[0001] Die Erfindung betrifft Verfahren zum Glühen von stählernem Glühgut, insbesondere
Edelstahl, in Durchlaufanlagen unter Schutzgas, wobei das Glühgut aufeinanderfolgend
in der Schutzgasatmosphäre aufgeheizt, geglüht und wieder abgekühlt wird
[0002] Das Glühen von stählernem Glühgut wird häufig in einer kontinuierlichen Verfahrensweise
in Durchlaufanlagen oder -öfen unter geeignetem Schutzgas, häufig Gasatmosphären mit
hohem Wasserstoffanteil, durchgeführt. Dabei besteht die Problematik, daß nach neuen
Erkenntnissen während des Glühvorgangs im Glühgut enthaltenes Bor aus diesem heraus
oxidiert wird. Dieses Boroxid schlägt sich in der Folge in Form von weißem Staub in
den nachgeschalteten, zur Abkühlung des Glühgutes dienenden Kühlern nieder und vermindert
deren Kühlleistung im Verlauf von einigen Wochen so drastisch, daß die Produktion
in der Anlage unterbrochen und die Kühler ausgetauscht oder gereinigt werden müssen.
Dies hat einen Produktionsausfall von wenigstens einem Arbeitstag zur Folge.
[0003] Eben beschriebene Problemstellung ist beispielsweise in "Stahl und Eisen" 107 (1987)
Nr. 6, Seiten 267 bis 273, insbesondere 271, rechts unten, geschildert. Dort wird
das Problem der durch weißen Staub verschmutzten Wärmetauscher dadurch gelöst bzw.
vermindert, daß ein Einbau derselben so gewählt ist, daß diese einer schnellen Reinigung
oder einem schnellen Austausch unterzogen werden können. Nichtsdestoweniger ist ein
weiterer Verbesserungsbedarf in diesem Zusammenhang vorhanden.
[0004] Die Aufgabenstellung der vorliegenden Erfindung besteht deshalb darin, das Problem
des bei kontinuierlichen Wärmebehandlungen zu Produktionsausfällen führenden weißen
Staubes weiter zu vermindern oder ganz zu beseitigen.
[0005] Diese Aufgabe wird gemäß der vorliegenden Erfindung dadurch gelöst, daß das Glühgut
vor dem eigentlichen Glühablauf einer entoxidierenden Vorbehandlung unterzogen wird,
die auf der Oberfläche des Glühgutes adsorbierten Sauerstoff sowie gegebenenfalls
an der Oberfläche befindliche Sauerstoffverbindungen zumindest weitgehend entfernt.
[0006] Diese Vorgehensweise beruht auf der Erkenntnis, daß besagter weißer Staub nach neuen
Analysen wesentlich aus Boroxiden besteht, die dadurch entstehen, daß das im Glühgut
enthaltene Bor beim Glühvorgang mit ebenfalls in der Glühanlage vorhandenem Sauerstoff
oder Sauerstoffverbindungen reagiert. Dieses "Sauerstoffangebot" in der Glühanlage
ergibt sich ursächlich wahrscheinlich durch besagte adsorptive Belegung des Glühgutes
mit Sauerstoff sowie durch die in einer Oberflächenschicht vorhandenen Legierungsoxide,
die vor allem bei bereits passiviertem Glühgut vorhanden sind. Letzteres ist insbesondere
bei Edelstahlbändern der Fall. Daß ein unerwünscht hohes Sauerstoffangebot in der
Glühanlage besteht, kann daraus geschlossen werden, daß beispielsweise bei der Anwendung
einer reinen Wasserstoffschutzgasatmosphäre diese etwa mit einem Wassergehalt von
1 vpm (volumes per million) eingespeist wird, sich jedoch im Ofen Gehalte bis zu mehr
als 30 vpm H₂O einstellen. Das heißt, daß in die Wärmebehandlungsanlage über die Schutzgaszufuhr
hinaus auf andere Weise Sauerstoff eingetragen wird, was über die bereits genannte
Oberflächenbelegung erfolgt und in der Anlage zu höheren Wassergehalten führt.
[0007] Erfindungsgemäß wird nun dieser Ablauf durch eine der Glühung vorgeschaltete entoxidierende
Behandlung des Glühgutes verhindert. Die Entoxidation des Glühgutes kann durch verschiedene
Methoden bewirkt werden, beispielsweise durch das Durchlaufen einer vorgelagerten
Hitzekammer mit eigenständiger, von der Glühanlage getrennter Schutzgasatmosphäre
oder das Durchlaufen einer Kammer mit niedrigem Druck.
[0008] In einer vorteilhaften, hochwirksamen Ausgestaltung besteht die erfindungsgemäße,
entoxidierende Vorbehandlung jedoch darin, daß das Glühgut einer Beizung mit anschließender
Reinigung unterzogen wird, wobei dies in einer weitgehend sauerstofffreien Kammer
ausgeführt wird
[0009] Das von der Passivierung von stählernem Gut bekannte Beizen hat sich für den erfindugsgemäß
angestrebten Zweck als überaus wirksam gezeigt und ist auch mit vertretbarem Aufwand
realisierbar, da es sich um einen technologisch bekannten Verfahrensschritt handelt,
der bei Glühungen ansonsten auch nachgeordnet ausgeführt wird (siehe dazu z.B. ebenfalls
Artikel aus Stahl u. Eisen, Seite 268, Punkt 6).
[0010] Die Ausführung in sauerstofffreier Atmosphäre verhindert dabei eine Neubelegung des
Glühgutes mit Sauerstoff nach der Beizung.
[0011] In einer vorteilhaften Ausgestaltung wird besagte sauerstofffreie Kammer durch Spülen
der Kammer mit sauerstofffreien Gasen erzeugt, wobei vorzugsweise Stickstoff oder
Argon aufgrund ihrer inerten und unproblematischen Eigenschaften und aus Kostengründen
eingesetzt werden. Dabei wird vorzugsweise ein Sauerstoffgehalt von < 1 vpm mittels
einer Sauerstoffüberwachung eingehalten.
[0012] Es hat sich als günstig erwiesen, wenn die entoxidierende Beizung dadurch ausgeführt
wird, daß das Glühgut ein konventionelles oder auch elektrolytisches Beizebad durchläuft,
wobei eine Einwirkzeit von wenigstens 3 sec eingehalten wird.
[0013] Neben der eben beschriebenen Variante mit der Beizung des Glühgutes besteht eine
weitere, besonders effektive Verfahrensvariante darin, daß eine entoxidierende Vorbehandlung
dadurch erfolgt, daß das Glühgut einer induktiven Erwärmung unterzogen wird, die besonders
vorteilhaft in einer mit Wasserstoff gespülten, sauerstofffreien Kammer ausgeführt
wird. Diese Verfahrensvariante ist vor allem bei überwiegend adsorbiertem Sauerstoff
auf dem Glühgut vorteilhaft, da mit der schnell durchführbaren induktiven Erwärmung
eine gute und schnelle Desorption von Sauerstoff erreicht wird, welche zusätzlich
durch die Wasserstoffatmosphäre und deren reduzierende Wirkung unterstützt wird.
[0014] Eine zur Durchführung der Erfindung geeignete Glühanlage zeichnet sich dadurch aus,
daß vor der Einlaufzone in die Glühanlage eine im wesentlichen geschlossene, mit einer
Gaszuleitung versehene Kammer angeordnet ist, die ein Beizebad, eine Reinigungsstation
sowie Transport-einrichtungen für das Glühgut durch die Kammer und deren Einrichtungen
enthält.
[0015] Die zweite Verfahrensvariante zeichnet sich durch eine in der Kammer befindliche
Einrichtung zur induktiven Erwärmung des Glühgutes und ebenso durch entsprechende
Transporteinrichtungen aus.
[0016] Anhand der beigefügten schematischen Zeichnung soll die Erfindung beispielhaft näher
beschrieben werden.
[0017] In der Zeichnung ist der Einlaufbereich einer Bandglühanlage mit vorgeschalteter,
erfindungsgemäßer Entoxidationskammer gezeigt.
[0018] Da es sich bei der in der Zeichnung teilweise gezeigten Durchlaufglühanlage um eine
Bandglühanlage handelt, besteht das Glühgut im beschriebenen Beispiel also in einem
durchgängigen Stahlband 1, das mittels Rollen 2, 3, 4 befördert wird. Das Stahlband
1 läuft zunächst in eine Kammer 5 ein und wird dort durch die Rollen 2 und 3 derart
umgelenkt, daß es in ein Beizebad 6 eingeführt wird, welches es nach Umlaufen der
folgenden Rolle 4 wieder verläßt. An das Beizebad 6 schließt sich eine Reinigungsstation
7 an, nach der der Übertritt des Stahlbandes 1 von der Kammer 5 in die eigentliche
Glühanlage, die sich mit ihrem Einlauftunnel 8 an die Kammer 5 anschließt, folgt.
Die Kammer 5 besitzt darüber hinaus eine Gaszuleitung 9 mit Regelventil 10 sowie eine
Sauerstoffmeßeinrichtung 11 und eine damit verbundene Kontrolleinheit 12.
[0019] Die obengenannte, zweite Verfahrensvariante ergibt sich in der Zeichnung unter Weglassung
des Beizebades 6 sowie der Reinigungsstation 7 und der Anordnung einer induktiv erwärmenden
Einrichtung etwa zwischen den Rollen 3 und 4.
[0020] Zur Durchfürung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird nun der Kammer 5 über die Gaszuleitung
9 beispielsweise Stickstoff zugeführt, wodurch aus der Kammer 5 die Luft und insbesondere
der darin enthaltene Sauerstoff verdrängt wird. Nach der anfänglichen Verdrängungsspülung
wird der Sauerstoffgehalt in der Kammer 5 mit der Kontrolleinrichtung 12 überwacht,
wobei die Stickstoffzufuhr durch die Kontrolleinheit 12 so geregelt wird, daß ein
bestimmter Gehalt an Sauerstoff nicht mehr überschritten wird. Dieser liegt vorzugsweise
bei Werten unter 1 vpm. Diese Sauerstoffverdrängung dient dazu, daß ein erfindungsgemäß
in der Kammr 5 entoxidiertes Stahlband sich vor der Glühung nicht mehr neu mit Sauerstoff
oder Sauerstoffverbindungen beladen kann.
[0021] Die Entoxidiation, d.h. das Entfernen von adsorbiertem Sauerstoff oder oberflächig
vorhandenen Sauerstoffverbindungen, läuft in der Kammer 5 dadurch ab, daß gemäß der
ersten Verfahrensvariante das Stahlband 1 durch das in dieser Kammer angeordnete Beizebad
5 geführt wird. Im Beizebad 5 befindet sich eine auch von der Passivierung von Stahlgut
bekannte Beizsäure, beispielsweise 10 %ige Salpetersäure. Mit einer Einwirkzeit der
Beizsäure von wenigstens 3 sec wird erfahrungsgemäß der mit der vorliegenden Erfindung
angestrebte Zweck erreicht und der auf dem Stahlband befindliche Sauerstoff ist so
weit reduziert, daß die Bildung von weißem Staub wesentlich vermindert ist. Das Stahlband
ist nach dem Durchlauf durch das Beizebad noch einer Reinigung zuzuführen, um die
auf dem Band verbliebene Beize zu entfernen, wobei dies durch Abstreifen und Trocknen
des Stahlbandes bewerkstelligt werden kann.
[0022] Insgesamt ergibt sich mit der vorgeschlagenen Verfahrensweise eine erhebliche Reduzierung
der Bildung an weißem Staub in Durchlaufglühanlagen, die trotz des zusätzlichen Aufwandes
in der Gegenrechnung zu ansonsten häufigeren Produktionsausfällen rechtfertigbar ist.
1. Verfahren zum Glühen von stählernem Glühgut, insbesondere Edelstahl, in Durchlaufanlagen
unter Schutzgas,
wobei das Glühgut aufeinanderfolgend in der Schutzgasatmosphäre aufgeheizt, geglüht
und wieder abgekühlt wird,
dadurch gekennzeichnet, daß das Glühgut vor dem eigentlichen Glühablauf einer entoxidierenden
Vorbehandlung unterzogen wird, die auf der Oberfläche des Glühgutes adsorbierten Sauerstoff
sowie gegebenenfalls an der Oberfläche befindliche Sauerstoffverbindungen zumindest
weitgehend entfernt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die entoxidierende Vorbehandlung
darin besteht, daß das Glühgut einer Beizung mit anschließender Reinigung unterzogen
wird, wobei dies in einer weitgehend sauerstofffreien, vorgeschalteten Kammer ausgeführt
wird.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gkennzeichnet, daß die sauerstofffreie Kammer durch
Spülen der Kammer mit sauerstofffreien Gasen, vorzugsweise Stickstoff oder Argon,
erzeugt wird.
4. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die entoxidierende Beizung
dadurch ausgeführt wird, daß das Glühgut ein konventionelles oder elektrolytisches
Beizebad durchläuft, wobei eine Einwirkzeit von wenigstens 3 sec eingehalten wird.
5. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die entoxidierende Vorbehandlung
darin besteht, daß das Glühgut einer induktiven Erwärmung unterzogen wird, wobei dies
in einer weitgehend sauerstofffreien, vorgeschalteten Kammer ausgeführt wird.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die sauerstofffreie Kammer
durch Spülen der Kammer mit sauerstofffreien Gasen, vorzugsweise Wasserstoff, erzeugt
wird.
7. Glühanlage zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 2, 3 oder 4 mit einem Glühtunnel
mit Einlauf-, Hitze- und Abkühlzone,
dadurch gekennzeichnet, daß vor der Einlaufzone in die Glühanlage eine im wesentlichen
geschlossene, mit einer Gaszuleitung (9) versehene Kammer (5) angeordnet ist,
die eine Beizstation (6), eine Reinigungsstation (7) sowie Transporteinrichtungen
für das Glühgut durch die Kammer enthält.
8. Glühanlage zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 5 oder 6 mit einem Glühtunnel
mit Einlauf-, Hitze- und Abkühlzone,
dadurch gekennzeichnet, daß vor der Einlaufzone in die Glühanlage eine im wesentlichen
geschlossene, mit einer Gaszuleitung (9) versehene Kammer (5) angeordnet ist,
die eine Einrichtung zur induktiven Erwärmung des Glühgutes sowie Transporteinrichtungen
für das Glühgut durch die Kammer enthält.