(19)
(11) EP 0 437 675 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
24.07.1991  Patentblatt  1991/30

(21) Anmeldenummer: 90118945.6

(22) Anmeldetag:  04.10.1990
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5F41A 21/18
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE FR GB LI SE

(30) Priorität: 17.01.1990 DE 4001130

(71) Anmelder: Rheinmetall Industrie GmbH
40880 Ratingen (DE)

(72) Erfinder:
  • Krumm, Herbert, Dr.
    W-4044 Kaarst 1 (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Waffenrohr mit optimiertem Drallverlauf


    (57) Zur Verbesserung der Lebensdauer von bekannten Waffenrohren und zur Verbesserung der Ballistik eines damit verschossenen Geschosses wird erfindungsgemäß ein hinsichtlich seines Drallverlaufs optimiertes Waffenrohr vorgeschlagen.
    Ein sich aus diesem Drallverlauf ergebender erfindungsgemäßer Leistenkraftverlauf (R(x)); entlang des Waffenrohres (x) zeigt einen im wesentlichen trapezförmigen Verlauf bei deutlich verringertem Leistenkraftmaximum gegenüber solchen Leistenkraftverläufen herkömmlicher Drallverläufe (Konstantdrall: strichpunktiert; parabolischer Drall: strichliert).




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Waffenrohr mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1.

    [0002] Bei derartigen gezogenen Waffenrohren hängt deren Lebensdauer bekanntermaßen wesentlich von der Leistenkraft ab. Dieser Zusammenhang, auch hinsichtlich der Auslegung eines Zug-Feld-Profils und eines dementsprechenden Drallverlaufs im Waffenrohr, ist ausführlich im "Waffentechnischen Taschenbuch" der Fa. Rheinmetall GmbH, 5. Auflage 1980, Seiten 523 bis 529, erläutert und beschrieben. Danach kann die Leistenkraft R(x) über den Geschoßweg x in Längsrichtung im Waffenrohr in guter Näherung beschrieben werden durch:

    mit den Bedingungen:

    Dabei sind:



    [0003] Von daher ist klar, daß bei vorgegebener Geschoßmasse mG,Geschoßgeschwindigkeit VG(x) und Gasdruck-Verlauf p(X) der Drallverlauf des betrachteten Waffenrohres den Leistenkraft-Verlauf R(x) entscheidend beeinflußt.

    [0004] Bei dem bislang - vor allem bei großkalibrigen Waffenrohren - aus fertigungstechnischen Gründen am häufigsten verwendeten Konstant-Drall, bei dem der Drallwinkel a(x) unabhängig vom Geschoßweg x ist, folgt jedoch nachteiligerweise der Leistenkraftverlauf R(x) proportional dem Gasdruckverlauf p(x). Es tritt ein ausgeprägtes, lokales Maximum der Leistenkraft auf, das örtlich mit dem Gasdruck-Maximum im Waffenrohr zusammenfällt und zu einer unerwünscht hohen, lokalen Beanspruchung führt.

    [0005] Schon frühzeitig sind daher Überlegungen angestellt worden, die Leistenkraft durch Verwendung eines parabolischen, sinusförmigen oder kubisch-parabolischen Drallverlaufs zu verringern, wie im "Waffentechnischen Taschenbuch" der Fa. Rheinmetall GmbH, 5. Auflage, 1980, Seiten 523 bis 529, ausgeführt.

    [0006] Diese, insbesondere in Bild 1137 auf Seite 525 des "Waffentechnischen Taschenbuchs", als progressiv bezeichneten Drallverläufe zeigen, daß beim parabolischen und beim kubisch-parabolischem Drall eine große Leistenkraft R(x) an der Waffenrohrmündung auftritt, die sich nachteilig auf die Flugbahn des Geschosses auswirken kann. Außerdem hat sie einen sogenannten Torsional-Impuls-Effekt auf das Waffenrohr zur Folge und ruft damit unerwünschte Waffenrohrschwingungen um die Rohrseelenachse hervor, wobei das Geschoß zusätzlich belastet wird.

    [0007] Wie aus Bild 1137 auf Seite 525 des "Waffentechnischen Taschenbuchs" weiter hervorgeht, zeigt der sinusförmige Drallverlauf zwar noch ein ausgeprägtes Maximum der Leistenkraft aber auch eine deutlich verringerte Leistenkraft an der Mündung. Da jedoch bei bisher gefertigten Waffenrohren mit sinusförmigen Drallverlauf für Maschinenkanonen der Drallwinkel a(x) von einem Anfangsdrallwinkel αA = 0° bis zu einem Enddrallwinkel αE = 6,5° an der Waffenrohrmündung zunimmt, wird der durch die verringerte Leistenkraft an der Mündung erzielte Vorteil teilweise durch einen ausgeprägten Umformprozeß eines Führungsbandes des Geschosses aufgezehrt. Diese Verhältnisse werden umso ungünstiger, je breiter das Führungsband ist.

    [0008] Bei Artillerierohren, deren Geschosse üblicherweise besonders breite Führungsbänder besitzen, erhöht ein beim Anfangsdrall αA = 0 beginnender progressiver Drallwinkelverlauf die Belastung der Führungsbänder, zumal wenn ein üblicher Enddrallwinkel von αE ≈ 9° erreicht werden soll. In diesem Fall wird nahezu die gesamte Breite des Führungsbandes durch die Änderung des Drallwinkels umgeformt, so daß die Gefahr besteht, daß das Führungsband im Waffenrohr versagt.

    [0009] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, die oben geschilderten Nachteile der bekannten bei Waffenrohren verwendeten Drallarten zu vermeiden und bei verringertem Leistenkraftmaximum durch ein in seinem Drallverlauf verbessertes Waffenrohr dessen Lebensdauer sowie die Innen- und Außenballistik von daraus verschossenen Geschossen zu verbessern.

    [0010] Diese Aufgabe wird gelöst durch ein gattungsgemäßes Waffenrohr mit den erfindungsgemäßen Merkmalen des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 1.

    [0011] Der besondere Vorteil eines erfindungsgemäß ausgelegten Waffenrohres ist, daß ein lokal ausgeprägtes Maximum der Leistenkraft vermieden und die maximal auftretende Leistenkraft deutlich verringert wird, so daß das gesamte Zug-Feldprofil geringer belastet wird und somit die Lebensdauer des Waffenrohres hinsichtlich Ermüdung und Verschleiß verbessert wird.

    [0012] Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Waffenrohres ist darin zu sehen, daß, wie bei einem bevorzugten Ausführungsbeispiel der Erfindung vorgesehen, ein von einem Fourier-Reihen-Ansatz höherer Ordnung beschriebener Drallwinkel eine entsprechende Anpassung des gewünschten Leistenkraft-Verlaufs an einen vorgegebenen Gasdruckverlauf mit einer hinreichenden Anzahl von Koeffizienten möglich macht. Durch an sich bekannte numerische Optimierung der Koeffizienten der Fourier-Reihe ist eine exakte Festlegung der Leistenkraft an der Waffenrohrmündung, eine deutliche Reduzierung des Leistenkraftmaximums, eine Einstellung einer geringen Drallwinkel-Änderung über den Geschoßweg zur Schonung eines Führungsbandes des Geschosses durchführbar.

    [0013] Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung gehen aus den Unteransprüchen hervor.

    [0014] Im folgenden wird die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels eines Artillerierohres vom Kaliber 155 mm und einer Waffenrohrlänge von 52 Kalibern ausführlich erläutert und beschrieben.

    [0015] Zum besseren Verständnis und zur Verdeutlichung der Erfindung dienen zwei Diagramme. Dabei zeigen im einzelnen:

    Figur 1: ein Diagramm eines Drallwinkels a(x) aufgetragen gegen eine Waffenrohrlänge x des erfindungsgemäßen Waffenrohres im Intervall zwischen den auf der Abszisse markierten Positionen xA und XE;

    Figur 2: ein Diagramm einer sich aus dem Drallwinkelverlauf a(x) gemäß Figur 1 ergebenden Leistenkraft R(x) aufgetragen gegen die Waffenrohrlänge x;

    Figur 3: ein Diagramm (gegenüber Fig. 1 in verkleinertem Maßstab) Drallwinkelverlauf a(x) mit dem erfindungsgemäßen Drallwinkelverlauf gemäß Figur 1 im Vergleich zum Konstantdrall und zum parabolischen Drall in einem entsprechenden Waffenrohr und

    Figur 4: ein Diagramm der sich aus den Drallwinkelverläufen a(x) gemäß Figur 3 ergebenden Leistenkräfte R(x) für die in Figur 3 dargestellten Drallarten.



    [0016] Ausgehend von einem gegebenen Gasdruckverlauf p(x) und einer gegebenen Geschoßgeschwindigkeit vG(x) wurde im bevorzugten Ausführungsbeispiel der Erfindung ein Artillerie-Waffenrohr vom Kaliber D = 155 mm und einer Waffenrohrlänge x mit 0 ≦ x ≦ 52 D für den gewünschten Drallwinkelverlauf a(x) gemäß

    eine gerade Fourier-Reihe angesetzt. Der Enddrallwinkel αE ist aus ballistischen Gründen mit αE = 8,969°. Um am Drallbeginn x = xA und am Drallende x = xE ähnlich günstige Verhältnisse wie beim bekannten Konstantdrall zu erzielen, muß der Drallverlauf a(x) an diesen Stellen XA, XE eine nahezu horizontale Tangente besitzen, so daß

    der Faktor f im Argument der trigonometrischen Glieder der obigen Fourier-Reihe dient zur Verkürzung der Periode und beeinflußt daher die Leistenkraft R(x) an der Waffenrohrmündung x = xE. Vorzugsweise gilt für den Faktor f



    [0017] Ein weiterer wichtiger Parameter zur Beeinflussung der Leistenkraft R(x) ist der Anfangsdrallwinkel a(x) = XA.

    [0018] Dem in Figur 1 dargestellten Diagramm des Leistenkraftverlaufes a(x) eines erfindungsgemäßen Waffenrohres liegen neben den schon vorher erwähnten Werten folgende Koeffizienten zugrunde, die mit Hilfe eines an sich bekannten numerischen Optimierungsverfahrens ermittelt wurden:



    [0019] Mit der schon oben erwähnten Ableitung

    und den Beziehungen

    ist bei vorgegebenem Gasdruck-Verlauf p(x) und Geschoßgeschwindigkeitsverlauf vG(x) die Leistenkraft R(x) entlang des Rohres gemäß

    festgelegt. Die derart bestimmte Leistenkraft R(x) ist im Diagramm in Figur 2 dargestellt.

    [0020] Aufgrund des gewählten Enddrallwinkels von αE = 8,969° ergibt sich ein großer Anfangsdrallwinkel von α(xA) = 5,298°. Die damit erzielte Drallwinkeländerung entlang des Rohres von Δα = αE- αA = 3,6289° ist vorteilhafterweise sehr klein, so daß ein übliches Führungsband auf seinem Weg durch das Waffenrohr nur geringfügig umgeformt wird. Darüber hinaus zeigt Figur 2, daß das Maximum der Leistenkraft R(x) im wesentlichen über den Geschoßweg x konstant bleibt.

    [0021] Weiterhin vorteilhaft ist der erfindungsgemäß bestimmte kleine Anfangsdrallwinkel von αA = 5,298°, da er sich günstig auf den sogenannten Torsional-Impuls-Effekt auswirkt und daher die Schwingungsneigung des Waffenrohres reduziert.

    [0022] Figur 3 zeigt zur Verdeutlichung den erfindungsgemäßen Drallwinkelverlauf a(x), der hier wie in Figur 1 als durchgezogene Linie dargestellt ist, im Vergleich mit heute bisher verwendeten Drallarten für ein entsprechendes Waffenrohr. In Figur 3 ist der Konstantdrall als strich-punktierte Kurve und der parabolische Drall als strichlierte Kurve dargestellt.

    [0023] Ausgehend von den in Figur 3 abgebildeten Drallwinkelverläufen a(x) ergeben sich die in Figur 4 dargestellten Leistenkraftverläufe R(x) für die jeweiligen Drallarten. In Figur 4 wurde die Darstellungsweise der Kurven gemäß Figur 3 verwendet.

    [0024] Aus Figur 4 geht deutlich hervor, daß bei einem erfindungsgemäßen Waffenrohr gegenüber dem heute noch bei Artillerierohren üblichen Konstantdrall das Leistenkraftmaximum um ca. 42% reduziert ist.

    [0025] Bei dem heute bei Maschinenkanonen üblichen parabolischen Drall, der hier auf ein dem erfindungsgemäßen beispielhaft dargestellten Artillerierohr zu Vergleichszwecken übertragen wurde, wäre zwar mit einem erfindungsgemäß konstruierten Waffenrohr nur eine Reduzierung des Leistenkraftmaximums um ca. 11% möglich, aber der parabolische Drall würde das Führungsband eines Geschosses während des Geschoßdurchlaufs von xA nach xE wegen Δα ≈ 9 stark verformen und möglicherweise versagen lassen. Außerdem nimmt beim parabolischen Drall die Leistenkraft R(XE) an der Mündung ihren Maximalwert an, so daß es zu einem Drehmomentenstoß auf das austretende Geschoß kommt und u. U. zu einer Störung des Geschoßabganges.

    Demgegenüber beträgt die mündungsseitige Leistenkraft R(xE) des erfindungsgemäßen Waffenrohres - wie Figur 4 zeigt - lediglich noch 10% des Maximalwertes.



    [0026] Insgesamt ergeben sich gegenüber bekannten Waffenrohren mit üblichen Drallverläufen bei dem erfindungsgemäßen Waffenrohr die folgenden Vorteile:

    o geringere Belastung des Zug-Feldprofiles, d. h. geringerer Rohrverschleiß und bessere Ermüdungslebensdauer

    o geringere Führungsbandbeanspruchung

    o geringere Belastung der Drallaufnahme

    o geringere Anregung von Rohrschwingungen

    o günstige Abgangsballistik des Geschosses durch verringerte Leistenkraft an der Waffenrohrmündung o geringfügige Umformung des Führungsbandes des Geschosses durch verringerte Drallwinkeländerung während des Geschoßdurchlaufes durch das Waffenrohr.



    [0027] Die Herstellung erfindungsgemäßer Waffenrohre selbst großen Kalibers mit den oben diskutierten erfindungsgemäßen Drall-Gesetzmäßigkeiten ist mit den heute bekannten CNC-gesteuerten Nut-Ziehmaschinen ohne größere Schwierigkeiten möglich.


    Ansprüche

    1. Waffenrohr mit einem Drallverlauf mit einem veränderlichen Drallwinkel und einer beim Verschießen eines Geschosses wirkenden Leistenkraft,
    dadurch gekennzeichnet, daß das Waffenrohr derart konstruiert ist, daß die Leisten-kraft (R(x)) über den Geschoßweg (x) im Waffenrohr bei vorgegebener Geschoßmasse (mG), Geschoßgeschwindigkeit (VG(X)) und Gasdruckverlauf (p(x)) am Beginn der Züge (x=xA) steil ansteigt, über einen folgenden weiten Bereich des Waffenrohres im wesentlichen konstant bleibt und zur Mündung (x=xE) steil abfällt, also in einem Diagramm R(x) einen im wesentlichen trapezförmigen Verlauf hat, wobei das Maximum der Leistenkraft (R(x)) gegenüber einem entsprechenden Waffenrohr mit einem üblichen Konstantdrall um mindestens ein Viertel reduziert ist.
     
    2. Waffenrohr nach Anspruch 1,
    dadurch gekennzeichnet, daß der die Leistenkraft (R(x)) bestimmende Drallwinkel (α(x)) durch eine Fourier-Reihe gemäß α(x) = E (Sn'sin n ° F°x + Cn°cos n°F°x); 0 ≦ n ≦ z beschrieben wird, wobei z ein positiver, ganzzahliger Wert und F ein konstanter Faktor ist.
     
    3. Waffenrohr nach Anspruch 2,
    dadurch gekennzeichnet, daß die den Drallwinkel (α(x)) bestimmende Fourier-Reihe eine gerade Fourier-Reihe ist.
     
    4. Waffenrohr nach Anspruch 3,
    dadurch gekennzeichnet, daß der den Drallwinkel (α(x)) des Waffenrohres bestimmende konstante Faktor (F) im Argument der trigonometrischen Glieder der Fourier-Reihe durch F = πf/xE beschrieben wird, wobei f ein Faktor zur Beeinflußung der Leistenkraft (R(x)) an der Mündung (x=xE) ist und 1,0 < f < 1,2 gilt.
     
    5. Waffenrohr nach Anspruch 4,
    dadurch gekennzeichnet, daß zur Schonung eines Führungsbandes des Geschosses eine Änderung (Aa) des Drallwinkels (a(x)) von einem Anfangsdrallwinkel (aA = a(xA)) am Beginn der Züge bis zu einem Enddrallwinkel (αE = a(xE)) an der Mündung kleiner als 5,5° ist, so daß gilt: Δα = αE - αA < 5,5°
     




    Zeichnung