(19)
(11) EP 0 435 019 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
03.07.1991  Patentblatt  1991/27

(21) Anmeldenummer: 90123087.0

(22) Anmeldetag:  03.12.1990
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C22C 33/02, B22F 3/26
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE ES FR GB IT LI SE

(30) Priorität: 20.12.1989 DE 3942091

(71) Anmelder: Etablissement Supervis
FL-9490 Vaduz (LI)

(72) Erfinder:
  • Leithner, Karl
    A-6830 Rankweil (AT)

(74) Vertreter: Hefel, Herbert, Dipl.-Ing. et al
Egelseestrasse 65a Postfach 61
A-6800 Feldkirch
A-6800 Feldkirch (AT)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Formteil, insbesondere Nocken aus einer gesinterten, pulvermetallurgisch hergestellten Legierung und Verfahren zu seiner Herstellung


    (57) Formteile, insbesondere Nocken für Nockenwellen von Verbrennungskraftmaschinen, sind hohen Verschleißbeanspruchungen ausgesetzt. Um sie verschleißfest zu machen, werden sie aus einer gesinterten, pulvermetallurgisch hergestellten Legierung hergestellt. Die Legierung weist eine gehärtete Matrix mit eingelagertem Kupfer auf und besteht aus 0,5 - 16 Gew.-% Molybdän, 1 - 20 Gew.-% Kupfer, 0,1 - 1,5 Gew.-% Kohlenstoff und gegebenenfalls aus Beimengungen von Chrom, Mangan, Silizium und Nickel von in der Summe max. 5 Gew.-% und aus dem Rest Eisen.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung bezieht sich auf einen Formteil, insbesondere einen Nocken aus einer gesinterten, pulvermetallurgisch hergestellten Legierung für eine baukastenartig zusammengesetzte Nockenwelle für Verbrennungskraftmaschinen sowie auf ein Verfahren zu seiner Herstellung.

    [0002] Die Nocken von Nockenwellen für Verbrennungskraftmaschinen sind einer sehr starken Verschleißbelastung ausgesetzt. Um ihre Aufgabe der Motorsteuerung zu erfüllen, darf der Verschleiß während ihrer gesamten Lebensdauer nicht mehr als einige um betragen. Hierbei müssen auch Lastzyklen unter Mangelschmierung ertragen werden. Die in Literatur und Technik übliche Methode ist die Verwendung von hochkarbidhaltigen Legierungen, die entweder pulvermetallurgisch aus entsprechenden Werkstoffen oder durch schnelles Abschrecken von Gußeisen erzeugt werden. Dadurch können sowohl der abrasive als auch der adhäsive Verschleiß in Grenzen gehalten werden.

    [0003] Neben der mechanischen sind die Nocken auch einer thermischen Belastung ausgesetzt. Daher müssen die Nocken bezüglich Ihrer Härte so beschaffen sein, daß sie diese auch nach einem länger anhaltenden Anlassen aufrechterhalten. Das kann durch Härten und anschließendes Anlassen bei einer Temperatur oberhalb der Betriebstemperatur erreicht werden. Auch unter Betriebsbedingungen, bei denen Mangelschmierung auftritt und die den adhäsiven Verschleiß fördern, sollen die Nocken ein ausgezeichnetes Betriebsverhalten aufweisen.

    [0004] Seit einigen Jahren, insbesondere seit die baukastenartig zusammengesetzten Nockenwellen für Verbrennungskraftmaschinen aufgekommen sind (1, 2), wurde die Auseinandersetzung mit dem Verschleiß im Nocken-Gegenkörper-System intensiviert. Neben Hinweisen, daß der Verschleiß in diesem System empfindlich von der Schmierung (3) und der Endbearbeitung durch Schleifen bzw. Superfinish (4, 5) abhängt, gibt es eine große Zahl von Veröffentlichungen, die das Problem auf der Basis der Werkstoffentwicklung zu lösen versuchen.

    [0005] Für einen erfolgversprechenden Ansatz muß zunächst die Verschleißproblematik dieses Systems analysiert werden. In zahlreichen Veröffentlichungen (3, 6, 7) wird darauf hingewiesen, daß die Erscheinungsbilder des Verschleißesvor allem Polierverschleiß, Pittingbildung und Fressen sind.

    [0006] Der Polierverschleiß ist ein Erscheinungsbild des abrasiven Verschleißes, bei dem durch entsprechend feine Abrasivstoffe ein sehr geringer Abtrag mit kleiner Furchungsbreite vorliegt. Der so verschlissene Nocken erscheint als blank poliert, wobei die Rauheit der verschlissenen Bereiche gewöhnlich wesentlich kleiner als die der ungeschädigten (geschliffenen) Bereiche ist. Der Polierverschleiß kann als Dreikörperverschleiß durch Quarzstaub im Öl verursacht werden. Sand ist einer der häufigsten Abrasivstoffe, die in der Technik auftreten. Da der Polierverschleiß auch unter Versuchsbedingungen auftritt, bei denen eine Verunreinigung des Öls ausgeschlossen werden kann, muß es auch noch einen anderen Mechanismus geben. Offensichtlich kann der Polierverschleiß auch durch einen harten rauhen Gegenkörper gefördert werden, der keine Karbide enthält.

    [0007] Die Pittingbildung ist Folge einer Oberflächenermüdung. Die Druckschwellbeanspruchung der Nockenoberfläche, die durch die Kinematik vorgegeben ist, kann zur lokalen Rißausbreitung führen. Die Risse laufen unterhalb der Oberfläche und schließen sich entweder mit anderen Rissen zusammen oder treten wieder aus der Oberfläche aus. Folge ist die Bildung von relativ großen Verschleißteilchen und Grübchen auf der Oberfläche. Durch Additive im Öl kann diese Verschleißerscheinung gefördert werden (3), wenn die Additive die Rißausbreitung, z.B. durch Herabsetzen der Oberflächenenergie, erleichtern.

    [0008] Das Fressen ist eine Folge von adhäsivem Verschleiß, also dem gegenseitigen Verschweißen der Oberflächen. Es wird durch die Verwendung von martensitischen Grund- und Gegenkörpern (8) und durch die Verwendung von unlegiertem Öl begünstigt. Auch Versuche mit erhöhter Federkraft der Ventilfeder begünstigen das Fressen. Während bei dreiundvierzig Paarungen sechsundzwanzig durch Fressen versagten, wenn unlegiertes Öl verwendet wurde, versagte keine einzige Paarung durch Fressen bei der Verwendung von legiertem Öl (8). Dafür nahm das Versagen durch Pittingbildung bei legiertem Öl von siebzehn Paarungen auf fünfunddreißig Paarungen zu (8).

    [0009] Trotz des häufigen Auftretens von Pittingbildung wird dieser Verschleißerscheinung bei den Untersuchungen weniger Aufmerksamkeit geschenkt als den beiden anderen. Die Pittingbildung an sich beeinflußt die Funktion des Nockens im Grunde nicht (6). Sie verringert aber die tragende Oberfläche, so daß die Flächenpressung ansteigt, wodurch ein Versagen durch Fressen hervorgerufen werden kann. Zudem läßt sich die Neigung zur Pittingbildung in Kurzzeittests mit erhöhter Last gut erkennen (7), während die Extrapolation bei Polier-und Freßverschleiß nur mit äußerster Vorsicht vorgenommen werden kann (8, 9). Die Pittingbildung ist also unkritisch, solange sie nur in geringem Maß auftritt. Außerdem kann sie versuchstechnisch leicht simuliert werden.

    [0010] Die meisten Veröffentlichungen beschäftigen sich mit der Vermeidung des Freß- und Polierverschleißes. Dabei zielen alle Versuche darauf ab, Werkstoffe mit einem hohen Karbidanteil zu erzeugen (2, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 13). Durch ihre große Härte verringern die Karbide die Eindringtiefe des Gegenkörpers. Dadurch wird die Größe der Verschleißteilchen und damit die mögliche Vershleißgeschwindigkeit erniedrigt (14). Die zweite Wirkung liegt in der geringen Adhäsionsneigung, die die Karbide aufweisen. Der Adhäsionsverschleiß wird durch die Karbide bei ausreichend großem Volumenanteil vollständig vermieden. Ansätze, den Nockenverschleiß durch einen Festschmierstoff, der im Nocken eingebettet ist, zu verringern, sind nicht bekannt.

    [0011] Die Einbettung von Schmierstoffen bei gesinterten Legierungen wird schon seit langer Zeit verwendet, um selbstschmierende Lager herzustellen (15). Verwendet wird z. B. Blei, das durch Tränken in eine relativ komplexe Legierung (Fe-Co-Mo-Ni-Cr-Si-C) eingebracht wird. Diese Legierung bewährt sich beim Einsatz für Ventilsitze in Verbrennungsmotoren (16).

    [0012] Über Kupfer als Legierungselement wurde in der Literatur bereits viel diskutiert, da es ein leicht zu verarbeitendes Element ist (sein Sauerstoffpotential ist wesentlich geringer als das von Eisen). Häufig werden die mechanischen Eigenschaften (17, 18) oder das Maßverhalten (19, 20) sowie die Homogenisierung (21) diskutiert. In der konventionellen Stahltechnologie ist Kupfer als Stahlschädling bekannt, da es die Neigung zum Rotbruch fördert (22). Bei der pulvermetallurgischen Herstellung spielt dieser Versagensfall jedoch keine Rolle, solange die Formteile nicht durch Sinterschmieden umgeformt werden sollen.

    [0013] Der Einfluß von. Kupfer auf den Verschleiß von Sintereisen ist wesentlich geringer als der Einfluß der Dichte, zumindest bei Kupferbeimischungen von 0 bis 2 % (23). Es wurden Proben unterschiedlicher Dichte im Amsler-Tribometer (zwei Walzen rollen mit einem Schlupfanteil von 10 % gegeneinander ab) untersucht. Die Atmosphäre (Luft, Argon oder Sauerstoff) hat einen entscheidenden Einfluß auf den Verschleißbetrag, der Verschleiß unter Sauerstoff ist um den Faktor 72 größer als der an Luft. Da der Verschleiß unter Argon zwischen den beiden Werten liegt, ist ein Einfluß von Wasserdampf bei den Versuchen wahrscheinlich. Die Sinterbedingungen (1120 C) lassen vermuten, daß das Kupfer vollständig in der Matrix gelöst ist.

    [0014] Es wurde auch der Einfluß von Kupferbeimischungen im Bereich von 0 bis 4 % zu verschiedenen phosphorhaltigen Sinterstählen untersucht (24). Bei den höherlegierten Varianten (4 % Mo, 4 % Ni oder 4 % MCM, einer Masterlegierung aus Molybdän, Chrom und Mangan) verursacht eine Zugabe von Kupfer eine Abnahme des Verschleißes im Stift-Scheibe-Versuch. Bei den niedriger legierten Varianten hat der Kupferzusatz einen relativ unsystematischen Einfluß. Die Wirkung des Kupfers beruht auf der Matrixhärtung. Obwohl die Sinterdichte mit steigendem Kupferanteil abnimmt, steigt die Härte kontinuierlich mit dem Kupfergehalt an. Es kann dabei wegen der Härtesteigerung davon ausgegangen werden, daß das Kupfer in der Matrix vollständig gelöst ist. Auch die Dichteabnahme ist ein Hinweis hierauf. Kupfer führt zu einer Dichteabnahme während des Sinterns, wenn es sich in der Matrix löst und an den Stellen, an denen es ursprünglich vorlag, Poren zurückbleiben.

    [0015] Die Kombination einer Bindephase aus Kupfer, Mangan oder Nickel bzw. Kombinationen davon mit sehr harten HSS-Teilchen wurden auch schon untersucht (25). Die so erzeugte Struktur ist duktiler als reiner HSS und bewährt sich gut für Verschleißanwendungen.

    [0016] In vielen anderen Untersuchungen (26, 27, 28, 29) dient Kupfer als Modellwerkstofffür Grundlagenuntersuchungen. Bemerkenswert erscheint der Befund, daß die Verschleißgeschwindigkeit von Kupfer beim trockenen Gleiten gegen Eisen um den Faktor 5 unter der von Nickel liegt (28). Dieses Ergebnis weist auf die geringe Adhäsionsneigung von Kupfer-Eisen-Paarungen und die damit verbundenen guten Notlaufeigenschaften des Kupfers hin.

    [0017] Molybdän findet sich in sehr vielen P/M-Stählen. Der Grund für die häufige Verwendung von 0,5 % Molybdän ist sicher rein praktischer Natur. Im Handel befindliche Basiseisenpulver enthalten 0,5 % Molybdän. Eine bewußte Beimischung geschieht nur in den seltensten Fällen. Fe-P-Cu-Mo-Legierungen mit Cu-Gehalten bis 4 % und Mo-Gehalten von 2 % und 4 % wurden ebenfalls untersucht (17). Alle Legierungselemente wurden elementar beigemischt. Die Proben mit 2 % Mo und 4 % Cu weisen nach einer einstündigen Sinterung bei 1200 C ein irreguläres zweiphasiges Gefüge auf. Bei Erhöhung des Mo-Gehaltes auf 4 % ist diese Inhomogenität noch deutlicher. Kohlenstoff verlangsamt die Diffusion von Cu in Fe, er verhindert aber nicht die vollständige Auflösung.

    [0018] Zur Beherrschung des Verschleißes des Nocken-Gegenkörper-Systems sind zahlreiche Versuche bekannt, die bisher alle auf der Erzeugung eines karbidreichen Gefüges basieren.

    [0019] Von diesem Stand der Technik geht die Erfindung aus, die darauf abzielt, die Notlaufeigenschaften eines Nockens zu verbessern, was gemäß der Erfindung dadurch gelingt, daß die Legierung eine gehärtete Matrix mit eingelagertem Kupfer aufweist und aus 0,5 - 16 Gew.-% Molybdän, 1 - 20 Gew.- % Kupfer, 0,1 - 1,5 Gew.-% Kohlenstoff und gegebenenfalls aus Beimengungen von Chrom, Mangan, Silizium und Nickel von in der Summe max. 5 Gew.-% und aus dem Rest Eisen besteht. Die Beimengungen werden eingesetzt, um die Legierung dem Anwendungsfall in Hinblick auf die Sekundärhärte, die Verformungsverfestigung und die Durchhärtbarkeit anzupassen. Das Verfahren zur Herstellung eines solchen Nockens ist nun dadurch gekennzeichnet, daß ein Sinterpulver aus 0,5 - 16 Gew.-% Molybdän, 1 - 20 Gew.-% Kupfer, 0,1 - 1,5 Gew.-% Kohlenstoff und gegebenenfalls aus Beimengungen von Chrom, Mangan, Silizium und Nikkel von in der Summe max. 5 Gew.-% und aus dem Rest Eisen zu einem Nockenformling mit einer Gründichte über 7 g/cm3 verpreßt wird und bei Temperaturen unterhalb von 1150 ° C während einer Sinterzeit von 10 bis 60 Minuten gesintert und anschließend vergütet wird.

    [0020] Beispiel:

    Auf der Basis eines vorlegierten Pulvers aus Eisen und Molybdän wurde eine Pulvermischung mit 1,5 Gew.-% Molybdän, 10 Gew.-% Kupfer, 0,8 Gew.-% Kohlenstoff und dem Rest Eisen hergestellt. Durch Pressen mit einem Druck von 1500 MPa wurden Nocken mit einer Gründichte von 7,2 g/cm3 hergestellt. Durch Sintern bei 1120 0 C für 30 min wurde das Gefüge konsolidiert. Ein anschließendes Vergüten durch Glühen bei 930 ° C für 60 min, Abschrecken in Öl und Anlassen bei 150 C für 60 min wurde ein Gefüge erzeugt, das eine Oberflächenhärte von 44,4 HRC (793 HVI) besitzt. Obwohl über 7 Vol.-% des Gefüges aus elementarem Kupfer bestanden, wurde die hohe Härte erreicht. Die Nocken erwiesen sich im Prüfstand als außerordentlich verschleißfest. Auch unter Bedingungen, bei denen Mangelschmierung auftritt und die daher adhäsiven Verschleiß fördern, wiesen die Nocken ein ausgezeichnetes Betriebsverhalten auf.



    [0021] Die beigefügten Darstellungen zeigen ein Schliffbild eines erfindungsgemäßen Nockens, der nach dem oben erläuterten Beispiel gefertigt ist. Fig. 1 ist eine Vergrößerung im Maßstab 200 : 1; Fig. 2 eine Vergrößerung desselben Schliffbildes im Maßstab 500 : 1.

    [0022] Das Schliffbild läßt ganz klar drei Phasen erkennen:

    1. Martensit (grau)

    2. Kupfer (hell)

    3. Poren (schwarz)



    [0023] Der Martensit hat eine sehr gleichmäßige Erscheinungsform. Inhomogenitäten sind nicht zu erkennen. Das entspricht den Erwartungen, da ein vorlegiertes, also bereits homogenes Pulver verwendet wurde.

    [0024] Das Kupfer liegt in unregelmäßigen Flecken gleichmäßig über das Gefüge verteilt vor. Die Größe der Kupferkörner liegt bei 10 bis 30 µm. Die Poren sind gut gerundet. Sie sind bimodal verteilt. Ein Größenbereich liegt um den bei Stählen normalerweise beobachteten Wert von 5 um, der zweite liegt um 50 um. Bei den großen Poren handelt es sich um Sekundärporen, die durch das Auflösen von Kupfer entstehen.

    [0025] Mit Hilfe von Mikrohärtemessungen wurden einzelne Phasen identifiziert. Für die hellen Bereiche ergab sich eine Mikrohärte von unter 50 HV0,01. Da die Phase sehr fein verteilt vorlag, waren die Eindruckdiagonalen fast so groß wie die Bereiche selbst, so daß eine genaue Angabe der Mikrohärte nicht möglich ist. Die Härte von reinem Kupfer beträgt 34 HV (38).

    [0026] Es ist damit sicher, daß es sich bei den hellen Bereichen um Kupfer und nicht etwa um Karbide oder eine Legierung aus Kupfer und Eisen oder eine intermetallische Phase aus Eisen und Molybdän handelt. An der Identität der Poren und des Martensits dürfte ohnehin kein Zweifel bestehen. Die martensitischen Bereiche im Kern hatten eine Härte von knapp 400 HV0,01. Die Makrohärte HV10 wurde zu 372 bestimmt. Die Härtewerte wurden im Kern gemessen.

    [0027] Mit Hilfe der quantitativen Stereologie (Punktanalyse (30)) wurde der Volumenanteil des nicht gelösten Kupfers ermittelt. Es ergab sich ein Kupferanteil von 7,8 Vol.-%. Der chemisch analysierte Kupfergehalt wurde zu 7,4 Gew.-% ermittelt. Die Dichte von Kupfer ist etwas größer als die von Eisen, so daß sich ein gewichtsmäßig eher größerer Anteil aus der stereologischen Analyse ergeben würde. Im Rahmen der immer gegebenen Meßfehler können die Ergebnisse aus den beiden Analysen als gleich angesehen werden. Das bedeutet, daß das Kupfer vollständig ungelöst vorliegt, die Matrix ist wahrscheinlich völlig Cu-frei.

    [0028] Der Volumenanteil der Poren wurde ebenfalls stereologisch und über gravimetrische Dichtemessungen ermittelt. Es ergab sich ein übereinstimmender Wert von 6,5 %.

    [0029] Die Legierung Fe/1,5Mo/10Cu/0,8C besteht neben einem geringen Porenanteil aus elementarem Kupfer und Martensit, in dem nur verschwindend geringe Anteile von Kupfer gelöst sind. Während die an der Oberfläche liegenden Poren die Schmierung etwas verbessern, dient der Kupferanteil als Festschmierstoffzur Verbesserung der Notlaufeigenschaften. Der Martensit bedingt den Widerstand gegen abrasiven Verschleiß.

    [0030] Bei der Verwendung von anlegiertem Pulver sinken die Preßkräfte, und auch der Verschleiß der Werkzeuge bei der Herstellung des Formlinges wird reduziert, und es können auch leichter verschiedene Legierungsgehalte eingestellt werden. Es ist aber auch denkbar, ein gemischtlegiertes Pulver einzusetzen, wobei aber unter Berücksichtigung der Diffusionseigenschaften von Kupfer und Molybdän nicht auszuschließen ist, daß sich ein deutlich anderes Gefügebild ergeben könnte, da sich dann Kupfer teilweise im Eisen lösen dürfte, so daß der Anteil des freien elementaren Kupfers im Gefüge drastisch sinkt.

    [0031] Die durch die erfindungsgemäßen Vorschläge erzielten Ergebnisse sind selbst für den einschlägigen Fachmann überraschend. Nach den bisherigen Erfahrungen müßte sich ein großer Teil des in der Legierung enthaltenen Kupfers auch nach relativ kurzen Sinterzeiten und niedrigen Sintertemperaturen lösen. In einer grundlegenden Arbeit hat Bockstiegel (20) gezeigt, daß der Auflösungsvorgang bei 1150 C bereits nach weniger als 30 min vollständig abgeschlossen ist. Die Löslichkeit gibt Bockstiegel in Übereinstimmung mit (36) zu 7,5 % an. Bei einem Kupfergehalt von 10 % dürften daher nach ausreichender Sinterung nur noch 2,5 % unaufgelöstes Cu zu finden sein. Die quantitative Analyse der Legierung hat aber gezeigt, daß praktisch das gesamte Kupfer unaufgelöst in der Matrix vorliegt.

    [0032] Hierfür kann wohl nur Molybdän verantwortlich gemacht werden. Die Unlöslichkeit von Kupfer in Molybdän (34) legt die Vermutung nahe, daß Molybdän die Löslichkeit von Kupfer in Eisen stark herabsetzt. Betrachtet man ein Phasendiagramm Fe-Mo, dann fällt auf, daß bei 2,6 Gew.-% (1,5 At.- %) Mo im Bereich um 1100 ° C der Übergang vom Gamma- ins a-Eisen stattfindet. Molybdän ist also ein sehr starker α-Öffner, d.h. der Stahl liegt bevorzugt in der krz-Struktur vor.

    [0033] Die Löslichkeit von Kupfer in Eisen ist aber in der a-Phase wesentlich geringer als in der kfz Gamma-Phase: Während sich im Gamma-Eisen bis zu 7,5 Gew.-% lösen, beträgt die maximale Löslichkeit in der a-Phase nur 1,4 Gew.-% (36). Dadurch, daß die a-Phase durch das Molybdän (1,5 Gew.-%) weitestgehend stabilisiert wird, wird ein Eindiffundieren des Kupfers weitestgehend verhindert. Völlig unlöslich ist Kupfer in Fe-Mo jedoch offensichtlich nicht. Im System Fe-1%Mo wurde der Diffusionskoeffizient von Kupfer gemessen (37), was darauf schließen läßt, daß eine endliche Löslichkeit für Kupfer zumindest bei diesen kleinen Molybdän-Konzentrationen vorliegt.

    [0034] Die Untersuchungsergebnisse weisen darauf hin, daß der Molybdängehalt in der richtigen Größenordnung gewählt wurde. Ein Gehalt von 0,5 % reicht wahrscheinlich nicht aus, um die Löslichkeit von Kupfer in dem hier beobachteten Maß zu erniedrigen. 0,5 % erscheint daher als eine vernünftige Untergrenze.

    [0035] Die Obergrenze wird eher durch wirtschaftliche Überlegungen festgesetzt. Der Mo-Gehalt wird daher auf etwa 16 % beschränkt werden. Bei 16 Gew.-% Mo wird bei Sintertemperatur (1120 C) das a-Gebiet verlassen, was zu einer Änderung des Verhaltens der Legierung führen kann. Daher könnte diese Grenze als Obergrenze genannt werden.

    [0036] Der Kupfergehalt muß so gewählt werden, daß er die erforderlichen Notlaufeigenschaften garantiert. Die Untergrenze kann auf etwa 1 % festgelegt werden, da darunter die Wirkung des Kupfers als Festschmierstoff kaum noch ausreichen wird. Als Obergrenze muß ein Wert gewählt werden, bei dem noch ein ausreichender Teil des Gefüges in Form der harten martensitischen Matrix vorliegt, um zu garantieren, daß die tragende Fläche noch genügend groß bleibt. Größenordnungsmäßig kann dabei von einer Obergrenze um 20 % ausgegangen werden.

    [0037] Die erfindungsgemäße Legierung ist nur pulvermetallurgisch herstellbar. Das besondere Gefüge, das aus einer martensitischen Matrix und elementarem Kupfer besteht, wird durch den Sinterprozeß direkt erzeugt. Dabei wird die außerordentlich geringe Löslichkeit von Kupfer in Fe-Mo ausgenutzt, wodurch der Kupferanteil praktisch vollständig als Festschmierstoff zur Verfügung steht und auch nicht wie sonst bei Cu-legierten Werkstoffen zur Schwellung führt. Daß sich bei Verwendung eines gemischt- oder diffusionslegierten Pulvers ein vergleichbares Gefüge einstellt, kann angenommen werden.

    [0038] Wie der Stand der Technik zeigt, sind zwar verschiedene Metalle als Festschmierstoffe in gesinterten Werkstoffen bekannt, die Anwendung von Kupfer als Problemlösung für das Nocken-Gegenkörper-System ist aber neu. Gegenüber einigen Verfahren, bei denen der Festschmierstoff, z.B. Blei, durch Tränken in die Matrix eingebracht wird, hat die erfindungsgemäße Legierung den Vorteil, daß das Kupfer von vorneherein im Werkstoff enthalten ist. Es ist aber auch möglich, das Kupfer durch Tränken eines Formteiles geringer Dichte einzubringen. Außerdem können eine gleichmäßige Kupferverteilung und ein fester Kupfergehalt garantiert werden, wogegen beim Tränken der Volumenanteil und die Verteilung durch die Verteilung und Größe der offenen Poren vorgegeben wird. Diese ist aber wesentlich schwerer zu beeinflussen als die Größe, Menge und Verteilung des Kupfers in der Pulvermischung, so daß die Prozeßsicherheit in dem hier vorgestellten System erhöht wird.

    [0039] Molybdän verhindert sehr wirkungsvoll das Auflösen des Kupfers in der Matrix, so daß das Kupfer als Festschmierstoff zur Verfügung stehen kann. Durch den Einsatz eines Festschmierstoffes wird ein Hauptproblem des Verschleißes im Nocken-Gegenkörper-System, die Adhäsion, erfolgreich gelöst. Als positiven Zusatzeffekt verhindert das Molybdän die sonst bei kupferlegierten Werkstoffen beobachtete Schwellung. Hierdurch werden die Arbeitsgenauigkeit erhöht und die mechanischen Eigenschaften verbessert.

    [0040] Werden die erfindungsgemäßen Vorteile insbesondere durch die Verwendung von vorlegiertem Pulver erzielt, so ist es auch denkbar, ein vergleichbares Gefüge anders herzustellen: Ein gemischtlegiertes Fe-C-Mo-Pulver wird zunächst durch Sintern verfestigt und homogenisiert. Durch Wahl einer sehr geringen Gründichte verbleiben in dem Gefüge offene Poren, die durch Tränken mit Kupfer geschlossen werden. Auch so kann ein vergleichbares Gefüge erzeugt werden. Dabei kann auch bei dieser Verfahrensvariante von einem vorlegierten Pulver ausgegangen werden.

    [0041] Vorstehende Überlegungen, soweit sie sich auf die Verschleißeigenschaften von Nocken beziehen, sind auch relevant für andere Formteile, die einem Verschleiß unterworfen sind, beispielsweise Schlepphebel, Kipphebel usw., also Formteile, die auf Gleitverschleiß beansprucht sind.

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    (38) Samsonov G. V.: Handboo-k of the Physiochemical Properties of the Elements, IFI/Plenum New York 1968, 303




    Ansprüche

    1. Formteil, insbesondere Nocken aus einer gesinterten, pulvermetallurgisch hergestellten Legierung für eine baukastenartig zusammengesetzte Nockenwelle für Verbrennungskraftmaschinen, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierung eine gehärtete Matrix mit eingelagertem Kupfer aufweist und aus 0,5 - 16 Gew.-% Molybdän, 1 - 20 Gew.-% Kupfer, 0,1 - 1,5 Gew.-% Kohlenstoff und gegebenenfalls aus Beimengungen von Chrom, Mangan, Silizium und Nickel von in der Summe max. 5 Gew.-% und aus dem Rest Eisen besteht.
     
    2. Verfahren zur Herstellung eines Formteiles, insbesondere eines Nockens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß ein Sinterpulver aus 0,5 - 16 Gew.-% Molybdän, 1 - 20 Gew.-% Kupfer, 0,1 - 1,5 Gew.-% Kohlenstoff und gegebenenfalls aus Beimengungen von Chrom, Mangan, Silizium und Nickel von in der Summe max. 5 Gew.-% und aus dem Rest Eisen zu einem Nockenformling mit einer Gründichte über 7 g/cm3 verpreßt wird und bei Temperaturen unterhalb von 1150 * C während einer Sinterzeit von 10 bis 60 Minuten gesintert und anschließend vergütet wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß ein vorlegiertes Eisen-Molybdän-Pulver verwendet wird.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß das Kupfer durch Zumischen in das vorlegierte Eisen-Molybdän-Pulver eingetragen wird.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß ein anlegiertes oder gemischt-legiertes Eisen-Molybdän-Pulver durch Sintern verfestigt und homogenisiert und anschließend das Kupfer durch Tränken in die offenen Poren des Gefüges des Werkstückes eingebracht wird.
     
    6. Verfahren nach einem der Ansprüche 2 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Kohlenstoff durch Zumischen von Graphit zum Sinterpulver oder ganz oder teilweise durch eine aufkohlende Atmosphäre während des Sinterns und/oder während des Härtens eingebracht wird.
     




    Zeichnung







    Recherchenbericht