[0001] Bei dem in der Gießereitechnik seit einiger Zeit eingeführten Vollformgießverfahren
(DE-C 11 08 861) wird ein Modell (bzw. eine Modelltraube) aus einem thermisch zersetzbaren
Werkstoff (üblicherweise Polystyrolhartschaum) in einem einteiligen Formbehälter so
in einen rieselfähigen körnigen Formstoff eingebettet, daß der Formstoff allseits
an dem Modell anliegt und sich um das Modell herum kein Spalt ausbildet. Das Modell
verbleibt beim Gießen im Formbehälter, es wird durch die heiße Gießschmelze kontinuierlich
vergast und ebenso kontinuierlich durch die Schmelze ersetzt, so daß auch während
des Gießens kein Hohlraum entsteht. Der rieselfähige Formstoff, z.B. Quarzsand, kann
daher bindemittelfrei sein.
[0002] Der wesentliche Vorteil des Vollformgießverfahrens gegenüber den üblichen Hohlformgießverfahren
unter Verwendung von geteilten Dauermodellen besteht darin, daß ein einteiliges positives
Abbild des Gußstücks als Modell verwendet werden kann und daß auch keine Kerne benötigt
werden, um Hinterschneidungen und Innenräume des Gußstücks auszufüllen. Dadurch entfällt
der Aufwand für das Herstellen und Einlegen der Kerne und für das Nacharbeiten der
sich unvermeidlich in der Formteilungsebene und an den Kernmarken ausbildenden Grate.
[0003] Für den Erfolg des Vollformgießverfahrens ist die ordnungsgemäße und qualitätsgerechte
Einbettung des Modells in den Formstoff eine wichtige Voraussetzung. Es muß nämlich
sichergestellt sein, daß der Formstoff auch Hinterschneidungen und Innenräume ebenso
vollständig ausfüllt wie die übrigen Außenkonturen des Modells. Diese Forderung, die
beim Hohlformgießen wegen der dort zugelegten Kerne nicht besteht, läßt sich in der
Praxis des Vollformgießverfahrens nicht immer und jedenfalls nicht immer problemlos
erfüllen. Infolge des natürlichen Schüttwinkels und der inneren Reibung des Formstoffs
reicht ein bloßes Einlaufen des Formstoffs in den Formbehälter nicht aus, um kritische
Partien wie quer zur Einschüttrichtung verlaufende Innenflächen des Modells oder gar
kuppelartige Innenräume mängelfrei einzubetten.
[0004] Es wurde bereits vorgeschlagen (DE-C 12 03 920), dem Formstoff während des Einlaufens
durch Vibration mit hohen Beschleunigungs- und Frequenzwerten eine solche Fließfähigkeit
zu erteilen, daß auch kritische Partien mit Formstoff ausgefüllt werden. Dabei kann
jedoch insbesondere unter quer zur Schwerkraft verlaufenden Modellflächen ein Setzen
des Formstoffes eintreten, wenn die Vibrationserregerkräfte nicht mehr wirksam sind.
Als Folge davon entsteht zwischen Modell und Formstoff ein Spalt, der durch die einströmende
Schmelze ausgefüllt wird und sich auf dem erstarrten Gußteil als Oberflächenfehler
abzeichnet. Kuppelartige Innenräume des Modells lassen sich auch durch ein vibrierendes
Einlaufen des Formstoffs nicht einbetten.
[0005] Um auch Gußstücke mit kuppelartigen Innenräumen wie Pumpengehäuse u. dgl. dem Vollformgießverfahren
zugänglich zu machen, ist weiterhin schon vorgeschlagen worden (DE-C 37 07 467), den
Formstoff während seines Einfüllens in den Formbehälter einem Unterdruck mit Druckdifferenz
in Einfüllrichtung auszusetzen und ihn dabei gleichzeitig zu rütteln. Da die Höhe
des Unterdruckes von der Beschaffenheit des Formstoffes und dessen Gasdurchlässigkeit
sowie der Füllhöhe abhängt, ist eine zusätzliche Steuerung des Unterdrucks beim Einfüllen
erforderlich. Insgesamt führt diese Arbeitsweise damit zu einem erheblichen apparativen
und regeltechnischen Aufwand. Außerdem muß die Füllhöhe des Formstoffs in der Nähe
des auszufüllenden Innenraumes während der Zeit des Ausfüllens in etwa konstant gehalten
werden, damit sich für die Luft ungehindert Strömungsgassen ausbilden können, über
die der Formstoff in den hohlen Innenraum transportiert wird. Um diesen Vorgang nicht
zu behindern, muß die Formstoffzufuhr beim Erreichen eines bestimmten Niveaus unterbrochen
oder an eine Stelle verlegt werden, an der besagte Strömungsgassen nicht zugeschüttet
werden. Das stellt erhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Bedienungspersonals
bzw. an die Regelungstechnik. Hinzu kommt, daß trotz dieses Aufwands eine qualitätsgerechte
Einbettung von Modellen mit kritischen Partien nicht in allen Fällen gelingt, so daß
es nach wie vor Gußstücke gibt, die mit Kernen oder ganz nach den herkömmlichen Verfahren
gefertigt werden müssen und damit von den Vorteilen des Vollformverfahren ausgeschlossen
sind.
[0006] Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Verfahren zum Einbetten von Modellen für
das Vollformgießverfahren zur Verfügung zu stellen, nach dem auf einfache Weise auch
solche Modelle qualitätsgerecht eingeformt werden können, die kritische Partien im
obenaufgeführten Sinne aufweisen.
[0007] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe dadurch gelöst, daß der Formstoff während seines
Einlaufens in den Formbehälter in Schwebungen versetzt wird. Unter dem Begriff "Schwebungen"
werden dabei, wie in der Technik üblich, Schwingungen mit periodisch ansteigenden
und wieder abfallenden Amplituden verstanden, die durch Überlagerung zweier harmonischer
(sinusförmiger) Grundschwingungen entstehen, welche in der Grundfrequenz und/oder
Grundphase etwas gegeneinander versetzt sind und gleiche oder unterschiedliche Grundamplituden
haben können. Bevorzugt sind dabei gleiche oder nahezu gleiche Grundamplituden der
Grundschwingungen, so daß sich innerhalb einer Schwebungsperiode eine Ruhephase oder
eine Phase geringer Beschleunigungswerte einstellt.
[0008] Überraschend wurde festgestellt, daß ein Formstoff, der während des Einlaufens in
den Formbehälter mit Schwebungsvibrationen beaufschlagt wird, ein flüssigkeitsartiges
Fließverhalten annimmt und damit in der Lage ist, in allen kritischen Innenräumen
des Modells, sogar auch in kuppelartigen Innenräumen von unten nach oben aufzusteigen,
ähnlich dem Aufsteigen einer Flüssigkeit beim Befüllen von kommunizierenden Röhren.
Dieses Phänomen ist theoretisch noch nicht erklärbar, geht aber vermutlich darauf
zurück, daß der Formstoff durch die Schwebungen einem periodischen Wechsel von aufschwellenden
und abschwellenden Beschleunigungsverfahren ausgesetzt wird, wodurch der Formstoff
einerseits die außerordentliche Fließfähigkeit erhält und andererseits, bedingt durch
die Ruhephasen oder Phasen geringer Beschleunigungswerte zwischen den einzelnen Schwingungsperioden,
auch Gelegenheit hat, eine ausreichende Packungsdichte einzunehmen. Jedenfalls wurde
ein Setzen des Formstoffes nach Beendigung des erfindungsgemäßen Einbettens nicht
beobachtet, d.h., Spalte zwischen dem Modell und dem Formstoff waren auch an den kritischen
Modellpartien nicht festzustellen.
[0009] Das erfindungsgemäße Verfahren erfordert weder apparativ noch regeltechnisch einen
besonderen Aufwand. Vielmehr genügt es, die ohnehin beim Vollformgießverfahren gebräuchlichen
Vibrationstische mit zwei Schwingungserregern auszurüsten, die unabhängig voneinander
einstellbar sind, damit für jeden Anwendungsfall das optimale Schwebungsverhalten
gewählt werden kann. Auch braucht die Einlaufgeschwindigkeit des Formmstoffs nicht
mehr von der Füllhöhe des Formbehälters abhängig gemacht zu werden, sondern wird (zumindest
in den einzelnen Füllebenen des Sandes im Formbehälter) vorzugsweise konstant gehalten.
[0010] Es ist zwar für sich bekannt (DE-C 830 424), Formsand in einen Formkasten mit einer
Vibriereinrichtung zu verdichten, die mittels zweier Schwingungserzeuger Schwebungen
erzeugt. Dieser rund 40 Jahre alte Vorschlag, der auch keinen Eingang in die Gießereipraxis
gefunden hat, unterscheidet sich jedoch in mehrfacher Hinsicht von der Erfindung.
So handelt es sich offensichtlich um die Herstellung von Formen für das Hohlformgießen
mit Hilfe von Dauermodellen und ggfs. eingelegten Kernen, denn das Vollformgießverfahren
war damals noch nicht bekannt. Weiterhin wird bei diesem bekannten Verfahren die Schwebungsvibration
an den bereits befüllten Formkasten angelegt und damit zu einem Zeitpunkt, der für
die Zwecke der Erfindung zu spät ist. Außerdem geht es beim Hohlformgießen um eine
maximale Verdichtung des Formstoffes zur Erzielung eines stabilen Formenhohlraumes,
während beim Vollformgießverfahren die Verdichtung nur so ausreichend zu sein braucht,
daß kein Setzen des Formstoffs eintritt. Schließlich wird beim Hohlformgießen stets
ein bindemittelhaltiger Formstoff eingesetzt, dessen Fließverhalten allein aufgrund
seines Feuchtigkeitsgehalts von dem Fließverhalten eines trockenen bindemittelfreien
Formstoffs grundlegend abweicht. Somit war es auch in Kenntnis dieses bekannten Verfahrens
nicht vorhersehbar, daß es mit der Erfindung gelingt, ein mit kritischen Partien einschließlich
hohler, nur nach unten offener Innenräume ausgestattetes Vollform-Gießmodell qualitätsgerecht
in den Formstoff einzubetten.
[0011] Nachfolgend wird ein Ausführungsbelspiel der Erfindung anhand der beigefügten Zeichnung
näher erläutert.
[0012] Die Zeichnung zeigt schematisch ein Vollform-Gießmodell 1 aus Polystyrol-Hartschaum
in der extremen Form einer nach unten offenen Kuppel, wobei der Einlauf und etwaige
Speiser nicht mit dargestellt sind. Das Modell 1 ist in einem sanddichten Formbehälter
2 befestigt. Die Lage des Modells derart, daß sich sein hohler Innenraum 3 nur nach
unten öffnet, ist gießtechnisch bedingt und ist die Ursache für die beim Einbetten
des Modells in den Formstoff 4 (in diesem Beispiel trockener Quarzsand auftretenden
Probleme. Bei einer Lage des Modells derart, daß sich der Innenraum 3 nach oben oder
zur Seite hin öffnet, würden die Probleme beim Einbetten durch die bekannte Vibrationstechnik
voraussichtlich beherrschbar sein, aber diese beiden Lagen sind gießtechnisch ungünstig.
[0013] Der Formbehälter 2 ist auf einem Vibrationstisch 5 befestigt, der mit zwei mit leicht
unterschiedlicher Frequenz betriebenen Schwingungserregern in Schwebungen versetzt
wird, die sich auf den einlaufenden Formstoff 4 übertragen. Die Schwingungserreger
sind nicht weiter dargestellt. Sie können in üblicher Weise durch Druckluft oder elektromotorisch
angetrieben sein und werden dementsprechend entweder pneumatisch oder elektrisch geregelt.
Ihre Anordnung kann so getroffen sein, daß sie beide vertikal auf den Vibrationstisch
5 einwirken oder daß einer vertikal und der andere horizontal auf den Vibrationstisch
5 einwirkt.
[0014] Die Kenndaten für die Grundschwingungen und die resultierenden Schwebungen sind einerseits
vom Typ und von der Auslegung der Vibrationsanlage und andererseits auch von der Gestalt
des einzubettenden Modells (Art und Lage der Hinterschneidungen) abhängig. Typische
Bereiche (bei kombiniert horizontaler und vertikaler Einleitung der Grundschwingungen)
sind folgende:
Grundschwingungen |
vertikale Grundamplitude |
0,3 bis 0,6 mm |
vertikale Grundfrequenz |
25 bis 50 Hz |
horizontale Grundamplitude |
0,05 bis 0,15 mm |
horizontale Grundfrequenz |
25 bis 50 Hz |
Resultierende Schwebungen |
resultierende Grundfrequenz |
25 bis 50 Hz |
resultierende Amplitude |
min 0,10 mm / max 1,00 mm |
vorzugsweise |
min 0,15 mm / max 0,75 mm |
Frequenz der Schwebungen |
0,3 bis 5,0 Hz |
vorzugsweise |
0,5 bis 2,0 Hz |
[0015] Es können für besonders komplexe Modelle auch andere, von diesen typischen Bereichen
abweichende Kenndaten in Betracht kommen. Die jeweils optimalen Werte lassen sich
für jeden Anwendungsfall durch einfache Versuche ermitteln.
[0016] In der Zeichnung ist ein Zustand während des Einlaufens des Formstoffes 4 angenommen.
Der Formstoff wird in Pfeilrichtung 6 (mit einer in den einzelnen Füllebenen vorzugsweise
konstanten Geschwindigkeit, deren Wert wiederum von dem einzubettenden Modell abhängt)
zugeführt und steigt dabei aufgrund der in den Formbehälter eingeleiteten Schwebungen
nach Art einer Flüssigkeit stetig nach oben, und zwar sowohl außerhalb als auch innerhalb
des Innenraumes 3, wie durch die Pfeile 7 und 8 angedeutet. Sobald der Formbehälter
auf diese Weise bis zu seiner Oberkante gefüllt ist, ist auch der Innenraum 3 mit
Sicherheit qualitätsgerecht gefüllt, ohne daß dafür noch weitere Maßnahmen erforderlich
sind.
[0017] Die in der Zeichnung für das extreme Beispiel einer nach unten offenen Kuppel erläuterte
Wirkung tritt auch bei anderen kritischen Partien eines Modells in gleicher Weise
ein, so daß die Erfindung auch bei schwierigsten Konturen des Modells erfolgreich
einsetzbar ist.
[0018] Im übrigen ist die Erfindung nicht auf die Verwendung von Quarzsand beschränkt, sondern
bei jedem trockenen rieselfähigen Formstoff anwendbar. Dies schließt auch Eisengranalien
ein, die bei dem (eine Variante des Vollformgießverfahrens darstellenden) Magnetformgießverfahren
verwendet werden.
1. Verfahren zum Einbetten von Modellen für das Vollformgießverfahren unter Verwendung
von rieselfähigem, bindemittelfreiem Formstoff, dadurch gekennzeichnet, daß der Formstoff während seines Einlaufens in den Formbehälter in Schwebungen versetzt
wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwebungen aus zwei in der Amplitude gleichen oder nahezu gleichen Grundschwingungen
erzeugt werden, die eine regelbare, leicht unterschiedliche Grundfrequenz und/oder
Grundphase aufweisen.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Grundschwingungen in horizontaler und/oder vertikaler Richtung auf den Formbehälter
einwirken.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß mit einer Schwebungsfrequenz von 0,3 bis 5 Hz (vorzugsweise 0,5 bis 2,0 Hz) bei
Schwebungsamplituden zwischen minimal 0,10 mm (vorzugsweise 0,15 mm) und maximal 1,00
mm (vorzugsweise 0,75 mm) gearbeitet wird.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Formstoff mit einer in den einzelnen Füllebenen weitgehend konstanten Einlaufgeschwindigkeit
in den Formbehälter eingefüllt wird.