(19)
(11) EP 0 449 030 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
02.10.1991  Patentblatt  1991/40

(21) Anmeldenummer: 91103759.6

(22) Anmeldetag:  12.03.1991
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C21D 9/52, C21D 9/56
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT DE FR GB IT NL

(30) Priorität: 29.03.1990 DE 4010102

(71) Anmelder: Linde Aktiengesellschaft
D-65189 Wiesbaden (DE)

(72) Erfinder:
  • Jurmann, Alexander, Dipl.-Ing.
    W-8025 Unterhaching (DE)

(74) Vertreter: Schaefer, Gerhard, Dr. 
Linde Aktiengesellschaft Zentrale Patentabteilung
D-82049 Höllriegelskreuth
D-82049 Höllriegelskreuth (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zum Glühen von stählernem Glühgut


    (57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Glühen von stählernem Gut in Durchlaufanlagen. In solchen kontinuierlich arbeitenden Anlagen tritt die Bildung eines, zu Betriebsunterbrechungen führenden sogenannten weißen Staubes auf, die gemäß vorliegender Erfindung dadurch fast vollständig beseitigt wird, daß das Glühgut vor dem eigentlichen Glühablauf einer entoxidierenden Vorbehandlung unterzogen wird, die auf der Oberfläche des Glühgutes adsorbierten Sauerstoff sowie gegebenenfalls an der Oberfläche befindliche Sauerstoffverbindungen zumindest weitgehend entfernt.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft Verfahren zum Glühen von stählernem Glühgut, insbesondere Edelstahl, in Durchlaufanlagen unter Schutzgas, wobei das Glühgut aufeinanderfolgend in der Schutzgasatmosphäre aufgeheizt, geglüht und wieder abgekühlt wird

    [0002] Das Glühen von stählernem Glühgut wird häufig in einer kontinuierlichen Verfahrensweise in Durchlaufanlagen oder -öfen unter geeignetem Schutzgas, häufig Gasatmosphären mit hohem Wasserstoffanteil, durchgeführt. Dabei besteht die Problematik, daß nach neuen Erkenntnissen während des Glühvorgangs im Glühgut enthaltenes Bor aus diesem heraus oxidiert wird. Dieses Boroxid schlägt sich in der Folge in Form von weißem Staub in den nachgeschalteten, zur Abkühlung des Glühgutes dienenden Kühlern nieder und vermindert deren Kühlleistung im Verlauf von einigen Wochen so drastisch, daß die Produktion in der Anlage unterbrochen und die Kühler ausgetauscht oder gereinigt werden müssen. Dies hat einen Produktionsausfall von wenigstens einem Arbeitstag zur Folge.

    [0003] Eben beschriebene Problemstellung ist beispielsweise in "Stahl und Eisen" 107 (1987) Nr. 6, Seiten 267 bis 273, insbesondere 271, rechts unten, geschildert. Dort wird das Problem der durch weißen Staub verschmutzten Wärmetauscher dadurch gelöst bzw. vermindert, daß ein Einbau derselben so gewählt ist, daß diese einer schnellen Reinigung oder einem schnellen Austausch unterzogen werden können. Nichtsdestoweniger ist ein weiterer Verbesserungsbedarf in diesem Zusammenhang vorhanden.

    [0004] Die Aufgabenstellung der vorliegenden Erfindung besteht deshalb darin, das Problem des bei kontinuierlichen Wärmebehandlungen zu Produktionsausfällen führenden weißen Staubes weiter zu vermindern oder ganz zu beseitigen.

    [0005] Diese Aufgabe wird gemäß der vorliegenden Erfindung dadurch gelöst, daß das Glühgut vor dem eigentlichen Glühablauf einer entoxidierenden Vorbehandlung unterzogen wird, die auf der Oberfläche des Glühgutes adsorbierten Sauerstoff sowie gegebenenfalls an der Oberfläche befindliche Sauerstoffverbindungen zumindest weitgehend entfernt.

    [0006] Diese Vorgehensweise beruht auf der Erkenntnis, daß besagter weißer Staub nach neuen Analysen wesentlich aus Boroxiden besteht, die dadurch entstehen, daß das im Glühgut enthaltene Bor beim Glühvorgang mit ebenfalls in der Glühanlage vorhandenem Sauerstoff oder Sauerstoffverbindungen reagiert. Dieses "Sauerstoffangebot" in der Glühanlage ergibt sich ursächlich wahrscheinlich durch besagte adsorptive Belegung des Glühgutes mit Sauerstoff sowie durch die in einer Oberflächenschicht vorhandenen Legierungsoxide, die vor allem bei bereits passiviertem Glühgut vorhanden sind. Letzteres ist insbesondere bei Edelstahlbändern der Fall. Daß ein unerwünscht hohes Sauerstoffangebot in der Glühanlage besteht, kann daraus geschlossen werden, daß beispielsweise bei der Anwendung einer reinen Wasserstoffschutzgasatmosphäre diese etwa mit einem Wassergehalt von 1 vpm (volumes per million) eingespeist wird, sich jedoch im Ofen Gehalte bis zu mehr als 30 vpm H₂O einstellen. Das heißt, daß in die Wärmebehandlungsanlage über die Schutzgaszufuhr hinaus auf andere Weise Sauerstoff eingetragen wird, was über die bereits genannte Oberflächenbelegung erfolgt und in der Anlage zu höheren Wassergehalten führt.

    [0007] Erfindungsgemäß wird nun dieser Ablauf durch eine der Glühung vorgeschaltete entoxidierende Behandlung des Glühgutes verhindert. Die Entoxidation des Glühgutes kann durch verschiedene Methoden bewirkt werden, beispielsweise durch das Durchlaufen einer vorgelagerten Hitzekammer mit eigenständiger, von der Glühanlage getrennter Schutzgasatmosphäre oder das Durchlaufen einer Kammer mit niedrigem Druck.

    [0008] In einer vorteilhaften, hochwirksamen Ausgestaltung besteht die erfindungsgemäße, entoxidierende Vorbehandlung jedoch darin, daß das Glühgut einer Beizung mit anschließender Reinigung unterzogen wird, wobei dies in einer weitgehend sauerstofffreien Kammer ausgeführt wird

    [0009] Das von der Passivierung von stählernem Gut bekannte Beizen hat sich für den erfindugsgemäß angestrebten Zweck als überaus wirksam gezeigt und ist auch mit vertretbarem Aufwand realisierbar, da es sich um einen technologisch bekannten Verfahrensschritt handelt, der bei Glühungen ansonsten auch nachgeordnet ausgeführt wird (siehe dazu z.B. ebenfalls Artikel aus Stahl u. Eisen, Seite 268, Punkt 6).

    [0010] Die Ausführung in sauerstofffreier Atmosphäre verhindert dabei eine Neubelegung des Glühgutes mit Sauerstoff nach der Beizung.

    [0011] In einer vorteilhaften Ausgestaltung wird besagte sauerstofffreie Kammer durch Spülen der Kammer mit sauerstofffreien Gasen erzeugt, wobei vorzugsweise Stickstoff oder Argon aufgrund ihrer inerten und unproblematischen Eigenschaften und aus Kostengründen eingesetzt werden. Dabei wird vorzugsweise ein Sauerstoffgehalt von < 1 vpm mittels einer Sauerstoffüberwachung eingehalten.

    [0012] Es hat sich als günstig erwiesen, wenn die entoxidierende Beizung dadurch ausgeführt wird, daß das Glühgut ein konventionelles oder auch elektrolytisches Beizebad durchläuft, wobei eine Einwirkzeit von wenigstens 3 sec eingehalten wird.

    [0013] Neben der eben beschriebenen Variante mit der Beizung des Glühgutes besteht eine weitere, besonders effektive Verfahrensvariante darin, daß eine entoxidierende Vorbehandlung dadurch erfolgt, daß das Glühgut einer induktiven Erwärmung unterzogen wird, die besonders vorteilhaft in einer mit Wasserstoff gespülten, sauerstofffreien Kammer ausgeführt wird. Diese Verfahrensvariante ist vor allem bei überwiegend adsorbiertem Sauerstoff auf dem Glühgut vorteilhaft, da mit der schnell durchführbaren induktiven Erwärmung eine gute und schnelle Desorption von Sauerstoff erreicht wird, welche zusätzlich durch die Wasserstoffatmosphäre und deren reduzierende Wirkung unterstützt wird.

    [0014] Eine zur Durchführung der Erfindung geeignete Glühanlage zeichnet sich dadurch aus, daß vor der Einlaufzone in die Glühanlage eine im wesentlichen geschlossene, mit einer Gaszuleitung versehene Kammer angeordnet ist, die ein Beizebad, eine Reinigungsstation sowie Transport-einrichtungen für das Glühgut durch die Kammer und deren Einrichtungen enthält.

    [0015] Die zweite Verfahrensvariante zeichnet sich durch eine in der Kammer befindliche Einrichtung zur induktiven Erwärmung des Glühgutes und ebenso durch entsprechende Transporteinrichtungen aus.

    [0016] Anhand der beigefügten schematischen Zeichnung soll die Erfindung beispielhaft näher beschrieben werden.

    [0017] In der Zeichnung ist der Einlaufbereich einer Bandglühanlage mit vorgeschalteter, erfindungsgemäßer Entoxidationskammer gezeigt.

    [0018] Da es sich bei der in der Zeichnung teilweise gezeigten Durchlaufglühanlage um eine Bandglühanlage handelt, besteht das Glühgut im beschriebenen Beispiel also in einem durchgängigen Stahlband 1, das mittels Rollen 2, 3, 4 befördert wird. Das Stahlband 1 läuft zunächst in eine Kammer 5 ein und wird dort durch die Rollen 2 und 3 derart umgelenkt, daß es in ein Beizebad 6 eingeführt wird, welches es nach Umlaufen der folgenden Rolle 4 wieder verläßt. An das Beizebad 6 schließt sich eine Reinigungsstation 7 an, nach der der Übertritt des Stahlbandes 1 von der Kammer 5 in die eigentliche Glühanlage, die sich mit ihrem Einlauftunnel 8 an die Kammer 5 anschließt, folgt. Die Kammer 5 besitzt darüber hinaus eine Gaszuleitung 9 mit Regelventil 10 sowie eine Sauerstoffmeßeinrichtung 11 und eine damit verbundene Kontrolleinheit 12.

    [0019] Die obengenannte, zweite Verfahrensvariante ergibt sich in der Zeichnung unter Weglassung des Beizebades 6 sowie der Reinigungsstation 7 und der Anordnung einer induktiv erwärmenden Einrichtung etwa zwischen den Rollen 3 und 4.

    [0020] Zur Durchfürung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird nun der Kammer 5 über die Gaszuleitung 9 beispielsweise Stickstoff zugeführt, wodurch aus der Kammer 5 die Luft und insbesondere der darin enthaltene Sauerstoff verdrängt wird. Nach der anfänglichen Verdrängungsspülung wird der Sauerstoffgehalt in der Kammer 5 mit der Kontrolleinrichtung 12 überwacht, wobei die Stickstoffzufuhr durch die Kontrolleinheit 12 so geregelt wird, daß ein bestimmter Gehalt an Sauerstoff nicht mehr überschritten wird. Dieser liegt vorzugsweise bei Werten unter 1 vpm. Diese Sauerstoffverdrängung dient dazu, daß ein erfindungsgemäß in der Kammr 5 entoxidiertes Stahlband sich vor der Glühung nicht mehr neu mit Sauerstoff oder Sauerstoffverbindungen beladen kann.

    [0021] Die Entoxidiation, d.h. das Entfernen von adsorbiertem Sauerstoff oder oberflächig vorhandenen Sauerstoffverbindungen, läuft in der Kammer 5 dadurch ab, daß gemäß der ersten Verfahrensvariante das Stahlband 1 durch das in dieser Kammer angeordnete Beizebad 5 geführt wird. Im Beizebad 5 befindet sich eine auch von der Passivierung von Stahlgut bekannte Beizsäure, beispielsweise 10 %ige Salpetersäure. Mit einer Einwirkzeit der Beizsäure von wenigstens 3 sec wird erfahrungsgemäß der mit der vorliegenden Erfindung angestrebte Zweck erreicht und der auf dem Stahlband befindliche Sauerstoff ist so weit reduziert, daß die Bildung von weißem Staub wesentlich vermindert ist. Das Stahlband ist nach dem Durchlauf durch das Beizebad noch einer Reinigung zuzuführen, um die auf dem Band verbliebene Beize zu entfernen, wobei dies durch Abstreifen und Trocknen des Stahlbandes bewerkstelligt werden kann.

    [0022] Insgesamt ergibt sich mit der vorgeschlagenen Verfahrensweise eine erhebliche Reduzierung der Bildung an weißem Staub in Durchlaufglühanlagen, die trotz des zusätzlichen Aufwandes in der Gegenrechnung zu ansonsten häufigeren Produktionsausfällen rechtfertigbar ist.


    Ansprüche

    1. Verfahren zum Glühen von stählernem Glühgut, insbesondere Edelstahl, in Durchlaufanlagen unter Schutzgas,
    wobei das Glühgut aufeinanderfolgend in der Schutzgasatmosphäre aufgeheizt, geglüht und wieder abgekühlt wird,
    dadurch gekennzeichnet, daß das Glühgut vor dem eigentlichen Glühablauf einer entoxidierenden Vorbehandlung unterzogen wird, die auf der Oberfläche des Glühgutes adsorbierten Sauerstoff sowie gegebenenfalls an der Oberfläche befindliche Sauerstoffverbindungen zumindest weitgehend entfernt.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die entoxidierende Vorbehandlung darin besteht, daß das Glühgut einer Beizung mit anschließender Reinigung unterzogen wird, wobei dies in einer weitgehend sauerstofffreien, vorgeschalteten Kammer ausgeführt wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gkennzeichnet, daß die sauerstofffreie Kammer durch Spülen der Kammer mit sauerstofffreien Gasen, vorzugsweise Stickstoff oder Argon, erzeugt wird.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die entoxidierende Beizung dadurch ausgeführt wird, daß das Glühgut ein konventionelles oder elektrolytisches Beizebad durchläuft, wobei eine Einwirkzeit von wenigstens 3 sec eingehalten wird.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die entoxidierende Vorbehandlung darin besteht, daß das Glühgut einer induktiven Erwärmung unterzogen wird, wobei dies in einer weitgehend sauerstofffreien, vorgeschalteten Kammer ausgeführt wird.
     
    6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die sauerstofffreie Kammer durch Spülen der Kammer mit sauerstofffreien Gasen, vorzugsweise Wasserstoff, erzeugt wird.
     
    7. Glühanlage zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 2, 3 oder 4 mit einem Glühtunnel mit Einlauf-, Hitze- und Abkühlzone,
    dadurch gekennzeichnet, daß vor der Einlaufzone in die Glühanlage eine im wesentlichen geschlossene, mit einer Gaszuleitung (9) versehene Kammer (5) angeordnet ist,
    die eine Beizstation (6), eine Reinigungsstation (7) sowie Transporteinrichtungen für das Glühgut durch die Kammer enthält.
     
    8. Glühanlage zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 5 oder 6 mit einem Glühtunnel mit Einlauf-, Hitze- und Abkühlzone,
    dadurch gekennzeichnet, daß vor der Einlaufzone in die Glühanlage eine im wesentlichen geschlossene, mit einer Gaszuleitung (9) versehene Kammer (5) angeordnet ist,
    die eine Einrichtung zur induktiven Erwärmung des Glühgutes sowie Transporteinrichtungen für das Glühgut durch die Kammer enthält.
     




    Zeichnung