[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Verbesserung der Beständigkeit gegen H-induzierte
Spannungsrißkorrosion von Gegenständen aus niedrig- bis mittellegierten Baustählen
gemäß dem Gattungsbegriff des Patentanspruchs 1.
[0002] Eine Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion wird insbesondere bei
Stahlrohren gefordert, die unter Sauergasbedingungen eingesetzt werden sollen, also
mit wässrigen H₂S-haltigen Medien in Kontakt kommen können. Die Gewährleistung einer
ausreichenden Beständigkeit erfordert einen erheblichen Aufwand im Herstellungsprozeß.
Es ist allgemein bekannt, daß insbesondere folgende Einflußgrößen eine tendenziell
positive Wirkung auf die Spannungsrißkorrosionsbeständigkeit haben:
- Möglichst homogenes Werkstoffgefüge,
- möglichst geringe Seigerungen im Werkstoff,
- hohe Feinkörnigkeit,
- möglichst geringe oder keine Kaltverfestigung,
- möglichst geringe Eigenspannungen.
[0003] Wegen der negativen Auswirkungen einer Kaltverfestigung auf die Spannungsrißkorrosionsbeständigkeit
wird für Stahlrohre, die sauergasbeständig sein sollen, durch die einschlägigen technischen
Regelwerke wie API-5CT oder NACE MR-01-75 nach einer Kaltverformung generell die Durchführung
einer Spannungsarmglühung vorgeschrieben, wodurch wieder die vor der Kaltverfestigung
vorgelegenen Werte erreicht werden. Für die Prüfung der Beständigkeit von Stahlrohren
gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion können verschiedene Methoden angewendet werden.
Beispielsweise wird nach der Methode D gemäß NACE-Standard TM0177-90 die Prüfung an
vorgespannten Proben in wässrigen H₂S-haltigen Prüflösungen vorgenommen, wobei ein
bestimmter Mindestwert der kritischen Rißzähigkeit K
ISCC erreicht werden muß. Ein üblicher Wert für Ölfeldrohre der Güte C90 liegt beispielsweise
bei K
ISCC ≧ 30 ksi Vin. Die Vorgabewerte konnten zwar auch mit den herkömmlichen Herstellungsverfahren
unter Beachtung der o.a. Einflußgrößen mit entsprechendem Aufwand noch erreicht werden.
Dennoch besteht der Wunsch, die bisher erreichbaren Werte weiter zu steigern, um sowohl
für die Produktion (Ausschußrisiko) als auch für den Einsatz derartiger Rohre eine
noch größere Sicherheit bieten zu können.
[0004] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, die Beständigkeit von
Gegenständen aus Baustählen gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion weiter zu erhöhen,
wobei die dazu erforderlichen Maßnahmen allerdings nur einen geringen Aufwand erfordern
sollen.
[0005] Gelöst wird diese Aufgabe erfindungsgemäß durch ein Verfahren mit den Merkmalen des
Patentanspruchs 1. Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen
2 bis 5 angegeben. Der Unteranspruch 6 bezieht sich auf die besonders vorteilhafte
Anwendung dieses Verfahrens zur Herstellung sauergasbeständiger vergüteter Ölfeld-
und Leitungsrohre.
[0006] Zur Lösung des anstehenden Problems wurde zunächst versucht, eine Verbesserung der
Sauergasbeständigkeit durch eine geeignete Veränderung der Stahlzusammensetzung zu
erzielen. Hierzu wurden insbesondere die Anteile der Legierungselemente Cr, Mo und
Mn sowie der Mikrolegierungselemente Ti (in Verbindung mit B) und Nb variiert. Diese
Legierungsmodifikationen brachten jedoch nicht den angestrebten Erfolg. Ebenfalls
erfolglos blieben die Bemühungen, durch Variation der Vergütebehandlung nennenswerte
Verbesserungen zu erzielen. Schließlich erwies sich auch der Weg, durch eine weitere
Erhöhung der Feinkörnigkeit zum Ziel zu kommen, als nicht hinreichend. Es war daher
völlig überraschend, daß durch eine Glühbehandlung, wie sie etwa für das Spannungsarmglühen
von kaltverfestigten Gegenständen bekannt ist, d.h. durch eine Glühung oberhalb 540
oC eine ganz erhebliche Verbesserung der Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion
von warmgewalzten, normalisierten oder vergüteten Gegenständen aus niedrig- oder mittellegierten
Baustählen erzielt wird. Für ein derartiges "Spannungsarmglühen" bestand an sich überhaupt
kein Anlaß, da die behandelten Gegenstände zuvor keinerlei Kaltverformung unterzogen
worden waren. Auch unter der Annahme, daß noch Eigenspannungen in ungünstiger Höhe
vorgelegen hätten, wäre dieser Effekt bei der Prüfung auf H-induzierte Spannungsrißkorrosion
an Kleinstproben nicht zu erwarten gewesen. Überraschend war insbesondere auch die
Feststellung, daß die angestrebte Wirkung bereits nach wenigen Sekunden Glühdauer
- in manchen Fällen reichen bereits etwa 2 Sekunden aus - erzielt wird, also nach
einer im Vergleich zur üblichen Spannungsarmglühung (z.B. 30 min) erheblich kürzeren
Behandlungsdauer. Wesentlich ist es, daß die Temperatur in dieser Behandlung auf eine
Obergrenze von maximal 30 K unterhalb A
c1 bei warmgewalzten oder TM-gewalzten oder normalisierten Gegenständen bzw. von maximal
30 K unterhalb der zuletzt angewendeten Anlaßtemperatur bei vergüteten Gegenständen
beschränkt wird.
[0007] Eine Glühtemperatur im Bereich 580 bis 640
oC, insbesondere von etwa 620
oC hat sich für die meisten niedrig- bis mittellegierten Baustähle als sehr zweckmäßig
erwiesen. Die Dauer der Glühbehandlung kann in der Regel auf deutlich unter 2 min,
vielfach auf etwa 5-20 sek beschränkt werden. Längere Glühdauern bewirken keine weitere
Steigerung der Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion mehr.
[0008] Mit besonderem Vorteil läßt sich das erfindungsgemäße Verfahren, das grundsätzlich
auch für die Erzeugung von Blechen und Profilen geeignet ist, zur Herstellung sauergasbeständiger
vergüteter Ölfeld- und Leitungsrohre anwenden, da hierbei keine aufwendigen anlagentechnischen
Vorkehrungen für die Durchführung erforderlich sind. Wenngleich eine induktive Erwärmung
als besonders zweckmäßig anzusehen ist, kann die Wärmebehandlung auch z.B. in einem
Wärmeofen erfolgen, der ohnehin in der Regel zur üblichen Ausstattung eines Rohrwerks
gehört. Der erforderliche Energieaufwand ist wegen der relativ geringen Temperaturen
und der kurzen Behandlungszeit ebenfalls klein, so daß die zusätzlichen Produktionskosten
insgesamt kaum ins Gewicht fallen und schon durch die Verringerung der Ausschußquote
ausgeglichen werden können.
[0009] Die Wirksamkeit des erfindungsgemäßen Verfahrens wird anhand des nachfolgenden Beispiels
näher erläutert.
[0010] Es wurde ein nahtloses Ölfeldrohr der Gütestufe C90 aus dem Stahl 29 Cr Mo 4 4 in
bekannter Weise durch Warmwalzen und anschließendes Vergüten hergestellt. Der Werkstoff
wies folgende Analyse auf:

[0011] An Proben aus diesem Rohr wurden bei der Untersuchung der Beständigkeit gegen H-induzierte
Spannungsrißkorrosion eine kritische Rißzähigkeit von
ermittelt.
[0012] Zum Vergleich wurde ein in gleicher Weise hergestelltes Stahlrohr desselben Werkstoffs
nach der Vergütung im erfindungsgemäßen Sinn einer abschließenden induktiven Erwärmung
bei 620
oC über eine Dauer von 5 sek unterzogen und anschließend an Luft abgekühlt. In der
anschließenden Untersuchung von Proben dieses Rohrs ergab sich für die kritische Rißzähigkeit
ein Wert von
[0013] Diese erhebliche Verbesserung gegenüber dem Vergleichswert konnte allein schon durch
die kurzzeitige Wärmebehandlung, also mit äußerst geringem Zusatzaufwand erzielt werden.
1. Verfahren zur Verbesserung der Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion
von Gegenständen aus niedrig- bis mittellegierten Baustählen, die mit wässrigen H₂S-haltigen
Medien in Kontakt kommen und die hergestellt werden entweder durch Warmwalzen mit
oder ohne anschließende Wärmebehandlung oder durch TM-Walzen mit oder ohne beschleunigte
Abkühlung oder durch Kaltwalzen mit anschließender Wärmebehandlung und die danach
nicht mehr oder nur zu weniger als 2 % kaltverformt werden,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Gegenstände einer abschließenden Glühung von mindestens 2 sek Dauer unterzogen
werden bei einer Temperatur, die mindestens 540
oC beträgt und nach oben je nach Herstellverfahren wie folgt begrenzt ist:
- bei warmgewalzten oder TM-gewalzten oder normalisierten Gegenständen: 30 K unterhalb
Ac1,
- bei vergüteten Gegenständen: 30 K unterhalb der zuletzt angewandten Anlaßtemperatur.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Glühdauer weniger als 2 min beträgt.
3. Verfahren nach Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Glühdauer 5 bis 20 sek beträgt.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Glühtemperatur im Bereich 580 bis 640oC liegt.
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Glühtemperatur bei 620oC liegt.
6. Vergütetes Ölfeld- oder Leitungsrohr aus niedrig- bis mittellegiertem Stahl mit verbesserter
Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion durch eine abschließende Behandlung
gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5.