[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
[0002] Während im Straßenverkehr im Reaktionsabstand gefahren wird, fahren Schienenfahrzeuge
im sogenannten Bremswegabstand. Der Bremswegabstand garantiert, daß auch bei plötzlichem
Stehenbleiben eines Vorläuferfahrzeuges, z.B. bei Entgleisung, das Folgefahrzeug nicht
auffährt. Diese Sicherheitsforderung bei Bahnen ist einer der Gründe dafür, daß der
Streckendurchsatz im Schienenverkehr wesentlich geringer ist als im Straßenverkehr.
[0003] Mit Einführung der linienförmigen Zugbeeinflussung (siehe z.B. Aufsatz von W. Köth/O.
Wolf in "Eisenbahntechnische Rundschau" ETR, Dez. 1968, Seiten 533 ff) wurde es möglich,
anstelle des zuvor verwendeten, sogenannten festen Blocks, den mobilen Block einzusetzen.
Beim mobilen Block wird die Position des Zugschlusses des Vorläuferfahrzeuges in kleinen
Quantisierungsschritten erfaßt und dem Folgefahrzeug laufend mitgeteilt.
[0004] Letzteres kann damit seine Geschwindigkeit so regeln, daß es mit einer Betriebsbremsung
an dem mitgeteilten Punkt zum Stillstand kommt.
[0005] Bei der Linienzugbeeinflussung meldet jeder Zug die Position seines Zugschlusses
an eine Steuerzentrale. Dies kann auch über den Umweg der Übertragung der Position
der Zugspitze und zusätzlich der Zuglänge geschehen. Der Folgezug bekommt von der
Steuerzentrale jeweils die zuletzt vom Vorläuferzug gemeldete Zugschlußposition als
fiktiven Haltepunkt vorgegeben.
[0006] Bei dem bekannten Verfahren geht man davon aus, daß auch bei einem unvorhergesehenen,
plötzlichen Stillstand des Vorläuferzuges der Folgezug mit einer Betriebsbremsung
halten kann. Der plötzliche Stillstand eines Zuges ist jedoch ein sehr seltener Ausnahmefall
und kann nur durch einen Unfall verursacht sein. Auch eine unvorhergesehene Schnellbremsung
eines vorausfahrenden Zuges ist sehr selten. In aller Regel wird der vorausfahrende
Zug mit einer Betriebsbremsung zum Stillstand gebracht.
[0007] Will man den Streckendurchsatz erhöhen, so kann man dies dadurch erreichen, daß man
den Folgezug dichter an den Vorläuferzug heranfahren läßt, und zwar so weit, daß,
im Falle einer Betriebsbremsung des vorausfahrenden Zuges, der Folgezug gerade noch
mit einer Betriebsbremsung angehalten werden kann. In Fällen des plötzlichen Stillstands
oder einer Schnellbremsung des Vorläuferzuges reicht dann allerdings eine Betriebsbremsung
des Folgezuges nicht mehr aus, um den Folgezug rechtzeitig zum Stillstand zu bringen.
Es muß eine Schnellbremsung durchgeführt werden. Obgleich eine solche Schnellbremsung
eine größere Beanspruchung des Fahrzeuges und der Strecke bedeutet, kann sie in den
genannten seltenen Fällen in Kauf genommen werden, wenn dadurch der Streckendurchsatz
merklich erhöht werden kann. Ein Sicherheitsverlust tritt durch die Inkaufnahme gelegentlicher
Schnellbremsungen nicht ein.
[0008] Es ist somit Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zur Geschwindigkeitsregelung anzugeben,
mit dem der Streckendurchsatz ohne Sicherheitsverlust erhöht werden kann.
[0009] Diese Aufgabe wird durch die im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale gelöst.
[0010] Durch Vorgabe zweier unterschiedlich weit entfernter Zielpunkte, von denen der nähere
von der aktuellen Position des Zugschlusses des Vorläuferfahrzeuges bestimmt und Zielpunkt
einer Schnellbremsung, der entferntere von einem betrieblichen Halt oder von der nach
Ablauf einer Betriebsbremsung zu erwartenden Position des Zugschlusses des Vorläuferfahrzeuges
bestimmt und Zielpunkt einer Betriebsbremsung ist, hat das folgende Fahrzeug die Möglichkeit,
zwei Bremskurven zu berechnen und die jeweils einschränkendere als Fahrkurve einzuhalten.
[0011] Dabei ist einerseits die Sicherheit des Betriebes gewahrt, da das Folgefahrzeug mit
einer Schnellbremsung auch bei plötzlichem Stillstand des Vorläuferfahrzeuges rechtzeitig
angehalten werden kann, andererseits kann das Folgefahrzeug wesentlich dichter an
das Vorläuferfahrzeug heranfahren, was den Streckendurchsatz beträchtlich erhöht.
[0012] Das Verfahren gemäß Patentanspruch 2 unterscheidet sich von dem im Patentanspruch
1 beschriebenen Verfahren dadurch, daß die Berechnung beider Bremskurven und die Minimumauswahl
in der Steuerzentrale erfolgen. Dies hat vor allem den Vorteil, daß eine höhere Belastung
der Übertragungsstrecke und des Fahrzeugrechnersystems, wie sie die Übertragung zweier
Zielpunkte und die Berechnung zweier Bremskurven auf dem Fahrzeug mit sich bringt,
vermieden wird.
[0013] Anhand einer Figur soll nun das Verfahren nach der Erfindung ausführlich beschrieben
werden.
[0014] Die Figur zeigt Bremsablaufkurven (1, ..., 4) in einem Weg-Geschwindigkeitsdiagramm.
[0015] Die Abszisse S gibt vereinfacht die Fahrstrecke zweier Züge Z1 und Z2 wieder. Die
Ordinate V ist die Geschwindigkeitsachse. Der Zug Z1 ist der Vorläuferzug. Er fährt
mit gleichbleibender Geschwindigkeit V1. Sein Zugschluß befindet sich in der Position
P2. Als Zielpunkt ist ihm ein (fiktiver) Haltepunkt HP vorgegeben, den sein Zugschluß
mit einer Betriebsbremsung entlang einer Betriebsbremskurve 3 erreichen würde. In
der Position P1 befindet sich der Folgezug Z2.
[0016] In bekannten LZB-Systemen muß der Folgezug die aktuelle Position P2 des Zugschlusses
des Vorläuferzuges als fiktiven Haltepunkt berücksichtigen und mittels einer Betriebsbremsung
entlang einer Bremskurve 4 an diesem Zielpunkt zum Stehen kommen können. Tut dies
der Folgezug z.B. bei einer Betriebsbremsung des Vorläuferzuges, so hat der Zugschluß
des Vorläuferzuges inzwischen den Haltepunkt HP erreicht. Der Folgezug ist demnach
unnötig früh angehalten worden. Es hätte ausgereicht, ihn unter Einhaltung eines kleinen
Sicherheitsabstandes unmittelbar vor dem Haltepunkt HP zum Stillstand zu bringen.
Der Folgezug hätte dann bereits den Punkt P1 nicht mit der von der Betriebsbremskurve
4 vorgegebenen Geschwindigkeit V2, sondern mit einer wesentlich höheren Geschwindigkeit
V3 passieren können. Diese Geschwindigkeit V3 wird von einer Betriebsbremskurve 2
vorgegeben, welche am Haltepunkt HP des Vorläuferzuges endet.
[0017] Für den Fall, daß der Vorläuferzug an der Position P2 plötzlich anhält oder mit einer
Schnellbremsung an einem Punkt zwischen der Position P2 und dem Haltepunkt HP zum
Stillstand gebracht wird, reicht die am Haltepunkt HP endende Betriebsbremskurve 2
zur Bremsung des Folgezuges nicht aus. In diesem Fall muß die Betriebsbremskurve 2
an einem Punkt B rechtzeitig verlassen werden und es muß zu einer Schnellbremsung
entlang einer Schnellbremskurve 1 übergegangen werden. Die Schnellbremskurve 1 endet
an der Position P2 und bringt den Folgezug auch bei plötzlichem Stillstand des Vorläuferzuges
rechtzeitig vor dessen Zugschluß zum Stillstand.
[0018] Der Punkt, an dem das Folgefahrzeug die Betriebsbremskurve 2 verläßt und zur Schnellbremsung
entlang der Schnellbremskurve 1 übergeht, trennt zwei Bereiche I und II voneinander,
in denen verschiedene Bremskurven die jeweils einschränkendere Geschwindigkeit vorgeben.
Im Bereich I ist die Geschwindigkeitsvorgabe der Betriebsbremskurve 2 die niedrigere,
d.h. die einschränkendere, im Bereich II ist es die der Schnellbremskurve 1. Um dem
Folgefahrzeug zu ermöglichen, festzustellen, in welchem der beiden Bereiche es sich
befindet, werden dem Fahrzeug gemäß der Erfindung die Position P2, an der sich zum
Übertragungszeitpunkt der Zugschluß des Vorläuferzuges befindet, und der fiktive Haltpunkt
HP des Vorläuferzuges von der Steuerzentrale mitgeteilt. Das Fahrzeuggerät errechnet
zu diesen beiden Zielpunkten zwei Bremskurven 1 und 2, wobei es der Berechnung der
am näheren Zielpunkt endenden Bremskurve 1 seine Schnellbremsverzögerung, der Berechnung
der am entfernteren Zielpunkt endenden Bremskurve 2 seine Betriebsbremsverzögerung
zugrundelegt. Das Fahrzeuggerät vergleicht dann die seiner jeweiligen Position zugeordneten
Geschwindigkeitswerte beider Bremskurven miteinander und wählt als Fahrkurve die Bremskurve
aus, die den geringeren Geschwindigkeitswert liefert.
[0019] Auf diese Weise gelangt das Fahrzeug am Punkt B, dem Übergang vom Bereich I in den
Bereich II, automatisch von der Betriebsbremskurve auf die Zwangsbremskurve.
[0020] Wie aus der Figur unschwer zu ersehen ist, darf die Geschwindigkeit, mit der der
Folgezug an den Vorläuferzug heranfährt, nach dem erfindungsgemäßen Verfahren deutlich
höher liegen (bis zur Grenze der schraffierten Zone) als sie die beim Stand der Technik
maßgebende Betriebsbremskurve 4 vorgibt. Fahren beide Züge mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit
hintereinander, so kann der Folgezug so weit an den Vorläuferzug heranfahren, daß
er sich gerade noch im Bereich I befindet. Ein Überschreiten der Bereichsgrenze in
den Bereich II kann nur bei gleichzeitiger Reduzierung der Geschwindigkeit oder mit
bereits reduzierter Geschwindigkeit erfolgen, da sonst die Schnellbremskurve 1 überschritten
und damit eine Schnellbremsung ausgelöst wird.
[0021] Da die Übertragung eines weiteren Zielpunktes auf jedes Fahrzeug eine Mehrbelastung
des Übertragungskanals und die Berechnung zweier Bremskurven anstatt einer und die
Minimumauswahl der Geschwindigkeitswerte eine Mehrbelastung des Fahrzeuggerätes mit
sich bringen, kann, wenn solches vermieden werden soll, die Berechnung der Bremskurven
und die Minimumauswahl auch in der Steuerzentrale erfolgen. Das Rechnersystem der
Steuerzentrale kennt die Positionen und die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge und hat
ausreichend Kapazität, diese Berechnungen auszuführen. Den Fahrzeugen wird dann, wie
bisher, nur ein Zielpunkt, nämlich der Endpunkt der einschränkenderen der beiden Bremskurven
übermittelt.
[0022] Mit dem vorbeschriebenen Verfahren kann gemäß einer Modellrechnung der Streckendurchsatz
auf 132 % des bisherigen Wertes erhöht werden. Die Zugabstände V erringern sich dabei
auf 76 % der bisher notwendigen Zugabstände.
1. Verfahren zur Regelung der Geschwindigkeit von auf einer für linienförmige Zugbeeinflussung
ausgerüsteten Strecke einander folgenden Fahrzeugen, deren Zugschlußpositionen fortlaufend
erfaßt und einer Steuerzentrale gemeldet werden und die neben Ort und Art anderweitiger
Fahrteinschränkungen den Zugschlußpositionen der jeweils vorausfahrenden Fahrzeuge
zugeordnete Zielpunkte von der Steuerzentrale übermittelt erhalten und bei der Vorausberechnung
ihrer Fahrkurven berücksichtigen,
dadurch gekennzeichnet, daß jedem Fahrzeug (Z2) fortlaufend zwei Zielpunkte (P2, HP) übermittelt werden,
von denen der nähergelegene (P2) der aktuellen Position des Zugschlusses des Vorläuferfahrzeuges
(Z1), der entfernter gelegene einer Position (HP) zugeordnet ist, an der ein betrieblicher
Halt vorgesehen ist oder an der der Zugschluß des Vorläuferfahrzeuges (Z1) nach einer
Betriebsbremsung zum Stillstand kommen würde, daß das Fahrzeug (Z2) unter Zugrundelegung
einer vorgegebenen Schnellbremsverzögerung eine erste Bremskurve (1) berechnet, die
am näher gelegenen Zielpunkt (P2) endet, und unter Zugrundelegung einer vorgegebenen
Betriebsbremsverzögerung eine zweite Bremskurve (2), die am entfernter gelegenen Zielpunkt
(HP) endet, und daß zur Ermittlung der einzuhaltenden Fahrkurve eine Minimumauswahl
zwischen beiden Bremskurven erfolgt.
2. Verfahren zur Regelung der Geschwindigkeit von auf einer für linienförmige Zugbeeinflussung
ausgerüsteten Strecke einander folgenden Fahrzeugen, deren Zugschlußpositionen fortlaufend
erfaßt und einer Steuerzentrale gemeldet werden und die neben Ort und Art anderweitiger
Fahrteinschränkungen den Zugschlußpositionen der jeweils vorausfahrenden Fahrzeuge
zugeordnete Zielpunkte von der Steuerzentrale übermittelt erhalten und bei der Vorausberechnung
ihrer Fahrkurven berücksichtigen, dadurch gekennzeichnet, daß in der Steuerzentrale
für jedes Fahrzeug (Z2) fortlaufend zwei Bremskurven (1, 2) errechnet werden, von
denen eine an einem der aktuellen Position des Zugschlusses des Vorläuferfahrzeuges
(Z1) zugeordneten Zielpunkt (P2) endet und den Einsatz der Schnellbremse verlangt,
die andere an einem Zielpunkt (HP) endet, der einem betrieblichen Haltepunkt entspricht
oder der Position des Zugschlusses des Vorläuferfahrzeuges (Z1) nach einer vorausgegangenen
Betriebsbremsung zugeordnet ist, und die mittels der Betriebsbremse eingehalten werden
kann, daß in der Steuerzentrale für jede gemeldete Fahrzeugposition eine Minimumauswahl
zwischen beiden Bremskurven erfolgt und daß dem Fahrzeug (Z2) jeweils derjenige Zielpunkt
vorgegeben wird, an dem die einschränkendere der beiden Bremskurven endet.