(19)
(11) EP 0 581 201 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
02.02.1994  Patentblatt  1994/05

(21) Anmeldenummer: 93111778.2

(22) Anmeldetag:  22.07.1993
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5B22C 15/10, B22C 9/04
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FR GB GR IE IT LI LU NL PT SE

(30) Priorität: 30.07.1992 DE 4225245

(71) Anmelder: HÜTTENS-ALBERTUS CHEMISCHE WERKE GmbH
D-40549 Düsseldorf-Heerdt (DE)

(72) Erfinder:
  • Bast, Jürgen, Dr.Ing
    D-09599 Freiberg/Sa. (DE)
  • Kuhlgatz, Carsten, Dipl.Ing.
    D-38678 Clausthal-Zellerfeld (DE)

(74) Vertreter: Eikenberg & Brümmerstedt Patentanwälte 
Schackstrasse 1
30175 Hannover
30175 Hannover (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zum Einbetten von Modellen für das Vollformgiessverfahren


    (57) Beim Vollformgießverfahren werden verlorene Modelle (meistens aus Polystyrolhartschaum) in einen rieselfähigen bindemittelfreien Formstoff (z.B. Quarzsand) eingebettet. Dabei hat es sich als schwierig erwiesen, kritische Modellpartien wie Hinterschneidungen und kuppelartige Hohlräume so mit dem Formstoff zu füllen, daß der Formstoff auch diese Modellpartien spaltfrei umschließt.
    Gemäß der Erfindung ist vorgesehen, daß der Formstoff während seines Einlaufens in den Formbehälter in Schwebungen versetzt wird. Die Schwebungen werden dabei aus zwei in der Amplitude gleichen oder nahezu gleichen Grundschwingungen erzeugt, die eine regelbare, leicht unterschiedliche Grundfrequenz und/oder Grundphase aufweisen. Die Grundschwingungen können in horizontaler und/oder vertikaler Richtung auf den Formbehälter einwirken.
    Auf diese Weise gelingt es, auch Modelle mit extrem kritischen Modellpartien qualitätsgerecht einzubetten.




    Beschreibung


    [0001] Bei dem in der Gießereitechnik seit einiger Zeit eingeführten Vollformgießverfahren (DE-C 11 08 861) wird ein Modell (bzw. eine Modelltraube) aus einem thermisch zersetzbaren Werkstoff (üblicherweise Polystyrolhartschaum) in einem einteiligen Formbehälter so in einen rieselfähigen körnigen Formstoff eingebettet, daß der Formstoff allseits an dem Modell anliegt und sich um das Modell herum kein Spalt ausbildet. Das Modell verbleibt beim Gießen im Formbehälter, es wird durch die heiße Gießschmelze kontinuierlich vergast und ebenso kontinuierlich durch die Schmelze ersetzt, so daß auch während des Gießens kein Hohlraum entsteht. Der rieselfähige Formstoff, z.B. Quarzsand, kann daher bindemittelfrei sein.

    [0002] Der wesentliche Vorteil des Vollformgießverfahrens gegenüber den üblichen Hohlformgießverfahren unter Verwendung von geteilten Dauermodellen besteht darin, daß ein einteiliges positives Abbild des Gußstücks als Modell verwendet werden kann und daß auch keine Kerne benötigt werden, um Hinterschneidungen und Innenräume des Gußstücks auszufüllen. Dadurch entfällt der Aufwand für das Herstellen und Einlegen der Kerne und für das Nacharbeiten der sich unvermeidlich in der Formteilungsebene und an den Kernmarken ausbildenden Grate.

    [0003] Für den Erfolg des Vollformgießverfahrens ist die ordnungsgemäße und qualitätsgerechte Einbettung des Modells in den Formstoff eine wichtige Voraussetzung. Es muß nämlich sichergestellt sein, daß der Formstoff auch Hinterschneidungen und Innenräume ebenso vollständig ausfüllt wie die übrigen Außenkonturen des Modells. Diese Forderung, die beim Hohlformgießen wegen der dort zugelegten Kerne nicht besteht, läßt sich in der Praxis des Vollformgießverfahrens nicht immer und jedenfalls nicht immer problemlos erfüllen. Infolge des natürlichen Schüttwinkels und der inneren Reibung des Formstoffs reicht ein bloßes Einlaufen des Formstoffs in den Formbehälter nicht aus, um kritische Partien wie quer zur Einschüttrichtung verlaufende Innenflächen des Modells oder gar kuppelartige Innenräume mängelfrei einzubetten.

    [0004] Es wurde bereits vorgeschlagen (DE-C 12 03 920), dem Formstoff während des Einlaufens durch Vibration mit hohen Beschleunigungs- und Frequenzwerten eine solche Fließfähigkeit zu erteilen, daß auch kritische Partien mit Formstoff ausgefüllt werden. Dabei kann jedoch insbesondere unter quer zur Schwerkraft verlaufenden Modellflächen ein Setzen des Formstoffes eintreten, wenn die Vibrationserregerkräfte nicht mehr wirksam sind. Als Folge davon entsteht zwischen Modell und Formstoff ein Spalt, der durch die einströmende Schmelze ausgefüllt wird und sich auf dem erstarrten Gußteil als Oberflächenfehler abzeichnet. Kuppelartige Innenräume des Modells lassen sich auch durch ein vibrierendes Einlaufen des Formstoffs nicht einbetten.

    [0005] Um auch Gußstücke mit kuppelartigen Innenräumen wie Pumpengehäuse u. dgl. dem Vollformgießverfahren zugänglich zu machen, ist weiterhin schon vorgeschlagen worden (DE-C 37 07 467), den Formstoff während seines Einfüllens in den Formbehälter einem Unterdruck mit Druckdifferenz in Einfüllrichtung auszusetzen und ihn dabei gleichzeitig zu rütteln. Da die Höhe des Unterdruckes von der Beschaffenheit des Formstoffes und dessen Gasdurchlässigkeit sowie der Füllhöhe abhängt, ist eine zusätzliche Steuerung des Unterdrucks beim Einfüllen erforderlich. Insgesamt führt diese Arbeitsweise damit zu einem erheblichen apparativen und regeltechnischen Aufwand. Außerdem muß die Füllhöhe des Formstoffs in der Nähe des auszufüllenden Innenraumes während der Zeit des Ausfüllens in etwa konstant gehalten werden, damit sich für die Luft ungehindert Strömungsgassen ausbilden können, über die der Formstoff in den hohlen Innenraum transportiert wird. Um diesen Vorgang nicht zu behindern, muß die Formstoffzufuhr beim Erreichen eines bestimmten Niveaus unterbrochen oder an eine Stelle verlegt werden, an der besagte Strömungsgassen nicht zugeschüttet werden. Das stellt erhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Bedienungspersonals bzw. an die Regelungstechnik. Hinzu kommt, daß trotz dieses Aufwands eine qualitätsgerechte Einbettung von Modellen mit kritischen Partien nicht in allen Fällen gelingt, so daß es nach wie vor Gußstücke gibt, die mit Kernen oder ganz nach den herkömmlichen Verfahren gefertigt werden müssen und damit von den Vorteilen des Vollformverfahren ausgeschlossen sind.

    [0006] Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Verfahren zum Einbetten von Modellen für das Vollformgießverfahren zur Verfügung zu stellen, nach dem auf einfache Weise auch solche Modelle qualitätsgerecht eingeformt werden können, die kritische Partien im obenaufgeführten Sinne aufweisen.

    [0007] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe dadurch gelöst, daß der Formstoff während seines Einlaufens in den Formbehälter in Schwebungen versetzt wird. Unter dem Begriff "Schwebungen" werden dabei, wie in der Technik üblich, Schwingungen mit periodisch ansteigenden und wieder abfallenden Amplituden verstanden, die durch Überlagerung zweier harmonischer (sinusförmiger) Grundschwingungen entstehen, welche in der Grundfrequenz und/oder Grundphase etwas gegeneinander versetzt sind und gleiche oder unterschiedliche Grundamplituden haben können. Bevorzugt sind dabei gleiche oder nahezu gleiche Grundamplituden der Grundschwingungen, so daß sich innerhalb einer Schwebungsperiode eine Ruhephase oder eine Phase geringer Beschleunigungswerte einstellt.

    [0008] Überraschend wurde festgestellt, daß ein Formstoff, der während des Einlaufens in den Formbehälter mit Schwebungsvibrationen beaufschlagt wird, ein flüssigkeitsartiges Fließverhalten annimmt und damit in der Lage ist, in allen kritischen Innenräumen des Modells, sogar auch in kuppelartigen Innenräumen von unten nach oben aufzusteigen, ähnlich dem Aufsteigen einer Flüssigkeit beim Befüllen von kommunizierenden Röhren. Dieses Phänomen ist theoretisch noch nicht erklärbar, geht aber vermutlich darauf zurück, daß der Formstoff durch die Schwebungen einem periodischen Wechsel von aufschwellenden und abschwellenden Beschleunigungsverfahren ausgesetzt wird, wodurch der Formstoff einerseits die außerordentliche Fließfähigkeit erhält und andererseits, bedingt durch die Ruhephasen oder Phasen geringer Beschleunigungswerte zwischen den einzelnen Schwingungsperioden, auch Gelegenheit hat, eine ausreichende Packungsdichte einzunehmen. Jedenfalls wurde ein Setzen des Formstoffes nach Beendigung des erfindungsgemäßen Einbettens nicht beobachtet, d.h., Spalte zwischen dem Modell und dem Formstoff waren auch an den kritischen Modellpartien nicht festzustellen.

    [0009] Das erfindungsgemäße Verfahren erfordert weder apparativ noch regeltechnisch einen besonderen Aufwand. Vielmehr genügt es, die ohnehin beim Vollformgießverfahren gebräuchlichen Vibrationstische mit zwei Schwingungserregern auszurüsten, die unabhängig voneinander einstellbar sind, damit für jeden Anwendungsfall das optimale Schwebungsverhalten gewählt werden kann. Auch braucht die Einlaufgeschwindigkeit des Formmstoffs nicht mehr von der Füllhöhe des Formbehälters abhängig gemacht zu werden, sondern wird (zumindest in den einzelnen Füllebenen des Sandes im Formbehälter) vorzugsweise konstant gehalten.

    [0010] Es ist zwar für sich bekannt (DE-C 830 424), Formsand in einen Formkasten mit einer Vibriereinrichtung zu verdichten, die mittels zweier Schwingungserzeuger Schwebungen erzeugt. Dieser rund 40 Jahre alte Vorschlag, der auch keinen Eingang in die Gießereipraxis gefunden hat, unterscheidet sich jedoch in mehrfacher Hinsicht von der Erfindung. So handelt es sich offensichtlich um die Herstellung von Formen für das Hohlformgießen mit Hilfe von Dauermodellen und ggfs. eingelegten Kernen, denn das Vollformgießverfahren war damals noch nicht bekannt. Weiterhin wird bei diesem bekannten Verfahren die Schwebungsvibration an den bereits befüllten Formkasten angelegt und damit zu einem Zeitpunkt, der für die Zwecke der Erfindung zu spät ist. Außerdem geht es beim Hohlformgießen um eine maximale Verdichtung des Formstoffes zur Erzielung eines stabilen Formenhohlraumes, während beim Vollformgießverfahren die Verdichtung nur so ausreichend zu sein braucht, daß kein Setzen des Formstoffs eintritt. Schließlich wird beim Hohlformgießen stets ein bindemittelhaltiger Formstoff eingesetzt, dessen Fließverhalten allein aufgrund seines Feuchtigkeitsgehalts von dem Fließverhalten eines trockenen bindemittelfreien Formstoffs grundlegend abweicht. Somit war es auch in Kenntnis dieses bekannten Verfahrens nicht vorhersehbar, daß es mit der Erfindung gelingt, ein mit kritischen Partien einschließlich hohler, nur nach unten offener Innenräume ausgestattetes Vollform-Gießmodell qualitätsgerecht in den Formstoff einzubetten.

    [0011] Nachfolgend wird ein Ausführungsbelspiel der Erfindung anhand der beigefügten Zeichnung näher erläutert.

    [0012] Die Zeichnung zeigt schematisch ein Vollform-Gießmodell 1 aus Polystyrol-Hartschaum in der extremen Form einer nach unten offenen Kuppel, wobei der Einlauf und etwaige Speiser nicht mit dargestellt sind. Das Modell 1 ist in einem sanddichten Formbehälter 2 befestigt. Die Lage des Modells derart, daß sich sein hohler Innenraum 3 nur nach unten öffnet, ist gießtechnisch bedingt und ist die Ursache für die beim Einbetten des Modells in den Formstoff 4 (in diesem Beispiel trockener Quarzsand auftretenden Probleme. Bei einer Lage des Modells derart, daß sich der Innenraum 3 nach oben oder zur Seite hin öffnet, würden die Probleme beim Einbetten durch die bekannte Vibrationstechnik voraussichtlich beherrschbar sein, aber diese beiden Lagen sind gießtechnisch ungünstig.

    [0013] Der Formbehälter 2 ist auf einem Vibrationstisch 5 befestigt, der mit zwei mit leicht unterschiedlicher Frequenz betriebenen Schwingungserregern in Schwebungen versetzt wird, die sich auf den einlaufenden Formstoff 4 übertragen. Die Schwingungserreger sind nicht weiter dargestellt. Sie können in üblicher Weise durch Druckluft oder elektromotorisch angetrieben sein und werden dementsprechend entweder pneumatisch oder elektrisch geregelt. Ihre Anordnung kann so getroffen sein, daß sie beide vertikal auf den Vibrationstisch 5 einwirken oder daß einer vertikal und der andere horizontal auf den Vibrationstisch 5 einwirkt.

    [0014] Die Kenndaten für die Grundschwingungen und die resultierenden Schwebungen sind einerseits vom Typ und von der Auslegung der Vibrationsanlage und andererseits auch von der Gestalt des einzubettenden Modells (Art und Lage der Hinterschneidungen) abhängig. Typische Bereiche (bei kombiniert horizontaler und vertikaler Einleitung der Grundschwingungen) sind folgende:
    Grundschwingungen
    vertikale Grundamplitude 0,3 bis 0,6 mm
    vertikale Grundfrequenz 25 bis 50 Hz
    horizontale Grundamplitude 0,05 bis 0,15 mm
    horizontale Grundfrequenz 25 bis 50 Hz
    Resultierende Schwebungen
    resultierende Grundfrequenz 25 bis 50 Hz
    resultierende Amplitude min 0,10 mm / max 1,00 mm
    vorzugsweise min 0,15 mm / max 0,75 mm
    Frequenz der Schwebungen 0,3 bis 5,0 Hz
    vorzugsweise 0,5 bis 2,0 Hz


    [0015] Es können für besonders komplexe Modelle auch andere, von diesen typischen Bereichen abweichende Kenndaten in Betracht kommen. Die jeweils optimalen Werte lassen sich für jeden Anwendungsfall durch einfache Versuche ermitteln.

    [0016] In der Zeichnung ist ein Zustand während des Einlaufens des Formstoffes 4 angenommen. Der Formstoff wird in Pfeilrichtung 6 (mit einer in den einzelnen Füllebenen vorzugsweise konstanten Geschwindigkeit, deren Wert wiederum von dem einzubettenden Modell abhängt) zugeführt und steigt dabei aufgrund der in den Formbehälter eingeleiteten Schwebungen nach Art einer Flüssigkeit stetig nach oben, und zwar sowohl außerhalb als auch innerhalb des Innenraumes 3, wie durch die Pfeile 7 und 8 angedeutet. Sobald der Formbehälter auf diese Weise bis zu seiner Oberkante gefüllt ist, ist auch der Innenraum 3 mit Sicherheit qualitätsgerecht gefüllt, ohne daß dafür noch weitere Maßnahmen erforderlich sind.

    [0017] Die in der Zeichnung für das extreme Beispiel einer nach unten offenen Kuppel erläuterte Wirkung tritt auch bei anderen kritischen Partien eines Modells in gleicher Weise ein, so daß die Erfindung auch bei schwierigsten Konturen des Modells erfolgreich einsetzbar ist.

    [0018] Im übrigen ist die Erfindung nicht auf die Verwendung von Quarzsand beschränkt, sondern bei jedem trockenen rieselfähigen Formstoff anwendbar. Dies schließt auch Eisengranalien ein, die bei dem (eine Variante des Vollformgießverfahrens darstellenden) Magnetformgießverfahren verwendet werden.


    Ansprüche

    1. Verfahren zum Einbetten von Modellen für das Vollformgießverfahren unter Verwendung von rieselfähigem, bindemittelfreiem Formstoff, dadurch gekennzeichnet, daß der Formstoff während seines Einlaufens in den Formbehälter in Schwebungen versetzt wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwebungen aus zwei in der Amplitude gleichen oder nahezu gleichen Grundschwingungen erzeugt werden, die eine regelbare, leicht unterschiedliche Grundfrequenz und/oder Grundphase aufweisen.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Grundschwingungen in horizontaler und/oder vertikaler Richtung auf den Formbehälter einwirken.
     
    4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß mit einer Schwebungsfrequenz von 0,3 bis 5 Hz (vorzugsweise 0,5 bis 2,0 Hz) bei Schwebungsamplituden zwischen minimal 0,10 mm (vorzugsweise 0,15 mm) und maximal 1,00 mm (vorzugsweise 0,75 mm) gearbeitet wird.
     
    5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Formstoff mit einer in den einzelnen Füllebenen weitgehend konstanten Einlaufgeschwindigkeit in den Formbehälter eingefüllt wird.
     




    Zeichnung







    Recherchenbericht