[0001] Die Erfindung betrifft einen phlegmatisierten, hochenergetischen Sprengstoff, z.
B. Hexogen (RDX), Oktogen (HMX) oder dergleichen, als Bestandteil von NC- oder kunststoffgebundenen
Treibladungspulvern (Lova-TLP) oder von kunststoffgebundenen Sprengstoffen (PBX)
sowie Verfahren zu dessen Herstellung.
[0002] Bei Treibladungspulvern, wie auch bei kunststoffgebundenen Sprengstoffen ist es bekannt,
als wesentliche Komponente hochenergetische Sprengstoffe, wie Hexogen, Oktogen oder
dergleichen, beizumischen. Hexogen und Oktogen zeichnen sich durch eine für ihren
Einsatz bestimmende hohe Energie tzw. Brisanz aus, die jedoch für die Verarbeitung
erhebliche Probleme mit sich bringt. Die hohe Reib- und Schlagempfindlichkeit führt
zu einem entsprechend hohen Sicherheitsrisiko. Dieses Sicherheitsrisiko ist um so
höher, je breiter die Kornverteilung und je größer der Grobkornanteil ist, da es dann
beispielsweise in einem Treibladungspulver zu Einzelkorn-Detonationen kommen kann.
Solche Einzelkorn-Detonationen sind auch in der Anwendung, insbesondere bei Einsatz
in Lova-TLP unerwünscht. Der Grobkornanteil führt beispielsweise bei TLP-Abbrandunterbrechungen
zu Lochbrand, wodurch sich die Geometrie des Treibladungskörpers unkontrolliert verändert
und somit das Abbrandverhalten und die Ballistik negativ beeinflußt werden.
[0003] Um das sicherheitstechnische Risiko bei der Verarbeitung und die anwendungstechnischen
Nachteile zu reduzieren, ist es bekannt, diese hochenergetischen Sprengstoffe zu phlegmatisieren
(DE-OS 37 11 995). Zu diesem Zweck wird der Sprengstoff angefeuchtet und beispielsweise
in einem Zwangsmischer unter gleichzeitiger Erwärmung mit Wachs überzogen. Ferner
ist es bekannt, den körnigen Sprengstoff in einem Kneter oder Mischer mit einem in
flüssiger Phase vorliegenden Phlegmatisator zu überziehen. Zu diesem Zweck wird der
eigentliche Phlegmatisator mit einem Lösungsmittel gelöst, gegenüber welchem der Sprengstoff
nicht oder nur wenig löslich ist. Der körnige Sprengstoff wird in die Lösung nahe
deren Siedetemperatur eingemischt.
[0004] Nach dem Abzug des Lösungsmittels und der eventuell noch vorhandenen Wasserfeuchtigkeit
wird im gleichen Mischer granuliert. Dies geschieht im Rahmen einer sogenannten Aufbaugranulierung,
indem bei einer Kornverteilung zwischen 1 und 100 µm der Kornanteil bis 50 µm gesondert
granuliert und agglomeriert sowie mit einer gemeinsamen Phlegmatisatschicht überzogen
wird, während gröberes Korn einzeln mit dem Phlegmatisator überzogen werden. Im Falle
von Hexogen (RDX) wird als Phlegmatisator ein Wachs vorgeschlagen, das in Perchlorethylen
gelöst wird. Ferner wird Graphitpulver zugegeben, das gleichfalls eine phlegmatisierende
Wirkung hat, insbesondere elektrostatischen Aufladungen vorbeugt.
[0005] Ein solchermaßen hergestellter hochenergetischer Sprengstoff weist eine breite Kornverteilung
mit einem hohen Anteil von Grobkorn auf, das die vorgenannten Nachteile bei der Verarbeitung
und der Anwendung zeigt. Die auf diese bekannte Weise hergestellten Sprengstoffe lassen
sich insbesondere nicht bei der ansonsten sehr vorteilhaften Verarbeitung von Treibladungspulvern
und Sprengstoffmischungen in Extrudern, insbesondere Doppelschnecken-Extrudern (twin
screw extruder) zusetzen, da das Sicherheitsrisiko zu groß ist.
[0006] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Sprengstoffe der eingangs genannten Art
vorzuschlagen, die sich bei einem erheblich reduzierten Sicherheitsrisiko, insbesondere
auch in einem Extruderprozeß verarbeiten lassen und die ferner zu einem besseren Abbrandverhalten,
vor allem auch nach Abbrandunterbrechung, führen. Ferner soll mit der Erfindung ein
Verfahren zur Herstellung solcher Sprengstoffe geschaffen werden.
[0007] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß der Sprengstoff eine Korngröße
bis zu 5 µm aufweist und daß der Phlegmatisator in das Sprengstoffkern eingebaut ist.
[0008] Praktisch Versuche haben gezeigt, daß ein solchermaßen aufgebauter Sprengstoff sich
ohne weiteres als eine Komponente in der Formulierung von Sprengstoffmischungen bzw.
Lova-TLP im Extruderverfahren einziehen läßt, ohne daß es beim Extrudieren zu Gefährdungen
oder Schäden kommt. Auch zeigen PBX bzw. Lova-TLP mit einem im Korngrößenspektrum
derart eingeengten hochenergetischen Sprengstoff eine geringere Reib- und Schlagempfindlichkeit
sowie ein wesentlich gleichmäßigeres Abbrandverhalten.
[0009] Vorzugsweise ist vorgesehen, daß der Sprengstoff eine Korngröße zwischen 3 und 5
µm aufweist. Der Phlegmatisator kann mit einem Anteil bis zu 6 %, vorzugsweise mit
einem solchen zwischen 0,3 und 2 % vorliegen.
[0010] In weiterhin bevorzugter Ausführung ist vorgesehen, daß der Phlegmatisator zugleich
eine der Komponenten der Formulierung des TLP oder PBX, z. B. ein Weichmacher für
den in dieser Formulierung enthaltenen Kunststoffbinder, ist.
[0011] Durch diese Maßnahme wird die Formulierung bzw. deren Eigenschaft durch den Phlegmatisator
nicht ungünstig beeinflußt, indem der Phlegmatisator-Anteil in den Gesamtanteil dieses
Zusatzes an der Formulierung einbezogen werden kann.
[0012] Als Phlegmatisator kommt beispielsweise Dibutylphthalat (DBP) in Frage, vorzugsweise
jedoch wird als Phlegmatisator Di-(2-ethylhexyl)-adipat (DOA) eingesetzt.
[0013] Zur Herstellung des vorgenannten Sprengstoffs geht die Erfindung von dem bekannten
Verfahren (DE-OS 37 11 995) aus, in dem die Sprengstoffpartikel (RDX oder HMX) mit
einem Phlegmatisator in flüssiger Phase phlegmatisiert werden. Der phlegmatisierte
Sprengstoff kann dann mit den übrigen Komponenten zu der Formulierung des Lova-TLP
bzw. PBX gemischt werden. Zur Lösung der Erfindungsaufgabe wird vorgeschlagen, daß
der Sprengstoff in gelöstem Zustand und mit dem Phlegmatisator in flüssiger Phase
mit einem Anteil bis zu ca. 6 % gemischt und die Mischung durch Sprühtrocknen in die
feste Phase mit einer Korngröße bis zu 5 µm übergeführt wird.
[0014] Praktische Versuche haben gezeigt, daß die Umsetzung des Sprengstoffs und des Phlegmatisators
in die flüssige Phase und durch anschließendes Sprühtrocknen einerseits eine relativ
enge Kornverteilung bei kleiner Korngröße, andererseits eine einwandfreie Phlegmatisierung
des Einzelkorns erzielt werden kann, wobei die phlegmatisierende Komponente sich nicht
nur außen auf dem Korn bildet, sondern auch in die Kornhohlräume eingebaut und damit
besonders wirksam ist. Die Einengung der Kornverteilung läßt sich problemlos durch
entsprechende Temperaturführung und Mengenregelung sowie unter Verwendung geeigneter
Geometrien für die Zerstäubungsdüse erreichen. Durchsatz, Produkt- und Transportgas-Temperatur
sowie die Düsengeometrie sind entsprechend aufeinander abzustimmen, was durch einfache
Versuche problemlos möglich ist. Außer den erzielbaren positiven Produkteigenschaften
hat dieses Verfahren den großen Vorteil, daß es eine kontinuierliche Herstellung
des phlegmatisierten Sprengstoffs ermöglicht. In Verbindung mit einem daran anschließenden
Extrudieren in einem Doppelschnecken-Extruder, das erst durch die Erfindung gefahrlos
möglich ist, kann sich an die kontinuierliche Herstellung auch eine kontinuierliche
Verarbeitung anschließen.
[0015] Vorzugsweise wird der Sprengstoff mit Dimethylformamid (DMF) oder Dimethylsulfoxid
(DMSO) gelöst, während als Phlegmatisator, wie bereits angedeutet, eine Komponente
der Formulierung des Lova-TLP bzw. PBX, z. B. ein Weichmacher für den Kunststoffbinder
dieser Formulierung, zugegeben wird.
[0016] Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren entfällt ein zusätzliches Befeuchten des Sprengstoffs
mit Wasser und infolgedessen auch das anschließend notwendige Austreiben von Wasser.
Die Lösungsmittel für den Sprengstoff und für den Phlegmatisator lassen sich bei der
Zerstäubungstrocknung problemlos zurückgewinnen, so daß auch eine Umweltbelastung
entfällt.
[0017] Auf die bevorzugten Phlegmatisatoren und deren Anteil sowie das bevorzugte Korngrößenspektrum
ist bereits hingewiesen worden. Im übrigen erfolgt das Sprühtrocknen bei den genannten
Lösungsmitteln vorteilhafterweise bei einer Produkt- Temperatur über 100 Grad Celsius,
jedoch unterhalb der Zersetzungstemperatur der angesprochenen Sprengstoffe. Die Temperatur
der bei der Zerstäubungstrocknung eingesetzten Transportluft kann höher liegen, z.
B. im Bereich von 150 Grad Celsius.
[0018] Die Korngröße und Kornverteilung läßt sich verfahrenstechnisch besonders gut steuern,
wenn die Mischung mittels einer Zwei- oder Mehrstoffdüse zusammen mit Druckluft, Druckgas
oder einer gegenüber der Mischung inerten Flüssigkeit versprüht wird.
[0019] Es wurden folgende Versuche durchgeführt:
Probe 1:
[0020] Hexogen (RDX) wurde in Dimethylformamid (DMF) gelöst und mit 5 % Dibutylphthalat
(DBP) versetzt und die Mischung bei einer Temperatur im Bereich von 110 Grad Celsius
versprüht.
Probe 2:
[0021] Es wurde Hexogen (RDX) wiederum mit Dimethylformamid (DMF) gelöst und mit 5 % Di-(2-ethylhexyl)-adipat
(DOA) bei wiederum 110 Grad Celsius versprüht.
Probe 3:
[0022] Es wurde wieder Hexogen (RDX) in Dimethylformamid (DMF) gelöst, jedoch kein Phlegmatisator
zugegeben und die Sprengstofflösung unter gleichen Bedingungen versprüht.
[0023] In allen vorgenannten Fällen konnte ein Produkt in einem Korngrößenbereich zwischen
3 und 5 µm erhalten werden.
[0024] Nachstehend sind die mit den vorgenannten Proben sowie einer herkömmlichen Hexogen-Probe
gemessenen Sicherheitskenndaten aufgeführt.
Reibempfindlichkeit: |
|
Korngröße |
Reaktion bei |
Probe 1 (mit DBP) |
3 - 5 µm |
14,4 kg |
Probe 2 (mit DOA) |
3 - 5 µm |
20,0 kg |
Probe 3 (ohne Zusatz) |
3 - 5 µm |
12,0 kg |
Hexogen gemahlen (ohne Zusatz) |
10 µm |
13,0 kg |
Schlagempfindlichkeit: |
|
Reaktion bei |
|
Probe 1 |
< 0,2 kgm |
|
Probe 2 |
< 0,2 kgm |
|
Probe 3 |
< 0,2 kgm |
|
Hexogen gemahlen (10 µm) |
0,20 kgm |
|
Hexogen gemahlen (größer 300 µm) |
0,30 kgm |
|
[0025] Die Reib- und Schlagempfindlichkeit wurde nach der BAM-Methode (Bundesanstalt für
Materialprüfung) gemessen (R. Meyer "Explosivstoffe" 6. Auflage, Seite 247/248 und
Seite 254/255, VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, ISBN 3-527-26297-0 und
R. Meyer "Explosives" 3rd edition VCH Publishers, New York/N.Y. 10010-406 (USA) ISBN
0-89573-600-4).
[0026] Die Tabellen lassen erkennen, daß hinsichtlich Reibempfindlichkeit und Schlagempfindlichkeit
die ungünstigsten Werte bei lediglich gemahlenem und nicht phlegmatisiertem Hexogen
auftreten.
1. Phlegmatisierter hochenergetischer Sprengstoff, wie Hexogen (RDX) oder Oktogen
(HMX), als Bestandteil von NC- oder kunststoffgebundenen Treibladungspulver (Lova-TLP)
oder von kunststoffgebundenen Sprengstoffen (PBX), dadurch gekennzeichnet, daß der
Sprengstoff eine Korngröße bis zu 5 µm aufweist und daß der Phlegmatisator in das
Sprengstoffkorn eingebaut ist.
2. Sprengstoff nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Sprengstoff eine Korngröße
zwischen 3 und 5 µm aufweist.
3. Sprengstoff nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Phlegmatisator
mit einem Anteil bis zu 6 % vorliegt.
4. Sprengstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Phlegmatisator
mit einem Anteil von 0,3 bis 2 % vorliegt.
5. Sprengstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Phlegmatisator
zugleich eine der Komponenten der Formulierung des TLP oder PBX, ist.
6. Sprengstoff nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Phlegmatisator zugleich
ein Weichmacher für den Kunststoffbinder des TLP oder PBX ist.
7. Sprengstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß der Phlegmatisator
Dibutylphthalat (DBP) ist.
8. Sprengstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß der Phlegmatisator
Di-(2-ethyl-hexyl)-adipat (DOA) ist.
9. Verfahren zur Herstellung hochenergetischer Sprengstoffe kleiner Korngröße, wie
Hexogen (RDX) oder Oktogen (HMX), als Bestandteil von NC- oder kunststoffgebundenen
Treibladungspulvern (Lova-TLP) oder von kunststoffgebundenen Sprengstoffen (PBX),
indem die Sprengstoffpartikel mit einem Phlegmatisator in flüssiger Phase phlegmatisiert
werden und der phlegmatisierte Sprengstoff mit den übrigen Komponenten zu Lova-TLP
oder PBX gemischt wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Sprengstoff gelöst und mit
dem Phlegmatisator in flüssiger Phase mit einem Anteil bis zu ca. 6 % gemischt und
die Mischung durch Sprühtrocknen in die feste Phase mit einer Korngröße bis zu 5 µm
übergeführt wird.
10. Verfahren nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß der Sprengstoff mit Dimethylformamid
(DMF) oder Dimethylsulfoxid (DMSO) gelöst wird.
11. Verfahren nach Anspruch 9 oder 10, dadurch gekennzeichnet, daß als Phlegmatisator
eine Komponente der Formulierung des Lova-TLP oder PBX verwendet wird.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 9 bis 11, dadurch gekennzeichnet, daß als Phlegmatisator
ein Weichmacher für den Kunststoffbinder des Lova-TLP oder PBX verwendet wird.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 9 bis 12, dadurch gekennzeichnet, daß als Phlegmatisator
Dibutylphthalat (DBP) oder Di-(2-ethylhexyl)-adipat (DOA) verwendet wird.
14. Verfahren nach einem der Ansprüche 9 bis 13, dadurch gekennzeichnet, daß der flüssige
Phlegmatisator mit einem Anteil zwischen 0,3 und 2 % zugegeben wird.
15. Verfahren nach einem der Ansprüche 9 bis 14, dadurch gekennzeichnet, daß das Sprühtrocknen
bei einer Produkt-Temperatur über 100 Grad Celsius und unterhalb der Zersetzungstemperatur
des Sprengstoffs erfolgt.
16. Verfahren nach einem der Ansprüche 9 bis 15, dadurch gekennzeichnet, daß die beim
Sprühtrocknen verwendete Transportluft eine höhere Temperatur als die Produkt-Temperatur
aufweist.
17. Verfahren nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, daß die Transportluft eine
Temperatur von etwa 150 Grad Celsius aufweist.
18. Verfahren nach einem der Ansprüche 9 bis 17, dadurch gekennzeichnet, daß die Mischung
mittels einer Zwei- oder Mehrstoffdüse zusammen mit Druckluft, Druckgas oder einer
gegenüber der Mischung inerten Flüssigkeit versprüht wird.