[0001] Die Erfindung betrifft implantierbare Geräte und Materialien.
[0002] Bei der Implantation von Geräten bzw. Materialien in einen Organismus setzt, unmittelbar
nachdem das Implantat als körperfremd erkannt worden ist, eine Abwehrreaktion des
körpereigenen Immunsystems ein. Da bei Implantationen meistens das umgebende Gewebe
geschädigt, verletzt oder stark verändert wird, treten zusätzlich Blutungen auf, welche
die Bildung von Thromben zur Folge haben. Die Auflösung dieser Thromben leitet dann
die Bildung von Bindegewebe ein. Die Dicke der Bindegewebsschicht ist dabei abhängig
von der Biokompatibilität des Implantats und vom Ausmaß der Traumatisierung des umgebenden
Gewebes.
[0003] Durch eine Reduzierung der Thrombenbildung bzw. durch eine Auflösung der Thromben
könnte die Dicke von Bindegewebsschichten vermindert werden. Bei Implantaten, deren
Funktionsfähigkeit durch Bindegewebe beeinträchtigt wird, könnte auf diese Weise eine
Verbesserung der Funktion erreicht werden. Bei Reizelektroden für Herzschrittmacher
beispielsweise wird versucht, die Abwehrreaktion des Körpers, d.h. die Bildung von
Bindegewebsschichten, durch ein Steroid, wie Cortison oder Dexamethason, zu reduzieren
(siehe dazu: EP-A-0 388 480). Diese Medikamente wirken aber nicht spezifisch hinsichtlich
Thrombenbildung und Verminderung von Bindegewebswachstum; bei einer Überdosierung
könnten unter Umständen sogar unerwünschte Nebenwirkungen auftreten.
[0004] Aufgabe der Erfindung ist es, eine Maßnahme anzugeben, durch die im Zusammenhang
mit der Implantation von Geräten und Materialien die Bildung von Thromben und Bindegewebe
verhindert bzw. verringert werden kann.
[0005] Dies wird erfindungsgemäß dadurch erreicht, daß wenigstens ein Teil der Oberfläche
der implantierbaren Geräte bzw. Materialien mit Tissue-Plasminogen-Aktivator versehen
ist. Die erfindungsgemäße Maßnahme besteht somit auch in der Verwendung von Tissue-Plasminogen-Aktivator
als fibrinolytische Substanz auf der Oberfläche von implantierbaren Geräten und Materialien.
[0006] Der Tissue- oder Gewebe-Plasminogen-Aktivator (t-PA), der gut wasserlöslich ist,
ist ein proteolytisches Eiweißmolekül (mit einer komplizierten Tertiärstruktur). Als
körpereigene Substanz besitzt t-PA keinerlei antigene Wirkung. Im Körper wird t-PA
von den Endothelzellen in Herz, Leber und Nieren produziert; gentechnologisch kann
es vollkommen rein gewonnen werden. Im Handel ist t-PA als Trockensubstanz erhältlich.
Das lyophilisierte Pulver kann bei Raumtemperatur etwa 18 Monate gelagert werden;
in gelöster Form beträgt die Haltbarkeit ca. 8 h (bei kühler Aufbewahrung ca. 24 h).
[0007] Der Wirkstoff t-PA wird seit einiger Zeit in der Medizin bei der Therapie von Herzinfarkten
verwendet, wobei er zur Wiedereröffnung verschlossener Gefäße, d.h. zur Auflösung
von Thromben, dient. Erfindungsgemäß wird t-PA nun zur Prävention von Abstoßungsreaktionen
bei der Implantation von Geräten bzw. Materialien eingesetzt. Durch das Aufbringen
von t-PA auf die Oberfläche zu implantierender Geräte und Materialien können nämlich
entzündliche Reaktionen des Körpers und die Ausbildung von Bindegewebskapseln verringert
werden.
[0008] Die Erfindung bietet insbesondere folgende Einsatzmöglichkeiten:
- Oberflächen von Implantaten im Blutkreislauf oder Gewebe
- Herzschrittmachergehäuse
- Herzschrittmacherelektroden
- Katheter von Insulinpumpen
- Sensoroberflächen im Blut oder Gewebe
- Membranen.
[0009] Ein bevorzugtes Ziel ist, bei der Implantation von Reizelektroden für Herzschrittmacher
die Bildung von Bindegewebe aus Thromben, die bei der Implantation entstehen, zu vermeiden.
Prinzipiell kann t-PA jedoch auf beliebige zu implantierende Geräte und Materialien
aufgebracht werden. Durch Blut oder Gewebeflüssigkeit wird t-PA von den Implantaten
abgelöst und kann so Thromben, die am Implantat entstehen, auflösen. Von Vorteil ist
dabei, daß der Plasminogen-Aktivator nur in Anwesenheit von Fibrin, d.h. bei der Entstehung
von Blutgerinnseln, aktiv ist und sonst nicht in physiologische Vorgänge eingreift.
[0010] Der fibrinolytischen Wirkung des Tissue-Plasminogen-Aktivators liegt folgender Mechanismus
zugrunde. Zunächst wird t-PA an ein Fibringerinnsel gebunden, dann erfolgt eine Bindung
von Plasminogen an t-PA. Durch Hydrolyse einer Peptidbindung kommt es anschließend
zur Spaltung des Plasminogens zum aktiven Plasmin, durch welches das Fibringerinnsel
in Fibrinspaltprodukte abgebaut wird. Die entscheidende Eigenschaft von t-PA ist dabei
dessen Fibrinspezifität: Der Tissue-Plasminogen-Aktivator bildet mit Fibrin und Plasminogen
einen Komplex und aktiviert somit nur fibringebundenes Plasminogen. Im übrigen Gefäßsystem
bleibt t-PA weitgehend inaktiv; beim Fehlen eines Blutgerinnsels erfolgt nämlich eine
Inaktivierung von t-PA durch Inhibitoren.
[0011] Wie alle Proteine ist t-PA nicht hitze- bzw. strahlenbeständig und auch nicht beständig
gegen Ethylenoxid. Der t-PA wird deshalb zweckmäßigerweise erst nach der Sterilisation
auf die zu implantierenden Geräte und Materialien aufgebracht, beispielsweise kurz
vor der Implantation. Die beim Gegenstand der Erfindung für den thrombolytischen Effekt
erforderlich Menge an t-PA liegt im Rahmen der therapeutischen Maßnahmen bei der Herzinfarkttherapie.
Hierbei hat sich die Gabe von 1 mg t-PA pro Kilogramm Körpergewicht als wirksam erwiesen.
[0012] Anhand von Ausführungsbeispielen, die die Wirksamkeit von t-PA betreffen, d.h. dessen
thrombolytische Aktivität, soll die Erfindung noch näher erläutert werden. Dazu wurden
in vitro Thromben erzeugt und es wurde die zu deren Auflösung erforderliche Menge
an t-PA bestimmt. Zur Simulation der bei einer Implantation gegebenen Randbedingungen
wurden außerdem verschiedene Mengen von t-PA auf die Oberfläche einer Reizelektrode
aus Glaskohlenstoff aufgebracht, und dieses System wurde dann in einem in-vitro-Versuch
mit fließendem Frischblut getestet.
[0013] 1 ml frisches venöses Blut wird in einen Siliconschlauch (Schlauchlänge: 25 cm; Innendurchmesser:
0,4 cm), dessen Enden zu einem Ring geschlossen sind, eingespritzt; die Blutsäule
füllt den Schlauch etwa zu einem Drittel. Durch Rotation des Schlauches auf einer
drehbaren Scheibe wird das Blut koaguliert. Dabei bildet sich ein das Schlauchlumen
verschließender Thrombus mit einer Größe von ca. 1 cm x 0,4 cm, der in seiner Struktur
einem in-vivo-Thrombus sehr ähnlich ist.
[0014] An in der vorstehend beschriebenen Weise erzeugten in-vitro-Thromben wurde die thrombolytische
Aktivität in der Weise ermittelt, daß unterschiedliche Volumina einer Lösung von 50
µg t-PA in sterilem, bidestilliertem Wasser in den Schlauch eingespritzt wurden. Dabei
zeigte sich, daß die erforderliche Gesamtkonzentration an t-PA zur Auflösung eines
Thrombus ca. 1 µg/ml Blut beträgt. Die sofortige Zugabe von ca. 5 µg t-PA/ml zum Blut
verhindert die Ausbildung eines Thrombus.
[0015] In Isopropanol und Aceton gereinigte Glaskohlenstoffelektroden (Oberfläche: 0,125
cm²; Volumenporosität: 50 %) werden 20 h bei Raumtemperatur unter sterilen Bedingungen
mit wäßrigen Lösungen von t-PA inkubiert; dabei erfolgt eine Adsorption von t-PA an
der Elektrodenoberfläche. Anschließend werden die Elektroden durch ein T-Stück in
ein Schlauchsystem der vorstehend beschriebenen Art eingebracht und der rotierenden
Blutsäule ausgesetzt. Es zeigte sich, daß es hierbei nicht zur Ausbildung eines Blutpfropfens
kommt, bzw. daß entstehende Koagulate sofort wieder aufgelöst werden. Eine Menge von
wenigen µg t-PA reicht dabei aus, um eine Thrombenbildung zu verhindern.
1. Implantierbare Geräte und Materialien, dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens ein Teil der Oberfläche mit Tissue-Plasminogen-Aktivator (t-PA) versehen
ist.
2. Verwendung von Tissue-Plasminogen-Aktivator (t-PA) als fibrinolytische Substanz auf
der Oberfläche von implantierbaren Geräten und Materialien.