Gebiet der Erfindung
[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Äschern von Häuten und Fellen, wobei die
wäßrige Äscherflotte alkalische Proteasen gleichzeitig mit Thioharnstoffdioxid enthält.
Stand der Technik
[0002] Im Verlauf der sogenannten Wasserwerkstatt bei der Herstellung von Leder wird meist
eine alkalische Verfahrensstufe, der Äscher, angewendet, der die Voraussetzungen für
die Enthaarung schafft und den notwendigen Hautaufschluß bewirkt (Kirk-Othmer Encyclopedia
of Chemical Technology 1st Ed., Vol. 8, 291 - 296, Interscience; Ullmann's Encyclopädie
der Techn. Chemie, 3. Aufl. Bd.
11, S. 560, 4. Auflage Bd.
16, S. 118 - 119; F. Stather, Gerbereichemie und Gerbereitechnologie, Akademie-Verlag,
Berlin 1967). In der Praxis arbeitet man durchweg mit sogenannten angeschärften Äschern,
überwiegend einer Kombination von Calciumhydroxid und Natriumsulfid. Die Durchführung
des Verfahrens im einzelnen richtet sich danach ob die Haare zerstört oder erhalten
werden sollen. Den Gefahren, die der Umgang insbesondere mit anorganischem Sulfid
mit sich bringt, versuchte man auf verschiedenen Wegen auszuweichen. Abgesehen von
der Vermeidung von Bedingungen, unter denen Schwefelwasserstoff freigesetzt werden
kann, hat sich das Interesse in jüngerer Zeit den enzymatisch gestützten Äscherverfahren
zugewandt. (Vgl. E. Pfleiderer u.R. Reiner in H.J. Rehm & G. Reed Ed., Biotechnology
Vol.
6b, pg. 730 - 743, VCH, Weinheim 1988). Dabei kommen hautsächlich proteolytische Enzyme
[E.C.3.4] daneben noch Lipasen [E.C.3.1.1.3] und Amylasen [E.C.3.2.1] zur Anwendung.
Aufgabe und Lösung
[0003] Um den Gehalt an dem potentiell gefährlichen Sulfid im Abwasser zu senken, wurde
die anteilige Verwendung von Thioverbindungen, Aminen und Hydrotropica vorgeschlagen.
Mit Thioverbindungen alleine kann z.B. eine Enthaarung durchgeführt werden. Diese
Tatsache bedeutet jedoch nicht die Lösung der Probleme, belasten doch auch diese Stoffe
das Abwasser und führen zu Geruchsbelästigungen. Die enzymatische Enthaarung hat nach
wie vor nur begrenzte Bedeutung, hauptsächlich bei Kleintierfellen und der Wollgewinnung
wegen. Nicht durchgesetzt hat sich dagegen die enzymatische Enthaarung bei Großviehhäuten,
in erster Linie wegen z.T. unvollkommener Enthaarungswirkung und wegen Schädigung
der Kollagen-Narbenmembran bzw. wegen zu starken Hautsubstanzabbaus. Auch die anteilige
Verwendung alkalischer Proteasen im Äscher zusammen mit geringen Mengen an Sulfiden
ist nicht unbedenklich. So kann zwar der Sulfidanteil durch die Enzymverwendung deutlich
gesenkt werden und man erhält sehr gute Flächenausbeuten mit wenig Narbenzug, jedoch
tendieren die Leder zur Losnarbigkeit, zu loser Flämenstruktur und einem groben, z.T.
nubukierten Narbenbild.
[0004] Vor einiger Zeit wurde die Verwendung von Thioharnstoffdioxid (THDO) bzw. Formamidinsulfinsäure
als Sulfidersatz vorgeschlagen (AT-PS 381 952, EP 197 918). Diese Verbindung besitzt
ein sehr hohes Reduktionspotential gegenüber Cystein, so daß sich in Dosierungen von
0,1 - 1 Gew.-% zusammen mit Calciumoxid bzw. Calciumcarbonat eine einwandfreie Enthaarung
herbeiführen läßt. Die Verbindung ist weitgehend geruchlos und der Erhaltungsgrad
der Haare ist deutlich besser als bei einem reinen Sulfidäscher. Außerdem weist die
Verbindung eine geringe Abwassertoxizität auf, da gute biologische Abbaubarkeit besteht.
Diesen Vorzügen steht ein relativ hoher Preis gegenüber und der Befund, daß die so
hergestellten Leder nicht die optimale Weichheit der im herkömmlichen Äscher behandelten
Produkte besitzen. Diese Gründe sind wohl dafür verantwortlich, daß sich Thioharnstoffdioxid
in alleiniger Anwendung bislang nicht durchgesetzt hat. Neuere Vorschläge laufen daher
darauf hinaus, THDO zusammen mit hydrotropen und quellungsdämpfenden Substanzen, z.B.
Aminen einzusetzen um bei entsprechender Alkalimenge den gewünschten Hautaufschluß
zu erreichen (EP 306 474). Teilweise wird THDO ohne weitere Zusätze wegen seiner bleichenden
Wirkung im Nachäscher eingesetzt, gewöhnlich in Mengen von 0,3 bis 0,4 Gew.-% bezogen
auf das Blößengewicht.
Es bestand angesichts des geschilderten Standes der Technik Bedarf an einem Verfahren,
das die Vorzüge des traditionellen Äscherverfahrens mit den positiven Effekten der
Anwendung von Thioharnstoffdioxid vereinigt. Insbesondere war auf oekologische Verträglichkeit
des Verfahrens und der dabei eingesetzten Wirkprinzipien zu achten.
[0005] Es wurde nun gefunden, daß das erfindungsgemäße Äscherverfahren diesen Forderungen
weitgehend entspricht.
[0006] Die vorliegende Erfindung betrifft somit ein Verfahren zum Äschern von Häuten und
Fellen, wobei die wäßrige Äscherflotten mit einem pH-Wert im Bereich 10 - 14, vorzugsweise
12 - 14, Thioharnstoffdioxid und alkalische Proteasen AP mit Elastaseaktivität enthalten.
Vorzugsweise enthalten die Äscherflotten 0,3 bis 2 Gew.-%, insbesondere 0,5 - 1 Gew.-%
Thioharnstoffdioxid zusammen mit einer wirksamen Menge an einer oder mehreren alkalischen
Proteasen AP. Unter dem Äscherverfahren im Sinne der vorliegenden Erfindung sei die
Haarlockerung, die eigentliche Äscherung, der Hautaufschluß und gegebenenfalls der
Nachäscher zusammengefaßt.
Wichtig ist, daß beim erfindungsgemäßen Verfahren auf die Anwesenheit anorganischen
Sulfids bzw. von Sulfidionen und unter den Reaktionsbedingungen Sulfid entwickelnder
Agentien verzichtet werden kann. Die erfindungsgemäße Kombination aus THDO und alkalischen
Proteasen ist somit ausgezeichnet geeignet für sulfidfreie Äscher und/oder Nachäscher
als auch für sulfidarme Äscher/Nachäscher.
Die alkalischen Proteasen AP mit Elastaseaktivität
[0007] Zur Charakterisierung von Elastasen [E.C.3.4.21.11] wird deren Fähigkeit herangezogen,
Elastinfasern der Aorta zu hydrolysieren (W. Appel in H.U. Bergmeyer Ed. Methoden
der enzymatischen Analyse, 3. Auflage, Bd. I., S. 1081 - 1085 Verlag Chemie 1974;
J. Mandel in S.P. Cholowick u. N.O. Kaplan: Methods in Enzymology, Bd. V, S. 665,
Academic Press 1962).
[0008] Elastase-Praeparationen auch in kristallisierter Form müssen von vorneherein als
uneinheitlich betrachtet werden; auch die reinsten Praeparate enthalten noch einen
Teil proteolytischer, nichtelastolytischer Aktivität. In Struktur und spezifischer
Aktivität scheinen die Elastasen dem Trypsin und dem Chymotrypsin zu ähneln.
Die quantitativen Bestimmungen basieren auf dem (sowohl proteolytischen als mucolytischen)
Abbau des Elastins. Als Bestimmungsmethode wird hauptsächlich der Abbau von Elastin
herangezogen, das mit Farbstoffen wie Orcin (bzw. Kongorot, Dimethylaminonaphthalinsulfonsäure)
oder Fluorescein beladen ist.
Die erfindungsgemäß einzusetzenden alkalischen Proteasen AP mit Elastaseaktivität
sind durch ein Wirkungsoptimum im alkalischen pH-Bereich, in der Regel im Bereich
pH 12 ± 2 charakterisiert.
Obschon andere Quellen nicht ausgeschlossen werden sollen, stellen Mikroorganismen
insbesondere vom Typ der Bakterien, speziell der Bacillen derzeit die bevorzugten
Ausgangsmaterialien dar.
Genannt seien daneben z.B. Flavobacterium elastolyticum, Chlortridium histolyticum,
Staph. epidermis. Bei Praeparationen alkalischer Proteasen aus Bacillus-Typen erhält
man - als Anhalt - Anteile von 30 - 60 Gew.-% alkalische Protease, 0,002 - 2 Gew.-%
Elastase neben neutraler Proteinase und Collagenase (vgl. USSR-PS 802 909, Chem. Abstr
94, 148 340x).
Neuerdings sind auch alkal. Elastasen als Produkte genetischer Manipulation hergestellt
worden, z.B. durch Klonierung des alkalischen Elastasegens aus alkalophilem Bacillus
und Expression in Bacillus subtilis (Vgl. JP-OS 90 76 586, Chem. Abstr.
115, 249 561c; Y.Ch. Tsai et al. Biochim. Biophys. Acta
1986, 883(3), 439 - 47, Appl. Environ. Microbiol.
1988, 54(12) 3156 - 61; Chem. Abstr.
110,, 110 535a; R. Kaneko et al. Japan. J. Bacteriol.
171 (9) 5232-36 (1989)). In letzterer Arbeit wird die Isolierung einer alkal. Elastase
YaB die von dem alkalophilen Bacillus sp. YaB extracellulär produziert wird und Expression
des Gens in B.subtilis berichtet. Alkal. Proteasen mit ca. 59 % Elastaseaktivität
wurden auch aus einem Aspergillus (A. versicolor 837) gewonnen (Vgl. Chem. Abstr.
100, 6 6 560x). Andere Quellen sind Pseudomonas-Typen, z.B. P.aeruginosa (vgl. A. Lazdunski
et al. Biochimie
1990, 72(2-3) 147 - 56).
[0009] Die Bestimmung der Elastase-Aktivität wird für die Zwecke der vorliegenden Erfindung
nach dem im experimentellen Teil angegebenen Verfahren vorgenommen. Die auf die dort
angegebene Weise bestimmten Einheiten der Elastase-Wirksamkeit werden im folgenden
als Elastase-Einheiten E.U.gly bezeichnet. Dabei gilt als Definition:
Einer Elastase-Einheit (E.U.gly) entspricht die Extinktion eines µMols Glycin per
Trinitrobenzolsulfonsäure-Bestimmung; Analysenbedingungen: Substrat ist Elastin, in
Puffer pH 8 und bei 37 Grad C wobei der Extinktionsanstieg pro Minute ausgewertet
wird.
Die Aktivitäten der wirksamen Enzyme in den Enzympräparaten AP stehen bei dem erfindungsgemäßen
Verfahren vorzugsweise in einem bestimmten Verhältnis. Dieses Verhältnis sei rechnerisch
wie folgt definiert: Die Proteaseaktivität der alkal. Protease [in Löhlein-Volhard-Einheiten
(LVE)] geteilt durch Tausend mal einem Faktor F ergibt zahlenmäßig die Elastase-Aktivität
in den für die Zwecke der vorliegenden Erfindung gewählten Einheiten E.U.gly (Vgl.
Experimenteller Teil).
Der Faktor F liegt erfindungsgemäß zwischen 0,6 und 20, vorzugsweise 1 bis 5.
[0010] Die in den erfindungsgemäß einsetzbaren Enzympraeparaten AP anwesenden alkalischen
Proteasen [E.C.3.4.21] sind in der üblichen Weise charakterisiert. (Vgl. Kirk-Othmer
3rd. Ed. Vol. 9, pp. 199 - 202, J. Wiley 1980; Ullmann's Encyclopedia of Industrial
Chemistry Vol. A9, pp. 409 - 414, VCH 1987; L. Keay in "Process Biochemistry 17 -
21 (1971). Diese Proteasen, die meist dem Serin-Typ angehören, entfalten ihr Wirkungsoptimum
gewöhnlich in einem pH-Bereich von etwa 8 - 13. Genannt seien insbesondere Bakterienproteasen,
speziell von Bacillus Stämmen, vorteilhaft solchen, welche die Elastase-Aktivitäten
von ihrem Ursprung her mitbringen. Es können jedoch auch alkalische Proteasen verschiedenen
Ursprungs miteinander kombiniert werden, wobei die Elastase-Aktivität durch ensprechenden
Zusatz einzubringen ist.
[0011] Als solche alkalische Proteasen seien vor allem die aus Bacillus-Stämmen gewonnenen,
speziell B.subtilis, aber auch B.formus, B.licheniformis, B.alcalophilus, B.polymixa,
B.mesentericus, ferner aus Streptomyces-Stämmen wie S.alcalophilus genannt.
Die günstigste Arbeitstemperatur mit alkalischen Bakterien-Proteasen (die aber im
vorliegenden Falle deutlich unterschritten werden muß) liegt im allgemeinen bei 40
- 60 Grad C, bei Pilzproteasen eher bei 20 - 40 Grad C.
Als alkalische Pilzproteasen seien solche aus Aspergillus-Stämmen wie A.oryzae, aus
Penicillinum-Stämmen wie P.cyanofulvum oder Paecilumyces persicinus genannt. Die Aktivität
der alkalischen Pilzproteasen liegt vorwiegend im pH-Bereich 8,0 - 11,0.
Die proteolytische Wirksamkeit der alkal. Proteasen wird gebräuchlicherweise nach
der Anson-Hämoglobin-Methode (vgl. M.L. Anson J. Gen. Physiol.
22, 79 (1939) bzw. nach der Löhlein-Volhard-Methode (modifiziert nach TEGEWA, vgl. Das
Leder,
22, 121 - 126 1971) bestimmt.
Dabei entspricht eine Löhlein-Volhard-Einheit derjenigen Enzymmenge, die in 20 ml
Casein-Filtrat einen Anstieg an Hydrolyseprodukt entsprechend einem Äquivalent von
5,75 x 10⁻³ ml 0,1 n NaOH hervorruft. Die anzuwendende Protease-Aktivität liegt im
allgemeinen zwischen 1 000 und 60 000 LVE pro kg Haut, vorzugsweise zwischen 2 000
und 14 000 LVE pro kg Haut.
[0012] Je nach Aktivität kommt man bei dem erfindungsgemäßen Verfahren gewöhnlich mit Proteasemengen
zwischen 0,05 bis 0,8 Gew.-%, vorzugsweise mit etwa 0,1 bis 0,3 Gew.-%, als Faustregel
bei Verwendung einer alkalischen Bakterienprotease (Bacillus alcalophilus) mit 4 000
LVE bezogen auf das Gewicht der eingesetzten Häute und Felle aus.
Zusammen mit den proteolytischen Enzymen AP werden erfindungsgemäß 0,3 - 2 Gew.-%,
vorzugsweise 0,5 - 1 Gew.-% Thioharnstoffdioxid eingesetzt. Die Flottenlänge beträgt
in der Regel 100 bis 120 Gew.-% bezogen auf das Gewicht der eingesetzten Häute und
Felle.
Die Einstellung des pH-Bereichs der Flotte geschieht vorteilhaft mittels Kalkhydrat,
anteilig können jedoch auch Natronlauge und/oder Soda verwendet werden.
Zur weiteren Verbesserung des Hautaufschlusses können an sich bekannte Agentien wie
z.B. organische Amine, beispielsweise Diethanolamin und/oder hydrotrope Substanzen
wie z.B. Harnstoff mitverwendet werden.
Durchführung des Verfahrens
[0013] Wie üblich geht man von frischer oder gesalzener Rohware aus. Im allgemeinen führt
man zur Vorbehandlung eine Schmutzweiche und eine Hauptweiche durch (US-PS 4 344 762).
Die Hauptweiche wird wie betriebsüblich gewöhnlich unter Anwendung von geeigneten
Proteasen und/oder von Tensiden bei einem pH von 9 - 10 über 4 - 6 Stunden durchgeführt.
Die Flotte der Hauptweiche wird üblicherweise abgelassen und es wird mit einem neuen
Bad fortgefahren. Im allgemeinen führt man die enzymatische Reaktion im Temperaturbereich
20 - 28 Grad C, vorzugsweise bei 26 Grad C durch. Die auf einen alkalischen pH, speziell
im Bereich 10 - 13 eingestellte, die Enzyme und das Thioharnstoffdioxid enthaltende
Flotte läßt man in einem üblichen Reaktionsgefäß, beispielsweise einem Mischer, Gerbfaß
usw. unter Bewegen beispielsweise über einen ausreichenden Zeitraum, als Faustregel
seien ca. 90 Minuten genannt, auf die Häute und Felle einwirken, bis diese weitgehend
haarfrei sind.
Dann kann mit etwas Alkali, beispielsweise 0,2 Gew.-% einer 50 %-igen Natronlauge
nachalkalisiert werden, wobei vorzugsweise etwa 30 Minuten bewegt wird. Daran schließt
sich eine längere Behandlungsphase, zweckmäßig mit kurzfristigem Bewegen/längerem
Ruhen, etwa im Turnus: 1 Minute bewegen, 59 Minuten ruhen an, die beispielsweise über
18 Stunden durchgeführt wird. Anschließend wird die Flotte abgelassen. Die Haare erweisen
sich als weniger zerstört als bei Anwendung eines konventionellen Sulfid-Kalkäschers.
Man wäscht vorteilhaft nach, beispielsweise zweimal mit je 200 % Wasser von 25 Grad
C über 15 Minuten.
Die Weiterverarbeitung kann in an sich üblicher Weise, z.B. in der Abfolge Beize/Entkälkung/Pickel/Chromgerbung,
erfolgen.
Vorteilhafte Wirkungen
[0014] Das erfindungsgemäße Verfahren gestattet die Herstellung bemerkenswert weicher Leder,
wobei besonders hervorzuheben ist, daß trotz der Verwendung abbauender Enzyme in der
Regel ein völlig intaktes Narbenbild vorliegt. Insgesamt ist das Ergebnis als sehr
überraschend zu betrachten, tritt doch die bei Enzymanwendung im Äscher zu erwartende
Nubukierung sowenig ein, wie die erwartete Losnarbigkeit in den Flämen.
[0015] Durch die Enzymanwendung im Rahmen des erfindungsgemäßen Verfahrens läßt sich die
benötigte Einsatzmenge an Thioharnstoffdioxid deutlich reduzieren. Die Kombination
von Thioharnstoffdioxid und alkalischer Protease im Äscher ermöglicht somit ein oekologisch
äußerst günstiges Äscherverfahren, welches hohe Lederqualität mit genügender Anwendungssicherheit
verbindet. Der oekologische Vorteil liegt primär in der guten Haarerhaltung und der
dadurch geringeren CSB-Belastung im Abwasser als auch in der Vermeidung jeglichen
Einsatzes von Sulfid.
[0016] Die folgenden Beispiele dienen zur Erläuterung der Erfindung.
BEISPIELE
Beispiele 1 - 4:
Rohware:
[0017] 1 t gesalzene bzw. frische Rindshäute, Gewichtsklasse 30 - 39 kg (schwarzbunt).
Vorbehandlung:
[0018] Schmutzweiche, Hauptweiche erfolgt betriebsüblich durch Anwendung von Tensiden bei
pH 9 - 10 für 4 - 6 Stunden. Die Flotten der Hauptweiche werden abgelassen und in
allen Beispielen wird in einem neuen Bad weitergearbeitet.
[0019] Sämtliche Prozentangaben stellen Gew.-% bezogen auf das Salz- bzw. Grüngewicht der
Häute dar.
Beispiel 1:
Rohware:
[0020] 1 t gesalzene Rindshäute
Äscher:
[0021] 150,0 % Wasser, 26 Grad C
3,5 % Kalk
0,8 % Thioharnstoffdioxid
0,3 % proteolytisches Enzym, z.B. aus Bacillus alcalophilus, pH-Wirkungsoptimum
pH 10 - 13, 4 000 LVE-Einheiten, Elastasewert 6,4 (F = 1,6)
90 Min. bewegen bis Häute weitgehend haarfrei
0,2 % Natronlauge 50 %ig
30 Min. bewegen
anschließend weitere 18 Stunden behandeln (1 Min. bewegen, 59 Min. ruhen).
Flotte ablassen (Haare sind geringer zerstört als bei konventionellem Sulfid/Kalk-Äscher)
2 x waschen mit je 200 % Wasser, 25 Grad C, 15 Min.
betriebsübliche Weiterarbeit mit Beize/Entkälkung/Pickel/Chromgerbung.
Beispiel 2
Rohware:
[0022] 1 t frische Rindshäute
Äscher (haarerhaltend):
[0023] 100,0 % Wasser, 26 Grad C
1,0 % Kalk, 90 Min. bewegen, pH 12 - 12,5
1,0 % Thioharnstoffdioxid
0,3 % proteolytisches alkalistabiles Enzym (z.B. aus Bacillus alcalophilus)
pH-Wirkungsoptimum pH 10 - 13, 4 000 LVE, Elastasewert 6,0 (F = 1,5)
90 Min. bewegen, pH 12 - 13, Häute sind haarfrei und gut in ihrer Struktur erhalten;
Haar kann durch Umpumpen der Flotte über ein Sieb abgetrennt werden.
+ 50,0 % Wasser, 26 Grad C
2,5 % Kalkhydrat
10 Min. bewegen
0,2 % Natronlauge 50 %ig
weitere 15 Stunden behandeln (Automatik: 2 Min. bewegen, 58 Min. ruhen): Flotte ablassen
2 x waschen mit je 250 % Wasser, 26 Grad C, 15 Min.
[0024] Weiterarbeit betriebsüblich.
Beispiel 3
Rohware:
[0025] 1 t gesalzene Rindshäute
Sulfidarmer Äscher:
[0026] 150,0 % Wasser, 26 Grad C
3,5 % Kalkhydrat
0,4 % Natriumsulfhydrat, 72 %ig
30 Min. bewegen
0,4 % Thioharnstoffdioxid
0,1 % proteolytisches, alkalistabiles Enzym (z.B. aus Bacillus alcalophilus), 4 000
LVE, Elastasewert 6,8 (F = 1,7)
60 Min. bewegen bis Häute haarfrei
+ 0,3 % Natronlauge, 50 %ig
weitere 18 Stunden bewegen (Automatik: 2 Min bewegen, 58 Min. ruhen).
Flotte ablassen
2 x waschen mit je 150 % Wasser, 25 Grad C, 15 Min.
[0027] Weiterarbeit betriebsüblich.
Beispiel 4
[0028] Konventioneller Sulfid/Kalk-Äscher und Nachäscher mit erfindungsgemäßer Wirkstoffkombination
zur Herstellung z.B. besonders weicher Möbelleder mit hoher Farbegalität.
Rohware:
[0029] 1 t gesalzene Rindshäute
Äscher:
[0030] 150,0 % Wasser, 26 Grad C
2,0 % Kalkhydrat
0,9 % Natriumsulfhydrat
20 - 30 Min. bewegen
1,0 % Kalkhydrat, 20 Min. bewegen
0,4 % Natriumsulfid, 60 %ig
30 Min. bewegen
dann Automatik: 2 Min. bewegen, 58 Min. ruhen insgesamt 15 Stunden
Flotte ablassen, 2 x waschen, Häute entfleischen und spalten auf 1,8 - 2 mm.
Nachäscher:
[0031] 150,0 % Wasser, 26 Grad C
1,0 % Kalkhydrat
0,3 % Thioharnstoffdioxid
0,1 % proteolytisches, alkalistabiles Enzym (z.B. aus Bac.alcalophilus), 4 000 LVE,
Elastasewert 9,2 (F = 2,3)
20 Min. bewegen, dann weitere 6 Stunden: 2 Min. bewegen, 58 Min. ruhen.
[0032] Flotte ablassen, waschen und betriebsüblich weiterarbeiten.
[0033] Bestimmung der Elastase-Aktivität der erfindungsgemäß eingesetzten Enzyme.
Prinzip:
[0034] Eine Elastinsuspension von pH = 8 wird bei 37 Grad C 2 Stunden mit Enzym inkubiert,
durch Abfiltrieren von Substrat abgebrochen, mit TNBS angefärbt und bei 420 nm gemessen.
Definition:
[0035] 1 Unit Elastase entspricht der Enzymmenge, die pro Minute in einer Elastinsuspension
unter den angegebenen Standardbedingungen eine Anfärbung mit TNBS hervorruft, die
1 µmol Glycin äquivalent ist.
Reagentien:
[0036] Elastin (Sigma Lot 71 F-8020; No. E-1625)
Borsäure p.a. (= pro analyse)
Trinitrobenzolsulfonsäure (TNBS)
Glycin
Geräte:
[0037] Schüttelthermostat: 37 Grad C
Wasserbad: 50 Grad C
Lösungen:
1. 0,1 m Boratpuffer, pH = 8,0
[0038] Eine Lösung aus 6,2 g Borsäure p.a. wird mit 1 n NaOH auf pH = 8,0 eingestellt und
mit dest. Wasser auf 1 l aufgefüllt.
2. TNBS-Reagenz
[0039] Ca. 800 ml dest. Wasser werden mit 6,2 g Borsäure p.a. unter Rühren versetzt und
auf pH = 8,0 mit 1 n NaOH eingestellt. Dazu gibt man 240 mg TNBS, stellt den pH gegebenenfalls
nach und füllt mit dest. Wasser auf 1 l auf.
Das TNBS-Reagenz wird zweckmäßig in einer braunen Flasche aufbewahrt und ist täglich
neu anzusetzen.
Reaktion:
Hauptwert:
[0040] 250 mg Elastin werden in einem 50 ml Enghals-Erlenmeyer-Kolben mit Schliffstöpsel
eingewogen und mit 10 ml 0,1 m Boratpuffer versetzt. Den Kolben temperiert man im
Schüttelthermostaten 10 min vor. Nach Zugabe von 1 ml Enzymlösung wird gut gemischt
und der Kolben in den Schüttel-Thermostaten zurückgegeben. Temperatur: 37 Grad C.
[0041] Man stoppt die Reaktion ab, indem man nach genau 2 Stunden das Reaktionsgemisch durch
einen Faltenfilter filtriert. Es folgt unmittelbar die Anfärbung der Bruchstücke nach
der
TNBS-Methode.
TNBS:Reaktion:
[0042] Zu 8 ml TNBS-Reagenz gibt man 100 µl der Probe und läßt das Reagenzglas 25 min. in
einem Wasserbad bei 50 Grad C stehen. Nach genau 25 min. wird das Reagenzglas 5 min.
in Eiswasser gestellt und gleich anschließend die Extinktion bei 420 nm gemessen.
Blindwert:
[0043] Man gibt hier die Enzymlösung erst nach Ablauf der zweiten Stunde der Reaktionszeit
zu. Die Weiterbehandlung erfolgt wie beim Hauptwert, beginnt also mit dem Abstoppen.
Erstellung einer Eichkurve mit Glycin:
[0044] Es wird die Anfärbung von Glycin mit TNBS gemessen und dazu µmol Glycin gegen O.D.
aufgetragen.
Vorgehensweise:
[0045] 3,75 g Glycin werden in 100 ml destilliertem Wasser gelöst, davon 250 ml entnommen
und auf 500 ml verdünnt. Davon werden 100 µl entnommen und nach der TNBS-Methode angefärbt.
Die Messung erfolgt bei 420 nm. Entsprechend werden weitere Einwaagen gewählt. Ein
Beispiel für eine Eichkurve gibt die folgende Tabelle:
| Einwaagen (g) |
µmol/ml |
O.D. bei 420 nm |
| 3,75/100 - 0,25/500 |
0,25 |
0,30 |
| 3,75/100 - 0,25/250 |
0,5 |
0,058 |
| 3,75/100 - 0,50/250 |
1,0 |
0,110 |
| 3,75/100 - 1,00/250 |
2,0 |
0,232 |
| 3,75/100 - 1,00/200 |
2,5 |
0,313 |
| 3,75/100 - 1,50/200 |
3,75 |
0,496 |
[0046] Der Blindwert (O.D. von TNBS-Reagenz + 10 µl dest. Wasser) wurde vorher von allen
Glycinwerten subtrahiert.
Berechnung der Aktivität:
[0047] Die Extinktionsdifferenz der Aktivitätsbestimmung (Hauptwert minus Blindwert) wird
aus der Eichkurve in µmol Glycin umgerechnet, daraus ergeben sich die Elastase-Einheiten

Beispiel:
[0048]
| Einwaage Enzym (g) |
0,5/50 - 5/50 |
| daraus Konzentration/ml |
1 mg/ml |
| Hauptwert (420 nm) |
0,408 |
| Blindwert |
0,053 |
| Extinktion |
0,355 |
[0049] Aus der Glycin-Eichkurve: Eine O.D. von 0,355 entspricht 2,79 mol Glycin.
