[0001] Die Erfindung betrifft ein Schienenfahrzeug, insbesondere ein Niederflurfahrzeug,
das mindestens zwei durch ein Gelenk gekuppelte Wagenkästen und ein neben dem Gelenk
unterhalb eines Wagenkastens angeordnetes einachsiges Fahrwerk aufweist, das im wesentlichen
aus einem Rahmen und zwei Rädern gebildet ist.
[0002] Ein Niederflurfahrzeug mit den vorgenannten Merkmalen ist durch die Zeitschrift "Stadtverkehr"
5/90 bekannt, siehe vor allem Seite 22 Bild 11 und Seite 24 Bild 17. Der mittlere
Wagenkasten des dargestellten dreiteiligen Fahrzeugs ruht auf einachsigen Einzelradfahrwerken,
die jeweils neben einem Gelenk angeordnet sind. Beide Räder des Fahrwerks sind einzeln
um Hochachsen schwenkbar an einem Rahmen gelagert und durch eine Spurstange miteinander
verbunden. Über die im Radaufstandspunkt wirkenden Kräfte erfolgt die tangentiale
Einstellung der Räder bei Kurvenfahrt; die Position des Fahrwerksrahmens in bezug
auf den Wagenkasten ändert sich dabei nicht. Derartige Einzelradfahrwerke sind für
Niederflurfahrzeuge gut geeignet, da ein tiefliegender Mittelgang des Fahrzeugfußbodens
in den Raum zwischen den Einzelrädern hineinragen kann, wobei die Räder die seitlichen
Fußbodenabschnitte durchdringen und mit Hilfe von Radkästen unterhalb der Fahrgastsitze
abgedeckt werden. Im Vergleich mit einem herkömmlichen Radsatz ist eine Einzelrad-Anordnung
allerdings aufwendiger.
[0003] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Schienenfahrzeug der gattungsgemäßen
Art im Sinne einer Alternative zu einem Einzelradfahrwerk derart zu gestalten, daß
radiale Einstellungen der Räder und ein tiefliegender Fußboden auch bei Verwendung
eines einfachen Radsatzes erreicht werden können.
[0004] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß das Fahrwerk und der Wagenkasten
über eine in Fahrzeuglängsmitte und mit einem Längsabstand zur Mittenachse der beiden
Räder angeordnete senkrechte Drehachse miteinander verbunden sind. Wesentlich ist
also, daß sich die senkrechte Drehachse vor oder hinter einer die Mittenachse einnehmenden
Radsatzwelle erstreckt, so daß der oberhalb dieser Welle freie Raum für den abgesenkten
Mittelgang des Fahrzeugfußbodens genutzt werden kann.
[0005] Im folgenden werden die Erfindung und deren in den Unteransprüchen genannte vorteilhafte
Ausgestaltungen anhand eines in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispiels näher
beschrieben. Es zeigen
- Fig. 1
- den Endbereich von zwei strichpunktiert gezeichneten Wagenkästen sowie ein einachsiges
Fahrwerk in Draufsicht,
- Fig. 2
- die Vorderansicht zu Fig. 1,
- Fig. 3
- die Seitenansicht zu Fig. 1,
- Fig. 4
- den Schnitt nach der Linie A-A in Fig. 3,
- Fig. 5
- den Schnitt nach der Linie B-B in Fig. 3.
[0006] Wie aus Fig. 1 ersichtlich, sind zwei Wagenkästen 1 und 2 durch ein Gelenk 3 gekuppelt,
das Dreh- und Knickbewegungen dieser Wagenkästen zueinander ermöglicht. Unterhalb
des in Zeichnungsebene linken Wagenkastens 1 befindet sich ein Einachsfahrwerk 4,
das einen Rahmen 5 und einen üblicherweise aus zwei Rädern 6 und einer Welle 6a' gebildeten
Radsatz aufweist. Die Lager 6b des Radsatzes stützen sich gegenüber dem Fahrwerksrahmen
5 unter Zwischenschaltung von Primärfedern 11 ab (siehe auch Fig. 2). Als Primärfedern
11 dienen Gummi-Metall-Elemente, die unter einem Winkel zueinander angeordnet sind,
so daß ohne zusätzliche Bauteile auch Längs- und Querkräfte zwischen dem Radlager
6b und dem Fahrwerksrahmen 5 übertragen werden können. Den Primärfedern 11 sind nur
in Fig. 1 gezeigte Vertikaldämpfer 16 zugeordnet.
[0007] Die Verbindung des Wagenkastens 1 und des Fahrwerks 4 erfolgt über eine senkrechte
Drehachse 8 einer im Ausführungsbeispiel als Kugelpfanne 8a gestalteten Drehzapfenlagerung
am Wagenkasten 1. Die in Längsmitte 7 des Fahrzeugs liegende Drehachse 8 (siehe Fig.
1) hat einen Längsabstand L zur Mittenachse 6a der beiden Räder 6 bzw. deren Radsatzwelle
6a'. Ein Dreieckslenker 9 ist einerseits an der senkrechten Drehachse 8 gehalten und
über seine beiden anderen Enden jeweils in einer horizontalen Lagerung 5a am Fahrwerksrahmen
5 angebracht. Die Lagerungen 5a enthalten elastische Buchsen, die in Fahrzeuglängsrichtung
steif sind, jedoch eine Abfederung in Fahrzeugquerrichtung zulassen, wobei ein Querdämpfer
17 wirksam ist.
[0008] Der Dreieckslenker 9 untergreift die Radsatzwelle 6a', so daß der oberhalb dieser
Welle freie Raum für einen Mittelgang 13a des tiefliegenden Fahrzeugfußbodens 13 nutzbar
ist. Dabei muß natürlich der senkrechte Federweg von Sekundärfedern 12 berücksichtigt
werden, die direkt zwischen dem Fahrwerksrahmen 5 und dem Wagenkasten 1 angeordnet
sind. Die Sekundärfedern 12 bestehen aus einer Kombination von Schrauben- und Gummifedern
und arbeiten auch als Flexicoilfedern beim Schwenken des Fahrwerks 4 um die senkrechte
Drehachse 8.
[0009] Das Fahrwerk 4 und damit die Räder 6 werden bei Kurvenfahrt entsprechend den Gelenkbewegungen
der beiden Wagenkästen 1 und 2 zueinander radial eingestellt. Dazu dient ein Lenkgestänge
10, das gemäß Fig. 1 einen gelenkseitigen Lenker 10b, einen Zwischenhebel 10c und
einen fahrwerksseitigen Lenker 10a aufweist. Der Lenker 10b ist einerseits im Bereich
des Gelenks 3 mit dem Wagenkasten 2 und andererseits mit dem Zwischenhebel 10c verbunden,
der am Wagenkasten 1 gelagert ist. Der fahrwerksseitige Lenker 10a greift etwa mittig
am Zwischenhebel 10c an; sein anderes Ende ist mit dem Fahrwerksrahmen 5 verbunden.
Wegen der vertikalen Federwege versteht es sich, innerhalb des Lenkgestänges 10 Kugelgelenke
anzuordnen. Aus Platzgründen verläuft auch der fahrwerksseitige Lenker 10a unterhalb
der Radsatzwelle 6a'. Der in Fig. 1 dargestellte Dämpfer 14 ist bei Schwenkbewegungen
des Fahrwerks 4 wirksam.
[0010] Sowohl der Dreieckslenker 9 als auch das Lenkgestänge 10 sind am Wagenkasten 1 und
am Fahrwerksrahmen 5 befestigt, wobei die den Dreieckslenker 9 haltenden elastischen
Lagerungen 5a ja in Fahrzeuglängsrichtung steif sind. Dadurch werden beim Einfedern
der Sekundärfedern 12 identische Auf- und Abbewegungen erzielt und mithin Lenkfehler
vermieden.
[0011] Ein in den Fig. 1 und 3 gezeigtes Scheibenbremsgerät 15 ist in Fig. 2 der leichteren
Übersicht halber nicht dargestellt.
Liste der Bezugszeichen
[0012]
- 1
- Wagenkasten, mit Fahrwerk 4 neben Gelenk 3
- 2
- Wagenkasten
- 3
- Gelenk
- 4
- Fahrwerk
- 5
- Fahrwerksrahmen
- 5a
- Lagerung für Dreieckslenker 9
- 6
- Rad
- 6a
- Mittenachse
- 6a'
- Radsatzwelle
- 6b
- Radlager
- 7
- Fahrzeuglängsmitte
- 8
- senkrechte Drehachse
- 8a
- Kugelpfanne
- 9
- Dreieckslenker
- 10
- Lenkgestänge
- 10a
- fahrwerksseitiger Lenker
- 10b
- gelenkseitiger Lenker
- 10c
- Zwischenhebel
- 11
- Primärfeder
- 12
- Sekundärfeder
- 13
- Fahrzeugfußboden
- 13a
- Mittelgang
- 14
- Dämpfer für Schwenkbewegungen
- 15
- Scheibenbremsgerät
- 16
- Vertikaldämpfer
- 17
- Querdämpfer
- L
- Längsabstand zwischen Mittenachse 6a und Drehachse 8
1. Schienenfahrzeug, insbesondere Niederflurfahrzeug, das mindestens zwei durch ein Gelenk
(3) gekuppelte Wagenkästen (1, 2) und ein neben dem Gelenk (3) unterhalb eines Wagenkastens
(1) angeordnetes einachsiges Fahrwerk (4) aufweist, das im wesentlichen aus einem
Rahmen (5) und zwei Rädern (6) gebildet ist, dadurch gekennzeichnet, daß das Fahrwerk
(4) und der Wagenkasten (1) über eine in Fahrzeuglängsmitte (7) und mit einem Längsabstand
(L) zur Mittenachse (6a) der beiden Räder (6) angeordnete senkrechte Drehachse (8)
miteinander verbunden sind.
2. Schienenfahrzeug nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zum Übertragen von Längs-
und Querkräften ein die Mittenachse (6a) der Räder (6) untergreifender Dreieckslenker
(9) vorgesehen ist, der an zwei Enden jeweils in einer horizontalen Lagerung (5a)
am Fahrwerksrahmen (5) und über sein drittes Ende an der senkrechten Drehachse (8)
gehalten ist.
3. Schienenfahrzeug nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die senkrechte
Drehachse (8) durch eine am Wagenkasten (1) befestigte Kugelpfanne (8a) gebildet ist.
4. Schienenfahrzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß das
Fahrwerk (4) durch ein Lenkgestänge (10) entsprechend den Gelenkbewegungen der Wagenkästen
(1, 2) bei Kurvenfahrt radial einstellbar ist.
5. Schienenfahrzeug nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß ein zum Lenkgestänge
(10) gehörender fahrwerkseitiger Lenker (10a) unterhalb der Mittenachse (6a) der Räder
(6) liegt.
6. Schienenfahrzeug nach einem Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß das Fahrwerk
(4) eine Primär- und eine Sekundärfederebene aufweist.
7. Schienenfahrzeug nach Anspruch 6, gekennzeichnet durch unter einem Winkel zueinander
angeordnete, Längs- und Querkräfte zwischen einem jeweiligen Radlager (6b) und dem
Fahrwerksrahmen (4) übertragende Primärfedern (11).
8. Schienenfahrzeug nach Anspruch 6 oder 7, dadurch gekennzeichnet, daß direkt zwischen
dem Fahrwerksrahmen (5) und dem Wagenkasten (1) als Flexicoilfedern beanspruchbare
Sekundärfedern (12) angeordnet sind.
9. Schienenfahrzeug nach den Ansprüchen 2, 4 und 8, dadurch gekennzeichnet, daß der Dreieckslenker
(9) und das Lenkgestänge (10) an den gleichen Bauteilen - Wagenkasten (1) und Fahrwerksrahmen
(5) - befestigt sind, so daß beim Einfedern der Sekundärfedern (12) identische Auf-
und Abbewegungen dieser Bauteile (1, 5) erzielt und dadurch Lenkfehler vermieden werden.