(19)
(11) EP 0 482 614 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
29.04.1992  Patentblatt  1992/18

(21) Anmeldenummer: 91118080.0

(22) Anmeldetag:  23.10.1991
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C23C 22/68, C23C 22/62, C23F 15/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE DE ES FR GB IT NL

(30) Priorität: 23.10.1990 DE 4033686

(71) Anmelder: NALCO CHEMICAL COMPANY
Naperville Illinois 60563-1198 (US)

(72) Erfinder:
  • Buss, Enno, Dr., c/o Nalco Europe Sàrl
    W-6000 Frankfurt/Main 90 (DE)
  • Johnson, Donald A., c/o Nalco Chemical Company
    Naperville, Illinois 60563-1198 (US)
  • Bohnsack, Gerhard, Dr.
    W-5090 Leverkusen (DE)

(74) Vertreter: Ruschke, Olaf et al
Pienzenauerstrasse 2
81679 München
81679 München (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur kontrollierten Passivierung der Innenwände eines Kühlkreislaufsystems aus Kohlenstoffstahl und Anwendung des Verfahrens zur Bestimmung des Passivierungszustandes und zur Prüfung der Qualität der Kühlflüssigkeit


    (57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur kontrollierten Passivierung der Innenwände eines luftoffenen und/oder geschlossenen Kühlkreislaufsystems aus Kohlenstoffstahl mit einer darin zirkulierenden Alkali- und Erdalkalibicarbonat-haltigen wäßrigen Kühlflüssigkeit sowie die Anwendung dieses Verfahrens zur Bestimmung des Passivierungszustandes der metallischen Kontaktflächen, zur Steuerung der Korrosionsinhibierung und zur Prüfung der Qualität der Kühlflüssigkeit, insbesondere von Wasser.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein einfaches und außerordentlich wirtschaftliches Verfahren zur kontrollierten Passivierung der Innenwände eines luftoffenen und/oder geschlossenen Kühlkreislaufsystems aus Kohlenstoffstahl mit einer darin zirkulierenden, Alkali- und Erdalkalibicarbonat-haltigen wäßrigen Kühlflüssigkeit sowie die Anwendung dieses Verfahrens zur elektrochemischen Kontrolle und Bestimmung des Passivierungszustandes der metallischen Oberflächen, die mit der wäßrigen Kühlflüssigkeit in Kontakt kommen,und zur Steuerung der Korrosionsinhibierung sowie zur Prüfung der Qualität der wäßrigen Kühlflüssigkeit, insbesondere von Wasser.

    [0002] Unter dem hier verwendeten Begriff "luftoffenes und/oder geschlossenes Kühlkreislaufsystem" ist ein eine wäßrige Kühlflüssigkeit, in erster Linie Wasser, enthaltendes Kühlsystem zu verstehen, dessen metallische Oberflächen, die mit der wäßrigen Kühlflüssigkeit in Kontakt kommen, der Korrosion unterliegen. Ein solches Kühlsystem kann ein gegenüber Luft offenes Kühlkreislaufsystem und/oder ein geschlossenes Kühlkreislaufsystem sein.

    [0003] Die praktische Anwendung der Erfindung ist außerordentlich vielfältig und vielgestaltig und erstreckt sich nicht nur auf die kontrollierte Passivierung der Innenwände solcher Kühlkreislaufsysteme, sondern umfaßt auch die Kontrolle und Steuerung der Korrosionsverhältnisse in solchen Kühlkreislaufsystemen und die Bestimmung der Qualität der eingesetzten wäßrigen Kühlflüssigkeit, insbesondere von Wasser, die unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten durch die Erfindung optimiert werden können.

    [0004] Korrosion, ein praktisch allgegenwärtiges Problem, ist bekanntlich die meistens von der Oberfläche eines metallischen Werkstoffs ausgehende und durch chemische oder elektrochemische Angriffe des in den h äufigsten Fällen diesen Werkstoff umströmenden korrosiven Mediums hervorgerufene nachteilige und qualitätsmindernde Veränderung der Werkstoffoberfläche. Als korrosives Medium kommen vor allem Elektrolytlösungen (einschließlich Wasser), Schmelzen oder Gase in Betracht. Daneben kennt man auch die Tauch-, Spritzwasser- und Tropfkorrosion. Die in den Industriestaaten jährlich zu verkraftenden Korrosionsschäden erreichen pro Einwohner DM 100 und mehr. Für das Gebiet der (Alt)Bundesrepublik wurden die Kosten auf 30 Mrd. DM bzw. ca. 2,5 % des Bruttosozialproduktes geschätzt. Die Vermeidung oder zumindest die Verminderung von Korrosionsschäden hat deshalb erstrangige Bedeutung.

    [0005] Beim passiven Korrosionsschutz wird durch Überzüge, Schutzschichten, Folien und dgl. ein Kontakt zwischen dem metallischen Werkstoff und dem korrosiven Medium möglichst weitgehend verhindert. Die aktiven Korrosionsschutzmaßnahmen sehen insbesondere Methoden der Werkstoffmodifizierung, die Entfernung und Blockierung von besonders aggressiven Bestandteilen und die Verwendung von Inhibitorzusätzen vor.

    [0006] Es sind bereits zahlreiche chemische Korrosionsinhibitoren für wäßrige Systeme bekannt (vgl. z.B. US-PS 3 483 133, 3 891 568, 3 935 125, 3 992 318, 4 105 581, 4 149 969, DE-OS 26 24 572 und DE-PS 3 015 500), wobei in vielen Fällen Substanzgemische zum Einsatz kommen. Korrosionsinhibierende Mittel sind teilweise so zusammengesetzt, daß sie gleichzeitig Wirkungen in anderer Richtung entfalten (z.B. die Inkrustations- bzw. Steinbildung verhindern).

    [0007] Anwender und Anbieter von Kühlwasserchemikalien haben im allgemeinen ein Interesse an Methoden, mit denen die Wirksamkeit von Korrosionsschutzmaßnahmen demonstriert werden kann. Für die Anbieter von Konditionierungschemikalien sind solche Methoden für die Entwicklung neuer Chemikalien und Technologien notwendig; sie werden auch benötigt, um den Kunden von der Qualität ihrer Produkte zu überzeugen. Für den Betreiber einer Kühlwasseranlage sind solche Methoden wichtig, damit er den richtigen Einsatz des Inhibitors überprüfen und das Kosten-Leistungs-Verhältnis verschiedener Alternativen quantitativ abschätzen kann. Ein Hauptanliegen des Betreibers besteht darin sicherzustellen, daß die Anlagenausstattung jederzeit verläßlich bleibt. Aus den vorgenannten und anderen Gründen ist es von erstrangiger Bedeutung, daß Korrosionsschäden kontrollierbar bleiben oder eliminiert werden.

    [0008] Obwohl die Korrosion von Metalloberflächen sichtbare Änderungen hervorruft, ist es im allgemeinen nicht möglich, die Innenflächen einer Betriebseinheit regelmäßig zu inspizieren; das Warten auf einen Anlagestillstand vermittelt keine rechtzeitigen Informationen. Aus diesen Gründen sind spezielle Methoden entwickelt worden, um die Wirksamkeit von Korrosionsschutz- und Korrosionskontrollmaßnahmen zu demonstrieren. Da nichtrostender Stahl, Kupfer und Kupferlegierungen gegenüber Korrosion durch zirkulierendes Kühlwasser verhältnismäßig widerstandsfähig sind, konzentriert sich die Korrosionsinhibierung hauptsächlich auf Kohlenstoffstahl, das korrosionsempfindlichste Material in einem Kühlkreislauf.

    [0009] Die einfachste und am meisten angewendete Methode zur Beobachtung des Korrosionsverhaltens in konditioniertem Kühlwasser besteht in der Installation sogenannter Korrosionskupons an geeigneten Stellen, wo sie visuell inspiziert werden können. Dies geschieht durch Verwendung von durchsichtigen Materialien für deren Montage oder durch Maßnahmen, die eine einfache Entfernung, Inspektion und erneute Montage gewährleisten. Durch diese Maßnahmen kann man Oberflächenänderungen wie Farbänderungen, die durch den Korrosionsprozeß hervorgerufen werden, gut verfolgen. So wird es möglich festzustellen, ob der Korrosionsangriff allgemein oder lokalisiert ist in Form von Lochfraßkorrosion oder ob bei optimaler Korrosionskontrolle die Oberfläche unverändert bleibt.

    [0010] Leider erlaubt eine solche visuelle Inspektion der Oberfläche keinen einfachen quantitativen Ergebnisvergleich. Um dies zu erreichen, werden die Korrosionskupons nach einer bestimmten Einwirkungszeit entfernt und die Korrosionsgewichtsverluste gravimetrisch bestimmt. Dieses Vorgehen ist umständlich, zeitraubend und vielfach auch teuer.

    [0011] Obwohl mit Korrosionskupons Messungen wie die Penetrationstiefe durchgeführt werden können, die für die lokale Korrosion relevant sind, müssen die mit diesen Kupons erhältlichen Informationen relativiert werden, da sich die Kuponoberfläche regelmäßig nicht in dem gleichen Ausgangszustand befindet wie die Innenflächen eines Kreislaufsystems und sich außerdem die Bedingungen wie Strömungsgeschwindigkeit, Fouling und Temperatur innerhalb des Systems ändern können. Der Oberflächenzustand der Flächen einer Anlage ist daher im allgemeinen nicht bekannt.

    [0012] Um eine Reproduzierbarkeit bezüglich des Korrosionsverhaltens des Kupons zu erreichen, weist der Kupon vorbereitete Oberflächen mit einer luftpassiven Schicht auf. Eine solche Oberfläche ist außerordentlich korrosionsempfindlich und ergibt die höchstmögliche Korrosionsrate unmittelbar nach der Installation. Da aber der Oberflächenzustand der Anlagekomponenten zur Zeit der Installation nicht mit der Ausgangsoberfläche des Kupons vergleichbar ist, ist es eigentlich nicht möglich, die Korrosion des Kupons mit derjenigen der Systemkomponenten direkt zu vergleichen.

    [0013] Die Korrosionsdaten von Kupons stehen außerdem auch nicht rechtzeitig genug zur Verfügung, um tägliche Betriebseinstellungen vornehmen zu können. Hierzu benötigt man eine Methode zur kontinuierlichen Feststellung der momentanen Korrosionsrate. Für diesen Zweck hat man die Technik der linearen Polarisation benutzt.

    [0014] Die Messungen mittels linearer Polarisation beruhen auf dem Prinzip, daß innerhalb eines ± 10 mV-Bereichs des Korrosionspotentials bei Anlegen eines kleinen äußeren Potentials eine lineare Beziehung zwischen dem externen Strom und dem gemessenen Strom beobachtet wird. Der sogenannte Polarisationswiderstand ist dann mit dem Korrosionsstrom korrelierbar.

    [0015] Bei Verwendung von einfacheren Linearpolarisations-Korrosionsmeßanordnungen treten jedoch eine Reihe von Fehlerquellen in Erscheinung. Bedeutende Fehler werden insbesondere dann beobachtet, wenn die Korrosionsrate hoch ist und der Lösungswiderstand ebenfalls hoch ist. Die Messungen sind insgesamt relativ komplex und ihre Auswertung ist aufwendig, wenn exakte Aussagen über den Korrosionszustand eines Systems angestrebt werden.

    [0016] Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren bereitzustellen, mit dessen Hilfe es möglich ist, auf elektrochemischem Wege den Korrosionszustand eines wäßrigen Kühlkreislaufsystems zu bestimmen und zu beeinflussen, indem man auf technisch einfache und zuverlässige Weise den aktuellen Passivierungszustand der metallischen Oberflächen, insbesondere solcher aus Kohlenstoffstahl, die im Kontakt mit der Kühlflüssigkeit stehen, auf elektrochemischem Wege bestimmt und die Passivierung entsprechend dem gefundenen Ergebnis gezielt steuert.

    [0017] Es wurde nun gefunden, daß diese Aufgabe gelöst werden kann durch ein Verfahren zur kontrollierten Passivierung der Innenwände eines luftoffenen und/oder geschlossenen Kühlkreislaufsystems aus Kohlenstoffstahl mit einer darin zirkulierenden Alkali- und Erdalkalibicarbonat-haltigen wäßrigen Kühlflüssigkeit, das dadurch gekennzeichnet ist, daß man

    a) die Sauerstoffkonzentration und den pH-Wert der Kühlflüssigkeit auf einen Wert innerhalb des Bereiches von etwa 1 bis etwa 50 mg/I bzw. von etwa 8,0 bis etwa 10,5 so einstellt, daß die Löslichkeit des primären Korrosionsprodukts (FeC03 oder Fe(OH)2) minimal gehalten wird, und

    b) die resultierende Passivierung der Innenwände des Kühlflüssigkeitskreislaufsystems mißt als zeitliche Veränderung des elektrochemischen Ruhepotentials zwischen einer in die Kühlflüssigkeit eintauchenden Meßelektrode und einer Bezugselektrode in elektropositiver bzw. anodischer Richtung, wobei die Sauerstoffkonzentrations- und pH-Wertbedingungen so aufeinander abgestimmt werden, daß eine maximale Veränderung des Ruhepotentials in elektropositiver bzw. anodischer Richtung entsprechend einer maximalen Passivierung erzielt wird.



    [0018] Der pH-Wert der Kühlflüssigkeit wird vorzugsweise auf einen Wert in dem Bereich von 8,5 bis 9,5 eingestellt.

    [0019] Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung erfolgt die Einstellung des Sauerstoffgehaltes der Kühlflüssigkeit durch Einleiten von Luft oder Sauerstoff oder durch Zugabe von H202.

    [0020] Während die zur Bestimmung des elektrochemischen Ruhepotentials erfindungsgemäß verwendete Meßelektrode vorzugsweise aus Kohlenstoffstahl besteht, wird als Bezugselektrode vorzugsweise eine Ag/AgCI- oder eine Hg/Hg2Cl2-Elektrode verwendet.

    [0021] Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung wird die Messung des elektrochemischen Ruhepotentials bei einer Temperatur im Bereich von 5 bis 95 °C, vorzugsweise von 25 bis 40 C, durchgeführt.

    [0022] Der Kühlflüssigkeit können zusätzlich zu den oben genannten Komponenten auch eine oder mehr Phosphonsäuren in einer Konzentration von 1 bis 20 mg/I sowie gegebenenfalls weitere übliche Korrosionsinhibitoren zugesetzt werden.

    [0023] Bei der Durchführung des vorstehend gekennzeichneten erfindungsgemäßen Verfahrens tritt mit dem Ablauf der Zeit eine Veränderung des Ruhepotentials auf, die ein direktes Maß für die resultierende Passivierung der Kontaktoberfläche aus Kohlenstoffstahl ist, wobei die Passivierung um so stärker und damit die Korrosionsschutzwirkung um so besser ist, je größer die zeitliche Veränderung des Ruhepotentials in elektropositiver bzw. anodischer Richtung ist. D.h. die anfänglich stark negativen Werte des in mV gemessenen Ruhepotentials werden mit zunehmender Passivierung in elektropositiver Richtung, d.h. in eine weniger stark negative Richtung, verändert, wobei sie bei optimaler Abstimmung von pH-Wert und Sauerstoffkonzentration der Kühlflüssigkeit innerhalb der obengenannten Bereiche aufeinander schließlich einen konstanten Wert (ideale Passivierung) annehmen. Auf diese Weise kann durch entsprechende Abstimmung der pH-Wertbedingungen und der Sauerstoffkonzentrationen in der Kühlflüssigkeit aufeinander jeder beliebige Passivierungszustand der Kontaktoberflächen eingestellt werden. Eine unzureichende Passivierung ist sofort erkennbar daran, daß sich das Ruhepotential in zeitlichem Ablauf nicht oder in elektronegativer bzw. kathodischer Richtung verändert (Verstärkung der Korrosion).

    [0024] Gegenstand der Erfindung ist ferner die Anwendung des vorstehend beschriebenen Verfahrens zur Bestimmung des Passivierungszustandes metallischer Kontaktflächen in wäßrigen Kühlsystemen sowie zur Steuerung der Korrosionsinhibierung und zur Prüfung der Qualität des Kühlwassers bzw. von Wasser allgemein.

    [0025] Es wurde nämlich gefunden, daß sich der aktuelle Passivierungszustand in einem wäßrigen Kühlsystem und insbesondere in einem Kühlwasser-Kreislaufsystem in sehr einfacher und zuverlässiger Weise ermitteln läßt, wenn man in dem System eine Meßanordnung mit einer Meßelektrode anordnet und den Oberflächenzustand dieser Meßelektrode durch Messen ihres Ruhepotentials gegen eine Bezugselektrode bestimmt. Es hat sich gezeigt, daß eine unmittelbare Korrelation zwischen der Korrosionsrate und dem Ruhepotential besteht, wobei der nahezu ideale Passivierungszustand einem charakteristischen Wert des Ruhepotentials entspricht.

    [0026] Die beiliegende Zeichnung zeigt die Abhängigkeit der Korrosionsrate (gemessen in 0,025 mm/Tag) wie sie sich unter variierenden Bedingungen der Alkalinität, der Sauerstoff- und Chloridkonzentration einstellt, in einem luftoffenen Kühlwasser-Kreislaufsystem von dem Ruhepotential der Meßelektrode (gemessen in mV).

    [0027] Durch die Erfindung wird der Betreiber eines Kühlturmsystems in die Lage versetzt, den Betrieb seiner Einheit so zu kontrollieren und zu steuern, daß die chemischen Bedingungen mit dem Ziel der Erzeugung einer optimalen Passivierungsschicht auf den metallischen Oberflächen eingestellt werden können. Im Gegensatz zur Messung einer Geschwindigkeit bzw. Rate, die auf die Messung eines Zeitablaufs abgestellt wird, erfolgt hier die Ermittlung eines aktuellen Zustands mittels Anzeige durch einen einzelnen Parameter, das Ruhepotential der Meßelektrode. Hierdurch wird eine erhebliche Vereinfachung des gesamten Korrosionsübewachungsverfahrens möglich.

    [0028] Das erfindungsgemäße Verfahren kann auch zur Bewertung von Korrosionsinhibierungsmethoden herangezogen werden, mit denen auf den Metalloberflächen in wirksamer Weise eine Passivierungsschicht ausgebildet wird.

    [0029] Das grundlegende Konzept der Korrosionsinhibierung besteht darin, die Löslichkeit der Korrosionsprodukte so niedrig wie möglich zu halten. Da die primären Korrosionsprodukte des Eisens in Wassersystemen das Eisenhydroxid (Fe(OH)2) bzw. Eisencarbonat (FeC03) sind, führt eine Erhöhung des pH-Wertes zur Herabsetzung der Löslichkeit der Eisenverbindungen.

    [0030] Im Falle von Kühlwasser ist diese Möglichkeit wegen des Alkali- und Erdalkali-, insbesondere des Calciumbicarbonatgehaltes des Wassers begrenzt. Im Trinkwasser ist der höchstmögliche pH-Wert durch den Sättigungs-pH des Calciumbicarbonats gegeben. Bekanntlich reicht jedoch in Kühlwassersystemen diese Bedingung nicht aus, um einen hinreichenden Korrosionsschutz zu erhalten.

    [0031] Ein weiteres grundlegendes Prinzip der Korrosionsinhibierung bei Stahl ist die Oxidation des primären Korrosionsproduktes, wobei von der wesentlich geringeren Löslichkeit des Eisen(III)-oxyhydrats Gebrauch gemacht wird. Von beiden Prinzipen wird bei der Konditionierung von Heißwasser Gebrauch gemacht.

    [0032] Zur Kühlwasser-Korrosionsinhibierung wurde zuerst Chromat als Oxidationsmittel verwendet. Es ist ein ausgezeichneter Korrosionsinhibitor, die Anwendung dieses oxidierenden anodischen Korrosionsinhibitors ist jedoch nicht unbedenklich, weil eine bestimmte Mindestkonzentration erforderlich ist, um eine extensive lokalisierte Korrosion zu vermeiden. Diese Mindestkonzentration wird auch als "gefährliche Inhibitorkonzentration" bezeichnet.

    [0033] In Kühlwasser ist das primäre Oxidationsmittel, d.h. der primäre Korrosionsinhibitor, gelöster Sauerstoff, der wegen seiner geringen Löslichkeit normalerweise ebenfalls in der gefährlichen Inhibitorkonzentration vorliegt. Die Mindestkonzentration des Oxidationsmittels für eine anodische Korrosionsinhibierung mittels Oxidation hängt stark von der Kinetik der Oxidationsreaktion ab. Die Oxidation muß sehr nahe an der Metalloberfläche stattfinden, um eine dauerhafte und gleichmäßige Bedeckung der Metalloberfläche zu erreichen. Aus diesem Grunde hängt die Größenordnung der gefährlichen Inhibitorkonzentration auch von der Menge des Korrosionsproduktes ab, das oxidiert werden muß. Für den Fall der Sauerstoffsättigung liegt diese Konzentration für Fe(II) bei weniger als 10-7 Mol/I (vgl. G. Bohnsack, D.A. Johnson, E. Buss, NACE Corrosion/1989 Paper, Nr. 438). In der Praxis ist es möglich, die Kombination beider Prinzipien anzuwenden.

    [0034] Im Falle von Kühlwasser wird der Umstand ausgenutzt, daß in carbonathaltigem Wasser die Löslichkeit des Fe(II) durch die des Fe(II)carbonats (Siderits) limitiert wird. Um die notwendige niedrige Löslichkeit von Eisen(11)ionen zu erreichen und eine optimale Inhibierung durch gelösten Sauerstoff sicherzustellen, werden Carbonatkonzentrationen benötigt, die sich weit oberhalb der Calciumbicarbonat-Sättigung bewegen. Da die Möglichkeit besteht, die Calciumcarbonat-Ausfällung zu kontrollieren, zum Beispiel durch Verwendung von Phosphonsäuren, können die Alkalinitätsbedingungen eingestellt werden, die zur Korrosionsinhibierung durch gelösten Sauerstoff erforderlich sind. Unter diesen Bedingungen hat das Carbonation auch einen katalytischen Einfluß auf die Oxidationskinetik von gelöstem Eisen.

    [0035] Die Reaktionsprodukte der Redoxreaktionen sind Fe(III)oxyhydrate, da Fe(II) unter diesen Bedingungen in Gegenwart von Sauerstoff nicht existiert. Dabei bildet das Fe(III)oxyhydrat eine dünne, aber sehr wirksame Passivierungsschicht, in der Phosphonate enthalten sind.

    [0036] Aufgrund der Grundprinzipien der Korrosionsinhibierung unter den Bedingungen hoher Carbonatalkalinität und insbesondere der Funktion des Sauerstoffs wurde erfindungsgemäß eine Methode zur kontrollierten Passivierung und zur Bestimmung und Überwachung des Passivierungszustandes in wäßrigen Kühlflüssigkeitssystemen entwickelt.

    [0037] Unter elektrochemischen Gesichtspunkten führt die vorstehend beschriebene anodische Passivierung, die eine anodische Eisenauflösung verhindert, zu einer meßbaren Änderung des Ruhepotentials. Die gebildete Passivierungsschicht besitzt die Elektronenleitfähigkeitseigenschaften eines Halbleiters, was ihr eine kathodische Aktivität verleiht. Wegen seiner kathodischen Reaktion an den Passivierungsschichten ruft Sauerstoff eine Erhöhung des Metallpotentials hervor, das durch die Eisenlösungsreaktion beantwortet wird. Wenn die Passivierungsschicht jedoch ausreichend impermeabel für Ionen ist, wird die Eisenauflösung gehindert und die Reaktionsgeschwindigkeit sinkt auf vernachlässigbare Werte. Da diese Verhältnisse gänzlich durch Verhindern der Eisenauflösung bedingt sind (anodische Inhibierung), wird das Potential erhöht, wenn die Korrosionsraten herabgesetzt werden. Um nun die Bedingungen zu ermitteln und zu kontrollieren, unter denen sich diese Passivierungsschicht bildet und die Passivierung beibehalten wird, wird erfindungsgemäß das Ruhepotential einer Eisenelektrode in dem Kühlwasser gemessen.

    [0038] Zur Messung kombiniert man zum Beispiel eine Meßelektrode aus C-Stahl mit einer Bezugselektrode, vorzugsweise einer Ag/AgCI-Elektrode, und mißt das Ruhepotential. Eine andere geeignete Bezugselektrode ist die Kalomelelektrode. Wenn unter diesen Bedingungen ein Ruhepotential von positiver als -300 mV (z.B. positiver als -250 mV) erreicht wird, ist die Auflösung an der Eisenelektrode und den Flußstahloberflächen, die sich im Kontakt mit dem Kühlwasser befinden, durch den Korrosionsprozeß minimal. Im Gegensatz hierzu weist eine korrodierende Eisenelektrode typischerweise ein Ruhepotential von etwa -500 mV auf.

    [0039] In der beiliegenden Zeichnung ist die Beziehung zwischen den Korrosionsraten (in 0,025 mm/Jahr) unter variierten Bedingungen von Alkalinität, Sauerstoffkonzentration und Chloridkonzentration und dem gemessenen Ruhepotential (mV) graphisch dargestellt.

    [0040] Die bei eisenhaltigen Metalloberflächen beobachteten Verhältnisse sind auf andere Metalle analog übertragbar. Als metallische Werkstoffe kommen insbesondere C-Stahl und andere Stahllegierungen in Betracht.

    [0041] Da das meßbare Ruhepotential einer Meßelektrode auch eine Aussage über die Korrosivität einer wäßrigen Kühlflüssigkeit zuläßt, eröffnet das erfindungsgemäße Verfahren gleichzeitig auch eine Methode zur Bestimmung der Wasserqualität.

    [0042] Das erfindungsgemäße Verfahren ist auch in jedes Korrosionsinhibierungsverfahren integrierbar, wobei an sich bekannte Korrosionsinhibitoren und ggf. weitere Wasserbehandlungsmittel eingesetzt werden können, denn aufgrund der Ruhepotentialmessung läßt sich eine weitgehende Annäherung an den "idealen" Passivierungszustand erreichen. Gleichermaßen ermöglicht es in einfacher Weise die Erprobung und Bewertung von neu entwickelten Korrosionsinhibitoren.

    [0043] Wenn das Material der Meßelektrode der Zusammensetzung des durch Korrosion gefährdeten metallischen Werkstoffs entspricht, wird über die Messung des Ruhepotentials eine unmittelbare und aktuelle Information über den Passivierungszustand der Metalloberfläche erhalten.

    [0044] Die Meßanordnung mit Meßelektrode kann auch in mehrfacher Ausfertigung angeordnet werden, so daß der gesamte Korrosionszustand in einem wäßrigen Kühlflüssigkeitssystem erfaßbar ist.

    [0045] Vorzugsweise wird der pH-Wert des Wassersystems auf Werte von etwa 8,0 bis 10,5 und bevorzugt von 8,5 bis 9,5 eingestellt. Unter diesen Alkalinitätsbedingungen ist die Passivierung am größten. Mithin wird der Betreiber eines Kühlwasser-Kreislaufs durch die Erfindung befähigt, den Korrosionszustand nahe der idealen Passivierung zu halten bzw. beim Ansteigen des gemessenen Ruhepotentials (d.h. bei stärker negativen Werten) entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

    [0046] Wegen der Bedeutung des Sauerstoffs sollte in einem luftoffenen Kühlwasser-Kreislaufsystem die Sauerstoffkonzentration vorzugsweise auf einen Wert im Bereich von etwa 1 bis 50 mg/I eingestellt werden, was in bestimmten Fällen auch durch Sauerstoffzufuhr (Luft oder Reinsauerstoff) bzw. durch Zugabe von H202 erreicht werden kann.

    [0047] Vorzugsweise wird die Ruhepotentialmessung bei Temperaturen im Bereich von etwa 5°C bis 95 ° C und bevorzugt von 25 ° C bis 40 ° C durchgeführt. Außerhalb dieses Bereiches liegende Temperaturen sind jedoch häufig durch das entsprechende wasserhaltige Kühlsystem im Betriebszustand vorgegeben. Auch hier eignet sich das erfindungsgemäße Verfahren zur kontrollierten Passivierung und aktuellen Bestimmung des Passivierungszustandes.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur kontrollierten Passivierung der Innenwände eines luftoffenen und/oder geschlossenen Kühlkreislaufsystems aus Kohlenstoffstahl mit einer darin zirkulierenden Alkali-und Erdalkalibicarbonat-haltigen wäßrigen Kühlflüssigkeit, dadurch gekennzeichnet, daß man

    a) die Sauerstoffkonzentration und den pH-Wert der Kühlflüssigkeit auf einen Wert innerhalb des Bereiches von etwa 1 bis etwa 50 mg/I bzw. von etwa 8,0 bis etwa 10,5 so einstellt, daß die Löslichkeit des primären Korrosionsprodukts (FeC03 oder Fe(OH)2) minimal gehalten wird, und

    b) die resultierende Passivierung der Innenwände des Kühlflüssigkeitskreislaufsystems mißt als zeitliche Veränderung des elektrochemischen Ruhepotentials zwischen einer in die Kühlflüssigkeit eintauchenden Meßelektrode und einer Bezugselektrode in elektropositiver bzw. anodischer Richtung, wobei die Sauerstoffkonzentrations- und pH-Wertbedingungen so aufeinander abgestimmt werden, daß eine maximale Veränderung des Ruhepotentials in elektropositiver bzw. anodischer Richtung entsprechend einer maximalen Passivierung erzielt wird.


     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der pH-Wert der Kühlflüssigkeit auf einen Wert in dem Bereich von 8,5 bis 9,5 eingestellt wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Einstellung des Sauerstoffgehaltes der Kühlflüssigkeit durch Einleiten von Luft oder Sauerstoff oder durch Zugabe von H202 erfolgt.
     
    4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß zur Bestimmung des elektrochemischen Ruhepotentials eine Meßelektrode aus Kohlenstoffstahl verwendet wird.
     
    5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß als Bezugselektrode eine Ag/AgCI- oder eine Hg/Hg2Cl2-Elektrode verwendet wird.
     
    6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Messung des elektrochemischen Ruhepotentials bei einer Temperatur im Bereich von 5 bis 95 ° C durchgeführt wird.
     
    7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Messung des elektrochemischen Ruhepotentials bei einer Temperatur im Bereich von 25 bis 40 °C durchgeführt wird.
     
    8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß der Kühlflüssigkeit eine oder mehr Phosphonsäuren in einer Konzentration von 1 bis 20 mg/I Kühlflüssigkeit zugesetzt wird (werden).
     
    9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß der Kühlflüssigkeit ein weiterer üblicher Korrosionsinhibitor zugesetzt wird.
     
    10. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 9 zur Bestimmung des Passivierungszustandes der metallischen Kontaktflächen in wäßrigen Kühlflüssigkeitssystemen.
     
    11. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 9 zur Steuerung der Korrosionsinhibierung in wäßrigen Kühlflüssigkeitssystemen.
     
    12. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 9 zur Prüfung der Qualität der Kühlflüssigkeit, insbesondere von Wasser.
     




    Zeichnung







    Recherchenbericht