(19)
(11) EP 0 461 734 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
18.12.1991  Patentblatt  1991/51

(21) Anmeldenummer: 91250125.1

(22) Anmeldetag:  07.05.1991
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C21D 1/26, C21D 9/08
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE DE DK FR GB IT LU NL

(30) Priorität: 12.06.1990 DE 4019118

(71) Anmelder: MANNESMANN Aktiengesellschaft
D-40027 Düsseldorf (DE)

(72) Erfinder:
  • von Hagen, Ingo, Dr.-Ing.
    W-4150 Krefeld (DE)
  • Pöpperling, Rolf K., Dr.-Ing.
    W-4330 Mülheim (DE)
  • Heinz, Gerd, Dr.-Ing.
    W-4005 Meerbusch-Strümp (DE)
  • Schlerkmann, Hubertus, Dr. rer.nat.
    W-5106 Roetgen (DE)

(74) Vertreter: Meissner, Peter E., Dipl.-Ing. et al
Meissner & Meissner, Patentanwaltsbüro, Postfach 33 01 30
D-14171 Berlin
D-14171 Berlin (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Verbesserung der Beständigkeit von Gegenständen aus Stahl gegen H-induzierte Spannungsrisskorrosion


    (57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Verbesserung der Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion von Gegenständen aus niedrig- bis mittellegierten Baustählen, die mit wässrigen H₂S-haltigen Medien in Kontakt kommen und die hergestellt werden entweder durch Warmwalzen mit oder ohne anschließende Wärmebehandlung oder durch TM-Walzen mit oder ohne anbeschleunigte Abkühlung oder durch Kaltwalzen mit anschließender Wärmebehandlung und die danach nicht mehr oder nur zu weniger als 2% kaltverformt werden. Um die Beständigkeit von Gegenständen aus Baustählen gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion weiter zu erhöhen, wobei die dazu erforderlichen Maßnahmen allerdings nur einen geringen Aufwand erfordern sollen, wird vorgeschlagen, daß die Gegenstände einer abschließenden Glühung von mindestens 2 sek Dauer unterzogen werden bei einer Temperatur, die mindestens 540oC beträgt und nach oben je nach Herstellverfahren wie folgt begrenzt ist: bei warmgewalzten oder TM-gewalzten oder normalisierten Gegenständen: 30 K unterhalb AC1; bei vergüteten Gegenständen: 30 K unterhalb der zuletzt angewandten Anlaßtemperatur.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Verbesserung der Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion von Gegenständen aus niedrig- bis mittellegierten Baustählen gemäß dem Gattungsbegriff des Patentanspruchs 1.

    [0002] Eine Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion wird insbesondere bei Stahlrohren gefordert, die unter Sauergasbedingungen eingesetzt werden sollen, also mit wässrigen H₂S-haltigen Medien in Kontakt kommen können. Die Gewährleistung einer ausreichenden Beständigkeit erfordert einen erheblichen Aufwand im Herstellungsprozeß. Es ist allgemein bekannt, daß insbesondere folgende Einflußgrößen eine tendenziell positive Wirkung auf die Spannungsrißkorrosionsbeständigkeit haben:
    • Möglichst homogenes Werkstoffgefüge,
    • möglichst geringe Seigerungen im Werkstoff,
    • hohe Feinkörnigkeit,
    • möglichst geringe oder keine Kaltverfestigung,
    • möglichst geringe Eigenspannungen.


    [0003] Wegen der negativen Auswirkungen einer Kaltverfestigung auf die Spannungsrißkorrosionsbeständigkeit wird für Stahlrohre, die sauergasbeständig sein sollen, durch die einschlägigen technischen Regelwerke wie API-5CT oder NACE MR-01-75 nach einer Kaltverformung generell die Durchführung einer Spannungsarmglühung vorgeschrieben, wodurch wieder die vor der Kaltverfestigung vorgelegenen Werte erreicht werden. Für die Prüfung der Beständigkeit von Stahlrohren gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion können verschiedene Methoden angewendet werden. Beispielsweise wird nach der Methode D gemäß NACE-Standard TM0177-90 die Prüfung an vorgespannten Proben in wässrigen H₂S-haltigen Prüflösungen vorgenommen, wobei ein bestimmter Mindestwert der kritischen Rißzähigkeit KISCC erreicht werden muß. Ein üblicher Wert für Ölfeldrohre der Güte C90 liegt beispielsweise bei KISCC ≧ 30 ksi Vin. Die Vorgabewerte konnten zwar auch mit den herkömmlichen Herstellungsverfahren unter Beachtung der o.a. Einflußgrößen mit entsprechendem Aufwand noch erreicht werden. Dennoch besteht der Wunsch, die bisher erreichbaren Werte weiter zu steigern, um sowohl für die Produktion (Ausschußrisiko) als auch für den Einsatz derartiger Rohre eine noch größere Sicherheit bieten zu können.

    [0004] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, die Beständigkeit von Gegenständen aus Baustählen gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion weiter zu erhöhen, wobei die dazu erforderlichen Maßnahmen allerdings nur einen geringen Aufwand erfordern sollen.

    [0005] Gelöst wird diese Aufgabe erfindungsgemäß durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1. Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen 2 bis 5 angegeben. Der Unteranspruch 6 bezieht sich auf die besonders vorteilhafte Anwendung dieses Verfahrens zur Herstellung sauergasbeständiger vergüteter Ölfeld- und Leitungsrohre.

    [0006] Zur Lösung des anstehenden Problems wurde zunächst versucht, eine Verbesserung der Sauergasbeständigkeit durch eine geeignete Veränderung der Stahlzusammensetzung zu erzielen. Hierzu wurden insbesondere die Anteile der Legierungselemente Cr, Mo und Mn sowie der Mikrolegierungselemente Ti (in Verbindung mit B) und Nb variiert. Diese Legierungsmodifikationen brachten jedoch nicht den angestrebten Erfolg. Ebenfalls erfolglos blieben die Bemühungen, durch Variation der Vergütebehandlung nennenswerte Verbesserungen zu erzielen. Schließlich erwies sich auch der Weg, durch eine weitere Erhöhung der Feinkörnigkeit zum Ziel zu kommen, als nicht hinreichend. Es war daher völlig überraschend, daß durch eine Glühbehandlung, wie sie etwa für das Spannungsarmglühen von kaltverfestigten Gegenständen bekannt ist, d.h. durch eine Glühung oberhalb 540oC eine ganz erhebliche Verbesserung der Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion von warmgewalzten, normalisierten oder vergüteten Gegenständen aus niedrig- oder mittellegierten Baustählen erzielt wird. Für ein derartiges "Spannungsarmglühen" bestand an sich überhaupt kein Anlaß, da die behandelten Gegenstände zuvor keinerlei Kaltverformung unterzogen worden waren. Auch unter der Annahme, daß noch Eigenspannungen in ungünstiger Höhe vorgelegen hätten, wäre dieser Effekt bei der Prüfung auf H-induzierte Spannungsrißkorrosion an Kleinstproben nicht zu erwarten gewesen. Überraschend war insbesondere auch die Feststellung, daß die angestrebte Wirkung bereits nach wenigen Sekunden Glühdauer - in manchen Fällen reichen bereits etwa 2 Sekunden aus - erzielt wird, also nach einer im Vergleich zur üblichen Spannungsarmglühung (z.B. 30 min) erheblich kürzeren Behandlungsdauer. Wesentlich ist es, daß die Temperatur in dieser Behandlung auf eine Obergrenze von maximal 30 K unterhalb Ac1 bei warmgewalzten oder TM-gewalzten oder normalisierten Gegenständen bzw. von maximal 30 K unterhalb der zuletzt angewendeten Anlaßtemperatur bei vergüteten Gegenständen beschränkt wird.

    [0007] Eine Glühtemperatur im Bereich 580 bis 640oC, insbesondere von etwa 620oC hat sich für die meisten niedrig- bis mittellegierten Baustähle als sehr zweckmäßig erwiesen. Die Dauer der Glühbehandlung kann in der Regel auf deutlich unter 2 min, vielfach auf etwa 5-20 sek beschränkt werden. Längere Glühdauern bewirken keine weitere Steigerung der Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion mehr.

    [0008] Mit besonderem Vorteil läßt sich das erfindungsgemäße Verfahren, das grundsätzlich auch für die Erzeugung von Blechen und Profilen geeignet ist, zur Herstellung sauergasbeständiger vergüteter Ölfeld- und Leitungsrohre anwenden, da hierbei keine aufwendigen anlagentechnischen Vorkehrungen für die Durchführung erforderlich sind. Wenngleich eine induktive Erwärmung als besonders zweckmäßig anzusehen ist, kann die Wärmebehandlung auch z.B. in einem Wärmeofen erfolgen, der ohnehin in der Regel zur üblichen Ausstattung eines Rohrwerks gehört. Der erforderliche Energieaufwand ist wegen der relativ geringen Temperaturen und der kurzen Behandlungszeit ebenfalls klein, so daß die zusätzlichen Produktionskosten insgesamt kaum ins Gewicht fallen und schon durch die Verringerung der Ausschußquote ausgeglichen werden können.

    [0009] Die Wirksamkeit des erfindungsgemäßen Verfahrens wird anhand des nachfolgenden Beispiels näher erläutert.

    [0010] Es wurde ein nahtloses Ölfeldrohr der Gütestufe C90 aus dem Stahl 29 Cr Mo 4 4 in bekannter Weise durch Warmwalzen und anschließendes Vergüten hergestellt. Der Werkstoff wies folgende Analyse auf:



    [0011] An Proben aus diesem Rohr wurden bei der Untersuchung der Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion eine kritische Rißzähigkeit von





    ermittelt.

    [0012] Zum Vergleich wurde ein in gleicher Weise hergestelltes Stahlrohr desselben Werkstoffs nach der Vergütung im erfindungsgemäßen Sinn einer abschließenden induktiven Erwärmung bei 620oC über eine Dauer von 5 sek unterzogen und anschließend an Luft abgekühlt. In der anschließenden Untersuchung von Proben dieses Rohrs ergab sich für die kritische Rißzähigkeit ein Wert von







    [0013] Diese erhebliche Verbesserung gegenüber dem Vergleichswert konnte allein schon durch die kurzzeitige Wärmebehandlung, also mit äußerst geringem Zusatzaufwand erzielt werden.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Verbesserung der Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion von Gegenständen aus niedrig- bis mittellegierten Baustählen, die mit wässrigen H₂S-haltigen Medien in Kontakt kommen und die hergestellt werden entweder durch Warmwalzen mit oder ohne anschließende Wärmebehandlung oder durch TM-Walzen mit oder ohne beschleunigte Abkühlung oder durch Kaltwalzen mit anschließender Wärmebehandlung und die danach nicht mehr oder nur zu weniger als 2 % kaltverformt werden,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Gegenstände einer abschließenden Glühung von mindestens 2 sek Dauer unterzogen werden bei einer Temperatur, die mindestens 540oC beträgt und nach oben je nach Herstellverfahren wie folgt begrenzt ist:

    - bei warmgewalzten oder TM-gewalzten oder normalisierten Gegenständen: 30 K unterhalb Ac1,

    - bei vergüteten Gegenständen: 30 K unterhalb der zuletzt angewandten Anlaßtemperatur.


     
    2. Verfahren nach Anspruch 1,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Glühdauer weniger als 2 min beträgt.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Glühdauer 5 bis 20 sek beträgt.
     
    4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Glühtemperatur im Bereich 580 bis 640oC liegt.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 4,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Glühtemperatur bei 620oC liegt.
     
    6. Vergütetes Ölfeld- oder Leitungsrohr aus niedrig- bis mittellegiertem Stahl mit verbesserter Beständigkeit gegen H-induzierte Spannungsrißkorrosion durch eine abschließende Behandlung gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5.
     





    Recherchenbericht