(19)
(11) EP 0 494 852 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
15.07.1992  Patentblatt  1992/29

(21) Anmeldenummer: 92890004.2

(22) Anmeldetag:  09.01.1992
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5D01F 2/00, D01D 4/02, D01D 5/06
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE CH DE DK ES FR GB GR IT LI LU MC NL PT SE

(30) Priorität: 09.01.1991 AT 32/91

(71) Anmelder: LENZING AKTIENGESELLSCHAFT
A-4860 Lenzing (AT)

(72) Erfinder:
  • Zikeli, Stefan, Ing.
    A-4844 Regau (AT)
  • Firgo, Heinrich, Dipl.-Ing., Dr.
    A-4840 Vöcklabruck (AT)
  • Eichinger, Dieter, Dipl.-Ing., Dr.
    A-4840 Vöcklabruck (AT)
  • Jurkovic, Raimund
    A-4860 Lenzing (AT)

(74) Vertreter: Müllner, Erwin, Dr. et al
Patentanwälte, Dr. Erwin Müllner, Dipl.-Ing. Werner Katschinka, Dr. Martin Müllner, Postfach 159, Weihburggasse 9
1010 Wien
1010 Wien (AT)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung eines cellulosischen Formkörpers


    (57) Zur Herstellung eines cellulosischen Formkörpers wird eine cellulosische Aminoxidlösung durch eine Düse gepreßt, anschließend durch einen Luftspalt geführt, in diesem gegebenenfalls verstreckt und schließlich in einem Fällbad koaguliert. Erfindungsgemäß beträgt der minimale Lochdurchmesser der verwendeten Düse höchstens 150 µm, vorzugsweise höchstens 70 µm und beträgt die Länge des Düsenkanals mindestens 1000 µm, vorzugsweise etwa 1500 µm. Dadurch kann die Länge des Luftspaltes auf unter 35 mm oder sogar unter 10 mm reduziert werden, weil infolge einer Orientierung in der Langkanaldüse mit einem geringeren Verzug ausgekommen werden kann, ohne daß die textilen Eigenschaften der hergestellten Fasern leiden. Bei einer bevorzugten Ausführungsform des Düsenkanals ist dieser auf der Eintrittsseite kegelförmig und nur auf der Austrittsseite zylinderförmig.


    Beschreibung


    [0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines cellulosischen Formkörpers, bei dem eine cellulosische Aminoxidlösung durch eine Düse gepreßt, anschließend durch einen Luftspalt geführt, in diesem gegebenenfalls verstreckt und schließlich in einem Fällbad koaguliert wird.

    [0002] Es ist bekannt, daß Fasern mit guten Gebrauchseigenschaften aus Hochpolymeren nur dann erhalten werden, wenn eine "Faserstruktur" erzielt werden kann (Ullmann, 5. Auflage Vol. A10, 456). Unter anderem ist es dazu nötig, mikroorientierte Bereiche im Polymeren, beispielsweise Fibride, in der Faser auszurichten. Diese Orientierung wird vom Herstellungsverfahren bestimmt und beruht auf physikalischen oder physikochemischen Vorgängen. In vielen Fällen bewirkt eine Verstreckung diese Orientierung.

    [0003] In welchem Verfahrensabschnitt und unter welchen Bedingungen diese Verstreckung erfolgt, ist ausschlaggebend für die erhaltenen Fasereigenschaften. Beim Schmelzspinnen werden die Fasern im warmen plastischen Zustand, während die Moleküle noch beweglich sind, verstreckt. Gelöste Polymere können trocken oder naß gesponnen werden. Beim Trockenspinnen erfolgt die Verstreckung, während das Lösungsmittel entweicht bzw. verdampft; die in ein Fällbad extrudierten Fäden werden während der Koagulierung verstreckt. Verfahren dieser Art sind bekannt und reichlich beschrieben. In all diesen Fällen ist es aber wichtig, daß der Übergang vom flüssigen Zustand (unabhängig, ob Schmelze oder Lösung) zum festen Zustand so erfolgt, daß während der Fadenbildung auch eine Orientierung der Polymerketten oder -kettenpakete (sprich Fibride, Fibrillen usw.) erzielt werden kann.

    [0004] Um das schlagartige Verdampfen eines Lösungsmittels aus einem Faden während des Trockenspinnens zu verhindern, gibt es mehrere Möglichkeiten.

    [0005] Die Problematik der sehr raschen Koagulation des Polymeren beim Naßspinnen (wie z. B. im Falle von cellulosischen Aminoxidlösungen) konnte jedoch bisher nur durch Kombination von Trockenund Naßspinnen gelöst werden.

    [0006] So ist bekannt, Lösungen von Polymeren über einen Luftspalt in das Koagulationsmedium einzubringen. In der EP-A-295 672 ist die Herstellung von Aramidfasern, die über einen Luftspalt in ein nicht-koagulierendes Medium eingebracht, verstreckt und anschließend koaguliert werden, beschrieben.

    [0007] Die DD-PS 218 121 hat das Verspinnen von Cellulose in Aminoxiden über einen Luftspalt zum Gegenstand, wobei Vorkehrungen, die das Verkleben verhindern, vorgesehen sind.

    [0008] Gemäß der US-PS 4 501 886 wird eine Lösung von Cellulose-triacetat mittels eines Luftspaltes gesponnen.

    [0009] In der US-PS 3 414 645 ist ebenfalls die Herstellung von aromatischen Polyamiden aus Lösungen, in einem Trocken-Naß-Spinnverfahren beschrieben.

    [0010] Bei all diesen Vërfahren wird im Luftspalt eine gewisse Orientierung erzielt, denn alleine das Ausfließenlassen einer zähflüssigen Lösung durch eine kleine Öffnung nach unten zwingt aufgrund der Schwerkraft den Lösungsteilchen eine Orientierung auf. Diese Orientierung durch die Schwerkraft kann noch erhöht werden, wenn die Extrudiergeschwindigkeit der Polymerlösung und die Abzugsgeschwindigkeit des Fadens so eingstellt sind, daß eine Verstreckung erzielt wird.

    [0011] Ein Verfahren dieser Art ist in der AT-PS 387 792 (bzw. den dazu äquivalenten US-PSen 4 246 221 und 4 416 698) beschrieben. Eine Lösung von Cellulose in NMMO (NMMO = N-Methylmorpholin-N-oxid) und Wasser wird geformt, im Luftspalt verstreckt und anschließend ausgefällt. Die Verstreckung wird bei einem Streckverhältnis von mindestens 3 vorgenommen. Dazu ist eine Luftspaltlänge von 5-70 cm notwendig.

    [0012] Ein Nachteil dieses Verfahrens besteht darin, daß extrem hohe Abzugsgeschwindigkeiten erforderlich sind, um entsprechende textile Eigenschaften und Feinheit der Fäden zu erzielen. Weiters hat sich in der Praxis gezeigt, daß ein langer Luftspalt einerseits zu Faserverklebungen und anderseits bei hohen Verzügen auch zu Spinnunsicherheit und Fadenbruch führt. Es sind daher Vorkehrungen nötig, dies zu verhindern. Ein Verfahren dieser Art ist in der AT-PS 365 663 (bzw. in der äquivalenten US-PS 4 261 943) beschrieben. Für eine Großproduktion muß aber die Lochzahl in einer Spinndüse sehr hoch sein. In so einem Fall sind Vorkehrungen zur Verhinderung der Oberflächenklebrigkeit der frisch extrudierten Fäden, die durch einen Luftspalt in das Fällungsmittel gelangen, völlig unzureichend.

    [0013] Es ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Spinnverfahren zu schaffen, mit dem trotz Verwendung eines kurzen Luftspaltes eine rasch koagulierende Lösung zu Fäden mit verbesserten Fasereigenschaften versponnen werden kann.

    [0014] Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren der eingangs genannten Art erfindungsgemä8 dadurch gelöst, daß der minimale Lochdurchmesser der verwendeten Düse höchstens 150 µm, vorzugsweise höchstens 70 µm, und die Länge des Düsenkanals mindestens 1000 µm, vorzugsweise etwa 1500 µm, beträgt.

    [0015] Durch Verwendung derartiger Langkanaldüsen mit geringem Durchmesser wird bereits in den Düsenkanälen durch Scherkräfte eine Orientierung des Polymeren erzielt. Dadurch kann der anschließende Luftspalt kurz gehalten werden: seine Länge beträgt zweckmäßigerweise höchstens 35, vorzugsweise höchstens 10mm. Dadurch wird die Störanfälligkeit stark reduziert; es gibt nur wesentlich geringere Titerschwankungen und damit keine Fadenrisse mehr; benachbarte Fäden können infolge des kürzeren Luftspaltes nicht mehr verkleben, sodaß die Lochdichte in der Spinndüse erhöht werden kann, wodurch die Produktivität steigt.

    [0016] Schließlich hat der gesponnene Faden auch gute textile Eigenschaften: Es wurde gefunden, daß insbesondere die Bruchdehnung verbessert werden kann. Das Arbeitsvermögen - d. h. das Produkt aus Dehnung und Festigkeit - verhält sich dabei umgekehrt proportional zum Lochdurchmesser. Weiters verbessert sich die Schlingenfestigkeit und die dazugehörende Bruchdehnung, was sich in einer verbesserten Scheuerbeständigkeit der aus diesen Fasern ersponnenen Gewebenäußert. Diese Eigenschaften verbessern sich ebenfalls bei sinkenden Lochdurchmessern.

    [0017] Vorzugsweise ist der Düsenkanal auf der Eintrittsseite kegelförmig erweitert und auf der Austrittsseite zylinderförmig. Die Verwendung derartiger Düsen ist wegen der einfacheren Herstellbarkeit empfehlenswert; es ist schwierig, eine z. B. 1500 µm lange Düse durchgehend mit einem Durchmesser von nur z. B. 100 µm herzustellen. Eine Düse, bei der der minimale Durchmesser nur auf der Austrittsseite vorgesehen ist (z. B. auf 1/4 oder 1/3 der Länge) und die sich in Richtung Eintrittsseite kegelförmig erweitert, ist wesentlich leichter herstellbar und liefert auch gute Ergebnisse.

    [0018] Anhand der folgenden Beispiele wird die Erfindung näher erläutert:

    [0019] 2276 g Zellstoff (Feststoff- oder Trockengehalt 94 %, DP=750 [DP = Durchschnittlicher Polymerisationsgrad]) und 0,02 % Rutin als Stabilisator werden in 26 139 g 60%iger wässeriger N-Metyhlmorpholinoxid-Lösung suspendiert. Während 2 Stunden wird bei 100°C und einem Vakuum bis zu 50 bis 300 mbar 9415 g Wasser abdestilliert. Die dabei entstandene Lösung wird anhand der Viskosität und unter dem Mikroskop beurteilt.



    [0020] Anschließend wird diese Lösung bei einer Spinntemperatur von 75°C durch eine Spinndüse gepreßt, einen 9 mm langen Luftspalt geführt und schließlich in einem Fällbad, welches aus einer 20%igen wässerigen NMMO-Lösung besteht, koaguliert. Tabelle 1 enthält die bei diesem Versuch erzielten Eigenschaften der Fasern und die dazugehörenden Prozeßparameter.



    [0021] Die Beispiele 1 bis 3 dienen nur zum Vergleich, die Beispiele 4 bis 6 sind erfindungsgemäße Beispiele. Besonders hervorgehoben werden soll der hervorragende Wert von 47,8 für die konditionierte Faserfestigkeit bei Beispiel 6 werden; ein derartiger Wert wird bei herkömmlichen Düsen erst bei einem Verzug von 100 erreicht!

    [0022] Aus einem Vergleich der Beispiele 1 bis 3 mit den Beispielen 4 bis 6 ist unmittelbar ersichtlich, daß durch den Einsatz erfindungsgemäßer Düsen auch die Bruchdehnung verbessert wird. Weitens ist aus den.Beispielen 4 bis 6 ersichtlich, daß das Produkt aus Festigkeit und Bruchdehnung (FFk*FDk), die Schlingenfestigkeit sowie die Bruchdehnung bei der Messung der Schlingenfestigkeit mit sinkendem Lochdurchmesser steigen. Ein Vergleich von Beispiel 1 mit Beispiel 5 (bei diesen beiden Beispielen ist der Lochdurchmesser gleich) zeigt, daß diese Werte auch durch den Einsatz erfindungsgemäßer Langkanaldüsen gegenüber Düsen mit kurzem Kanal gleichen Durchmessers verbessert werden.

    [0023] Die Beispiele 2 und 3 zeigen, daß bei kleiner Düsenkanallänge die Fasereigenschaften vom Verzug im Luftspalt abhängen; sie werden mit steigendem Verzug besser. Die Beispiele 4 und 5 zeigen, daß bei vergleichbaren Verhältnissen (Verzug, Lochdurchmesser) durch eine erfindungsgemäße Langkanaldüse alle textilen Eigenschaften - ausgenommen die Bruchdehnung - wesentlich verbessert werden. Beispiel 6 zeigt, daß durch Anwendung eines kleinen Lochdurchmessers von 50 µm alle textilen Eigenschaften wesentlich verbessert werden.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Herstellung eines cellulosischen Formkörpers, bei dem eine cellulosische Aminoxidlösung durch eine Düse gepreßt, anschließend durch einen Luftspalt geführt, in diesem gegebenenfalls verstreckt und schließlich in einem Fällbad koaguliert wird, dadurch gekennzeichnet, daß der minimale Lochdurchmesser der verwendeten Düse höchstens 150 µm, vorzugsweise höchstens 70 µm, und die Länge des Düsenkanals mindestens 1000 µm, vorzugsweise etwa 1500 µm, beträgt.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Länge des Luftspaltes höchstens 35, vorzugsweise höchstens 10 mm beträgt.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Düsenkanal auf der Eintrittsseite kegelförmig erweitert ist und auf der Austrittsseite zylinderförmig ist.