(19)
(11) EP 0 568 951 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
10.11.1993  Patentblatt  1993/45

(21) Anmeldenummer: 93107134.4

(22) Anmeldetag:  05.05.1993
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C22C 14/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE FR GB LI NL SE

(30) Priorität: 08.05.1992 DE 4215194

(71) Anmelder:
  • ABB PATENT GmbH
    D-68309 Mannheim (DE)
  • GKSS-FORSCHUNGSZENTRUM GEESTHACHT GMBH
    D-21502 Geesthacht (DE)

(72) Erfinder:
  • Singheiser, Lorenz, Dr.
    W-6900 Heidelberg (DE)
  • Wagner, Richard, Dr.
    W-2057 Reinbek (DE)
  • Beaven, Peter, Dr.
    W-2057 Reinbek (DE)
  • Mecking, Heinrich, Dr.
    W-2110 Buchholz (DE)
  • Wu, Jiansheng, Dr.
    Shanghai 200030 (CN)

(74) Vertreter: Rupprecht, Klaus, Dipl.-Ing. et al
c/o ABB Patent GmbH, Postfach 10 03 51
68128 Mannheim
68128 Mannheim (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Hochwarmfester Werkstoff


    (57) Die Erfindung betrifft einen mehrphasigen hochwarmfesten Werkstoff mit einer intermetallischen Basislegierung vom Typ Ti₃Al, der insbesondere für den Einsatz in Wärmekraftmaschinen, wie Verbrennungsmotoren, Gasturbinen, Flugtriebwerken vorgesehen ist, mit einem Gehalt an Titan von 20 bis 40 At-% und an Aluminium von 30 bis 40 At-% sowie an Silicium von 0,1 bis 20 At-% und einem Gehalt an Niob von 0,1 bis 15 At-%.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft einen mehrphasigen hochwarmfesten Werkstoff aus einer Legierung auf der Basis einer intermetallischen Verbindung vom Typ Ti₃Al, insbesondere für den Einsatz in Wärmekraftmaschinen, wie Verbrennungsmotoren, Gasturbinen, Flugtriebwerken.

    [0002] Die Entwicklung der Wärmekraftmaschinen zielt in verstärktem Maße auf höhere Leistungen bei möglichst gleichbleibender Baugröße ab, wodurch sich die Wärmebelastung der einzelnen Komponenten stetig erhöht, so daß von den eingesetzten Werkstoffen in zunehmenden Maße bessere Wärmebeständigkeit als auch Festigkeit gefordert werden.

    [0003] Neben zahlreichen Entwicklungen auf dem Werkstoffgebiet, z. B. Nickelbasislegierungen, haben insbesondere Legierungen auf der Basis einer intermetallischen Verbindung vom Typ Ti₃Al wegen des hohen Schmelzpunktes bei gleichzeitig geringer Dichte zunehmend Interesse gefunden für einen derartigen Einsatz in Wärmekraftmaschinen. Zahlreiche Entwicklungen befassen sich mit dem Versuch, die mechanischen Eigenschaften dieser Hochtemperaturwerkstoffe zu verbessern. Dabei spielt neben der Verbesserung der mechanischen Eigenschaften insbesondere die Beständigkeit gegen den Korrosionsangriff bei denen hohen Einsatztemperaturen eine besondere Rolle, z. B. die Beständigkeit gegenüber dem Angriff heißer Verbrennungsgase, gasförmiger Chloride sowie von Schwefeldioxid.

    [0004] Darüberhinaus wird bei tieferen Temperaturen die Lebensdauer durch kondensierte Alkali- und Erdalkalisulfate begrenzt, wodurch eine Ausnutzung des an sich vorhandenen Festigkeitspotentials dieser Werkstoffe verhindert ist, das heißt die an sich von der Hochwarmfestigkeit her gesehen erreichbare Einsatztemperatur wird aufgrund der beschränkten Oxidationsbeständigkeit reduziert.

    [0005] Es ist hinlänglich bekannt, daß die Oxidationsbeständigkeit der binären Titan-Aluminiumverbindungen völlig unzureichend ist für die zuvor erwähnten Anwendungsfälle, da die Oxidationsgeschwindigkeit um mehrere Zehnerpotenzen über der von heute verwendeten Superlegierungen liegt und ihre Oxidschichten eine geringe Haftfestigkeit besitzen, was zu einem stetigen Korrosionsabtrag führt. Es ist bekannt, daß Verbindungen auf Titan-Aluminidbasis mit nennenswerten Gehalten an Chrom und Vanadin zwar bei Temperaturen oberhalb von 900°C gute Oxidationsbeständigkeit aufweisen, die vergleichbar ist mit der von heute verwendeten Superlegierungen, aber bei tieferen Temperaturen ein völlig unzureichendes Oxidationsverhalten zeigen, vergleichbar mit dem von binären Titan-Aluminiden, z. B. Ti₃Al.

    [0006] In gleicher Weise sind die mechanischen Eigenschaften dieser Verbindungen für technische Anwendungen völlig unzureichend. Bei niedrigen Temperaturen haben sie praktisch keine Duktilität, bei höheren Temperaturen weisen sie eine unzureichende Kriechbeständigkeit bzw. Zeitstandfestigkeit auf.

    [0007] Ausgehend von diesem Stand der Technik ist es daher Aufgabe der Erfindung einen Hochtemperaturwerkstoff der eingangs genannten Art zu schaffen, der sowohl über die gewünschten mechanischen Eigenschaften verfügt als auch die erforderliche Korrosionsbeständigkeit aufweist.

    [0008] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die Merkmale des Patentanspruchs 1 gelöst (Angaben jeweils in Atom-%). Demgemäß wird eine Ti₃Al-Basislegierung mit einem Titangehalt von 20 - 40 At-% und einem Aluminiumgehalt von 30 - 40 At-% durch Zulegieren von Silicium (0,1 bis 20 At-%) und Niob (0,1 bis 15 At-%) in ihrer Oxidationsbeständigkeit erheblich verbessert. Die angegebenen Zusätze an Silicium führen zur Bildung von Ti₅Si₃-Ausscheidungen und dabei zu einer erheblichen Verringerung der Oxidationsgeschwindigkeit bei gleichzeitig erhöhter Haftung der Oxidschicht. Die angegebenen Zusätze an Niob bewirken insbesondere in Kombination mit Silicium eine weitere Erniedrigung der Oxidationsgeschwindigkeit verbunden mit einer erhöhten Oxidhaftung. Die Zusätze von Silicium und Niob führen zu einem verringerten Anteil an Titandioxid (TiO₂) in der Oxidschicht, welches aufgrund seiner hohen Eigenfehlordnung eine hohe Wachstumsgeschwindigkeit aufweist.

    [0009] Gleichzeitig führt das Zulegieren von Silicium und Niob zur Bildung eines zweiphasigen Gefüges, das gegenüber der Ti₃Al-Basislegierung eine deutliche Verbesserung der mechanischen Warmfestigkeit sowie der Zeitstandfestigkeit aufweist.

    [0010] In weiterer Verbesserung der Erfindung kann vorgesehen sein, die genannten Zusätze, Silicium und Niob, durch Zulegieren von Chrom, Tantal, Wolfram, Molybdän oder Vanadin bzw. von Kombinationen dieser Elemente zu ergänzen bzw. zu ersetzen. Als Legierungsgehalte kommen dabei in Betracht, für Chrom 1 bis 20 At-%, für Tantal 1 bis 10 At-%, für Wolfram, Molybdän und Vanadin 0,1 bis 5 At-%.

    [0011] Die Ausbildung dichter schützender Oxidschichten ist für die Titanaluminide von besonderer Bedeutung, da sie das Eindringen von Sauerstoff und Stickstoff in die Kernmatrix und damit deren Versprödung verhindern. Um die Diffusion von gelöstem Sauerstoff und Stickstoff einzudämmen oder doch zumindest erheblich zu reduzieren, kann die Zugabe sogenannter reaktiver Elemente, wie z. B. Yttrium, Hafnium, Erbium und Lanthan sowie andere seltene Erden oder Kombinationen dieser Elemente vorgesehen sein. Einerseits sind diese Oxide und Nitride thermodynamisch erheblich stabiler als die des Titans; andererseits bewirken diese Elemente gleichzeitig eine Erhöhung der Oxidationsbeständigkeit der angegebenen intermetallischen Verbindungen.

    [0012] Die Herstellung und Verarbeitung des erfindungsgemäßen Hochtemperaturwerkstoffs bereitet keine besonderen Schwierigkeiten, sondern kann nach den üblichen Verfahren, wie sie bei derartigen Werkstoffen zum Einsatz kommen, erfolgen, so z. B. durch Feinguß, gerichtete Erstarrung oder auf pulvermetallurgischem Wege.

    [0013] In weiterer Verbesserung der Erfindung ist vorgesehen, den erfindungsgemäßen Hochtemperaturwerkstoff unter Zusatz von Oxiden der zuvor genannten reaktiven Elemente durch mechanischen Legieren herzustellen, um auf diese Weise besonders warmfeste intermetallische Verbindungen zu erhalten.

    [0014] Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung ist der Zusatz von Bor (0,05 bis 5 At-%) oder Kohlenstoff oder Stickstoff (0,05 bis 1 At-%) oder Kombinationen dieser Elemente vorgesehen, um eine weitere Verbesserung der mechanischen Eigenschaften sowie ein feinkörniges Gefüge zu erzielen. Dies wird dadurch erreicht, daß durch die genannten Zusätze an Bor, Kohlenstoff und Stickstoff stabile Boride, Carbide und Nitride oder Carbonitride gebildet werden.

    [0015] Die letztgenannten Zusätze an Bor, Kohlenstoff und Stickstoff sind insbesondere von Bedeutung im Zusammenhang mit der gerichteten Erstarrung dieser intermetallischen Verbindungen, wodurch die Ausscheidung langgestreckter Verbindungen bewirkt wird, wie z. B. von Boriden, Siliciden und ähnlichen Verbindungen, die festigkeitssteigernd wirken.

    [0016] Als Anwendungsbeispiele seien genannt:

    1. Hochfeste Turbinenschaufel für Industriegasturbinen und Flugtriebwerke

    2. Verdichterrad für Turbolader

    Die genannten Legierungen können für hochbeanspruchte Komponenten wie beispielsweise Gasturbinenschaufeln in stationären Gasturbinen oder Flugtriebwerken verwendet werden sowie für Verdichterlaufräder für Turbolader in Dieselmotoren.

    [0017] Die Herstellung der Komponenten kann prinzipiell nach folgenden Verfahren hergestellt werden:

    Investment casting in Analogie zu Titanlegierungen



    [0018] Als Vormaterial für den Abguß wird eine stabförmige Elektrode mit einer Zusammensetzung gemäß Patentanspruch unter Vakuum in Formschalen durch Lichtbogenschmelzen abgeschmolzen. Die Schmelze fließt in die Formschale, deren Temperatur zwischen Raumtemperatur und 1200°C betragen kann. Die Formschalen können wahrend des Abgusses ruhend fixiert sein oder um eine Rotationsachse drehen. Nach dem Abguß und Erkalten des Werkstücks wird die Formschale entfernt, das Bauteil wärmebehandelt, mechanisch oder chemisch bearbeitet und als Turbinenschaufel für Leit- und Laufschaufeln verwendet.

    [0019] Diese Herstellung erfolgt in Analogie zu Turbinenschaufeln, die aus den heute verwendeten Nickelbasislegierungen bestehen.

    PM-Herstellung



    [0020] Pulvermetallurgische Verfahren sind alternative Herstellungsverfahren zum Gießen, die dann bevorzugt eingesetzt werden, wenn besonders hohe Anforderungen an homogene Zusammensetzung sowie enge Toleranzen hinsichtlich der Korngrößen des Gefüges bestehen. Nach diesem Verfahren lassen sich ebenfalls komplex geformte Komponenten wie beispielsweise Tubinenschaufeln oder Turboladerräder herstellen nach den für andere Werkstoffe bekannten Herstelltechnologien. Im Falle der Titanaluminide ist lediglich bei der Herstellung der Pulver auf geringe Sauerstoff- und Stickstoffgehalte zu achten, was durch Vakuum- oder Schutzgasverdüsung bei der Pulverherstellung erzielt werden kann.

    [0021] Die nach diesen Verfahren hergestellten Komponenten aus Titanaluminiden werden vorzugsweise für rotierende Komponenten eingesetzt wie beispielsweise Laufschaufeln in stationären Gasturbinen und Flugtriebwerken, da sie wegen ihrer niedrigen Dichte (nur ca. 50 % der Dichte von Nickelbasislegierungen) Fliehkräfte nahezu halbieren und die Lebensdauer von Rotoren erhöhen. In Flugtriebwerken spielt die mit dem Einsatz verbundene Gewichtseinsparung zusätzlich eine erhebliche Rolle, da der Treibstoffverbrauch des Triebwerks gesenkt werden kann. Bei Turboladerrädern sorgt die geringe Dichte des Werkstoffs für kurze Ansprechzeiten des Verdichterlaufrades auf schnelle Laständerungen.

    [0022] Diese und weitere vorteilhafte Zusammensetzungen sowie Verarbeitungsvorschriften sind Gegenstand der Unteranprüche.


    Ansprüche

    1. Hochwarmfester Werkstoff mit intermetallischen Verbindungen im System Titan-Aluminium, insbesondere für den Einsatz in Wärmekraftmaschinen, wie Verbrennungsmotoren, Gasturbinen, Flugtriebwerken, mit einem Gehalt an Titan von 35 bis 45 At-%, an Aluminium von 30 bis 40 At-%, an Silicium von 0,1 bis 20 At-% und an Niob von 0,1 bis 15 At-%.
     
    2. Hochtemperaturwerkstoff nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß Chrom mit einem Gehalt von 1 bis 20 At-% anstelle von Silicium vorgesehen ist.
     
    3. Hochwarmfester Werkstoff nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß Tantal mit einem Gehalt von 1 bis 10 At-% anstelle von Niob vorgesehen ist.
     
    4. Hochwarmfester Werkstoff nach einem der vorherigen Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß Zusätze von Wolfram, Molybdän und/oder Vanadin in Gehalten von 1 bis 5 At-% zuzüglich zu Silicium und/oder Niob und/oder Chrom und/oder Tantal vorgesehen sind, wobei sich die Anteile aller Legierungsbestandteile zu 100 At-% ergänzen.
     
    5. Hochwarmfester Werkstoff nach einem der vorherigen Ansprüche, dem Yttrium, und/oder Hafnium, und/oder Erbium und/oder Lanthan mit Gehalten von jeweils 0,05 bis 2 At-% jedoch insgesamt maximal 3 At-% zugegeben sind.
     
    6. Hochwarmfester Werkstoff nach Anspruch 5, der durch mechanisches Legieren hergestellt ist.
     
    7. Hochwarmfester Werkstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 5, der einen Gehalt an Bor von 0,05 bis 5 At-% aufweist.
     
    8. Hochwarmfester Werkstoff nach Anspruch 7, dem ergänzend oder als Ersatz für Bor Kohlenstoff und/oder Stickstoff mit einem Gehalt von 0,05 bis 1 At-% zugesetzt sind.