[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Zellstoffgewinnung und nach diesem Verfahren
erhältlichen gebleichten Zellstoff und Chemiezellstoff. Mit diesem Verfahren können
darüber hinaus Lignin und Hemicellulosen gewonnen werden.
[0002] Herkömmliche Verfahren zur Zellstoffgewinnung wie das Sulfit- und das Sulfatverfahren
führen zu schwefelhaltigen Ablaugen, bei deren Verbrennung SO₂-haltige Abgase entstehen.
Die hohen Restligningehalte der Zellstoffe von 4 bis 5 Gew.% erfordern große Mengen
an Bleichchemikalien, die zu chlorierten organischen Verbindungen in Abwässern führen.
Nachteilig bei diesen Verfahren ist weiterhin, daß wegen der Chemikalienrückgewinnung
durch Ablaugenverbrennung Anlagen mit einer Mindestgröße von 1000 tato Zellstoff erforderlich
sind.
[0003] In der US-A-3 553 076 wird der Holzaufschluß mit wäßriger Essigsäure unter Druck
bei 150 bis 205°C beschrieben, wobei Zellstoffe mit Restligningehalten von 2 bis 3
Gew.% (entsprechend Kappazahlen von 12 bis 20) erhalten werden. Nach der DE-A-34 35
132 läßt sich Holz bereits bei Normaldruck aufschließen, wenn der Essigsäure katalytische
Mengen Salzsäure zugegeben werden (Acetosolvverfahren). Allerdings erniedrigen sich
die Restligningehalte der Zellstoffe dadurch nicht, und Chloridionen wirken in Gegenwart
von Essigsäure stark korrodierend.
[0004] Andere Mineralsäuren wie Schwefelsäure, Phosphorsäure, Perchlorsäure, MgCl₂ oder
Salpetersäure wurden als Katalysatoren beim Holzaufschluß mit Essigsäure untersucht,
die jedoch durchweg Zellstoffe mit höheren Restligningehalten ergaben und zu Problemen
bei der Rückgewinnung der Mineralsäuren führen.
[0005] Auch Ameisensäure wurde als Mittel für den Holzaufschluß vorgeschlagen. So wurden
in einem Zweistufenverfahren Hackschnitzel in der ersten Stufe mit Ameisen- oder Essigsäure
behandelt und in der zweiten Stufe Wasserstoffperoxid hinzugegeben und auf 70 bis
100°C erwärmt. Die hierfür erforderlichen Mengen Wasserstoffperoxid sind im Hinblick
auf eine wirtschaftliche Verfahrensführung jedoch zu hoch (Poppius et al., Paper and
Timber
73 (2) 154-158 (1991).
[0006] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zur Zellstoffgewinnung bereitzustellen,
wodurch Zellstoffe mit deutlich niedrigerem Restlignin erhalten werden.
[0007] Gelöst wird diese Aufgabe durch ein Verfahren, in dem Lignocellulosen mit wäßriger
Essigsäure unter Druck und Zugabe von Ameisensäure erhitzt werden.
[0008] Als Ausgangslignocellulosen können Holz oder Einjahrespflanzen eingesetzt werden.
Vorzugsweise liegt die Aufschlußtemperatur zwischen 130 und 190°C. Die Konzentration
der Essigsäure im Aufschlußmedium liegt vorzugsweise zwischen 50 und 95 Gew.%, die
der Ameisensäure von 5 bis 40 Gew.% und die des Wassers unter 50 Gew.%. Das Gewichtsverhältnis
der Lignocellulose zur Aufschlußlösung beträgt vorzugsweise 1:1 bis 1:12.
[0009] Gemäß einer anderen Ausführungsform kann das Verfahren auch zur Gewinnung von Lignin
und Hemicellulosen aus Lignocellulosen eingesetzt werden. Die Verfahrensführung kann
kontinuierlich und diskontinuierlich erfolgen, wobei im Falle einer kontinuierlichen
Verfahrensführung die zerkleinerte Lignocellulose in einen Druckkocher eingetragen
wird, in dem sie im Gegenstrom von der Aufschlußlösung extrahiert wird und den Kocher
auf der anderen Seite in extrahierter Form kontinuierlich verläßt. Dabei können beispielsweise
2 bis 20 Aufschlußgefäße hintereinander geschaltet werden.
[0010] Gemäß weiteren bevorzugten Ausführungsformen sind die Zerfaserung des Zellstoffs
und der Waschprozeß des Zellstoffs in die erfindungsgemäßen Verfahren eingeschlossen.
Die Lignocellulosen können zur Entfernung der Inhaltsstoffe mit einem Lösemittel vorextrahiert
und der Aufschlußlösung können Acetanhydrid und Bleichmittel zugegeben werden. Gemäß
einer weiteren bevorzugten Ausführungsform werden die Lignocellulosen vor der Eingabe
in das Aufschlußgefäß mit Ameisensäure, Essigsäure, Essigsäureanhydrid oder deren
Dämpfen imprägniert. Die Imprägnierung kann auch mit einem Lösungsmittel oder dessen
Dämpfen, das mit Wasser ein Aceotrop bildet, vorgenommen werden.
[0011] Die ebenfalls mit einem hohen Reinheitsgrad anfallenden Lignine und Hemicellulosen
können beispielsweise zur Leimherstellung verwendet werden.
[0012] Das erfindungsgemäße Verfahren besitzt gegenüber den konventionellen Verfahren zur
Zellstoffgewinnung den Vorteil, daß es keine anorganischen Aufschlußchemikalien verwendet
und damit keine SO₂-haltigen Abgase oder schwermetallhaltigen Abwässer entstehen.
Die Zellstoffe lassen sich mit Ozon in Essigsäure und/oder Wasserstoffperoxid bleichen,
wobei weder Chlor noch schwermetallhaltige Abwässer gebildet werden. Ameisen- und
Essigsäure werden durch Destillation zurückgewonnen, so daß das Lignin und die Hemicellulosen
zwecks Chemikalienrückgewinnung nicht verbrannt zu werden brauchen. Ein weiterer Vorteil
besteht darin, daß die Aufschlußtemperatur von etwa 10°C niedriger als bei den herkömmlichen
Verfahren liegt, wodurch die Energiekosten erheblich verringert werden.
[0013] Der erfindungsgemäß erhaltene Zellstoff hat einen deutlich niedrigeren Restligningehalt
und verbesserte Eigenschaften. Aus der Tabelle 1 geht hervor, daß der Zusatz von 10
Gew.% Ameisensäure unter sonst gleichen Aufschlußbedingungen bei Fichtenzellstoff
eine Reduzierung der Kappazahl von 15,6 auf 3,6, entsprechend einem Ligningehalt von
2,5 auf 0,5 bewirkt, während die Ausbeute nur geringfügig abfällt.
[0014] Ähnliches gilt für Pappel- und Miscanthus-Zellstoff (Tab. 1). Entsprechend steigen
die Weißgrade der drei Zellstoffe um 8 bis 15 % an. Niedrige Kappazahlen und höhere
Weißgrade bedeuten einen geringeren Einsatz der teuren Bleichchemikalien, die für
die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens von Bedeutung sind.
[0015] In Tab. 1 werden die Zellstoffeigenschaften nach Aufschluß (2h, 180 °C, Pappel- und
Miscanthus 170 °C) mit 85 %iger Essigsäure und mit 85 %iger Essigsäure und 10 % Ameisensäure
verglichen. Wie aus dieser Tabelle hervorgeht, nehmen auch die Festigkeitseigenschaften
der mit Ameisensäurezusatz erhaltenen Zellstoffe deutlich zu. Dies gilt insbesondere
für die Durchreißfestigkeit, die allgemein bei sauren Aufschlußverfahren niedriger
ist als bei alkalischen, wie beispielsweise dem Sulfatverfahren. Da Sulfatzellstoffe
heute allgemein für die Papierherstellung als Standard angesehen werden, kommt der
Erhöhung der Durchreißfestigkeit bei dem erfindungsgemäßen Verfahren besondere Bedeutung
zu.
Tabelle 1
| |
Essigsäure 85 % |
Essigsäure 85 % + Ameisensäure 10 % |
| |
Fichte |
Pappel |
Misc. |
Fichte |
Pappel |
Misc. |
| Kappazahl |
15,6 |
9,2 |
13,3 |
3,6 |
3,1 |
3,2 |
| Ausbeute (%) |
49,0 |
50,1 |
48,5 |
46,8 |
50,3 |
48,2 |
| Weißgrad (% ISO) |
20,3 |
20,0 |
25,9 |
28,0 |
34,7 |
33,8 |
| GVZ (ml/g) |
1050,0 |
1005,0 |
1022,0 |
1179,0 |
849,5 |
1012,0 |
| DPW |
3035,0 |
2850,0 |
2910,0 |
3490,0 |
2430,0 |
2870,0 |
| Durchreißf. * (cN) |
59,1 |
31,1 |
51,5 |
77,1 |
42,7 |
90,4 |
| Berstfläche * (m²) |
62,9 |
31,4 |
24,6 |
70,9 |
38,0 |
43,9 |
| Reißlänge * (km) |
10,3 |
7,5 |
5,2 |
11,4 |
7,3 |
8,1 |
| R-10 (%) |
90,1 |
85,8 |
88,5 |
93,6 |
89,4 |
91,0 |
| Mannose (%) |
- |
2,3 |
- |
0,5 |
1,2 |
0,2 |
| Xylose (%) |
- |
5,4 |
- |
1,5 |
2,4 |
3,3 |
| Glucose (%) |
- |
92,3 |
- |
94,2 |
93,5 |
96,2 |
| * Papierfestigkeiten beim Mahlgrad 30 ° SR |
[0016] In dieser Tabelle bedeuten GVZ die Grenzviskositätszahl nach Staudinger, DPW den
Polymerisationsgrad und R-10 den restlichen Zellstoff, der in 10%iger NaOH unlöslich
ist.
[0017] Der aus Tab. 1 ebenfalls ersichtliche Anstieg der R-10 Werte im Zusammenhang mit
den niedrigen Xylose- und Mannosegehalten bedeutet niedrigere Hemicellulosegehalte
der mit Ameisensäurezusatz erhaltenen Zellstoffe und damit ihre Eignung als Ausgangsstoffe
(Chemiezellstoffe) für die Herstellung von Cellulosederivaten. Das erfindungsgemäße
Verfahren bietet insbesondere Vorteile bei der Herstellung von Celluloseacetat, weil
bei ihm die Vorquellung des Zellstoffes in Essigsäure vor der Acetylierung sowie eine
Essigsäure-Rückgewinnungsstufe entfallen.
[0018] Die optimale Ameisensäurekonzentration hängt ab von der Aufschlußtemperatur, der
Aufschlußzeit, der Holzart und dem Wassergehalt des Aufschlußmediums. Wie aus Tab.
2 hervorgeht, überwiegt bei 190 °C mit 20 %iger Ameisensäure bereits nach 1 h die
Ligninkondensation, weshalb in Tab. 1 ein zweistündiger Aufschluß mit 10 %iger Ameisensäure
bei 180 bzw. 170 % gewählt wurde. Die Essigsäurekonzentration in Tab. 2 beträgt 85
%.

[0019] Die Ameisensäure erhöht die Acidität des Aufschlußmediums und damit den Ligninabbau,
während die Ligninkondensationen langsamer zunehmen. Gegenüber Mineralsäuren als Katalysatoren
erscheint die Selektivität der Ameisensäure beim Ligninabbau erhöht. Außerdem erhöht
die Ameisensäure die Löslichkeit des Lignins im Auschlußmediums.
[0020] Die chlorfreie Bleiche der nach dem erfindungsgemäßen Verfahren erhaltenen Zellstoffe
ist gegenüber der von konventionellen Zellstoffen grundlegend vereinfacht. Während
man bei der konventionellen Zellstoffbleiche heute üblicherweise fünf Bleichstufen
mit Sauerstoff, Peroxid, Ozon, Natronlauge und eventuell Chlordioxid benötigt, sind
für die Bleiche des erfindungsgemäßen Verfahrens zwei bis drei Bleichstufen mit geringen
Mengen Ozon in Essigsäure und/oder Peressigsäure ausreichend.
[0021] Bei den folgenden Beispielen beziehen sich die Prozentangaben auf das Gewicht.
Beispiel 1
[0022] Fichtenholzhackschnitzel (20 x 35 x 5-6 mm) mit einem Feuchtigkeitsgehalt von 8 %
wurden mit der 6-fachen Gewichtsmenge 85 %iger Essigsäure übergossen, die 10 % Ameisensäure
enthielt, und in einem Drehautoklaven 2 Stunden auf 180 °C erhitzt (Aufheizzeit 40
min). Danach wurde durch Abdampfen eines Teiles der Kochlauge auf unter 100 °C abgekühlt,
der Faserstoff auf einer Nutsche abgepreßt und mit 85 %iger Essigsäure nachgewaschen.
Der Filterkuchen wurde mit einem Labormischer in einem großen Becherglas unter 85
%iger Essigsäure aufgeschlagen und erneut abgenutscht. Der erhaltene Zellstoff war
splitterfrei und hatte die in Tab. 1 angegebenen Eigenschaften.
[0023] Zum Vergleich wurden Fichtenhackschnitzel mit 85 %iger Essigsäure, die keine Ameisensäure
enthielt, unter sonst gleichen Bedingungen aufgeschlossen und aufgearbeitet. Die Eigenschaften
des unter diesen Bedingungen erhaltenen Zellstoffes sind ebenfalls in Tab. 1 angegeben.
[0024] Der unter Ameisensäurezusatz erhaltene Fichtenzellstoff (Tab. 1) wurde auf einer
Nutsche mit Eisessig gewaschen, auf eine Konsistenz von 35 % abgepreßt, in einer Kaffeemühle
30 sec. aufgeflufft und anschließend in einem Rundkolben am Rotationsverdampfer mit
einem 3 %igen Ozon-Sauerstoff-Gemisch begast. Danach wurde der Zellstoff auf einer
Nutsche zuerst mit Wasser und danach mit einer 0,2 %igen Peressigsäurelösung in Wasser
gewaschen, auf 15 %ige Konsistenz abgepreßt, 1 h bei 80 °C erhitzt und abschließend
auf der Nutsche mit Wasser gewaschen. Der gebleichte Fichtenzellstoff hat die in Tab.
3 angegebenen Eigenschaften.
[0025] In einem zweiten Ansatz wurde Fichtenzellstoff bei 15 %iger Konsistenz nur mit Peressigsäure,
zuerst in Essigsäure mit 0,7 % bei 80 °C, 90 min, und danach in Wasser mit 1,3 % bei
80 °C, 120 min, gebleicht. Die Ergebnisse finden sich ebenfalls in Tab. 3.
Beispiel 2
[0026] Hackschnitzel (80 x 20 x 5 mm) einer sechsjährigen Pappel (Populus nigra vom Klon
"Rapp") mit einem Feuchtegehalt von 10 % wurden mit der sechsfachen Menge einer 85
%igen Essigsäure, die 10 % Ameisensäure enthielt, übergossen und zwei Stunden im Drehautoklaven
auf 170 °C erhitzt. Die Aufarbeitung, Zerfaserung und Wäsche des Zellstoffes erfolgte
wie in Beispiel 1 für Fichtenzellstoff beschrieben. Die Zellstoffeigenschaften sind
in Tab. 1 wiedergegeben.
[0027] Die Bleiche des Zellstoffes erfolgte in zwei Stufen mit Peressigsäure, zuerst mit
0,7 % in 6,6 Teilen Eisessig 90 min bei 80 °C, und danach mit 1,3 % Peressigsäure
in 6,6 Teilen Wasser 120 min bei 80 °C. Die Eigenschaften des gebleichten Zellstoffes
sind in Tab. 3 wiedergegeben.
Beispiel 3
[0028] Auf eine Länge von 2,5 cm gehäckselte Stengel von Miscanthus sinensis "Giganteus"
mit einem Feuchtegehalt von 18 % wurden mit der zehnfachen Menge 85 %iger Essigsäure,
die 10 % Ameisensäure enthielt, übergossen und in einem Drehautoklaven 2 h auf 170
°C erhitzt (Aufheizzeit 40 min). Aufarbeitung, Zerfaserung und Wäsche des Zellstoffes
erfolgte wie in Beispiel 1 für Fichtenzellstoff beschrieben. Der Zellstoff war splitterfrei.
Seine Eigenschaften ergeben sich aus Tab. 1 und sind denen von unter gleichen Bedingungen,
aber unter Ausschluß der Essigsäure erhaltenen Zellstoffen gegenübergestellt.
[0029] Die Bleiche des Zellstoffes erfolgte zweistufig mit Peressigsäure, wie für Pappelzellstoff
unter Beispiel 2 beschrieben. Die Eigenschaften des gebleichten Zellstoffes finden
sich in Tab. 3.
Beispiel 4
[0030] Fichtenhackschnitzel der unter Beispiel 1 angegebenen Art wurden mit der sechsfachen
Menge 85%iger Essigsäure übergossen, die in vier Ansätzen 5, 10, 15 oder 20 % Ameisensäure
enthielt, und im Drehautoklaven je 1 h auf 190 °C erhitzt. Aufarbeitung, Zerfaserung
und Wäsche der erhaltenen Zellstoffe erfolgte in gleicher Weise wie bei Beispiel 1.
Danach waren die Zellstoffe splitterfrei. Ihre Restligningehalte, Weißgrade und Ausbeuten
ergeben sich aus Tab. 2.
Tabelle 3
| Eigenschaften der mit Ozon (Z) und Peressigsäure (Pa) gebleichten Zellstoffe beim
Mahlgrad 20 SR |
| Zellstoff |
Bleichmittel |
Menge (%) |
Weißgrad (% ISO) |
Reißlänge (km) |
Berstfläche (m²) |
Durchreißf. (cN) |
| Fichte |
Z/Pa |
0,6/1,3 |
84,3 |
9,315 |
52,5 |
76,7 |
| Pa/Pa |
0,7/1,3 |
72,1 |
9,113 |
50,3 |
79,1 |
| Pappel |
Pa/Pa |
0,7/1,3 |
83,4 |
6,68 |
28,8 |
46,0 |
| Miscanthus |
Pa/Pa |
0,7/1,3 |
83,0 |
6,933 |
35,6 |
89,6 |
Beispiel 5
A. Aufschluß
[0031] Kocher: 2,5 x 10 m = 49 m³
Aufschlußlösung: Essigsäure/Wasser/Ameisensäure (75:15:10)
Temperatur: 160 - 180°C
Zeit: 1 - 2 h
Flottenverhältnis: 1 : 5
Für die Versuchsphase ist ein Kocher ausreichend (Batch-Verfahren, 25 t Zellstoff/d),
während für die Produktion 6 bis 12 Kocher hintereinander geschaltet werden (semikontinuierliches
Verfahren, maximal 300 t Zellstoff/d). Erst durch das Hintereinanderschalten mehrer
Kocher ist eine Extraktion der Hackschnitzel nach dem Gegenstromprinzip mit optimaler
Nutzung der Aufschlußlösung möglich. Die Aufheizung der Hackschnitzel erfolgt durch
Umpumpen der extern in Wärmetauschern beheizten Aufschlußlösung.
B. Bleiche mit Wasserstoffperoxid
[0032] Die erste Bleichstufe erfolgt mit 1 bis 2 % Wasserstoffperoxid im Kocher nach Beendigung
des Aufschlusses und Verdrängen des Extraktes durch frische Aufschlußlösung, 1 bis
2 Stunden bei 70 bis 90°C. Eine gleichmäßige Verteilung des H₂O₂ erfolgt durch Umpumpen
der Bleichlösung, deren Zusammensetzung, bis auf das H₂O₂, sich von der Aufschlußlösung
nicht unterscheidet. Das wirksame Agens ist Peressigsäure, deren Bildung durch die
anwesende Ameisensäure katalysiert wird.
C. Sortierung
[0033] Die Sortierung besteht in einer Nachdefibrierung (Separation), Grobsortierung und
Reinigung. Für die ersten beiden Schritte wird ein mit Rührarmen ausgestatteter Schlitzsortierer,
Schlitzweite etwa 0,4 mm, nach Art einer Rohrschleuder und für die Reinigung ein Hydrozyklon
vorgeschlagen. Der Diffuseur (Eindicker) muß sehr effektiv sein, um von einer Stoffdichte
von etwa 1 %, die für die Sortierung erforderlich ist, auf mindestens 8 % zu kommen,
von der aus in einer Schneckenpresse eine Konsistenz von etwa 40 % für die Ozonbleiche
erreicht werden muß.
[0034] In der Sortierung erfolgt gleichzeitig die Zellstoffwäsche. Eine gesonderte Wäsche,
wie bei den konventionellen Verfahren, ist nicht erforderlich, da keine anorganischen
Aufschlußchemikalien auszuwaschen sind und der den Kocher verlassende Zellstoff kaum
noch Lignin enthält. Die Effektivität der Sortierung läßt sich durch mehrere hintereinandergeschaltete
Rohrschleudern bzw. Zyklone verbessern.
D. Ozonbleiche
[0035] Die Ozonbleiche erfolgt in einer Drehtrommel bei 20 bis 50°C und einer Stoffdichte
von etwa 40 %, wobei die Verweilzeit des Zellstoffes mindestens 10 min betragen sollte,
Ozonmenge etwa 0,5 %, berechnet auf Zellstoff. Weger der guten Löslichkeit des Ozons
in Essigsäure ist ein Auffluffen des Zellstoffes nicht erforderlich.
[0036] Wegen der Explosionsgefahr von Essigsäuredämpfen mit Sauerstoff-Ozon-Gemischen ist
eine explosionsgeschützte Ausführung der Drehtrommel erforderlich. Die Abgase sollten
im Kreislauf bzw. einem geschlossenen System gehalten werden. Mit dem Zellstoff ausgetragenes
Ozon zersetzt sich innerhalb einer gewissen Zeit. Eine Kontrolle in der Destillationskolonne
erscheint unbedingt erforderlich, besonders bei hohen Ozondosen (0,5 %). Eventuell
müßte das zur Destillation gelangende Essigsäure/Butylacetat-Gemisch im Vakuum entgast
oder das überschüssige Ozon chemisch beseitigt werden (Prüfung mit KJ-Lösung).
E. Lösungsmittelaustausch
[0037] Nach der Ozonbleiche enthält der Zellstoff noch etwa 60 % Aufschlußlösung, die in
einem Extraktionsturm (2,0 x 10 m) mit Butylacetat verdrängt wird. Da die Quellung
des Zellstoffes in Essigsäure stärker ist als in Butylacetat, sollten im Turm keine
Verstopfungsprobleme auftreten.
[0038] Die Menge des Butylacetats, die zusammen mit der Aufschlußlösung den Turm am Kopf
verläßt, sollte etwa 60 % des Trockengewichtes des Zellstoffes betragen, wenn die
Holzfeuchte der Hackschnitzel 10 % beträgt, weil dann bei der anschließenden Destillation
20 % Wasser, bezogen auf Zellstoffgewicht, als Aceotrop mit Butylacetat die Destillationskolonne
im oberen Teil verläßt. Unter diesen Bedingungen würde das Butylacetat das Lösungsgemisch
vollständig als Aceotrop verlassen, während noch 2,5 % Wasser in der Aufschlußlösung
zurückbleiben, die undestilliert in den Vorratstank zurückfließt. Geringe Mengen von
Extraktstoffen, Furfural etc. verbleiben in der Aufschlußlösung und stören den Aufschluß
nicht. Eine Trennung der Ameisensäure von der Essigsäure durch Destillation ist nicht
erforderlich. Änderungen der Zusammensetzung der Aufschlußlösung (siehe unter A.)
sind durch Zugabe der im Unterschuß vorhandenen Komponente auszugleichen.
F. Austausch des Butylacetats gegen Wasser
[0039] Der Austausch des Butylacetats gegen Wasser erfolgt mit Wasserdampt in einem Desolventizer.
Durch eine dem Desolventizer vorgeschaltete Schneckenpresse wird die Stoffdichte des
Zellstoffes auf etwa 40 % gebracht. Da die Verdampfungsenthalpie des Butylacetats
nur etwa 1/5 von der des Wasser beträgt, verläßt der Zellstoff den Desolventzier mit
12%iger Feuchtigkeit und wird anschließend in einer Presse zu Platten von 1 m² verpreßt.
G. Eindampfen der Ablauge
[0040] Die den Kocher verlassende Ablauge enthält 17 % gelöstes Lignin und Hemicellulosen.
Ihre Aufkonzentration auf eine 50%ige Dicklauge erfolgt in einem sechsstufigen Röhrenverdampfer
mit Druckgefälle unter Ausnutzung der Kondensationswärme der verdampften Aufschlußlösung.
H. Destillation
[0041] Die Destillationskolonne dient nur der Abtrennung des mit den Hackschnitzeln eingetragenen
Wassers aus der Aufschlußlösung als Aceotrop mit Butylacetat. Nach der Abdestillation
des Wassers fließt die Aufschlußlösung undestilliert in den Vorratstank ab. Die Kapazität
der Kolonne richtet sich nach der Hackschnitzelfeuchte. Beträgt diese 10 %, so sind
pro Tonne Zellstoff 200 kg Wasser (zusammen mit etwa 600 kg Butylacetat) abzudestillieren.
[0042] Da die Aufschlußlösung 15 % Wasser enthält, wären pro Tonne Zellstoff 1,333 m³ Aufschlußlösung
+ 0,6 m³ Butylacetat erforderlich. Bei einer Hackschnitzelfeuchte von 20 % verdoppelt
sich die Menge. Es ist daher zu überlegen, ob eine Vortrocknung der Hackschnitzel
möglich ist, was auch auf die Lagerungsfähigkeit der Hackschnitzel von Vorteil wäre.
Eine Trocknung der Hackschnitzel hat keinen Einfluß auf den Holzaufschluß nach dem
Formacell-Verfahren.
I. Sprühtrocknung der Dicklauge
[0043] Labor- und Technikumsversuche haben zu einem Pulver mit etwa 1 % Essigsäure geführt.
K. Allgemeine Bemerkungen
[0044] Bei allen Anlageteilen, die mit der heißen Aufschlußlösung in Berührung kommen, müssen
Stähle verwendet werden, die gegenüber Essigsäure/Ameisensäure/Wassergemischen korrosionsfest
sind. Das gilt insbesondere für den Kocher, die Destillationskolonne und den Sprühtrockner.
Zellstoffqualitäten
[0045] In Tab. 4 sind die Eigenschaften von ungebleichten Fichtenzellstoffen, die nach dem
erfindungsgemäßen Verfahren (Formacell-Verfahren) erhalten wurden, denen von Sulfat-
und Acetosolv-Zellstoffen gegenübergestellt.
Tabelle 4
| |
Formacell |
Sulfat |
Acetosolv |
| Kappazahl |
3,6 |
30,6 |
15,6 |
| Weißgrad (% ISO) |
28,0 |
24,8 |
20,3 |
| GVZ (ml/g) |
1179,5 |
902,2 |
1059,0 |
| DP |
3490 |
2470 |
3035 |
| R-10 (%) |
93,6 |
88,3 |
90,1 |
| Ausbeute (%) |
46,8 |
47,4 |
49,0 |
[0046] Auffällig ist die sehr niedrige Kappazahl des Formacell-Zellstoffes bei nur wenig
erniedrigter Ausbeute gegenüber dem konventionellen Sulfatzellstoff, was einen wesentlich
niedrigeren Bedarf an Bleichchemikalien erfordert. Aufgrund ihres hohen R10-Wertes
eignen sich Formacell-Zellstoffe auch für die Herstellung von Cellulosederivaten.
[0047] Tab. 4 zeigt außerdem die Verbesserungen des Formacell-Verfahrens gegenüber dem früheren
Acetosolv-Verfahren, die vor allem in einer deutlichen Verbesserung der Delignifizierung
und Erhöhung des Weißgrades liegen.
[0048] Abb. 1 zeigt einen Vergleich der Festigkeiten (Reißlänge und Durchreißfestigkeit)
von Formacell- und Sulfatfichtenzellstoff in Abhängigkeit vom Mahlgrad.

[0049] Während die Reißlänge von Formacell-Fichtenzellstoff bei allen Mahlgraden über den
Werten des Sulfatzellstoffes liegt, ist die Durchreißfestigkeit des Formacell-Zellstoffes
niedriger. Insgesamt ist das Festigkeitspotential des Formacell-Zellstoffes mit dem
des Sulfatzellstoffes in etwa vergleichbar.
[0050] Noch günstigere Werte werden bei Miscanthus-Zellstoffen erhalten, wie aus Tab. 5
hervorgeht. Hier werden nicht nur niedrigere Kappazahlen und höhere Weißgrade, sondern
auch deutlich höhere Durchreißfestigkeiten als nach dem konventionellen Soda-Verfahren
erhalten. In neueren Untersuchungen konnten sogar noch höhere Durchreißfestigkeiten,
die denen von Fichtensulfatzellstoffen nahe kommen, erhalten werden. Da das Formacell-Verfahren
im Gegensatz zum Soda-Verfahren keine Natriumsilikat-haltigen Ablaugen erzeugt, ist
es für den Aufschluß von Einjahrespflanzen besonders geeignet.
Tab.5
| Eigenschaften von Miscanthus-Zellstoffen, die nach drei verschiedenen Verfahren erhalten
wurden |
| |
Formacell |
Soda |
Acetosolv |
| Kappazahl |
3,2 |
27,2 |
13,2 |
| Weißgrad (% ISO) |
33,8 |
26,6 |
25,9 |
| GVZ (ml/g) |
1012 |
1010 |
1022,5 |
| DP |
2870 |
2870 |
2910 |
| R-10 |
91,0 |
-- |
88,5 |
| Ausbeute (%) |
48,2 |
54,6 |
48,5 |
| Durchrf. (cN) |
90,4 |
63,2 |
51,5 |
| Berstfl. (m²) |
43,9 |
41,2 |
24,6 |
| Reißlänge (km) |
8,1 |
7,08 |
5,2 |
1. Verfahren zur Gewinnung von Zellstoffen, Lignin und Hemicellulosen aus Lignocellulosen
durch Erhitzen auf 130 bis 190 °C unter Druck in einem Aufschlußmedium, dadurch gekennzeichnet,
daß das Aufschlußmedium 50 bis 95 Gew.% Essigsäure, 5 bis 40 Gew.% Ameisensäure und
bis zu 50 Gew.% Wasser enthält.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Lignocellulose Holz oder
eine Einjahrespflanze ist.
3. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der
Feuchtgehalt der Lignocellulose durch eine Vorbehandlung bei erhöhter Temperatur oder
durch Lösungsmitteldämpfe reduziert werden kann.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das
Gewichtsverhältnis der Lignocellulose zur Aufschlußlösung 1 : 1 bis 1 : 12 beträgt.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die
zerkleinerte Lignocellulose kontinuierlich in einen Druckkocher eingetragen wird,
in dem sie im Gegenstrom von der Aufschlußlösung extrahiert wird und den Kocher auf
der anderen Seite in extrahierter Form kontinuierlich verläßt.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß eine kontinuierliche Extraktion
dadurch erreicht wird, daß 2 bis 20 Aufschlußgefäße hintereinandergeschaltet sind
und die Aufschlußlösung die Lignocellulose im Gegenstrom extrahiert.
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die
Zerfaserung des Zellstoffes eingeschlossen ist.
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der
Waschprozeß des Zellstoffes in die kontinuierliche Extraktion eingeschlossen ist.
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die
Lignocellulose mit einem Lösungsmittel zur Entfernung der Inhaltsstoffe vorextrahiert
wird.
10. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der
Aufschlußlösung Acetanhydrid zugegeben wird.
11. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der
Aufschlußlösung ein Bleichmittel zugegeben wird.
12. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die
Lignocellulose vor der Eingabe in das Aufschlußgefäß mit Ameisensäure, Essigsäure,
Essigsäureanhydrid oder deren Dämpfen imprägniert wird.
13. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die
Lignocellulose mit einem Lösungsmittel oder dessen Dämpfen imprägniert wird, das mit
Wasser ein Aceotrop bildet.
14. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das
Bleichen des Zellstoffs eingeschlossen ist.