[0001] Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist die Verwendung von beta-Oktogen mit einer
polymodalen Korngrößenverteilung mit einem mittleren Korndurchmesser von weniger als
50 µm in Treibmitteln.
[0002] Unter dem Begriff "Oktogen" versteht man bekanntermaßen das 1.3.5.7-Tetranitro-1.3.5.7-tetrazacylooctan
oder auch Cyclotetramethylentetranitramin. Diese Verbindung ist auch unter der Bezeichnung
HMX (High Melting Explosive of His Majesty's Explosive) bekannt. Von dieser Verbindung
sind vier Kristallmodifikationen bekannt, nämlich die orthorhombische alpha-Form,
die monokline beta-Form, die monokline gamma-Form und die hexagonal kristallisierende
delta-Form. Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird eine Verwendung der beta-Form
beschrieben. Diese Form ist die gebräuchliche Modifikation, deren Qualitätskontrolle
in der Military Specification MIL-H-45444 B (PA), Amendment 1,15 July 1975, beschrieben
wird. Hierbei werden die Reinheitsgrade A und B unterschieden. Darüber hinaus erfolgt
die Unterscheidung der Korngrößen nach mehreren Klassen.
beta-Oktogen wird bisher im Stand der Technik als alleiniger Explosivstoff in passivierter
Form, als Booster-Ladung, in Mischungen mit TNT (Oktole) und anderen sowie als Explosivstoff
in Raketenfesttreibstoffen oder in Rohrwaffentreibmitteln verwendet. Die bekannten
Einsatzgebiete betreffen somit sowohl detonative als auch explosive Umsetzungen oder
Deflagrationen.
[0003] Unter "Deflagration" versteht man bekanntermaßen Reaktionen, die wesentlich unterhalb
der Schallgeschwindigkeit im Stoff ablaufen. Die Reaktionen pflanzen sich durch die
freiwerdende Reaktionswärme fort. Die Umsetzungsprodukte strömen dabei entgegengesetzt
zur Fortpflanzungsrichtung ab. Im Gegensatz dazu ist bekanntermaßen die detonative
Umsetzung eines Explosivstoffes bei seiner Reaktion mit einer Stoßwelle gekoppelt.
[0004] Für den Einsatz eines Explosivstoffes als Rohrwaffentreibmittel, insbesondere in
Handfeuerwaffen, muß eine detonative Umsetzung ausgeschlossen werden können:
Der Abbrand eines Treibladungspulvers ist ein Deflagiervorgang. Als geeignete Meßgröße
kann hierbei unter anderem die Bestimmung der Abbrandgeschwindigkeit herangezogen
werden. Die lineare Brenngeschwindigkeit eines Treibmittels ist dabei die Geschwindigkeit,
mit der die chemische Umsetzung von der Anzündstelle fortschreitet. Sie ist abhängig
von Zusammensetzung, Druck, Temperatur, dem physikalischen Zustand des Treibmittels
und seiner Form.
[0005] Der physikalische Zustand des Treibmittels in diesem Sinne umfaßt insbesondere die
Porosität, Verdichtung und die Korngröße und Korngrößenverteilung der Komponenten.
Beim Einsatz von beta-Oktogen als Energieträger von Treibmitteln werden solche Abhängigkeiten
in der Literatur beschrieben. Im Technical Memorandum 33-801 mit dem Titel "Nitramine
Propellant Research" des Jet Propulsion Laboratory, Pasadena CA, 15. Oktober 1976,
wird die Innenballistik von feinkörnigem beta-Oktogen untersucht. Über die Abhängigkeit
der linearen Brenngeschwindigkeit vom Mündungsdruck wird berichtet (in deutscher Übersetzung):
"Die Verwendung einer feinen Korngröße sollte ein wirksamer Schritt zur Verschiebung
des Auftretens von Bruchpunkten, "erkennbar an plötzlichem starken Anstieg der Mündungsdrucke",
bei Nitramin-Treibmitteln sein. Jedoch erfordert die tatsächliche Ausführung dieses
Schrittes, daß Treibmittel in ihrer Feinheit begrenzt sein müssen. Wenn das Treibmittel
nur 5 µm-Oktogen enthält, erscheint der Bruchpunkt nicht unterhalb von ca. 2400 bar
(35000 psi). In der Realität werden aber Chargen von Oktogen Größenverteilungen aufweisen.
Beispielsweise wird von einer Charge Oktogen mit einem Hauptdurchmesser von 5 µm berichtet,
daß diese Teilchen vom Sub-Mikron-Bereich bis hinauf zu 50 µm enthielt, sofern nicht
sorgfältig gesiebt wurde. Eine derartige Größenverteilung wird im Modell durch eine
tetramodale Verteilung von ungleichen Mengen von 1 µm, 5 µm, 10 µm und 20 µm Oktogen
erreicht.
Der Bruchpunkt der 20 µm-Teilchen tritt bei 280 bar (4000 psi), der der 10 µm-Teilchen
bei 420 bar (6000 psi) und der der 5 µm-Teilchen bei 1380 bar (20000 psi) auf. Die
Wirkungen der 10 µm- und 20 µm-Teilchen sind größer als ihre geringe Konzentration
(insgesamt 17 %) erwarten ließ, wegen ihres tiefen Eindringens bei der Verbrennung
auf der Oberflächenstruktur des Treibmittels. Für eine glatte (kontinuierliche) Größenverteilung
würde ein reales Treibmittel einen verlängerten Übergang anstelle eines stufenartigen
Übergangs zeigen. Hieraus folgt, daß bei Befolgung entsprechender Verfahren grobe
Teilchen in den Partien auszusieben sind, um feines Oktogen zu erhalten. Dies ist
von größerer Bedeutung bei inerten Bindemitteln enthaltenden Treibmitteln als bei
aktiven Bindemitteln enthaltenden Treibmitteln wegen der Mäßigung der Verbrennung
der Treibmittel durch aktive Bindemittel."
[0006] Hiernach erscheint ein unerwünschter Sprung bei der Betrachtung der Kurve der Bruchpunkte
bereits bei einer Korngröße von 5 µm, so daß hieraus ersichtlich ist, daß beta-Oktogen
mit einer derart geringen Korngröße für die Anwendung in Treibmitteln ungeeignet ist.
Nachdem sogar bei der tetramodalen Verteilung ebenfalls derartige Bruchpunkte schon
bei relativ niedrigen Drucken auftauchen, erscheint die Verwendung von beta-Oktogen
in Rohrwaffentreibmitteln ausgeschlossen.
[0007] Die Herstellung von Teilchen mit einer eng begrenzten, praktisch unimodalen Korngrößenverteilung
ist außerordentlich aufwendig und kann nur durch aufwendige Sieboperationen erreicht
werden. Aus dem Memorandum läßt sich zwar entnehmen, daß das Auftreten der Bruchpunkte
offenbar durch die Anwesenheit eines aktiven Binders gemildert werden kann. Brauchbare
Ergebnisse werden jedoch auch hier nicht erhalten.
[0008] Aus den so gemessenen Kurven läßt sich anhand der Steigung der Druckexponent ermitteln.
Für Rohrwaffentreibmittel ist, wie oben ausgeführt, ein allzu steiler Druckanstieg
unerwünscht. Aus Untersuchungen des Deutsch-Französischen Forschungsinstituts, St.
Louis, ist bekannt, daß bei Nitraminpulvern auf der Basis von Hexogen gilt: Je feiner
das Korn, umso niedriger der Druckexponent der Abbrandgeschwindigkeit und die Abbrandgeschwindigkeit
selbst. Hierbei wird bei Korngrößen des Hexogens von 4 bis 15 µm ein Druckexponent
< 1 erreicht. Trotz Verringerung des Druckanstiegsgradienten sind jedoch die maximalen
Drucke mit mehr als 6000 bar zu hoch. (Bericht S-R 906/83, H.H. Licht, A. Baumann,
St. Louis, 13.04.1983, S. 11).
[0009] Aus der DE 36 14 173 C1 ist ein granuliertes beta-Oktogen mit einer Korngröße von
weniger als 50 µm bekannt, das mit Kunststoffen umhüllt ist.
[0010] Aus US-C-3,959,042 ist die Verwendung von beta-Oktogen (HMX) in Treibmitteln bekannt,
das in eine Lösung eines inaktiven Binders eingebracht wird.
[0011] Die DE 27 53 555 C1 beschreibt unter anderem die Verwendung von beta-Oktogen in Verbindung
mit hohen Anteilen an aktiven Bindern, die begleitet sind von hohen Anteilen an inaktiven
Bindern und Füllstoffen. Angaben über die Korngröße oder die Korngrößenverteilung
des eingesetzten beta-Oktogens werden nicht offenbart.
[0012] Die DE 36 17 408 C1 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von feinkörnigem beta-Oktogen.
[0013] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung bestand in der Suche nach einem Oktogen mit
geeigneter Kornform, Korngröße und Korngrößenverteilung zur Verhinderung der Sprünge
in den Kurven der linearen Brenngeschwindigkeit gegen den Druck. Darüber hinaus sollte
der Druckexponent der Abbrandgeschwindigkeit < 1 betragen. Weiterhin bestand die Aufgabe
der vorliegenden Erfindung in einer Verringerung des Druckanstiegsgradienten und des
maximalen Druckes im Patronenlager gegenüber dem Stand der Technik.
[0014] Die vorstehend genannte Aufgabe wird gelöst durch die Verwendung von beta-Oktogen
mit einer polymodalen Korngrößenverteilung mit einem mittleren Korndurchmesser von
weniger als 50 µm in Treibmitteln aus Explosivstoffen, inerten und aktiven Bindemitteln.
[0015] Polymodale Korngrößenverteilung im Sinne der vorliegenden Erfindung bedeutet ein
Korngrößenspektrum, wie es insbesondere durch eine Gauß-Verteilungskurve dargestellt
werden kann. Die Herstellung von besonders feinkörnigem beta-Oktogen ist aus der DE
36 17 408 C1 bekannt. Hiernach wird eine Lösung von beta-Oktogen in einem gamma-Lacton
im Temperaturbereich zwischen 5 und 15 °C mit Toluol behandelt, wobei die gewünschten
feinen und sehr feinen beta-Oktogenkristalle in hoher Reinheit ausfallen. Zur Verhinderung
des Kornwachstums kann das sehr feine beta-Oktogen nach seiner Abtrennung aus dem
Toluol in Wasser aufgeschlämmt und bei Temperaturen zwischen 30 und 60 °C mit der
Lösung, Suspension oder Emulsion eines Polymeren unter Rühren versetzt werden. Dabei
findet eine Umhüllung mit dem Polymeren statt.
[0016] Ein anderes Verfahren zur Herstellung des sehr feinen beta-Oktogenkornes besteht
in der Zerkleinerung eines handelsüblichen Produktes, wie es gemäß MIL-H-45444 B klassifiziert
ist. Dabei reichen die Korngrößen von etwa 45 µm bis zu einigen hundert µm. Die Zerkleinerung
der Kristalle durch Mahlen stößt jedoch auf große Schwierigkeiten, da beta-Oktogen
äußerst reib- und stoßempfindlich ist. Dieser Vorgang kann daher nur unter besonderen
Sicherheitsvorkehrungen in entsprechenden Vorrichtungen durchgeführt werden.
[0017] Ein weiteres Verfahren zur Herstellung eines besonders feinkörnigen beta-Oktogens
besteht in der Abtrennung der gewünschten Kornfraktionen. Das Ausgangsprodukt kann
dabei aus normaler Produktion oder aus der zuvor beschriebenen Zerkleinerungsreaktion
kommen. Die Abtrennungsmethoden an sich sind bekannt. Vorteil ist bei einer Körnung
gemäß der vorliegenden Erfindung der Einsatz von Hydrozyklonen. Es ist selbstverständlich,
daß eine besonders feine Körnung nur einen Bruchteil der eingesetzten Masse ausmacht,
wodurch sich das Verfahren an sich verteuert. Der besondere Vorteil der direkten Herstellung
von feiner Körnung besteht darin, daß die Kristalle aus der Kristallisation im Vergleich
zu denen aus dem Zerkleinerungesverfahren intakt sind.
[0018] Beim Einsatz eines derartigen beta-Oktogens in Treibmitteln für Handfeuerwaffen wurde
nun überraschenderweise gefunden, daß
- Sprünge in der Kurve der linearen Brenngeschwindigkeit gegen den Druck bis in hohe
Druckbereiche von mehreren 1000 bar nicht auftreten,
- mit abnehmender mittlerer Korngröße trotz wachsender Oberfläche der Druckanstiegesgradient
der Treibmittelumsetzung deutlich abnimmt und
- im Gegensatz zu den Abhängigkeiten des pmax-Wertes von der Korngröße des Hexogens bei der Verwendung von beta-Oktogen mit abnehmender
Korngröße der Maximaldruck überraschenderweise abnimmt.
[0019] Bevorzugtes aktives Bindemittel im Sinne der vorliegenden Erfindung ist Polynitrophenylen.
Für den Fall, daß weniger temperaturempfindliche Treibmittel nicht von Nachteil sind,
kann jedoch auch Nitrocellulose als aktives Bindemittel eingesetzt werden.
[0020] Eine bevorzugte Verwendung von beta-Oktogen gemäß der vorliegenden Erfindung besteht
darin, dieses in Treibmitteln einzusetzen, die Hexogen, Guanidinnitrat, Hexanitrodiphenylamin,
Dipikrylsulfon, Hexanitrostilben und/oder Tetranitrodibenzo-1,3a-4,6a-tetraazapentalen
als weitere Explosivstoffe enthalten.
[0021] Erfindungsgemäße Treibmittel enthalten neben aktiven auch inaktive Bindemittel. Hierunter
sind insbesondere solche auf Kunststoffbasis zu verstehen. Da mit dem Einsatz von
Bindemitteln neben der Herabsetzung der Detonationsempfindlichkeit auch eine Verfestigung
des Kristallpulvers einhergeht, sind gute Klebeeigenschaften sowie eine gute Formbeständigkeit
im Temperaturbereich von -40 °C bis +70 °C erwünscht. Die Bindemittel sollten darüber
hinaus halogenfrei sein und wenig feste Verbrennungsprodukte ergeben.
[0022] Bevorzugte Bindemittel sind solche auf der Basis von Polyurethanen, Polymethylacrylaten,
Polyvinylacetaten, Silikon und Polyvinylalkoholen, insbesondere teilweise oder vollständig
acetalisierte Polyvinylalkohole mit C₁ bis C₅-Aldehyden, die an sich im Handel erhältlich
sind. Besondere Bedeutung kommt hier dem Polyvinylbutyral-Harz zu, das im Handel erhältlich
ist. Die Art und Menge der Bindemittel richtet sich nach dem gewünschten Anwendungszweck,
insbesondere zur Steuerung der Innenballistik nach der Formgebung. Vorzugsweise beträgt
die Menge an aktivem und inertem Binder jeweils unabhängig von einander 5 bis 15 Gew.-%,
bezogen auf das Treibmittel.
[0023] Neben den oben genannten Bestandteilen können die mit Hilfe der Erfindung erhältlichen
Treibmittel auch an sich im Stand der Technik bekannte Weichmacher, Gleitmittel und/oder
Stabilisatoren enthalten.
[0024] Derartige Treibmittel können in loser oder verpreßter Form eingesetzt werden. Erfindungsgemäß
werden bevorzugt Treibmittel in verpreßter Form eingesetzt.
[0025] Die Menge von beta-Oktogen in Treibmitteln aus Explosivstoffen, inerten und aktiven
Bindemitteln ist nicht kritisch.
[0026] beta-Oktogen kann im Sinne der vorliegenden Erfindung ohne weitere Nachbehandlung
in den oben bezeichneten Treibmitteln verwendet werden. Eine besondere Ausführungsform
der vorliegenden Erfindung besteht jedoch darin, die Kristalle von beta-Oktogen vor
dem Einsatz in den genannten Treibmitteln mit thermoplastischen Polymeren zu umhüllen.
[0027] Obwohl gemäß der vorliegenden Erfindung beta-Oktogen mit einer mittleren Korngröße
von weniger als 50 µm eingesetzt werden soll, ist es besonders bevorzugt, daß wenigstens
95 % des beta-Oktogens eine mittlere Korngröße von weniger als 100 µm aufweisen.
[0028] Die Erfindung wird durch die nachfolgenden Beispiele und Vergleichsbeispiele näher
erläutert.
Beispiele 1-4/Vergleichsbeispiel
[0029] Ein Treibmittel, hergestellt nach Beispiel 1 (Beispiel Nr. 1) der DE 27 53 555 C1,
bestehend aus den dort genannten Mengen α-Oktogen als Energieträger, inertem und aktivem
Bindemittel, wurde der Anteil des Energieträgers teilweise durch beta-Oktogen der
mittleren Korngröße von 23 µm ersetzt. Das Treibmittel wurde zu Patronen verarbeitet.
Es wurden gegenüber dem Vergleichsbeispiel weder die Explosionswärme des Treibmittels
noch seine Masse oder das Anzündsystem der Patrone verändert. Die Beschußergebnisse
wurden mit einem Gasdruckmesser ermittelt. Die Treibladungspulvermasse betrug jeweils
1,61 g. Die nachfolgende Tabelle I gibt die erhaltenen Daten wieder.

[0030] Die nachfolgende Tabelle II gibt das Korngrößenspektrum des beta-Oktogens mit einer
mittleren Korngröße von 23 µm wieder.
Tabelle II
Korngrößenverteilung beta-Oktogen, mittlere Korngröße 23 µm. |
< 10 µm |
6,5 Gew.-% |
10 - 20 µm |
46,5 Gew.-% |
20 - 30 µm |
27,0 Gew.-% |
30 - 40 µm |
10,0 Gew.-% |
40 - 50 µm |
4,0 Gew.-% |
50 - 60 µm |
2,5 Gew.-% |
60 - 80 µm |
3,5 Gew.-% |
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Beispiele 5 und 6
[0031] Ein Treibmittel analog Beispielen 1 bis 4, das ausschließlich beta-Oktogen als Energieträger
sowie inertes und aktives Bindemittel enthielt, wurde zu Patronen verarbeitet. Die
Zusammensetzung der Treibmittel aus Beispiel 5 und 6 war identisch bis auf den Unterschied
der Oktogen-Korngrößen von 23 bzw. 9 µm. Letzteres hat eine analoge Korngrößenverteilung
wie das Oktogen mit einer mittleren Korngröße von 23 µm. Die Herstellung der Patronen,
ihrer Treibmittelmassen, Abmessungen und die Anzündsysteme war identisch.
[0032] Untersucht wurden die Druck/Zeit-Kurven beim Anzünden und Abbrand der Patronen in
einer ballistischen Bombe, deren Innengeometrie ähnlich der des Patronenlagers im
Waffensystem ist. Die nachfolgende Tabelle III gibt die erhaltenen Daten wieder.

[0033] Die Ergebnisse sind Mittelwerte aus 10 Schuß.
Das Beschußergebnis macht deutlich, daß trotz gleichen Energieinhaltes der Druckanstiegsgradient
bei Verwendung einer mittleren beta-Oktogen-Korngröße von 9 µm deutlich unter demjenigen
für 23 µm liegt.
Beispiele 7 und 8
[0034] Die gleichen Treibmittel, wie in den Beispielen 5 und 6 beschrieben, wurden zu Zylindern
mit den Abmessungen ca. 4,5 x 4,2 mm verpreßt. Diese wurden in einer ballistischen
Bombe bei einer Ladedichte von 290 kg/m³ mit Zündpille T 15 und einer Beiladung von
4 · 10⁻⁴ kg Nitrocellulose (13,2 % Stickstoff) angezündet. Die nachfolgende Tabelle
IV gibt die erhaltenen Daten wieder.

[0035] Bei den Beispielen 7 und 8 wird deutlich, daß trotz Vergrößerung der Oberfläche des
feinen Oktogenkornes von 9 µm im Vergleich zu einem Korn von 23 µm der maximale Druck
im Temperaturband sich nicht unterscheidet und der Druckanstiegsgradient mit feinem
β-Oktogen niedriger liegt.
Beispiel 9
[0036] Entsprechend Beispielen 5 und 6 wurde ein Treibmittel mit gleichem Anteil Energieträger,
der hier jedoch aus beta-Oktogen mit einer mittleren Korngröße von 6 µm bestand, inerten
und aktiven Bindemitteln in der gleichen Zusammensetzung gemischt und aus dieser Mischung
nach gleichem Verfahren Patronen mit identischem Anzündsystem hergestellt.
[0037] Die Ergebnisse von 30 Schuß im gleichen Gasdruckmesser wie er für die Beispiele 1
bis 4 und das Vergleichsbeispiel verwendet wurde, mit einer Treibladungspulvermasse
von 1,64 g sind in der folgenden Tabelle V wiedergegeben, die die gemittelten Ergebnisse
enthält:
Tabelle V
Max. Druck (bar) |
2570 |
Standard Abw. (bar) |
556 |
Schußzeit (milli-s) |
7,2 |
Geschoßgeschwindigkeit (m/s) |
766 |
[0038] Der Vergleich mit den Ergebnissen der Beispiele 1 bis 4 und des Vergleichsbeispiels
zeigt eine drastische Abnahme der linearen Brenngeschwindigkeit und des max. Druckes.
[0039] Neben dem überwiegenden Einfluß durch das feinkörnige β-Oktogen mit einer mittleren
Korngröße von 6 µm haben auch dazu beigetragen die Reduzierung der Explosionswärme
von 3996 auf 3541 J/g sowie die Reduzierung der Porosität der festen Treibladungspulverkörper.
Der Vergleich der Porositätsunterschiede zeigt bei sonst gleicher Zusammensetzung
des Treibmittels und gleichen Herstell- und Beschußbedingungen eine Druckerniedrigung
um ca 500 bar.
1. Verwendung von β-Oktogen mit einer polymodalen Korngrößenverteilung und einer mittleren
Korngröße von weniger als 50 µm als Explosivstoff in Treibmitteln mit inerten und
aktiven Bindemitteln.
2. Verwendung von β-Oktogen nach Anspruch 1 in Treibmitteln, die zusätzlich alpha-Oktogen,
Hexogen, Guanidinnitrat, Hexanitrodiphenylamin, Dipikrylsulfon, Hexanitrostilben,
Tetranitrodibenzo-1,3a,4,6a-tetraazapentalen und/oder Polynitrophenylen als Explosivstoffe
enthalten.
3. Verwendung von β-Oktogen nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
daß als inerte Bindemittel Polyurethane, Polymethacrylate, Polyvinylacetate, Silikone
und Polyvinylalkohole, insbesondere teilweise oder vollständig acetalisierte Polyvinylalkohole
mit C₁-C₅ Aldehyden, eingesetzt werden.
4. Verwendung von β-Oktogen nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet,
daß als aktives Bindemittel Polynitrophenylen eingesetzt wird.
5. Verwendung von β-Oktogen nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet,
daß das Treibmittel aus 70 bis 95 Gew.-% Explosivstoff und 5 bis 30 Gew.-% Bindemitteln
besteht.
6. Verwendung von β-Oktogen nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet,
daß der Explosivstoff aus 5 bis 100 Gew.-% β-Oktogen und 0 bis 95 Gew.-% alpha-Oktogen,
Hexogen, Guanidinnitrat, Hexanitrodiphenylamin, Dipikrylsulfon, Hexanitrostilben,
Tetranitrodibenzo-1,3a,4,6a-tetraazapentalen und/oder Polynitrophenylen besteht.
7. Verwendung von β-Oktogen nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet,
daß das β-Oktogen zu wenigstens 95 Gew.-% aus einer Korngröße von weniger als 100
µm besteht.
8. Verwendung von β-Oktogen nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet,
daß die Treibmittel in verpreßter Form eingesetzt werden.
9. Verwendung von β-Oktogen nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet,
daß die Kristalle des β-Oktogens mit einem thermoplastischen Polymeren umhüllt sind.
10. Treibmittel bestehend aus β-Oktogen mit einer polymodalen Korngrößenverteilung und
einer mittleren Korngröße von weniger als 50 µm als Explosivstoff und inerten und
aktiven Bindemitteln.
11. Treibmittel nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich alpha-Oktogen,
Hexogen, Guanidinnitrat, Hexanitrodiphenylamin, Dipikrylsulfon, Hexanitrostilben,
Tetranitrodibenzo-1,3a,4,6a-tetraazapentalen und/oder Polynitrophenylen als Explosivstoffe
enthalten sind.
12. Treibmittel nach einem der Ansprüche 10 oder 11, dadurch gekennzeichnet, daß als inerte
Bindemittel Polyurethane, Polymethacrylate, Polyvinylacetate, Silikone und Polyvinylalkohole,
insbesondere teilweise oder vollständig acetalisierte Polyvinylalkohole mit C₁-C₅
Aldehyden, eingesetzt werden und als aktives Bindemittel Polynitrophenylen eingesetzt
wird.
13. Treibmittel nach einem der Ansprüche 10 bis 12, dadurch gekennzeichnet, daß das Treibmittel
aus 70 bis 95 Gew.-% Explosivstoff und 5 bis 30 Gew.-% Bindemitteln besteht, wobei
der Explosivstoff aus 5 bis 100 Gew.-% β-Oktogen und 0 bis 95 Gew.-% alpha-Oktogen,
Hexogen, Guanidinnitrat, Hexanitro-diphenylamin, Dipikrylsulfon, Hexanitrostilben,
Tetranitro-dibenzo-1,3a,4,6a-tetraazapentalen und/oder Polynitrophenylen besteht.
14. Treibmittel nach einem der Ansprüche 10 bis 13, dadurch gekennzeichnet, daß die Kristalle
des β-Oktogens mit einem thermoplastischen Polymeren umhüllt sind.