(19)
(11) EP 0 451 808 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
16.10.1991  Patentblatt  1991/42

(21) Anmeldenummer: 91105672.9

(22) Anmeldetag:  10.04.1991
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5E01F 7/04, F28D 15/02, E04H 4/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE ES FR IT LI SE

(30) Priorität: 10.04.1990 AT 845/90

(71) Anmelder: Bellutti, Arthur
A-6080 Innsbruck-Igls (AT)

(72) Erfinder:
  • Fuchs, Johann
    A-6020 Innsbruck (AT)

(74) Vertreter: Hofinger, Engelbert, DDr. et al
Patentanwälte Torggler & Hofinger Wilhelm-Greil-Strasse 16
A-6020 Innsbruck
A-6020 Innsbruck (AT)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zum Verfestigen einer insbesondere geneigten Schneedecke und eine Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens


    (57) Zum Verfestigen einer Schneedecke (6) werden in dieser vom Erdboden (1) annähernd senkrecht hochstehende Wärmerohre (2) angeordnet, die den Umwandlungsprozeß des Schnees beschleunigen.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Verfestigen einer insbesondere geneigten Schneedecke und eine Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens.

    [0002] Der Schnee einer Schneedecke durchläuft beginnend vom frischen Neuschnee einen Umwandlungsprozeß, innerhalb dessen eine Anzahl von verschiedenen Stufen gegeben sind, an deren Ende das Abschmelzen oder die Gletschereisbildung steht. Während des Umwandlungsprozesses liegen abhängig von den verschiedensten Einflüssen Umwandlungsstufen vor, die unterschiedliche Eigenschaften der Schneedecke bewirken. Wie dem Lawinenhandbuch des Landes Tirol, Tyrolia-Verlag Innsbruck-Wien im Detail entnommen werden kann, unterteilt sich der Umwandlungsprozeß in drei Phasen, nämlich in die abbauende Metamorphose, während der die Schneekristalle sich verkleinern und die Schneedecke sich setzt. dann in die aufbauende Metamorphose, während der die Schneekristalle sich zu größeren Kristallen verbinden, jedoch keine weitere Senkung der Schneedecke erfolgt und schließlich in die Schmelzmetamorphose, während der die Kristalle anschmelzen, der Wassergehalt steigt und unter weiterer Verringerung des Luftporenraumes die Schneedecke sich wiederum setzt.

    [0003] In allen drei Phasen existieren Stufen, in denen die Bindung zum Boden oder zwischen einzelnen Schneeschichten gering ist. In diesen Stufen ist z. B. die Lawinengefahr wesentlich erhöht. Eine hohe Festigkeit weist der Schnee anfangs der Schmelzmetamorphose, solange die Feuchtigkeit gering ist, bzw. auch in weiteren Stufen der Schmelzmetamorphose auf, wenn im Schnee mit höherem Wassergehalt das Wasser wieder friert. Dies kann etwa bei Frost-Tau-Wechsel zwischen Nacht und Tag beobachtet werden, wenn sich eine oberflächliche Harschschicht bildet.

    [0004] Der Umwandlungsprozeß des Schnees ist auch von den Temperaturverhältnissen abhängig. Jede Phase wird durch höhere Temperaturen beschleunigt. Wärme wird der Schneedecke einerseits vom Boden und andererseits von der Sonne zugeführt, wobei jeweils nur die äußersten Schichten nennenswert beeinflußt werden, da Schnee eine sehr schlechte Wärmeleitfähigkeit aufweist. Mittlere Schichten einer Schneedecke wandeln sich daher wesentlich langsamer um.

    [0005] Die Erfindung hat es sich nun zur Aufgabe gestellt, ein Verfahren und eine Einrichtung zu entwickeln, die es gestatten, durch Beschleunigung des Umwandlungsprozesses die Schneedecke von insbesondere lawinengefährdeten Hängen zu verfestigen.

    [0006] Erfindungsgemäß wird dies dadurch gelöst, daß in der Schneedecke diese annähernd senkrecht durchsetzende Wärmeleitwege ausgebildet werden.

    [0007] Mit Hilfe der die Schneedecke durchsetzenden Wärmeleitwege wird nun auch mittleren Schneeschichten örtlich Wärme aus der wärmeren bodennahen Schneeschicht zugeführt, was deren Umwandlungsprozeß beschleunigt. Des weiteren wird bei entsprechenden Temperaturverhältnissen auch Kälte aus der Luft zugeführt, die ein Wiedergefrieren von angeschmolzenem Schnee ermöglicht. Da die Kälte trotz der Schneedecke auch bis zum Erdboden gelangt, wird dadurch auch die Bindung zum Erdboden durch Anfrieren auf der Unterlage verbessert. Wie Versuche bewiesen haben, bilden sich durch das erfindungsgemäße Verfahren annähernd kegelstumpfförmige Blöcke aus Firnschnee hoher Festigkeit. Beispielsweise können diese bei Auswahl entsprechender Abstände die gesamte Schneedecke stabilisieren und so sehr rasch die Lawinengefahr drastisch reduzieren. Die kegelstumpfförmigen Blöcke erreichen dabei einen oberen Durchmesser, der etwa der Höhe der Schneedecke entspricht, und einen unteren Durchmesser, der um etwa 50% größer ist. Ein Anwendungsbeispiel könnte derartige Wärmeleitwege im Abstand zwischen 10 m und 15 m voneinander vorsehen, wobei bei einer Schneehöhe von 1 m bis 1,5 m gefestigte Firnschneeblöcke mit einem Basisdurchmesser von etwa 1,5 m bis 2 m entstehen. Das Verfahren wird begünstigt, wenn die Wärmeleitwege bis in den Erdboden geführt werden, da damit nicht nur Wärme aus der bodennahen Schneeschicht, sondern zusätzlich auch Erdwärme direkt in die mittleren Schneeschichten eingeleitet wird.

    [0008] Eine weitere Anwendung findet das erfindungsgemäße Verfahren zur Stabilisierung von Schnee auf Schipisten, der bereits in Endstufen der Schmelzmetamorphose vorliegt, etwa bei Warmwettereinbrüchen oder steigenden Temperaturen im Frühjahr, solange ein entsprechendes nächtliches Absinken der Temperatur erfolgt. In diesen Fällen kann die über die Wärmeleitwege in die Schneedecke bis zum Boden gelangende Kälte tagsüber angeschmolzenen Schnee wiedergefrieren, wodurch die Benützbarkeit der Schipiste erhalten bzw. verlängert werden kannn.

    [0009] Eine erfindungsgemäße Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens sieht vom Erdboden annähernd senkrecht hochstehende Wärmerohre vor, deren Höhe etwa der maximal zu erwartenden Schneehöhe entspricht. Die Wärmerohre können in auf dem Boden aufzustellenden oder im Boden zu verankernden Haltern fixiert werden, bevorzugt sind sie jedoch, wo möglich, direkt in den Erdboden eingegraben. Im Gegensatz zu herkömmlichen Lawinenverbauten, in denen massive Schienen gitterartig verbunden und am Hang abgestützt werden, die ein Hindernis gegen das Abgleiten des Schnees aufgrund ihrer flächigen Wirkung darstellen, sind erfindungsgemäße Wärmerohre aufgrund ihres geringen Durchmessers und der fehlenden Querverbindungen gar nicht in der Lage, ein Gleithindernis zu bilden. Hiezu verwendbare Wärmerohre sind bekannt. Sie stellen ein abgeschlossenes quasiisothermes System dar, in dem durch Verdunsten bzw. Verdampfen und Kondensieren geeigneter Flüssigkeit innerhalb insbesondere kapillarer Bahnen bzw. Kanäle ein Wärmetransport erfolgt, wobei eine gegenüber Metallen um ein Vielfaches verbesserte Wärmeleitfähigkeit erreicht wird. Beispiele für Wärmerohre zeigen etwa die EP-B-217 777 und die dort zitierten Druckschriften.

    [0010] Bevorzugt ist dabei vorgesehen, daß jeweils mehrere Wärmerohre gebündelt in einem Hüllrohr angeordnet sind, das Umfangsöffnungen aufweist, sodaß die Wärmerohre gegen mechanische äußere Beanspruchungen weitestmöglich geschützt sind. Um die Wärmerohre auch zur Schneestabilisierung auf Schipisten einsetzen zu können, ohne sie in der befahrbaren Fläche anzuordnen, sieht eine weitere Ausführung vor, daß je zwei Wärmerohre hochstehende Endabschnitte eines auf dem oder im Erdboden verlegten Wärmerohres bilden. Somit können die hochstehenden Endabschnitte am Rand der Schipiste angeordnet werden und über dem liegenden Abschnitt wird Kälte insbesondere der zu warmen Erdoberfläche und der angeschmolzenen untersten Schneeschicht zugeführt.

    [0011] Nachstehend wird nun die Erfindung an Hand der Figuren der beiliegenden Zeichnungen näher beschrieben. Es zeigen:

    Fig. 1 schematisch einen Hang mit Wärmerohren,

    Fig. 2 vergrößert den Umgebungsbereich eines Wärmerohrbündels, und

    Fig. 3 einen Ausschnitt einer Schipiste.



    [0012] Der in Fig. 1 dargestellte Hang weist Bereiche geringer und Bereiche stärkerer Neigung auf. Neigungswinkel für Lawinenabgänge liegen zwischen etwa 20° und 60°, insbesondere zwischen 30° und 45°. Wärmeleitwege bildende, einzelne bzw. in Hüllrohren 3 gebündelte Wärmerohre 2 durchsetzen die Schneedecke 6 und sind insbesondere im Erdboden 1 verankert, beispielsweise eingegraben. Die Wärmerohre 2 führen Wärme vom Erdboden 1 bzw. der erdbodennahen Schneeschicht in die mittlere Schicht sowie Kälte aus der Luft bzw. der obersten Schneeschicht in die mittlere Schicht und zum Erdboden 1 wobei das Ausmaß des Wärme- bzw. Kältetransports von den allgemeinen Temperaturverhältnissen und den Temperaturdifferenzen zwischen Tag und Nacht bzw. zwischen Erdboden und Schneedeckenoberfläche abhängig ist. Die Wärmeleitrohre 2 werden dabei in stärker geneigten Bereichen dichter angeordnet und wenig geneigte Bereiche können freigelassen werden.

    [0013] Fig. 2 zeigt den Umgebungsbereich eines Hüllrohres 3, in dem ein Bündel von Wärmerohren 2 angeordnet ist, und das in den Erdboden eingegraben ist. Die Wärmerohre 2 können dabei an der Unterseite sich wurzelartig in den Umgebungsbereich erstrecken, und auf dem nicht dargestellten oberen Ende des Hüllrohres 3 ist vorzugsweise eine Abdeckung angebracht. Das insbesondere aus Metall bestehende Hüllrohr 3, dessen lichter Durchmesser beispielsweise 6 cm beträgt, weist Umfangsöffnungen 4 auf. Durch die Zufuhr von Wärme bzw. Kälte in die mittleren Schichten der Schneedecke 6 wird auch dort der Umwandlungsprozeß des Schnees beschleunigt, sodaß sich innerhalb weniger Tage in der Schneedecke ein weitgehend umgewandelter Alt- bzw. Firnschneeblock 7 hoher Festigkeit etwa in der Form eines Kegelstumpfes ausbildet, der auch mit dem Erdboden 1 eine gute Bindung eingeht. Eine entsprechende Verteilung der Wärmerohre 2 auf einem lawinengefährdeten Hang führt daher zur Ausbildung von Gleithindernissen, die die Entladung des Hanges verhindern.

    [0014] In Fig. 3 ist eine Variante der Errichtung sowie ihre Anordnung auf Schipisten 8 gezeigt. Je zwei Wärmerohre 2, die einzeln oder gebündelt am Rand der Schipiste 8 deren hier nicht gezeigten Schneedecke 6 etwa senkrecht durchsetzen, stellen Endabschnitte eines auf dem vorzugsweise im Erdboden oberflächlich verlegten Wärmerohres 5 dar, das die Schipiste 8 quert. Die Wärmerohre 5 dienen dabei der Erhaltung der Schipiste 8, die dadurch verlängert benützbar ist, da sie bei allgemeiner Erwärmung etwa im Frühjahr die Zufuhr der nächtlichen Kälte in die vom Erdboden erwärmte, wasserhältige Schneeschicht ermöglicht, die dadurch ebenso wie die Oberflächenschicht wiedergefriert. Wärmerohre 5, deren Endabschnitte hochstehen, können ebenso auch zur Erhaltung bzw. Verlängerung der Benützbarkeit von Langlaufloipen vorgesehen werden, die nicht nur geneigte sondern auch horizontale Teilstücke enthalten.


    Ansprüche

    1. Verfahren zum Verfestigen einer insbesondere geneigten Schneedecke, dadurch gekennzeichnet, daß in der Schneedecke diese annähernd senkrecht durchset-zende Wärmeleitwege ausgebildet werden.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Wärmeleitwege bis in den Erdboden geführt werden.
     
    3. Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch vom Erdboden (1) annähernd senkrecht hochstehende Wärmerohre (2).
     
    4. Einrichtung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Wärmerohre (2) in den Erdboden (1) eingegraben sind.
     
    5. Einrichtung nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß jeweils mehrere Wärmerohre (2) gebündelt in einem Hüllrohr (3) angeordnet sind, das Umfangsöffnungen (4) aufweist.
     
    6. Einrichtung nach einem der Ansprüche 3 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß je zwei Wärmerohre (2) hochstehende Endabschnitte eines auf dem oder im Erdboden (1) verlegten Wärmerohres (5) bilden.
     




    Zeichnung










    Recherchenbericht