[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur schmelzmetallurgischen Herstellung feinkörniger,
heterogener, duktiler Mg₂Si enthaltender Legierungen, bei denen die intermetallische
Mg₂Si-Phase primär erstarrt.
[0002] Werkstoffe auf der Basis intermetallischer Phasen vereinigen in sich metallische
und keramische Eigenschaften, wie z.B. gute thermische Leitfähigkeit, hohe Schmelztemperatur
und teilweise befriedigende Duktilität, so daß sie als geeignet erscheinen, den Bereich
zwischen den konventionellen metallischen Hochtemperatur-Werkstoffen und den hochtemperaturfesten,
aber spröden Keramiken auszufüllen.
[0003] Dies betrifft insbesondere Gasturbinen und Brennkraftmaschinen, bei denen verbesserte
Werkstoffe eine Erhöhung der Betriebstemperaturen und dementsprechend des thermischen
Wirkungsgrades ermöglichen können, sowie den chemischen Anlagenbau für Prozesse bei
hohen Temperaturen und mit aggressiven Stoffen. Wegen der daraus resultierenden besseren
Energieausnutzung ist dies von weitreichender Bedeutung.
[0004] Die bisherigen Überlegungen zu Werkstoffen auf der Basis intermetallischer Phasen
zielen vorzugsweise auf Anwendungen wie Gasturbinenschaufeln mit Einsatztemperaturen
von ≧ 1100°C. Deshalb wurden bisher vor allem höher schmelzende Verbindungen ins Auge
gefaßt, wie z.B. TiAl mit einem Schmelzpunkt von 1460°C und NiAl mit einem Schmelzpunkt
von 1638°C. In Kolben-Brennkraftmaschinen sind aber die Bauteiltemperaturen viel niedriger,
sie liegen derzeit z.B. bei ca. 300°C am Kolbenboden und können aufgrund verschiedener
Randbedingungen nicht beliebig erhöht werden. Bereits eine Temperaturerhöhung an besonders
hoch belasteten Stellen um 100 bis 200°C würde jedoch einen erheblichen Fortschritt
bedeuten. Keramische Werkstoffe sind dafür zwar geeignet, sie erhöhen vor allem jedoch
in unerwünschtem Maß das Gewicht, sind nur mit einem erheblichen Aufwand formbar und
ihre Herstellung ist mit beachtlichen Kosten verbunden.
[0005] Eine gegenüber herkömmlichen Leichtmetallwerkstoffen verbesserte Warmfestigkeit bei
vergleichsweise niedriger Dichte, gute Formbarkeit und einfache Herstellung besitzt
die intermetallische Phasenlegierung Mg₂Si gemäß DE 37 02 721 A, die einen Schmelzpunkt
von 1092°C, eine Dichte von 1,95 g/cm³ und einen praktisch verschwindenden Homogenitätsbereich
aufweist.
[0006] Da Mg₂Si eine hohe Härte HV von 450 bei Raumtemperatur und von 180 bei 360°C, eine
geringe thermische Ausdehnung von 7 x 10⁻⁶ K⁻¹ bei Raumtemperatur und 12 x 10⁻⁶ K⁻¹
bei 360°C und eine gute Heißgaskorrosionsbeständigkeit aufweist, eignet sich dieser
Werkstoff ausgezeichnet für die Herstellung von hohen thermisch-mechanischen Belastungen
ausgesetzten Bauteilen von Brennkraftmaschinen, insbesondere jedoch für die Herstellung
von den Brennraum von Brennkraftmaschinen begrenzenden Bauteilen, vorzugsweise Kolben.
Die Druckfestigkeit von Mg₂Si beträgt bei Raumtemperatur 1600 mPa.
[0007] Um die Sprödigkeit der aus Mg₂Si hergestellten Formkörper zu verringern bzw. deren
Duktilität zu verbessern, ist eine Kornfeinung angebracht, die sich durch den Zusatz
von bis zu 42 Gew.-% Aluminium und/oder bis zu 22 Gew.-% Silizium erreichen läßt.
[0008] Eine vorzugsweise Zusammensetzung der Mg₂Si-Legierung besteht im Dreistoffsystem
Aluminium-Magnesium-Silizium in der durch die eutektische Rinne, den quasibinären
Schnitt und durch 42 Gew.-% begrenzten Fläche. Die Duktilität kann ferner dadurch
verbessert werden, daß das Silizium durch 0,1 bis 10 Gew.-% eines oder mehrerer der
Elemente Germanium, Zinn, Blei oder durch Elemente mit ähnlichen physikalisch-chemischen
Eigenschaften substituiert ist.
[0009] Ein feinkörniges Gefüge läßt sich auch dadurch einstellen, daß dem Mg₂Si 0,01 bis
1 Gew.-% Kristallisatoren wie Bor, Titan, Lithium, Zirkonium, Hafnium, Vanadium, Niob,
Tantal, Chrom, Molybdän und Wolfram einzeln oder zu mehreren zugesetzt sind.
[0010] Die Härte von Mg₂Si läßt sich durch den Zusatz von Nickel, Kupfer und/oder Cer erhöhen.
[0011] Die schmelzmetallurgische Herstellung von Mg₂Si-Legierungen erfolgt unter Verwendung
üblicher Tiegelwerkstoffe in inerter Atmosphäre und mit einer Schmelzüberhitzung von
20 bis 50°C. Als Werkstoff für die Kokillen kommt insbesondere Eisen oder Kupfer in
Betracht.
[0012] Die auf diese Weise hergestellten Mg₂Si-Legierungen weisen eine dendritische Erstarrungsform
der Mg₂Si-Kristallite mit maximalem mittleren Korndurchmessern von ca. 200 µm auf.
Heterogene Mg₂Si-Legierungen in Kombination mit Leichtmetallen wie z.B. Aluminium
und Magnesium besitzen zudem eine deutlich inhomogene Verteilung dieser Kristallite
in der Aluminium- bzw. Magnesiummatrix. Aufgrund der hohen Gaslöslichkeit der genannten
Legierungskomponenten, insbesondere für Wasserstoff, sind die übereutektischen Konzentrationen
nicht einfach herstellbar. Darüber hinaus neigen solche Mg₂Si-Legierungen trotz einer
hohen Abkühlgeschwindigkeit von mehr als 10⁴ K x S⁻¹ insbesondere in Kupferkokillen
bei Mg₂Si-Gehalten von über 30 Mol.-% zu starker Gasporosität.
[0013] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, die schmelzmetallurgische Herstellung
Mg₂Si enthaltender Legierungen so zu gestalten, daß die dendritische Struktur der
Mg₂Si-Kristallite unterdrückt und die maximale Korngröße der Mg₂Si-Kristallite auf
Werte unter 30 µm reduziert wird.
[0014] Die Lösung dieser Aufgabe besteht darin, daß die Mg₂Si enthaltende Legierungsschmelze
mit 0,05 bis 2,00 Gew.-% Phosphor dotiert wird. Während der Erstarrung der Legierungsschmelze
bilden sich kleinste Phosphor enthaltende Keime, an denen primär sich bildende Mg₂Si-Kristallite
erstarren, wodurch die maximale Korngröße der Mg₂Si-Kristallite auf eine Größe von
maximal 30 µm, vorzugsweise 13 bis 15 µm, reduziert wird. Dabei kann es zu einer Kornfeinung
durch die Bildung heterogener, keimbildender, in der Legierungsschmelze feindispers
vorliegender Phosphide kommen, an denen während der Erstarrung Mg₂Si-Kristallite über
eine peritektische Reaktion kristallisieren und auf diesem Wege zusätzlich eine Kornfeinung
bewirken.
[0015] Die Dotierung der Mg₂Si enthaltenden Legierungsschmelze mit 0,15 bis 0,30 Gew.-%
Phosphor führt zu optimaler Kornfeinung der Mg₂Si-Kristallite in dem Legierungsgefüge.
Bereits bei einem Phosphorgehalt von weniger als 0,15 Gew.-% beginnt die kornfeinende
Wirkung des Phosphors leicht abzunehmen, so daß bei der Erstarrung der Legierung die
mittlere maximale Korngröße der Mg₂Si-Kristallite anwächst und damit deren dendritische
Erstarrungsstruktur zunimmt. Im Bereich unterhalb einer Phosphordotierung von 0,05
Gew.-% ist keinerlei kornfeinende Wirkung mehr zu beobachten.
[0016] Um ein Abdampfen des einen hohen Dampfdruck besitzenden Phosphors aus der Mg₂Si-Schmelze
zu vermeiden, ist es angebracht, Phosphor in gekapselter Form in die Legierungsschmelze
einzubringen.
[0017] Im Rahmen der weiteren Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden Mg₂Si
enthaltende Legierungsschmelzen mit mehr als 30 Mol-% Mg₂Si mit > 0,3 bis 2,0 Gew.-%
Phosphor dotiert, um eine Herabsetzung der Gasporosität des Legierungsgefüges zu erreichen.
[0018] Der Phosphor kann ganz oder teilweise durch phosphorhaltige Vorlegierungen eutektischer
Zusammensetzung, wie CuP oder dergleichen, und phosphorhaltige Salze, wie Phosphide,
Phosphite, Phosphate oder dergleichen, ersetzt sein. Um eine verbesserte Aushärtung
zu erzielen, kann nach einem weiteren Erfindungsmerkmal die Mg₂Si enthaltende Legierungsschmelze
mit bis zu 5 Gew.-% Kupfer legiert sein.
[0019] Bei höheren Temperaturen oder Überhitzungen der Mg₂Si enthaltenden Legierungsschmelze
setzt eine Abdampfung des durch eine Reaktion zwischen dem gelösten Wasserstoff und
Phosphor gebildeten Phosphids ein und führt zu einer Herabsetzung des Wasserstoffgehalts
der Legierungsschmelze. Diese Abdampfung muß so weit kontrolliert werden, daß eine
Verarmung der Schmelze unter die für eine kornfeinende Wirkung erforderliche Phosphorkonzentration
nicht stattfindet.
[0020] Um die Aushärtung der hergestellten Mg₂Si-Legierung zu verbessern, kann es angebracht
sein, die Legierungsschmelze mit bis zu 5,0 Gew.-% Kupfer zu dotieren. Bei einem Kupfergehalt
von mehr als 5 Gew.-% tritt eine Versprödung ein, die Korrosionsbeständigkeit nimmt
ebenso wie die Temperaturbeständigkeit ab.
[0021] Eine vorzugsweise Zusammensetzung der Mg₂Si enthaltenden Legierungsschmelze besteht
in Zusätzen von 1 bis 85 Gew.-% Aluminium und/oder 2 bis 58 Gew.-% Silizium.
[0022] Zur Herstellung von Formkörpern aus der Mg₂Si enthaltenden Legierungsschmelze werden
die Legierungskomponenten in einem Tiegel aus herkömmlichen Werkstoffen, wie Kohle
oder Tonerde/Graphit, erschmolzen und mit einer Schmelzeüberhitzung - zur Erzielung
eines verbesserten Rühreffekts und einer verbesserten Vergießbarkeit - von 20 bis
50°C, vorzugsweise im Inertgasstrom, in Wasser gekühlten Kokillen aus üblichen Werkstoffen,
wie Kupfer oder Eisen, vergossen.
[0023] Einer Magnesiumschmelze werden nacheinander 42 Gew.-% Aluminium, 1 Gew.-% Phosphor
in gekapselter Form und 22 Gew.-% Silizium zugesetzt und die Legierungsschmelze auf
874°C, d.h. 50°C über ihrem Liquiduspunkt in einem Tonerde/Graphit-Tiegel erhitzt.
Die Schmelze wird in einem Inertgasstrom in Kokillen zur Herstellung von Kolben für
Brennkraftmaschinen gegossen.
1. Verfahren zur schmelzmetallurgischen Herstellung feinkörniger, heterogener, duktiler
Mg₂Si enthaltender Legierungen, bei denen die intermetallische Mg₂Si-Phase primär
erstarrt, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierungsschmelze mit 0,05 bis 2,00 Gew.-%
Phosphor dotiert wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierungsschmelze mit
0,15 bis 0,30 Gew.-% Phosphor dotiert wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierungsschmelze mit
mehr als 30 Mol-% Mg₂Si mit > 0,3 bis 2,0 Gew.-% Phosphor dotiert wird.
4. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Legierungsschmelze
Phosphor in gekapselter Form zugesetzt wird.
5. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Phosphor ganz
oder teilweise durch eine phosphorhaltige Vorlegierung eutektischer Zusammensetzung,
wie CuP oder dergleichen, ersetzt ist.
6. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Phosphor ganz
oder teilweise durch phosphorhaltiges Salz, wie Phosphid, Phosphit, Phosphat oder
dergleichen, ersetzt ist.
7. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierungsschmelze
mit bis zu 5 Gew.-% Kupfer dotiert wird.
8. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet,
daß die Legierungsschmelze 0,5 bis 85 Gew.-% Aluminium und/oder 2 bis 58 Gew.-% Silizium
enthält.