[0001] Die Erfindung betrifft ein neues Steinkohlenteerpech, ein Verfahren zu seiner Herstellung
und seine Verwendung.
[0002] Bei der Destillation von Steinkohlenteer unter Normaldruck oder Vakuum wird als Rückstand
ein Weichpech oder Normalpech erhalten, aus dem durch weitere Destillation ggf. unter
Einleiten eines Trägergases oder Anwendung niedriger Drücke Hartpeche hergestellt
werden. Zur Einstellung der gewünschten Eigenschaften werden die Peche auch untereinander
oder mit Steinkohlenteerfraktionen gemischt.
[0003] Steinkohlenteerpeche enthalten Substanzen, die bei unsachgemäßem Gebrauch Gesundheitsschäden
hervorrufen können. Eine der am längsten bekannten und bestuntersuchten Verbindungen
in Steinkohlenteerpech ist das Carcinogen Benzo[a]pyren (3,4-Benzpyren). Der Gesetzgeber
hat diesem Gefährdungspotential dadurch Rechnung getragen, daß Steinkohlenteerpeche
mit einem Gehalt an Benzo[a]pyren (BaP) über 50 ppm als Gefahrstoffe gekennzeichnet
und mit entsprechender Vorsicht gehandhabt werden müssen. Der BaP-Gehalt von Normalpechen
liegt etwa zwischen 10.000 und 14.000 ppm. Oxidativ oder destillativ gewonnene Hartpeche
enthalten etwa 4.000 bis 12.000 ppm BaP.
[0004] Um die Gefährdung von Mitarbeitern bei unsachgemäßem Gebrauch auszuschließen, werden
in einigen Bereichen Steinkohlenteerpeche trotz schlechterer Eigenschaftsprofile der
hergestellten Produkte durch andere bituminöse Destillationsrückstände oder Harze
ersetzt. Beispiele sind Bitumen als Bindemittel für Steinkohlenbriketts oder Steine
im Straßenbau oder Phenolharze als Bindemittel in der Feuerfestindustrie.
[0005] Andererseits fällt bei der Verkokung von Steinkohle zwangsläufig Steinkohlenteer
an, der ca. 50 Gew.-% Normalpech enthält. Ziel sollte sein, die vorteilhaften Anwendungspotentiale
von Pech bei gleichzeitiger Verringerung der Gefährdung von Menschen bei der Verarbeitung
zu nutzen.
[0006] Es bestand daher die Aufgabe, ein Steinkohlenteerpech mit einer optischen Anisotropie
von weniger als 2 % herzustellen, das vielseitig einsetzbar ist und einen verminderten
Gehalt an Carcinogenen enthält.
[0007] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Steinkohlenteerpech gelöst, das weniger
als 50 ppm Benzo[a]pyren enthält.
[0008] Es wurde überraschenderweise gefunden, daß ein solches Pech aus dem Rückstand der
Primärdestillation von Steinkohlenteer durch Destillation in einem Verdampfer in einem
Temperaturbereich von 300 bis 380 °C bei einem Druck von nicht mehr als 1 mbar und
einer mittleren Verweilzeit des Rückstandes in einem Verdampfer von 2 bis 10 min herstellbar
ist, wobei der Verdampfer eine spezifische Verdampferoberfläche von 330 bis 10.000
m²/m³ aufweist. Die Verweilzeit beträgt vorzugsweise etwa 5 min. Solche Verdampfer
sind beispielsweise Rieselfilmverdampfer, Dünnschichtverdampfer und Verdampfer mit
rotierenden Einsätzen, wie sie in der EP 0 299 222 A1 beschrieben sind.
[0009] Aus DE 37 02 720 A1 ist zwar bekannt, filtrierte Steinkohlenteerpeche mit einem Erweichungspunkt
unter 100 °C im Dünnschichtverdampfer unter einem Druck von nicht mehr als 10 mbar
in einem Temperaturbereich von 300 bis 425 °C zu destillieren, um ein Pech mit niedrigem
Gehalt an in Chinolin unlöslichem Material (QI) und hohem Erweichungspunkt und entsprechend
hohem Verkokungsrückstand zu gewinnen.
[0010] Da es das Ziel dieser bekannten Destillation ist, die QI-Neubildung zu vermeiden,
muß die mittlere Verweilzeit des Pechmaterials sehr gering sein. Aus diesem Grunde
beträgt die mittlere Verweilzeit im Beispiel 1 bei der niedrigsten Behandlungstemperatur
auch weniger als 1 min. Auch in den anderen Beispielen werden ähnlich geringe Verweilzeiten
eingehalten, wie ein Vergleich der Durchsätze zeigt.
[0011] Das Pech nach Beispiel 2 enthält trotz des hohen Erweichungspunktes von 253 °C (Kraemer-Sarnow)
noch 140 ppm Benzo[a]pyren und ist somit kennzeichnungspflichtig. Da auch hier der
Druck 1 mbar betrug und die Destillationstemperatur mit 361 °C im Bereich von 300
bis 380 °C lag, zeigt das Ergebnis die Bedeutung der Verweilzeit für die Abtrennung
des Benzo[a]pyrens.
[0012] Die Erfindung wird anhand der nachfolgenden Beispiele näher erläutert.
[0013] Weitere Versuche haben gezeigt, daß Destillationstemperaturen von weniger als 300
°C nicht zu dem gewünschten niedrigen Gehalt an Benzo[a]pyren führen. Bei Temperaturen
oberhalb von 380 °C kann die QI-Neubildung zu Inhomogenitäten im Pech und Behinderungen
beim kontinuierlichen Betrieb der Destillationsanlage führen. Auch bei einer Blasendestillation
unter einem Druck von 100 mbar und auf 420 °C erhöhter Sumpftemperatur konnte selbst
bei einer Verweilzeit von 60 min der Gehalt an Benzo[a]pyren nur von 1 % auf 4.200
ppm verringert werden. Das erhaltene Pech hatte einen Schmelzbeginn (TMA) von 116
°C bei einem Mesophasengehalt von 3,8 %.
[0014] Soweit wie möglich wurden für die Analytik bestehende DIN-Normen verwendet.
| Erweichungspunkt |
DIN 51920 |
| Toluol-Unlösliches (TI ) |
DIN 51906 |
| Chinolin-Unlösliches (QI) |
DIN 51921 |
| Verkokungsrückstand |
DIN 51905 |
[0015] Die optische Anisotropie wurde an in Epoxidharz eingebetteten Pechstücken nach Anschliff
und Polieren mit dem Aufsicht-Polarisationsmikroskop unter Verwendung einer geeigneten
Videokamera mit automatischer Bildanalyse bestimmt.
[0016] Die thermomechanische Analyse zur Charakterisierung des Erweichungsverhaltens der
Peche erfolgte an gepreßten Pechpulvern (Durchmesser 7 mm, Höhe 1,2 mm) mit der Mettler
Gerätekombination TA3000/TMA40 mit einer Auflagekraft von 0,05 N und einer Aufheizungsgeschwindigkeit
von 5 K/min unter N₂-Schutzgas. Die angegebenen charakteristischen Temperaturen wurden
wie folgt definiert: der Schmelzbeginn entspricht einer Eindringung der Penetrationssonde
von 5 µm; das Schmelzende einer Eindringung von 1 mm.
Beispiel 1
[0017] Ein Steinkohlenteerpech (Erweichungspunkt (Mettler) EPM = 89 °C, TI = 24,1 %, QI
= 5,8 %, β-Harze = 18,3 % Verkokungsrückstand = 51,4 %, BaP-Gehalt = 1,1 %, Schmelzbeginn
(TMA) = 36 °C, Schmelzende (TMA) = 62 °C) wird bei einem Vakuum von 1 mbar mit einer
Destillationstemperatur von 300 °C im Dünnschichtverdampfer bei einer mittleren Verweilzeit
von 5 min destilliert.
[0018] Das resultierende Pech ist durch folgende Analysendaten charakterisiert:
| TI |
50,5 % |
| QI |
10,2 % |
| β-Harze |
40,3 % |
| Verkokungsrückstand |
83,3 % |
| BaP-Gehalt |
35 ppm |
| Schmelzbeginn (TMA) |
156 °C |
| Schmelzende (TMA) |
194 °C |
| optische Anisotropie |
0,0 % |
Beispiel 2
[0019] Das Pech aus Beispiel 1 wird unter sonst gleichen Bedingungen wie im Beispiel 1 aber
mit einer Destillationstemperatur von 340 °C destilliert.
[0020] Das resultierende Pech ist durch folgende Analysendaten charakterisiert:
| TI |
62,7 % |
| QI |
12,2 % |
| β-Harze |
50,5 % |
| Verkokungsrückstand |
88,5 % |
| BaP-Gehalt |
20 ppm |
| Schmelzbeginn (TMA) |
193 °C |
| Schmelzende (TMA) |
237 °C |
| optische Anisotropie |
0,0 % |
Beispiel 3
[0021] Das Pech aus Beispiel 1 wird unter sonst gleichen Bedingungen wie in den vorstehenden
Beispielen aber mit einer Destillationstemperatur von 380 °C destilliert.
[0022] Das resultierende Pech ist durch folgende Analysendaten charakterisiert:
| TI |
70,8 % |
| QI |
14,6 % |
| β-Harze |
56,2 % |
| Verkokungsrückstand |
92,3 % |
| BaP-Gehalt |
20 ppm |
| Schmelzbeginn (TMA) |
220 °C |
| Schmelzende (TMA) |
266 °C |
| optische Anisotropie |
0,0 % |
[0023] Die Peche aus Beispiel 1 bis 3 können bei Einstellung einer angemessenen Mischtemperatur
direkt als Bindemittel verwendet werden. Auch ein direkter Einsatz als Imprägniermittel
für poröse Strukturen (z. B. Composites) ist möglich. Die Peche ergeben bei Pyrolyse
eine isotrope Binderkoksstruktur und somit hohe Festigkeit der Endprodukte. Ist aus
technischen Gründen ein direkter Einsatz nicht möglich, kann die Viskosität der Peche
aus Beispiel 1 bis 3 mit BaP-armen kompatiblen Ölen gesenkt werden.
Beispiel 4
[0024] 72 Gew.-Teile des Steinkohlenteerpechs aus Beispiel 1 werden in 28 Gew.-Teilen Anthracenöl
(40 ppm Benzo[a]pyren, Siedebereich 290 bis 370 °C) bei 200 °C gelöst, um ein Elektrodenbindemittel
herzustellen.
[0025] Das resultierende Binderpech hat folgende Eigenschaften:
| EPM |
111,5 °C |
| TI |
38,5 % |
| QI |
7,7 % |
| β-Harze |
30,8 % |
| Verkokungsrückstand |
63,8 % |
| BaP-Gehalt |
40 ppm |
| Schmelzbeginn (TMA) |
50 °C |
| Schmelzende (TMA) |
85 °C |
| optische Anisotropie |
0,0 % |
[0026] Die β-Harze liegen in der Regel bei Elektrodenbindemitteln im Bereich zwischen 20
und 25 %. Der Verkokungsrückstand ist höher als erwartet. Im Gegensatz zu üblichen
Bindemitteln aus Steinkohlenteerpech mit einem Gehalt an Benzo[a]pyren von etwa 1
% hat dieses neue Pech einen extrem niedrigen Gehalt von nur 40 ppm.
[0027] In ähnlicher Weise lassen sich auch andere Bindemittel beispielsweise für die Brikettierung
von Steinkohle, für Stichlochstopfmassen und für Feuerfestmassen und Imprägniermittel
herstellen. Als benzo[a]pyrenarmes Öl kann u. a. auch eine Fraktion aus dem Rückstandsöl
der Pyrolyse von Erdölfraktionen zur Herstellung von Olefinen verwendet werden.
[0028] Selbstverständlich können für die Senkung der Viskosität des hochschmelzenden Pechs
auch andere mit Pech mischbare Öle, Harze oder Bitumina verwendet werden.
Beispiel 5
[0029] 92 Teile eines kommerziell erhältlichen Produkts für den bituminösen Oberflächenschutz
(Emaillit BV extra der Firma Vedag) werden in einer Retorte mit 8 Teilen des Produktes
aus Beispiel 1 homogenisiert und abschließend unter Rühren auf Rückflußtemperatur
erwärmt. Nach erneutem Abkühlen ist das Produkt gebrauchsfertig. Die neue Mischung
führt bei gleich guter Verarbeitbarkeit zu einem Anstrichmittel mit einer verbesserten
Witterungsbeständigkeit.
Beispiel 6
[0030] 89 Teile eines Normbitumens (B 200) werden auf 150 °C erwärmt. 11 Teile feinkörniges
Pech aus Beispiel 1 werden unter Rühren zugegeben. Der erhaltene Erweichungspunkt
und die Penetration entsprechen denen des Normbitumens B 80. Die Penetration beträgt
77 1/10 mm, der Brechpunkt nach Fraaß - 17 °C und der Erweichungspunkt (Ring und Kugel)
48 °C. Der Brechpunkt liegt somit bis zu 7 K niedriger als beim B 80. Daraus ergibt
sich eine erweiterte Plastizitätsspanne.
Beispiel 7
[0031] 60 Gew.-Teile des Steinkohlenteerpechs aus Beispiel 1 werden in 25 Gew.-Teilen Steinkohlenteeröl
des Siedebereiches 230 bis 290 °C und 15 Gew.-Teilen einer Toluol/Xylol-Mischung gelöst.
Auf diese Weise wird ein fungizider, schnell trocknender Anstrich für Bauwerksabdichtungen
mit hoher Durchwurzelungsbeständigkeit erhalten.
1. Steinkohlenteerpech mit einer optischen Anisotropie von weniger als 2 %, dadurch gekennzeichnet, daß es weniger als 50 ppm, Benzo[a]pyren enthält.
2. Verfahren zur Herstellung eines Steinkohlenteerpechs gemäß Anspruch 1, durch Destillieren
von Steinkohlenteer in einer ersten Destillationsstufe unter Normaldruck oder verminderten
Druck und Destillieren des Rückstandes der ersten Destillationsstufe unter einem Druck
von nicht mehr als 1 mbar in einem Verdampfer, dadurch gekennzeichnet, daß die Temperatur im Verdampfer im Temperaturenbereich von 300 bis 380 °C liegt
und die mittlere Verweilzeit des Rückstandes 2 bis 10 min beträgt, wobei der Verdampfer
eine spezifische Verdampferoberfläche von 330 bis 10.000 m²/m³ aufweist.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Destillationsrückstand aus dem Verdampfer mit einem hocharomatischen, benzo[a]pyrenarmen
Öl gemischt wird.
4. Verwendung des Steinkohlenteerpechs nach Anspruch 1 als Binde- oder Imprägniermittel.
5. Verwendung des Steinkohlenteerpechs nach Anspruch 1 zur Herstellung von Anstrichmitteln.
6. Verwendung des Steinkohlenteerpechs nach Anspruch 1 zur Herstellung durchwurzelungsbeständiger
Bauwerksabdichtungen.