgt der maximale Zweiwegeffekt nur 1,2 %, die Bruchdehnung ist mit
5 bis 7 % niedrig und die Überhitzbarkeit deutlich geringer als bei NiTi-Formgedächtnislegierungen.
Ungünstig für wiederholte Anwendungen ist die geringe Effektstabilität: Eine deutliche
Abnahme der Größe der reversiblen Verformung tritt schon nach wenigen hundert Temperatur-Zyklen
auf.
[0008] Auf der Basis von NiTi konnte bisher keine kommerziell einsetzbare Formgedächtnislegierung
mit einer A
s-Temperatur von mehr als 100°C gefunden werden, obwohl wegen der günstigen Eigenschaften
derartiger Legierungen erhebliche, in diese Richtung zielende Anstrengungen unternommen
worden sind.
[0009] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Formgedächtnislegierung auf NiTi-Basis
vorzuschlagen, die bei einer A
s-Temperatur von mehr als 100°C gute Werte für den Zweiwegeffekt, die Bruchdehnung,
die Überhitzbarkeit und die reversible Verformung aufweist.
[0010] Die Aufgabe wird durch eine Formgedächtnislegierung mit A
s-Temperaturen über 100°C gelöst, die aus 41,5 bis 54 At.-% Ni, 24 bis 42,5 At.-% Ti
und 7,5 bis 22 At.-% Zr besteht.
[0011] Diese Formgedächtnislegierung kann dadurch vorteilhaft weitergebildet sein, daß sie
noch bis zu 8,5 At.-% Cu (also zwischen 0 und 8,5 At.-% Cu) enthält.
[0012] Die in Rede stehenden Formgedächtnislegierungen werden in bekannter Weise aus geeigneten
Startschmelzen oder Vorlegierungen durch Umschmelzen im Vakuuminduktionsofen unter
Argonatmosphäre in Graphittiegeln gewonnen; die Startschmelzen oder Vorlegierungen
sind dabei derart zusammengesetzt, daß eine Reaktion mit dem Graphittiegel weitgehend
unterdrückt wird.
Entgegen den Erwartungen wurde festgestellt, daß Formgedächtnislegierungen des angesprochenen
Zusammensetzungsbereichs Formgedächtniseigenschaften mit gegenüber binären NiTi-Formgedächtnislegierungen
deutlich höheren Umwandlungstemperaturen aufweisen.
[0013] Die Formgedächtnislegierungen sind dabei duktil und lassen sich bei Raumtemperaturen
verformen, sofern sie aufgrund ihrer Zusammensetzung ein einphasiges Gefüge besitzen.
Die Grenze für die Konzentration der intermetallischen Phase NiTiZr bzw. NiTiZrCu
bei den gewählten Herstellbedingungen folgt ungefähr dem Gesetz Ni (At.-%) = 50,8
+ 0,045 Zr (At.-%) für den Fall der ternären Legierungen bzw. Ni + Cu (At.-%) = 50,8
+ 0,045 Zr (At.-%) für den Fall der quaternären Legierungen.
[0014] Im Rahmen der Erfindung lassen sich Formgedächtnislegierungen mit vorteilhaften Eigenschaften
auch in der Weise ausgestalten, daß sie innerhalb der mit den Ansprüchen 1 und 2 vorgegebenen
Zusammensetzungsbereiche 24 bis 34 At.-% Ti und 16 bis 22 At.-% Zr (Anspruch 3) bzw.
24 bis 30 At.-% Ti und 20 bis 22 At.-% Zr (Anspruch 4) enthalten.
[0015] Bei einem Zr-Anteil in Höhe von 16 At.-% liegt die A
s-Temperatur oberhalb von 120°C, bei einem Zr-Anteil in Höhe von 20 At.-% oberhalb
von 145°C.
[0016] Die Formgedächtnislegierung gemäß Anspruch 1 und 2 kann dadurch vorteilhaft weitergebildet
sein, daß der (Ni+Cu)-Anteil 47 bis 50 At.-% (Anspruch 5) bzw. 48 bis 49,5 At.-% (Anspruch
6) bzw. 48,5 bis 49 At.-% (Anspruch 7) ausmacht.
[0017] Innerhalb der im übrigen geltenden Zusammensetzungsbereiche (Ansprüche 1 und 5 bis
7) kann der Zr-Anteil in der Weise abgeändert sein, daß er zwischen 10 und 19 At.-%
(Anspruch 8) bzw. zwischen 14 und 18 At.-% (Anspruch 9) beträgt.
[0018] Eine Formgedächtnislegierung mit besonders günstigen Eigenschaften läßt sich dabei
dadurch herstellen, daß die Zusammensetzungsbereiche in der mit den Ansprüchen 1,
7 und 9 umschriebenen Weise bemessen werden. Eine derartige Formgedächtnislegierung
weist also die folgende Zusammensetzung auf: 48,5 bis 49 At.-% Ni; 24 bis 42,5 At.-%
Ti und 14 bis 18 At.-% Zr.
[0019] Die für das Element Zr beschriebene Eigenschaft, mit Ni und Ti eine Formgedächtnislegierung
mit erhöhter Umwandlungstemperatur oberhalb von 100°C zu bilden, trifft auch für dem
Zr ähnliche Elemente wie insbesondere Hf zu. Im Rahmen der erfindungsgemäßen Lehre
kann also ggf. Zr durch Hf und diesem ähnliche Elemente ersetzt werden.
[0020] In den nachfolgenden Tabellen 1 und 2 sind beispielhaft erfindungsgemäße Formgedächtnislegierungen
mit ihren A
s-Temperaturen aufgelistet.
[0021] In Tabelle 2 ist außerdem ein Beispiel einer binären NiTi-Formgedächtnislegierung
angegeben, deren A
s-Temperatur erwartungsgemäß unterhalb von 100°C liegt.
[0022] Die Ausführungsbeispiele in Tabelle 1 und 2 lassen erkennen, daß die A
s-Temperaturen mit zunehmendem Zr-Anteil ansteigen: Bei mehr als 16 At.-% Zr liegt
die A
s-Temperatur oberhalb von 120°C, bei mehr als 20 At.-% Zr höher als 150°C.
[0023] Neben den Umwandlungstemperaturen A
s und A
f stellt die Größe des Formgedächtniseffektes, d.h. der Umfang der reversiblen Verformung,
ein weiteres wichtiges Merkmal dar.
Da der Formgedächtniseffekt mit zunehmendem Zr-Anteil absinkt, weisen die in den Tabellen
angegebenen Formgedächtnislegierungen - mit Rücksicht auf die geschilderte gegenläufige
Tendenz der Eigenschaften - nur zum Teil Zr-Anteile in der Größenordnung um 20 At.-%
auf.
[0024] Vorlegierungen der beanspruchten Zusammensetzung werden im Knopfofen erstellt und
im Vakuuminduktionsofen unter Argonatmosphäre in Graphittiegeln zu zylinderförmigen
Proben umgeschmolzen. Die in den Tabellen angegebenen Umwandlungstemperaturen A
s und A
f sind kalorimetrisch an den Proben im Gußzustand nach mehreren thermischen Zyklen
ermittelt worden.
[0025] Unter Umständen lassen sich höhere Umwandlungstemperaturen A
s und A
f als in den beiden Tabellen angegeben verwirklichen, falls - bei im übrigen unveränderter
Zusammensetzung der Formgedächtnislegierung - das Element Zr durch Hf ersetzt wird.
Diese Wirkung tritt in jedem Fall bei Formgedächtnislegierungen auf, welche einen
Hf-Prozentsatz in der Größenordnung von 14 bis 17 At.-% aufweisen.
Tabelle 1
| Zusammensetzung von NiTiZrCu-Legierungen (in At.-%) (Rest: interstitielle und herstellspezifisch
bedingte Verunreinigungen) und ihre Umwandlungstemperaturen (in °C) |
| Nr.: |
Ni |
Ti |
Zr |
Cu |
As |
Af |
| 1 |
47,2 |
39,8 |
10,8 |
1,9 |
102 |
142 |
| 2 |
45,2 |
34,8 |
16,3 |
3,5 |
125 |
152 |
| 3 |
43,1 |
31,2 |
20,1 |
5,4 |
158 |
210 |
| 4 |
42,5 |
39,9 |
11,1 |
6,3 |
100 |
134 |
| 5 |
41,5 |
34,1 |
16,1 |
8,1 |
122 |
146 |
Tabelle 2
| Zusammensetzung von NiTiZr-Legierungen (in At.-%) (Rest: interstitielle und herstellspezifisch
bedingte Verunreinigungen) und ihre Umwandlungstemperaturen (in °C) |
| Nr |
Ni |
Ti |
Zr |
As |
Af |
| 1 |
49,1 |
50,8 |
0 |
85 |
116 |
| 2 |
47,9 |
37,9 |
14,0 |
122 |
165 |
| 3 |
48,9 |
40,1 |
10,8 |
108 |
152 |
| 4 |
48,8 |
34,9 |
16,1 |
132 |
180 |
| 5 |
48,6 |
31,0 |
20,2 |
170 |
230 |
1. Formgedächtnislegierung mit As-Temperaturen über 100°C, bestehend aus 41,5 bis 54 At.-% Ni, 24 bis 42,5 At.-% Ti
und 7,5 bis 22 At.-% Zr.
2. Formgedächtnislegierung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß diese noch
bis zu 8,5 At.-% Cu enthält.
3. Formgedächtnislegierung nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß
sie 24 bis 34 At.-% Ti und 16 bis 22 At.-% Zr enthält.
4. Formgedächtnislegierung nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß
sie 24 bis 30 At.-% Ti und 20 bis 22 At.-% Zr enthält.
5. Formgedächtnislegierung nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß
sie 47 bis 50 At.-% Ni + Cu enthält.
6. Formgedächtnislegierung nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß
sie 48 bis 49,5 At.-% Ni + Cu enthält.
7. Formgedächtnislegierung nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß
sie 48,5 bis 49 At.-% Ni + Cu enthält.
8. Formgedächtnislegierung nach zumindest einem der Ansprüche 1 und 5 bis 7, dadurch
gekennzeichnet, daß sie 10 bis 19 At.-% Zr enthält.
9. Formgedächtnislegierung nach zumindest einem der Ansprüche 1 und 5 bis 7, dadurch
gekennzeichnet, daßsie 14 bis 18 At.-% Zr enthält.