[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum enzymatischen Bleichen von Zellstoffen.
[0002] Die bisher bekannten biologischen Verfahren zur Zellstoffherstellung arbeiten mit
Mikroorganismen, insbesondere mit Pilzen. So ist aus der DE-PS 31 10 117 ein Verfahren
zur Gewinnung von Zellulose aus Holz oder anderen Pflanzenfasernmaterialien bekannt,
bei dem die Lignozellulose mit Hilfe von Weißfäulepilzen abgebaut wird. Die mit Mikroorganismen
arbeitenden Verfahren haben jedoch erhebliche Nachteile. So ist es bislang nicht möglich,
ohne gleichzeitiges Wachstum der Mikroorganismen und ohne Verlust an Cellulose einen
Abbau und ein Loslösen des Lignins von seinen Begleitpolymeren (Zellulose) zu erreichen.
Durch das gleichzeitige Wachstum des Pilzes treten sehr lange Abbauzeiten auf, die
bis zu mehreren Wochen dauern können.
[0003] In den letzten Jahren sind wegen der dargestellten Schwierigkeiten des Einsatzes
von Mikroorganismen die Verwendungsmöglichkeiten für isolierte Enzymsysteme untersucht
worden. Insbesondere wurden die Enzyme des Weißfäulepilzes Phanerochaete chrysosporium
erforscht und in vielen Einzelheiten aufgeklärt. So ist aus ''Biotechnology in the
Pulp and Paper Industry, 3. International Conference, Stockholm 1986'' bekannt, daß
beim Abbau von Lignin das Gleichgewicht der Reaktion auf der Polymerisationsseite
liegt, d.h. zellfreie Systeme bauen kein Lignin ab bzw. polymerisieren es.
[0004] In der Literatur ist auch seit der Entdeckung der lignolytischen Enzyme beim Weißfäulepilz
Phanerochaete chrysosporium eine Reihe von enzymatischen Verfahren zum Bleichen von
Zellstoff mit lebenden Pilzsystemen und auch von zellfreien Systemen bekannt geworden.
Ebenso wurde eine Reihe von Versuchen unternommen, mit Hämsystemen zu bleichen. Alle
diese Systeme benötigen Reaktionszeiten von mehr als 12 Stunden. D.h. allen diesen
Systemen sind ein großer Zeitaufwand und hohe Kosten zu eigen. Letzteres trifft insbesondere
für die reinen Hämsysteme zu.
[0005] Heutzutage wird eine Bleiche noch rein chemisch in mehreren Stufen unter Zusatz von
Chlor durchgeführt. Die Chlorbleiche ist aber mit großen Umweltproblemen verbunden.
Bei den Bleichverfahren wird im allgemeinen durch Entfernung der beim Kochprozeß zur
Ligninentfernung entstandenen chromophoren Restlignin-Kondensationsprodukte die Kappazahl,
d.h. der Ligningehalt erniedrigt und so der Zellstoff aufgehellt.
[0006] Die vorliegende Erfindung hat sich nunmehr die Aufgabe gestellt, ein Verfahren zum
enzymatischen Bleichen von Zellstoffen zur Verfügung zu stellen, welches die aufgezeigten
Nachteile der biologischen und chemischen Bleichverfahren nicht mehr aufweist.
[0007] Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, daß a) unter gleichzeitiger Zudosierung von Oxidations-
und Reduktionsmitteln und Zusatz von Salzen und Komplexbildnern zu einer wässrigen
zellstoffhaltigen Lösung ein Redoxpotential im Bereich zwischen 200 und 500 mV eingestellt,
b) durch Zugabe von lignolytischen Enzymen eine Bleichreaktion gestartet und c) die
Reaktion unter ständigem Rühren über 15 Minuten bis 12 Stunden aufrechterhalten wird.
Durch diese Verfahrensführung wird eine Repolymerisierung des Lignins verhindert und
eine Depolymerisierung erst möglich gemacht.
[0008] Das Redoxpotential liegt vorzugsweise zwischen 250 und 450 mV. Es kann bei dem erfindungsgemäßen
Verfahren mittels einer Redoxelektrode ermittelt und mittels eines Reglers und eines
Stellgliedes während der gesamten Reaktionszeit durch die Zugabe von Oxidations- und
Reduktionsmitteln, Salzen und phenolischen Verbindungen konstant gehalten werden.
[0009] Als Oxidationsmittel werden vorzugsweise Wasserstoffperoxid, Sauerstoff und Ozon
eingesetzt. Als Reduktionsmittel kommen Ascorbinsäure, Dithionit und Natrium-Bisulfit
in Frage.
[0010] Als Salz wird der zellstoffhaltigen wässrigen Lösung Kupfer(II) sulfat zugesetzt.
Zusätzlich können als Salze Mn(II)sulfat, Mn (III)Acetat, Fe(II)sulfat, Ti(III)chlorid,
Ce(III)nitrat und Ce(IV)amoniumnitrat eingesetzt werden. Ebenso kommen Salze mit den
Elementen Zink, Antimon und Blei in Betracht. Ggf. können der wässrigen zellstoffhaltigen
Lösung phenolische Verbindungen zugesetzt werden. Als solche haben sich inbesondere
Veratrylalkohole bewährt.
[0011] Ferner können der wässrigen zellstoffhaltigen Lösung Fettsäuren z.B. Ölsäuren, Hämverbindungen
z.B. Hämoglobin und Bleichreagenzien z.B. Natriumperborat zugesetzt werden. Darüber
hinaus kann eine Nachbleiche mit gängigen Bleichmitteln, wie Natriumhypochlorit, O₂,
Chlordioxid, Ozon, H₂O₂ und Natriumtionit durchgeführt werden.
[0012] Außerdem sei darauf hingewiesen, daß der Zusatz von Komplexbildnern für den Erfolg
des erfindungsgemäßen Verfahrens sehr wichtig ist. Als solche werden vorzugsweise
Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) oder Diethylentriaminpentraessigsäure (DTPA) eingesetzt.
Sobald das erforderliche Redoxpotential eingestellt ist, beginnt relativ schnell der
Bleichprozeß, der innerhalb weniger Minuten schon beendet sein kann, allerdings mit
kaum erniedrigter Kappazahl, welche in Abhängigkeit vom Zellstoffgehalt nach einigen
Stunden bis zu 90 % vermindert werden kann.
[0013] Zusätzlich zu den genannten Stoffen können der wässrigen zellstoffhaltigen Lösung
weitere Substanzen zugesetzt werden. Als solche kommen Natriumhypochlorit, Natriumperborat,
Detergenzien, Tenside und Polysaccharide, wie Glukane und Xanthane in Betracht.
[0014] Als Enzyme werden bei dem erfindungsgemäßen Verfahren vorzugsweise lignolytische
Enzyme eingesetzt. Hierzu zählen unter anderem Phenoloxidasen, Laccasen und Peroxidasen.
Die Wirksamkeit des Verfahrens kann durch Einsatz von Pektinase und/oder Hemicellulasen
noch erhöht werden. Besonders geeignete lignolytische Enzyme sind solche, die aus
dem Weißfäulepilz Phanerochaete chrysosporium gewonnen werden. Der Einsatz solcher
Enzyme ist bereits aus den US-PS 4 692 413, 4 690 895 und 4 687 741 bekannt. Allerdings
werden nach diesen Patentschriften aus speziellen Mutanten aus Phanerochaete chrysosporium
gewonnene Enzyme zum Bleichen eingesetzt. Erfindungsgemäß ist dies hingegen nicht
erforderlich. Vielmehr können bei Einhaltung der dargestellten Bedingungen alle heute
bekannten lignolytischen Enzyme eingesetzt werden. Der Hauptunterschied ist in der
Funktion der zudosierten reduzierenden oder oxidierenden Stoffe und Mediatoren, welche
als Radikalfänger fungieren, zu sehen. Diese Stoffe verhindern nämlich eine Repolymerisierung
des Lignins und ermöglichen dadurch erst einen Ligninabbau in der beschriebenen Weise
und Menge innerhalb der erwähnten kurzen Zeitspanne.
[0015] Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren liegt der pH-Wert gewöhnlich zwischen 2 und 5.
Besonders bevorzugt wird ein pH-Wert von 3. Die Temperatur beträgt 20 bis 60
° C, vorzugsweise 40
° C. Bei Einhaltung der Bedingungen wird unter Zusatz der genannten Stoffe ein Redoxpotential
von 200 bis 500 mV eingestellt. Dabei wird dies durch das Verhältnis der verschiedenen
zugesetzten Stoffe im Reaktionsgefäß bestimmt. Durch die entsprechende Messung und
Regelung der Zugabe der Oxidations- und Reduktionsmittel, der Salze und ggf. der phenolischen
Verbindungen kann es während der gesamten Reaktionszeit aufrechterhalten werden.
[0016] Mit dem geschilderten Bleichverfahren ist es erstmals gelungen, innerhalb sehr kurzer
Zeit (15 Minuten - 2 Stunden) bei physiologischen Temperaturen (40
° C) ohne Druck und mit geringsten Zugaben an chemischen Stoffen kostengünstig und
vor allem umweltschonend Zellstoffe zu bleichen. Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen
Verfahrens ist die Möglichkeit der kontinuierlichen Verfahrensführung.
[0017] Das erfindungsgemäße Verfahren wird anhand der folgenden Beispiele näher erläutert:
50 g atro Zellstoff (Sulfatzellstoff) werden in einem Rührgefäß bei 1 % Stoffdichte
bei ca. 500 rpm und 40
°C gerührt. Der pH-Wert wird mit 1 n HCL auf pH 3 eingestellt. Es werden 0,1 - 1,5
% H₂O₂ auf atro Stoff bezogen, ca. 2 x 10⁻⁵ % - 2 x 10⁻³ % Veratrylalkohol (VA) und
0,1 % EDTA oder DTPA, 0,001 - 0,01 % Kupfer(II)sulfat bezogen auf atro Stoff zugesetzt.
Nach Zugabe von 500 - 5000 IU lignolytischer Enzyme (1 IU = Umsatz von 1 nmol VA/min.
in Veratrylaldehyd) wird der Bleichprozeß durch gleichzeitige Dosierung von H₂O₂ und
Natrium-Bisulfit-Lösung in Gang gesetzt. Hierbei wird das Redoxpotential von ca. 400
mV aufrechterhalten. Nachdem der Prozeß eingeleitet ist, wird dieser für 2 Stunden
fortgesetzt. Die Steuerung und Regelung des Prozesses wird mittels einer Redoxelektrode
und einer Pumpensteuerung durchgeführt.
1. Verfahren zum enzymatischen Bleichen von Zellstoffen,
dadurch gekennzeichnet, daß
a) unter gleichzeitiger Zudosierung von Oxidations- und Reduktionsmitteln und Zusatz
von Salzen und Komplexbildnern zu einer wässrigen zellstoffhaltigen Lösung ein Redoxpotential
im Bereich zwischen 200 und 500 mV eingestellt,
b) durch Zugabe von lignolytischen Enzymen eine Bleichreaktion gestartet und
c) die Reaktion unter ständigem Rühren über 15 Minuten bis 12 Stunden aufrechterhalten
wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß das Redoxpotential zwischen 250 und 450 mV liegt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, daß als Oxidationsmittel H₂O₂, O₂ oder Ozon eingesetzt werden.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, daß als Reduktionsmittel Ascorbinsäure, Dithionit oder Natrium-Bisulfit eingesetzt
werden.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, daß als lignolytische Enzyme Ligninperoxidasen und Laccasen eingesetzt werden.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet, daß als Salz Kupfer(II)sulfat eingesetzt wird.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich zu Kupfer(II)sulfat als Salz Mn(II)sulfat, Mn(III)acetat, Fe(II)sulfat,
Ti(III)chlorid, Ce(III)nitrat und/oder Ce(IV) amoniumnitrat eingesetzt werden.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7 ,
dadurch gekennzeichnet, daß zur Einstellung des Redoxpotentials zusätzlich phenolische Verbindungen der
zellstoffhaltigen wässrigen Lösung zugesetzt werden.
9. Verfahren nach Anspruch 8,
dadurch gekennzeichnet, daß als phenolische Verbindung Veratrylalkohol eingesetzt wird.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9,
dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich zu den lignolytischen Enzymen Pektinasen und/oder Hemicellulasen
eingesetzt werden.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10,
dadurch gekennzeichnet, daß der pH-Wert zwischen 2 und 5 liegt.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11,
dadurch gekennzeichnet, daß der pH-Wert 3 beträgt.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12,
dadurch gekennzeichnet, daß die Temperatur zwischen 20 und 60° C liegt.
14. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13,
dadurch gekennzeichnet, daß die Temperatur bei 40° C liegt.
15. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 14,
dadurch gekennzeichnet, daß Natriumhypochlorit der Reaktionslösung zugesetzt wird.
16. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 15,
dadurch gekennzeichnet, daß als Komplexbildner Ethylendiamin-tetraessigsäure (EDTA) oder Diethylentriamin-pentaessigsäure
(DTPA) eingesetzt werden.
17. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 16,
dadurch gekennzeichnet, daß zur wässrigen, zellstoffhaltigen Lösung Polysaccharide zugesetzt werden.
18. Verfahren nach Anspruch 17,
dadurch gekennzeichnet, daß die Polysaccharide Glukane und/oder Xanthan sind.
19. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 18,
dadurch gekennzeichnet, daß der wässrigen, zellstoffhaltigen Lösung Detergenzien zugesetzt werden.
20. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 19,
dadurch gekennzeichnet, daß der wässrigen, zellstoffhaltigen Lösung Tenside zugesetzt werden.
21. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 20,
dadurch gekennzeichnet, daß der wässrigen, zellstoffhaltigen Lösung Fettsäuren zugesetzt werden.
22. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 21,
dadurch gekennzeichnet, daß der wässrigen, zellstoffhaltigen Lösung Hämverbindungen zugesetzt werden.
23. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 22,
dadurch gekennzeichnet, daß der wässrigen, zellstoffhaltigen Lösung zusätzlich Bleichreagenzien beigegeben
werden.
24. Verfahren nach Anspruch 23,
dadurch gekennzeichnet, daß als Bleichreagenz Natriumperborat eingesetzt wird.
25. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 24,
dadurch gekennzeichnet, daß nach Abschluß der Reaktion mit NaOH und/oder H₂SO₄ extrahiert wird.
26. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 25,
dadurch gekennzeichnet, daß eine Nachbleichung mittels gängiger Bleichmittel vorgenommen wird.
27. Verfahren nach Anspruch 26,
dadurch gekennzeichnet, daß zum Nachbleichen Natriumhypochlorit, Chlor, Chlordioxid, O₂, Ozon, H₂O₂ und
Natriumdithionit verwendet werden.