(19)
(11) EP 0 483 053 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
29.04.1992  Patentblatt  1992/18

(21) Anmeldenummer: 91810731.9

(22) Anmeldetag:  16.09.1991
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5G21F 9/00, C23G 1/10
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE CH DE ES FR GB LI SE

(30) Priorität: 26.10.1990 CH 3429/90

(71) Anmelder: RECYTEC S.A.
1260 Nyon (CH)

(72) Erfinder:
  • Hanulik, Jozef
    CH-8032 Zürich (CH)
  • Equey, Jean-Francois
    CH-1162 St.-Prex (CH)

(74) Vertreter: Feldmann, Clarence Paul et al
c/o Patentanwaltsbüro FELDMANN AG Postfach Kanalstrasse 17
CH-8152 Glattbrugg
CH-8152 Glattbrugg (CH)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Dekontaminationsmittel und Verfahren zur Lösung von radioaktiv kontaminierten Oberflächen von Komponenten aus Metall


    (57) Zur effizienten Dekontamination von radioaktiv kontaminierten Komponenten aus Metall wurde eine Reagenz bestehend aus einer HBF₄-Säure mit Zusatz von mindestens einem Oxidationsmittel, vorzugsweise Hydrogen-Peroxid H₂O₂ gefunden. Die optimale Mischung dieser Reagenz bestand aus einer 5%igen HBF₄-Säure unter Zusatz von 0,5 Vol % H₂O₂. Aus dieser Reagenz wurden beispielsweise radioaktiv dekontaminierte Bleiplatten entnommen, während die kontaminierte Lösung ohne weiteren Zusatz als Elektrolyt verwendet wurde. Das kontaminierte Blei bzw. Bleioxyd lagert sich an der Anode bzw. Kathode ab und kann nuklear entsorgt werden, während die Lösung dem Prozess wieder zugeführt werden kann.
    Das Verfahren lässt sich genauso mit derselben Reagenz durchführen, wenn das Metall statt Blei Kupfer, Nickel, Stahl, Silber oder Quecksilber und deren Legierungen ist.




    Beschreibung


    [0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren sowie ein Dekontaminationsmittel zur Lösung von oxidierten oder nicht oxidierten, radioaktiv kontaminierten Oberflächen von Gegenständen aus Metall.

    [0002] An nuklearen Arbeitsplätzen werden Komponenten aus Blei oder bleienthaltenden Legierungen zur Abschirmung der radioaktiven Strahlung verwendet. Es ist bekannt, dass eine etwa 5 cm dicke Bleiplatte die radioaktive Strahlung um einen Faktor 10 reduziert. Deshalb bildet man aus Blei oder Bleilegierungen sogenannte Abschirmungssteine, mit denen ganze Mauern um hochradioaktive Bauteile erstellt werden. Stark radioaktiv strahlende Rohre werden auch mit Bleimatten ummantelt. Selbstverständlich können diese Abschirmungssteine, Bleimatten oder Bleiplatten ebenfalls radioaktiv kontaminiert sein. Sie müssen daher auch von Zeit zu Zeit dekontaminiert werden. Bisher geschah dies auf nicht zufriedenstellende Weise. Die Blei oder bleienthaltenden Elemente wurden oberflächlich abgekratzt oder manuell gebürstet, das kontaminierte abgekratzte Material radioaktiv entsorgt und die verbleibenden, immer noch leicht kontaminierten Komponenten eingeschmolzen.

    [0003] Das Resultat war unbefriedigend und führte zusätzlich zu einer Verschleppung der Radioaktivität. Die wiedergewonnenen Komponenten aus Blei oder bleihaltigen Legierungen konnten zwar wiederverwendet werden, wiesen aber von Anfang an eine erhöhte Radioaktivität auf. Eine zweite Variante bestand darin, die Bleiabschirmungssteine oder Platten mit einer Plastikumhüllung zu versehen, die von Zeit zu Zeit erneuert wird. Die kontaminierte Plastikumhüllung wurde jedesmal wieder nuklear entsorgt. Beide Varianten führten zu einer relativ grossen Menge an nuklear zu entsorgendem Abfall.

    [0004] Bleikomponenten werden in diversen nuklearen Anwendungen eingesetzt. So beispielsweise in nuklearen Waffen, wo Bleikomponenten unter anderem als Reflektorschilder eingesetzt werden. Von Zeit zu Zeit müssen diese Bleikomponenten zur Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit der nuklearen Waffen erneuert und die Bleiabfälle dekontaminiert werden.

    [0005] Die gleiche Problematik, die bei Blei und Bleilegierungen auftritt, ist auch bei anderen Metallen relevant. So sind in Anlagen zur Herstellung von UF₆ in zivilen und militärischen Bereichen grosse Mengen von radioaktiv kontaminiertem Nickel vorhanden. Obwohl der Wert dieser Metalle gross ist, liess sich nur der geringste Teil zur Wiederverwertung gewinnen. Eine Anlage zur Herstellung von UF₆ enthält ca. 1'000 - 10'000 t reines Nickel. Ferner enthalten Wärmetauscher und Dampferzeugungsanlagen in DruckwasserReaktoren grosse Mengen von Nickel-Basislegierungen wie z.B. Inocel 600 mit einem Anteil von ca. 70% Ni. Aber auch Cu und Cu-Legierungen werden bei Wärmetauscher und Kondensatoren in nuklearen Anlagen verwendet.

    [0006] Aus der US-A-4828759 ist ein Verfahren zur Dekontamination radioaktiv kontaminierter metallischer Materialien bekannt.

    [0007] Die radioaktiv kontaminierten metallischen Komponenten werden in ein fluorobor-säurehaltiges Bad gegeben und dieses elektrochemisch regeneriert und die Metalle rückgewonnen, während die regenerierte Fluoroborsäure dem Prozess wieder zugeführt wird. Für die Dekontamination von Komponenten aus Blei und bleihaltigen Legierungen hat sich dieses Verfahren als zu zeitaufwendig erwiesen, dass zudem nur bei erhöhter Temperatur und Konzentration anwendbar ist. Die Löslichkeit von Blei und anderen Metallen wie Ni, Cu, Hg, Ag oder Stahl ist auch in HBF4-Säure bei Raumtemperatur ein äusserst langsamer Prozess, der zudem unter Entwicklung von Wasserstoff H₂ abläuft.

    [0008] Es ist daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren sowie ein Dekontaminierungsmittel zu schaffen, das insbesondere zur Ablösung von oxidierten oder nicht oxidierten, radioaktiv kontaminierten Oberflächen von metallenen Gegenständen geeignet ist, und den Prozess der Ablösung gegenüber der Durchführung mit bekannten Verfahren erheblich beschleunigt und bei Raumtemperatur durchführbar ist. Diese Aufgabe löst ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruches 1, beziehungsweise ein Dekontaminierungsmittel mit den Merkmalen des Patentanspruches 22.

    [0009] Die Erläuterung des erfindungsgemässen Verfahrens und des Dekontaminierungsmittels erfolgt in der nachfolgenden Beschreibung anhand der beigefügten Figuren. Es zeigt:

    Fig. 1A + B den Gewichtsverlust einer Bleiplatte in verschiedenen HBF₄ Konzentrationen in Funktion der Zeit A) unter Beifügung von 0,5 Vol % H₂O₂ und B) ohne Beifügung von H₂O₂;

    Fig. 2A + B zeigen wiederum den Gewichtsverlust einer Bleiplatte in 5%iger HBF₄ mit verschiedenen Konzentrationen von H₂O₂;

    Fig. 3 eine schematische Darstellung des Ablaufs des erfindungsgemässen Verfahrens

    Fig. 4 die Versuchsanordnung der Elektrolysezelle und die Reagenzgleichungen

    Fig. 5 den Verlauf der hier durchgeführten Elektrolyse in Abhängigkeit der Stromdichte, namentlich A bei 30 mA/cm² und B bei 45 mA/cm²;



    [0010] Wenn im nachfolgenden Text von Reagenz gesprochen wird, so wird hierunter das erfindungsgemässe Dekontaminierungsmittel verstanden.

    [0011] Bei der Durchführung der nachfolgend beschriebenen Experimente wurde eine Bleiplatte mit der Dicke von 0,25 mm und einer Oberfläche von 2 x 88 cm² verwendet. Um zu vermeiden, dass die Bleiplatte mit einem schützenden Fettfilm überzogen ist, wurde diese jeweils vor dem Einbringen in die Lösung mit Aceton entfettet.

    [0012] Bei der Verwendung der Fluoroborsäure HBF₄ wurde jeweils von einer 50%igen reinen Säure ausgegangen und die verschiedenen Verdünnungsgrade durch Zufügung von deionisiertem Wasser erreicht. Die Bleiplatte wurde vor und nach jedem Experiment gewogen. In einer ersten Versuchsreihe wurde der Gewichtsverlust einer genormten Bleiplatte der eingangs genannten Art in verschiedenen HBF₄-Konzentrationen in Abhängigkeit der Zeit ermittelt.

    [0013] Hierbei ergab sich das Bild gemäss der Figur 1B. Bei einer reinen HBF₄-Säure zeigten sich nach 200 Minuten bei den unterschiedlichen Konzentrationen zwischen 5 und 50% kaum relevante Unterschiede. Erst nach rund 400 Minuten zeigten sich unterschiedliche Gewichtsverluste an den Bleiplatten, wobei Bleiplatten, die höherkonzentrierter HBF₄-Säure ausgesetzt waren, einen grösseren Bleiverlust zeigten. Nach rund 200 Minuten betrug der Bleigewichtsverlust pro Platte bei allen Konzentrationen der HBF₄-Säure ungefähr 0,05 Gramm. Die gleichen Versuche wurden wiederholt unter Beigabe von 0,5 Vol % H₂O₂ wiederum in Abhängigkeit verschiedener Konzentrationen der HBF₄-Säure. Das nun sich zeigende Bild gemäss der Figur 1A zeigte eine stark verbesserte Bleiablösung an den Platten.

    [0014] Nach rund 100 Minuten wurde an allen Platten unabhängig der Konzentration der HBF₄-Säure ein Gewichtsverlust von rund 15 Gramm gemessen. Folglich zeigte sich, dass innert der halben Zeit die Bleiablösung sich um einen Faktor 300 erhöht hatte. Im Gegensatz zu den Versuchen ohne Zusatz von Hydrogenperoxyd zeigte sich, dass die Steigerung der Konzentration der HBF₄-Säure über 5% keine Resultatverbesserung brachte.

    [0015] Es zeigte sich folglich, dass durch die Hinzufügung von 0,5 Vol % H₂O₂ die Reduktion der Oxydschicht sofort erfolgte und die Bleiauflösung schnell einsetzte. Die Auflösung war anfänglich schnell und wurde danach langsamer. Die Auflösung stoppte, wenn eine Konzentration von 55 Gramm Blei pro Liter erreicht war.

    [0016] Analoge Beobachtungen haben sich nach Versuchen mit Ni, Cu, Ag, Hg und Stahl gezeigt. Hiernach wurden die bisher bei Raumtemperatur durchgeführten Versuche bei einer Temperatur von 60° C wiederholt. Auch hier zeigte sich wiederum, dass die Auflösungsrate sich durch die Zufügung von 0,5 % H₂O₂ scharf anstieg, doch eine erhöhte Bleilöslichkeit gegenüber der Durchführung der Versuche bei Raumtemperatur wurde nicht festgestellt.



    [0017] Diese Angaben beziehen sich auf eine Reagenz von 5% HBF₄ mit 0,5% H₂O₂ bei einer Temperatur von 25° C.

    [0018] Aus den bisherigen Experimenten ergibt sich somit, dass eine 5%ige HBF₄-Säure ein optimales Resultat ergibt.

    [0019] Es wurde nun die Löslichkeitsrate von Blei in 5%iger HBF₄-Säure in Abhängigkeit der Konzentration des darin vorhandenen Hydrogenperoxydes ermittelt. Das Resultat zeigen die Figuren 2A und B. Bei steigender H₂O₂-Konzentration wurde ein ständiger Anstieg der Auflösungsgeschwindigkeit des Bleies festgestellt, und zwar innerhalb dem Bereich von 0 bis 2 Vol %.

    [0020] In jedem Fall war die Bleiauflösung anfänglich schnell und nach 60 Minuten langsamer. Bei Hydrogenperoxyd-Konzentrationen zwischen 0,5 und 1,0% erreichte die Lösung gegen Ende des Prozesses eine maximale Bleikonzentration von 80 Gramm pro Liter. Bei dieser Konzentration bildete sich ein weisser Niederschlag in der Lösung und auf der Bleioberfläche. Bei höheren Konzentrationen von H₂O₂ verlief die Auflösungsreaktion stark exotherm. Bei der Versuchsanordnung mit 50 Milliliter Lösung begann diese sofort zu kochen, und fast gleichzeitig bildete sich ein weisser Niederschlag in der Lösung. Die maximale Bleikonzentration in einer 10%igen HBF₄-Lösung stellte sich bei etwa 120 Gramm pro Liter ein. Diese Konzentration ist zwar etwa 50% höher als die in den zuvor gemessenen Fällen, doch sind solche Auflösungsbedingungen bei einem Verfahren in industriellem Massstab nicht akzeptabel.

    [0021] Aus der Gesamtheit der beschriebenen Versuche ergab sich, dass die bevorzugte Reagenz zur Auflösung der Oberflächen von oxidierten oder nicht oxidierten Bleiplatten am vorteilhaftesten mit einer Lösung bestehend aus einer 5%igen HBF₄-Säure mit einem Anteil von 0,5 Vol % Hydrogenperoxyd erfolgt. Mit dieser Lösung wurden die Versuche bezüglich dem Verfahren zur Dekontamination von radioaktiv kontaminierten Komponenten aus Blei oder bleienthaltenden Legierungen durchgeführt.

    [0022] Einige wenige Versuche, Hydrogenperoxid durch andere Oxidationsmittel zu ersetzen, haben sich als ebenfalls gangbare Lösungen erwiesen. So zeigten Versuche unter Verwendung von Permanganate-HBF₄-Lösungen auch annehmbare Resultate.

    [0023] Erstaunlicherweise die allerbesten Resultate ergaben sich bei der Kombination von verschiedenen Oxidationsmitteln zusammen mit einer 5%igen Fluoroborsäure. Insbesondere eine Mischung, bei der man der 5%igen Fluoroborsäure 0,5 bis 2% Hydrogen-Peroxid und 0,1 bis 2% Kalumpermanganat beigab, führte dazu, dass die in der Tabelle bezüglich der Abtragungskinetik angegebenen Werte nochmals erheblich gesteigert werden konnten. Das Oxidationsmittel Kalziumpermanganat KMnO₄ oxidiert die Metalle resp. die Metalloxide und führt sie in eine in der Säure besonders gut lösliche Form über. Eine solche Lösung von Metalle und Metalloxide, welche die Radioaktivität beinhalten, ist beispielsweise:



    [0024] Im Gegensatz zum bekannten AP-Citrox Dekontaminationsverfahren wird hier kein Mangatdioxid MnO₂ an der Metalloberfläche ausgeschieden.

    [0025] In einem ersten Schritt (l), wie in Figur 3 dargestellt, müssen die kontanimierten Komponenten entfettet werden. Hiernach werden sie in ein Lösungsbad (2) gegeben. Dieses enthält die bereits beschriebene Reagenz, bestehend aus einer 5%igen HBF₄-Säure und 0,5 % Hydrogenperoxyd.

    [0026] Nachdem man die Reagenz abhängig von der notwendigen Abtragstiefe während ca. 60 Minuten auf die Bleiplatten hat einwirken lassen, entnimmt man (3) die nun dekontaminierten Bleiplatten dem Lösungsbad (2). Die Lösung, die nun kontaminiert ist, führt man (4) zu einem Elektrolysebad, indem man die Elektrolyse (5) durchführt. An der Anode bzw. Kathode lagern sich nun das kontaminierte Blei bzw. Bleidioxyd. Das konzentrierte radioaktiv kontaminierte Material (6) liegt nun in hochkonzentrierter Form vor und kann nun auf bekannte Weise nuklear entsorgt werden. Die verbleibende HBF₄-Säure wird der Elektrolyse-Zelle entnommen (7). Nun kann die Rückführung (9) der HBF₄-Säure in das Lösungsbad (2) erfolgen. Dies geschieht unter Zufügung (8) von H₂O₂, bis die gewünschte Konzentration wieder erreicht ist. Sind sämtliche Komponenten dekontaminiert, so kann das Verfahren abgebrochen werden, indem man die Säure nach der Durchführung der Elektrolyse durch Zufügung von Kalzium-Hydroxyd neutralisiert oder an einem kationischen Ionentauscher bis zur reinen, nicht kontaminierten Säure regeneriert. Hierbei entsteht bekannterweise ein Niederschlag, den man ausfiltrieren oder sedimentieren kann. Der verbleibende, kontaminierte Filterkuchen lässt sich verfestigen und nuklear entsorgen. Das verbleibende Filtrat ist aktivitätsfrei und enthält auch kein Blei mehr. Es kann somit ohne zusätzliche Vorsichtsmassnahmen entsorgt werden, beispielsweise indem man es der Abwasserentsorgung zuführt.

    [0027] In weiteren Versuchsreihen wurde ermittelt, bei welchen Bedingungen die Elektrolyse der 5%igen HBF₄-Säure durchgeführt werden soll, um eine möglichst effiziente Ausscheidung des Bleis bzw. des Bleioxydes zu erhalten.

    [0028] Die Versuche wurden bei Raumtemperatur und bei Verwendung von rostfreiem Stahl an der Kathode und einer Grafitanode durchgeführt. Der Elektrolyt bestand aus einer 5%igen HBF₄-Säure mit einem Gehalt von ca. 30 Gramm pro Liter Pb2+. Der Elektrolyt wurde hergestellt durch die Lösung von Blei in einer 5%igen HBF₄-Säure mit einem Gehalt von 0,5% H₂O₂. Der anfängliche pH-Wert war etwa 0. Die Bleielektrolyse wurde gestartet bei einem Potential von ungefähr 2.0 Volt. Anfänglich bildeten sich Blasen an der Anodenoberfläche. Diese verschwanden, sobald sich Bleidioxyd gebildet hatte.

    [0029] Die Spannung blieb stabil während der Elektrolyse sowohl bei 30 wie auch bei 45 Milliampère pro cm² Stromdichte bis die Bleikonzentration etwa 5 Gramm pro Liter betrug. Von diesem Punkt weg begann die Spannung zu steigen, während gleichzeitig Blasenbildung inbesondere an der Anode beobachtet werden konnte. Hiermit einher ging eine rapide Verschlechterung der coulomb'schen Effizienz. Bei einer Dichte des Elektrolysestroms von 30 mA pro cm² betrug die coulomb'sche Effizienz etwas mehr als 80%, während bei einer Erhöhung der Stromdichte auf 45 mA pro cm² die coulomb'sche Effizienz bei annähernd 100% lag. Die coulomb'sche Effizienz ist davon abhängig, ob sie vor oder nach dem Zeitpunkt der Spannungserhöhung berechnet wird. Die Figur 5A zeigt zwei Beispiele der Bleielektrolyse. In beiden Fällen wurde der Strom auf einem festen Wert gehalten. Es wurde festgestellt, dass die Spannung stabil blieb solange wie die Bleikonzentration über 5 bis 6 Gramm pro Liter war. Sobald diese Konzentration erreicht war, begann die Spannung zu steigen, und die coulomb'sche Effizienz sank. Eine Steigerung der Spannung führte auch zur Bildung von Sauerstoffblasen an der Oberfläche der Anode. Es scheint somit vorteilhaft die Elektrolyse unter Spannungskontrolle durchzuführen, um die Sauerstoffentwicklung zu verhindern.

    [0030] Aus den Versuchen ging hervor, dass die Auflösung von metallischem Blei in HBF₄-Säure von weniger als 50% bei einem Gehalt von weniger als 2 Vol % H₂O₂ eine erheblich verbesserte Auflösung bewirkte. Besonders gute Resultate wurden mit einer 5%igen HBF₄-Säure mit einem Gehalt von 0,5% H₂O₂ erzielt. In dieser Lösung liessen sich 35 Gramm Blei pro Liter in etwa 90 - 120 Minuten auflösen. Nach der Bleiauflösung wurde die Lösung ohne zusätzliche Modifikation direkt als Elektrolyt für die Bleirückgewinnung verwendet. Die Elektrolyse ergab an der Stahlkathode homogenes Blei und an der Graphitanode entsprechend Bleidioxyd Pb0₂. Die coulomb'sche Effizienz war höher als 90% solange die Elektrolysespannung auf einem Potential gehalten wurde, bei der sich kaum eine O₂-Entwicklung zeigte.

    [0031] Bei der Verwendung einer Reagenz, die aus einer Mischung von 5%igem HBF₄ sowie 0,5 - 2% H₂O₂ und 0,1 - 2% KMnO₂ besteht, lassen sich verschiedene zusätzliche Anwendungsverfahren realisieren. Da bei der Verwendung dieser Reagenz lauter wasserlösliche Teile anfallen, können die dekontaminierten Metallteile schliesslich ganz einfach mit Wasser sauber gespült werden.

    [0032] Ferner hat sich bei der hohen Geschwindigkeit der Auflösung gezeigt, dass diese Reagenz auch direkt in ein geschlossenes Rohrsystem, beispielsweise einen Wärmetauscher in einem Kernkraftwerk, eingepumpt und in diesem während einigen Stunden umgewälzt werden kann und anschliessend die radioaktive Reagenz ausgepumpt und elektrolytisch regeneriert werden kann. Weil die Lösung vollständig wasserlöslich ist, kann danach das Rohrsystem mit Wasser durchgespült werden.

    [0033] Eine Alternative besteht darin, dass man die Reagenz im Rohrsystem belässt, jedoch nach einiger Zeit über einen Ionentauscher führt, mit dem sich alle radioaktiven Anteile und die gelösten Metalle aus dem System entnehmen lassen. Die Reinigung mittels Ionentauscher ist an und für sich eine bekannte Technologie, die hier nicht weiter erörtert werden muss.

    [0034] Eine mögliche Alterantive besteht darin, dass man die zu dekontamierenden Teile erst einem Oxidationsmittel aussetzt und danach erst in ein reines HBF₄-Säurebad gibt, beziehungsweise mit HBF₄-Säure besprüht. Diese Vorgehensweise kann mehrmals wiederholt werden, bis die zu dekontaminierende Metalloberfläche eine Radioaktivität unterhalt der Freimessgrenze aufweist.

    [0035] Schlussendlich ist es aber auch möglich, erst eine Oxidation mittels einem Oxidationsmittel durchzuführen und anschliessend erst das bereits vorher beschriebene Verfahren durchzuführen und die radioaktiv zu dekontaminierenden Metallteile in eine Reagenz aus HBF₄ und einem Oxidationsmittel zu geben.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Lösung von radioaktiv kontaminierenden Oberflächen von Gegenständen aus Metall, wobei die zu dekontaminierenden Gegenstände mit einem Dekontaminationsmittel, enthaltend Fluoroborsäure in wässriger Lösung mit einer Konzentration von 0,05 bis etwa 50 Mol/Liter in Kontakt gebracht und die kontaminierten Komponenten oder zumindest deren Oberflächen vom Dekontaminationsmittel aufgelöst werden, worauf die kontamierten Materialien nuklear entsorgt werden, dadurch gekennzeichnet, dass man zusätzlich die Oberflächen der radioaktiv kontaminierten Komponenten mit einem Oxidationsmittel in einen oxidierten Zustand überführt, welcher in der Fluoroborsäure eine erhöhte, schnellere Löslichkeit aufweist, worauf anschliessend die bekannten Dekontaminationsverfahrensschritte durchgeführt werden.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man als Oxidationsmittel Hydrogen-Peroxid verwendet.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass man als Oxidationsmittel Hydrogen Peroxid in einer Konzentration von weniger als 20 Volumenprozent verwendet.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man als Oxidationsmittel eine Mischung von Hydrogen-Peroxid und einem weiteren Oxidationsmittel verwendet.
     
    5. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass man das Oxidationsmittel erst mit der Oberfläche der radioaktiv kontaminierten Metallkomponente in Kontakt bringt und anschliessend mit der Fluoroborsäure, bevor die weiteren Dokontaminationsverfahrensschritte durchgeführt werden.
     
    6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die beiden ersten Schritte mehrmals wiederholt werden, bevor die weiteren Dekontaminationsschritte durchgeführt werden.
     
    7. Verfahren nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Oberflächen der ratioaktiv kontaminierten Metallkomponenten abwechslungsweise mit dem Oxidationsmittel und der Fluoroborsäure besprüht werden.
     
    8. Verfahren nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Oberflächen der radionaktiv kontaminierten Metallkomponenten abwechslungsweise in ein Oxidationsmittel und in Fluoroborsäure getaucht werden.
     
    9. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man die Oberflächen der radioaktiv kontaminierten Metallkomponenten mit einer Mischung von vorzugsweise 5%iger Fluoroborsäure und 0,5 Volumenprozent Hydrogen-Peroxid in Kontakt bringt.
     
    10. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass man die Oberfläche der radioaktiv kontaminierten Metallkomponenten mit einer Mischung von vorzugsweise 5%iger Fluoroborsäure, 0,5% bis 2% Hydrogen-Peroxid und 0,1 bis 2% Kalium-Permanganat in Kontakt bringt.
     
    11. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man die Oberflächen der radioaktiven Metallkomponenten zuerst entfettet.
     
    12. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man die radioaktiven Metallkomponenten bei Raumtemperatur in einem Bad aus Fluoroborsäure und Oxidationsmittel löst.
     
    13. Verfahren nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass man eine regenerative Elektrolyse des kontaminierten Geschmisches aus Fluoroborsäure und Oxidationsmittel bei einer Temperatur von vorzugsweise 25° C mit einer Stromdichte von 5 - 500 mA/cm² durchführt.
     
    14. Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass die regenerative Elektrolyse des kontaminierenden Gemisches unterhalb einer Spannung, die zur Sauerstoffentwicklung führt, durchgeführt wird.
     
    15. Verfahren nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass eine Elektrolyse des Gemisches aus HBF₄-Säure und Oxidationsmittel solange durchgeführt wird, bis der Metallgehalt weniger als 0,1 g pro Liter beträgt, worauf die verbleibende HBF₄-Säure zur Wiederholung des Prozesses wiederverwendet wird.
     
    16. Verfahren nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass nach Durchführung der Elektrolyse die Säure durch Zufügung von Calziumhydroxid Ca(OH)₂ neutralisiert wird und der entstehende Niederschlag ausfiltriert und/oder sedimentiert wird und der verbleibende, kontaminierte Filterkuchen verfestigt und nuklear entsorgt wird, während das verbleibende, aktivitäts- und bleifreie Filtrat der Abwasserentsorgung zugeführt wird.
     
    17. Verfahren nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass die Elektrolyse der Mischung solange durchgeführt wird, bis der Bleigehalt weniger als 0,1 g pro Liter beträgt, worauf diese noch eine Restradioaktivität aufweisende Lösung durch einen Kathionentauscher geführt wird, wodurch eine aktivitätsfreie und bleifreie 5% HBF₄-Säure erhalten wird.
     
    18. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass die dekontaminierten Metallteile mittels einer Wasserspülung gereinigt werden.
     
    19. Verfahren nach Anspruch 10 zur Dekontamination von radioaktiv kontaminierten, geschlossenen Rohrsystemen aus Metall, dadurch gekennzeichnet, dass in das Rohrsystem die Mischung eingepumpt und während einer Zeit umgewälzt wird und schliesslich während einer weiteren Zeit die Reagenz über einen Ionentauscher führt.
     
    20. Verfahren nach Anspruch 10 zur Dekontamination von radioaktiv kontaminierten, geschlossenen Rohrsystemen aus Metall, dadurch gekennzeichnet, dass in das Rohrsystem das Gemisch eingepumpt und während einer Zeit umgewälzt wird, worauf die verunreinigte Reagenz abgepumpt und das Rohrsystem mit Wasser durchgespült wird.
     
    21. Verfahren nach Anspruch 20, dadurch gekennzeichnet, dass die abgepumpte Reagenz elektrolytisch regeneriert wird.
     
    22. Dekontiminationsmittel enthaltend Fluoroborsäure in wässriger Lösung mit einer Konzentration von 0,05 bis etwa 50 Mol/Liter, zur Lösung von radioaktiv kontaminierten, oxidierten oder nicht oxidierten Oberflächen von Gegenständen aus Metall, dadurch gekennzeichnet, dass das Dekontaminationsmittel zudem mindestens ein Oxidationsmittel enthält.
     
    23. Dekontaminationsmittel nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Oxidationsmittel Hydrogen-Peroxid ist.
     
    24. Dekontaminationsmittel nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass dieses weniger als 20 Volumenprozent Hydrogen-Peroxid enthält.
     
    25. Dekontaminationsmittel nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass es eine Mischung von zwei verschiedenen Oxidationsmitteln enthält, von denen mindestens eines Hydrogen-Peroxid ist.
     
    26. Dekontaminationsmittel nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass dasselbe vorzugsweise 5%ige Fluoroborsäure und 0,5 Volumenprozent Hydrgen-Peroxid enthält.
     
    27. Dekontaminationsmittel nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass dasselbe vorzugsweise 5%ige Fluoroborsäure, 0,5 bis 2% Hydrogen-Peroxid H₂O₂ und 0,1 bis 2% Kalium-Permanganat KMnO₄ enthält.
     




    Zeichnung
















    Recherchenbericht