(19)
(11) EP 0 545 069 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
09.06.1993  Patentblatt  1993/23

(21) Anmeldenummer: 92118403.2

(22) Anmeldetag:  27.10.1992
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C23C 8/02, C23C 8/80
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT DE ES FR GB IT

(30) Priorität: 04.12.1991 DE 4139975
19.03.1992 DE 4208848

(71) Anmelder: Leybold Durferrit GmbH
D-50968 Köln (DE)

(72) Erfinder:
  • Melber, Albrecht, Dr.
    W-6100 Darmstadt (DE)
  • Minarski, Peter, Dr.
    W-6458 Rodenbach (DE)
  • Preisser, Friedrich, Dr.
    W-6470 Büdingen (DE)
  • Zimmermann, Klaus, Dr.
    W-8755 Alzenau (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Behandlung von Stählen und Refraktärmetallen


    (57) Verfahren zur Behandlung von Stählen und Metallen insbesondere zur Entpassivierung und zur anschließenden thermochemischen Oberflächenbehandlung in einer Prozeßkammer (1,2) unter Einwirkung von Druck und Temperatur, wobei in einem ersten Verfahrensschritt ein erstes Gas oder Gasgemisch aus der Gruppe N₂, H₂ oder NH₃ zur Entpassivierung in eine Prozeßkammer (1) eingelassen wird, ein Druck größer 1 bar a und eine Temperatur zwischen 100 °C und 1.000 °C in der Kammer (1) einstellbar sind und daß in einem zweiten Verfahrensschritt ein zweites Gas- oder Gasgemisch aus der Gruppe N-, C- oder B-haltiger Gase zur thermochemischen Oberflächenbehandlung in eine Prozeßkammer (1,2) eingelassen wird und eine Temperatur zwischen 100 °C und 1.000 °C bei einem Druck größer und gleich 1 bar a einstellbar sind.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Behandlung von Stählen und Metallen, insbesondere zur Entpassivierung und zur anschließenden thermochemischen Oberflächenbehandlung bzw. zur thermochemischen Oberflächenbehandlung und einer anschließenden thermochemischen Nachbehandlung in einer Prozeßkammer unter Einwirkung von Druck und Temperatur.

    [0002] Bei der thermochemischen Oberflächenbehandlung (z.B. Nitrieren, Nitrokarburieren oder Borieren) von legierten Stählen und Refraktärmetallen (z.B. Ti, Zr, Mo, W. Nb, Ta, V) kommt es bislang durch die oberflächenbedeckenden Passivschichten auf den Materialien zu folgenden Schwierigkeiten: Die Passivschichten bestehen nämlich meist aus Oxiden und bilden eine dünne Schutzhaut, die das ungestörte Eindiffundieren von Nichtmetallen wie z.B. N, C, und B bei der Oberflächenbehandlung mit Nachteil verhindern. Dadurch wird z.B. bei den Refraktärmetallen eine Eindiffusion völlig, bei hochlegierten Stählen teilweise verhindert, was zu ungleichmäßigen Behandlungsergebnissen führt.
    Bei bestimmten Sorten legierter Stähle wird zu Erzielung eines gleichmäßigen Behandlungsergebnisses eine Voroxidation vorgenommen. Damit werden Verunreinigungen an den Oberflächen oxidiert und die bereits bestehende Oxidschicht beeinflußt. Dadurch kann in manchen Fällen Einfluß auf die Gleichmäßigkeit der Schichtausbildung genommen werden. Die erzeugten Schichten sind sehr dünn und enthalten immer größere Mengen Sauerstoff.

    [0003] Bei der thermochemischen Oberflächenbehandlung von Metallen (z.B. Aufkohlen, Vergüten, Glühen, Carbonitrieren, Nitrocarburieren) kommt es weiterhin, bedingt durch die Verwendung sauerstoffhaltiger Prozeßgase zu einer interkristallinen Oxidation der behandelten Bauteile. Da die Oxidation nur an der freien Oberfläche, also am Rand der Bauteile auftritt, wird diese Form der Oxidation auch als Randoxidation bezeichnet. Diese Randoxidation bewirkt eine Herabsetzung der Dauerfestigkeit, so daß die Lebensdauer randoxidierter Bauteile verkleinert wird.

    [0004] Es sind zur Zeit zwei Wärmebehandlungsverfahren zum Aufkohlen von Werkstücken bekannt, die mit sauerstofffreien Prozeßgasen betrieben werden. Diese Verfahren, Plasmaaufkohlung und Vakuumaufkohlung, konnten bisher jedoch noch keine industrielle Anwendung in nennenswertem Umfang finden.

    [0005] Bauteile, die nach der Wärmebehandlung Oxidation aufweisen, werden daher meist durch mechanische Bearbeitung nachbehandelt, mit dem Ziel die Oxidation abzutragen (z.B. Schleifen von Zahnrädern). Der Abfall der Dauerfestigkeit durch Randoxidation kann auch durch Verfahren zur Verfestigung (z.B. Kugelstrahlen von Zahnrädern) der Bauteile kompensiert werden.

    [0006] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es nun einerseits, durch eine Vorbehandlung die Oberflächen der genannten Materialien so zu konditionieren, daß eine störungsfreie Aufnahme von diffusionsfähigen Atomen bei der thermochemischen Wärmebehandlung möglich ist und andererseits ein Verfahren zu entwickeln, das die Randoxidation wärmebehandelter Teile entfernt und die mechanischen Bearbeitung ersetzt.

    [0007] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß ein Behandlungsverfahren mit mehreren Verfahrensschritten durchgeführt wird, bzw. daß im Anschluß an die thermochemische Oberflächenbehandlung ein Wärmebehandlungsverfahren durchgeführt wird, in dem die interkristalline Oxidation von Metallen entfernt wird.

    [0008] In einem ersten Verfahrensschritt wird ein erstes Gas oder Gasgemisch aus der Gruppe N₂, H₂ oder NH₃ zur Entpassivierung in eine Prozeßkammer eingelassen, ein Druck größer 1 bar a und eine Temperatur zwischen 100 °C und 1.000 °C voneinander unabhängig in der Kammer eingestellt und in einem zweiten Verfahrensschritt wird ein zweites Gas- oder Gasgemisch aus der Gruppe N-, C- oder B-haltiger Gase zur thermochemischen Oberflächenbehandlung in eine Prozeßkammer eingelassen und eine Temperatur zwischen 100 °C und 1.000 °C bei einem Druck größer oder gleich 1 bar a eingestellt.

    [0009] Die Entpassivierung von legierten Stählen und Refraktärmetallen erfolgt mit Vorteil durch eine Wärmebehandlung in Gasgemischen, die z.B NH₃ und/oder H₂ enthalten, bei Temperaturen zwischen 100 und 1.000 °C und Drücken größer 1 bar, wobei die störende Oxidhaut reduziert wird und das reine Metall bzw. die Legierung als Schutz vor einer erneuten Oxidation mit einer dünnen Nitridschicht überzogen wird. Mit solchermaßen vorbehandelten Teilen können gleichmäßige Behandlungsergebnisse erzielt werden und diese Teile können vorteilhafterweise entweder in der gleichen Anlage weiter behandelt werden oder zur Weiterbehandlung in eine andere Anlage umgesetzt werden, wobei die aufgebrachte dünne Nitridschicht einen Schutz gegen die erneute Oxidation bewirkt. Findet die weitere Behandlung bei höheren Temperaturen statt, z.B. Aufkohlen oder Borieren, so wird die Nitridschicht schnell aufgelöst und stellt kein Hindernis für die eindiffundierenden Elemente dar.

    [0010] Die thermochemische Entfernung der Oxide erfolgt in Gasgemischen, die NH₃, H₂ und N₂ enthalten, bei Temperaturen zwischen 100 °C und 1.000 °C und Drücken größer 1 bar a. Die Oxide werden reduziert, indem sie mit der Gasphase reagieren und ihre Sauerstoffatome abgeben oder Nitride bilden. Solchermaßen wärmebehandelte Teile können je nach Zusammensetzung der Oxide nahezu vollkommen desoxidiert werden.

    [0011] Eine solche Wärmebehandlung kann bei höher legierten Stählen als Ersatz für die ohnehin durchzuführende Anlaßbehandlung durchgeführt werden, Anlassen und Desoxidieren werden dann in einem Schritt durchgeführt. Durch dieses Verfahren ist es möglich, thermochemische Behandlungen mit oxidierenden Gaskomponenten weiter durchzuführen und durch die anschließende Desoxidation höhere Dauerfestigkeitseigenschaften an den Bauteilen zu erzielen. Dadurch kann auf den Einsatz teurer und komplizierter mechanischer Nachbehandlungen verzichtet werden.

    [0012] Weitere Ausführungsmöglichkeiten und Merkmale sind in den Unteransprüchen näher beschrieben und gekennzeichnet.

    [0013] Die Erfindung läßt die verschiedensten Ausführungsmöglichkeiten zu; einige davon sind in den anhängenden Skizzen beispielhaft dargestellt, und zwar zeigen:
    Figur 1
    eine Entpassivierung und eine thermochemische Behandlung in einer Behandlungskammer als Prinzipskizze,
    Figur 2
    eine Entpassivierung und eine thermochemische Behandlung in zwei getrennten Behandlungskammern als Prinzipskizze und
    Figur 3
    eine thermochemischen Entfernung der Randoxidation als Prinzipskizze.


    [0014] In eine Behandlungskammer 1 (Fig. 1) wird ein Refraktärmetall (z.B. Ti) eingebracht und auf 800 °C aufgeheizt. Anschließend wird NH₃ in die Kammer eingelassen und bei einem Druck von 10 bar a wird das passivierte Titan reduziert. Nach diesem ersten Verfahrensschritt der Entpassivierung findet ein Gaswechsel in der Kammer statt. NH₃ wird gegen N₂ ausgetauscht und bei gleichbleibender Temperatur beginnt der zweite Verfahrensschritt, nämlich die thermochemische Behandlung. Dieser Nitriervorgang wird bei 30 bar a Verfahrensdruck durchgeführt. Die Behandlungszeit beträgt üblicherweise zwei bis vier Stunden und ist von der gewünschten Nitrierschichtdicke abhängig. Als Endprodukt erhält man nach dem zweiten Verfahrensschritt die gewünschte TiN-Beschichtung.

    [0015] Es ist auch eine zweite Anlagenkonstellation denkbar, die aus einer Kombination von zwei unterschiedlichen Behandlungskammern 1 und 2 besteht (Fig. 2). Diese findet ihre Anwendung z.B. bei der Behandlung von Massenstählen, wie beispielsweise einem hochlegierten Stahl X 20 CrMoV 12 1.

    [0016] Nachdem der Stahl in die Behandlungskammer 1 eingebracht ist, wird diese auf 580 °C aufgeheizt und mit einem Druck von z.B. 10 bar a wird H₂ und/oder NH₃ eingelassen. In diesem ersten Verfahrensschritt wird der eingesetzte Stahl entpassiviert und gleichzeitig mit einer dünnen Nitridschicht als Schutz vor weiterer Oxidation versehen.

    [0017] Anschließend wird der vor Oxidation geschützte Stahl in eine zweite Behandlungskammer 2 verbracht. Hier wird eine werkstoffspezifische Nitriertemperatur von 550 °C eingestellt und bei einem Druck von 1 bar a ein Gasgemsich aus NH₃, H₂ eingelassen. Nach Abschluß dieses zweiten Behandlungsschrittes erhält man als Endprodukt einen nitrierten X 20 CrMo V 12 1- Stahl. Statt stickstoffhaltiger Gase können zum Kohlen auch kohlenstoffhaltige Gase wie CO₂ oder CO bei bei Temperaturen zwischen 800 °C und 1.000 °C eingesetzt werden.

    [0018] Ein wesentlicher Vorteil einer zweiteiligen Behandlungsanlage nach Figur 2 gegenüber einer Anlage nach Figur 1 ist, daß der eigentliche thermochemische Behandlungsvorgang, beispielsweise das Nitrieren in einer konventionellen Nitrieranlage unter Atmosphärendruck durchgeführt werden kann. Somit entfällt die Notwendigkeit eine Druckkammer einzusetzen, die wie in Figur 1 dargestellt, beispielsweise für 30 bar a ausgelegt sein muß.

    [0019] In Figur 3 wird ein einsatzgehärteter Stahl 16 MnCr5 mit 10 µm Randoxidation in eine Prozeßkammer 1 eingebracht und auf eine Prozeßtemperatur ζ = 200 °C erwärmt. In die Kammer wird nun ein Gasgemisch aus NH₃ und N₂ mit einem Druck p=20 bar a eingelassen. Nach Abschluß dieses Prozesses erhält man einen randoxidationsfreien Stahl 16 MnCr5.

    Bezugszeichenliste



    [0020] 
    1
    Prozeßkammer
    2
    Prozeßkammer
    P
    Druck
    ζ
    Temperatur



    Ansprüche

    1. Verfahren zur Behandlung von legierten Stählen und Refraktärmetallen, insbesondere zur Entpassivierung und zur anschließenden thermochemischen Oberflächenbehandlung in einer Prozeßkammer (1,2) unter Einwirkung von Druck und Temperatur, dadurch gekennzeichnet, daß in einem ersten Verfahrensschritt ein erstes Gas oder Gasgemisch aus der Grupp N₂, H₂ oder NH₃ zur Entpassivierung in eine Prozeßkammer (1) eingelassen wird, ein Druck größer 1 bar a und eine Temperatur zwischen 100 °C und 1.000 °C voneinander unabhängig in der Kammer (1) einstellbar sind und daß in einem zweiten Verfahrensschritt ein zweites Gas oder Gasgemisch aus der Grupp N-, C- oder B-haltiger Gase zur thermochemischen Oberflächenbehandlung in eine Prozeßkammer (1,2) eingelassenwird und eine Temperatur zwischen 100 °C und 1.000 °C bei einem Druck größer und gleich 1 bar a einstellbar sind.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß in dem ersten Verfahrensschritt ein Druck von typischerweise 10 bar a eingestellt ist.
     
    3. Verfahren nach den Ansprüchen 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß in dem zweiten Verfahrensschritt in der Kammer (1) ein Druck von typischerweise 30 bar a eingestellt ist.
     
    4. Vorrichtung zur Durchführung eines Verfahrens nach den Ansprüchen 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß der erste und der zweite Verfahrensschritt in ein und derselben Prozeßkammer (1) durchgeführt werden.
     
    5. Vorrichtung nach den Ansprüchen 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß der erste Verfahrensschritt in einer ersten Prozeßkammer (1) und der zweite Verfahrensschritt in einer zweiten Prozeßkammer (2) durchgeführt werden.
     
    6. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die erste Prozeßkammer (1) für einen Druck größer 1 bar a ausgelegt ist.
     
    7. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die zweite Prozeßkammer (2) für Atmosphärendruck ausgelegt ist.
     
    8. Verfahren zur Behandlung von Stählen und Metallen in einer Prozeßkammer (1) unter Einwirkung von Druck und Temperatur mit einem ersten Verfahrensschritt, in dem eine thermochemische Oberflächenbehandlung, beispielsweise das Einsatzhärten, durchgeführt wird, dadurch gekennzeichnet, daß in einem zweiten Verfahrensschritt zur thermochemischen Entfernung der Randoxidation ein Gas oder Gasgemisch aus der Gruppe N₂, H₂ oder NH₃ in eine Prozeßkammer (1) eingelassen wird und ein Druck größer 1 bar a und eine Temperatur zwischen 100 °C und 1.000 °C voneinander unabhängig in der Kammer (1) einstellbar sind.
     
    9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß Bauteile aus unlegierten oder niedriglegierten Stählen behandelt werden.
     
    10. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß Bauteile aus höherlegierten Stählen behandelt werden.
     
    11. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß gleichzeitig mit der thermochemischen Entfernung der Randoxidation ein Wärmebehandlungsverfahren, beispielsweise das Anlassen von Stählen durchgeführt wird.
     
    12. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 8 bis 11, dadurch gekennzeichnet, daß der Prozeßdruck während des Verfahrens zur thermochemischen Entfernung der Randoxidation typischerweise 20 bar a beträgt.
     
    13. Verfahren nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, daß die Prozeßtemperatur typischerweise kleiner oder gleich der Anlaßtemperatur des zu behandelnden Stahls ist.
     




    Zeichnung










    Recherchenbericht