(19)
(11) EP 0 584 675 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
02.03.1994  Patentblatt  1994/09

(21) Anmeldenummer: 93113002.5

(22) Anmeldetag:  13.08.1993
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5D21C 3/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT CH DE ES GB IT LI NL PT SE

(30) Priorität: 25.08.1992 DE 4228171

(71) Anmelder: GEBRÜDER KÄMMERER PROJEKT AGENTUR GmbH
D-49084 Osnabrück (DE)

(72) Erfinder:
  • Nimz, Horst Harry Hermann
    D-21031 Hamburg (DE)
  • Schöne, Martin
    D-22049 Hamburg (DE)

(74) Vertreter: Minderop, Ralph H., Dr. rer. nat. 
Cohausz & Florack Patentanwälte Postfach 33 02 29
D-40435 Düsseldorf
D-40435 Düsseldorf (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Holzaufschluss mit Essigsäure unter Zusatz von Ameisensäuren


    (57) In einem Verfahren zur Gewinnung von Zellstoffen aus Lignocellulosen erfolgt die Gewinnung durch Erhitzen mit wäßriger Essigsäure unter Druck und Zugabe von Ameisensäure, wobei ein Zellstoff mit einem sehr niedrigen Restligningehalt erhalten wird, der sich mit Ozon und Peressigsäure zu hohen Weißgraden bleichen läßt, und Essig- und Ameisensäure durch Destillation zurückgewonnen werden, so daß Abwässer deshalb nicht anfallen.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Zellstoffgewinnung und nach diesem Verfahren erhältlichen gebleichten Zellstoff und Chemiezellstoff. Mit diesem Verfahren können darüber hinaus Lignin und Hemicellulosen gewonnen werden.

    [0002] Herkömmliche Verfahren zur Zellstoffgewinnung wie das Sulfit- und das Sulfatverfahren führen zu schwefelhaltigen Ablaugen, bei deren Verbrennung SO₂-haltige Abgase entstehen. Die hohen Restligningehalte der Zellstoffe von 4 bis 5 Gew.% erfordern große Mengen an Bleichchemikalien, die zu chlorierten organischen Verbindungen in Abwässern führen. Nachteilig bei diesen Verfahren ist weiterhin, daß wegen der Chemikalienrückgewinnung durch Ablaugenverbrennung Anlagen mit einer Mindestgröße von 1000 tato Zellstoff erforderlich sind.

    [0003] In der US-A-3 553 076 wird der Holzaufschluß mit wäßriger Essigsäure unter Druck bei 150 bis 205°C beschrieben, wobei Zellstoffe mit Restligningehalten von 2 bis 3 Gew.% (entsprechend Kappazahlen von 12 bis 20) erhalten werden. Nach der DE-A-34 35 132 läßt sich Holz bereits bei Normaldruck aufschließen, wenn der Essigsäure katalytische Mengen Salzsäure zugegeben werden (Acetosolvverfahren). Allerdings erniedrigen sich die Restligningehalte der Zellstoffe dadurch nicht, und Chloridionen wirken in Gegenwart von Essigsäure stark korrodierend.

    [0004] Andere Mineralsäuren wie Schwefelsäure, Phosphorsäure, Perchlorsäure, MgCl₂ oder Salpetersäure wurden als Katalysatoren beim Holzaufschluß mit Essigsäure untersucht, die jedoch durchweg Zellstoffe mit höheren Restligningehalten ergaben und zu Problemen bei der Rückgewinnung der Mineralsäuren führen.

    [0005] Auch Ameisensäure wurde als Mittel für den Holzaufschluß vorgeschlagen. So wurden in einem Zweistufenverfahren Hackschnitzel in der ersten Stufe mit Ameisen- oder Essigsäure behandelt und in der zweiten Stufe Wasserstoffperoxid hinzugegeben und auf 70 bis 100°C erwärmt. Die hierfür erforderlichen Mengen Wasserstoffperoxid sind im Hinblick auf eine wirtschaftliche Verfahrensführung jedoch zu hoch (Poppius et al., Paper and Timber 73 (2) 154-158 (1991).

    [0006] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zur Zellstoffgewinnung bereitzustellen, wodurch Zellstoffe mit deutlich niedrigerem Restlignin erhalten werden.

    [0007] Gelöst wird diese Aufgabe durch ein Verfahren, in dem Lignocellulosen mit wäßriger Essigsäure unter Druck und Zugabe von Ameisensäure erhitzt werden.

    [0008] Als Ausgangslignocellulosen können Holz oder Einjahrespflanzen eingesetzt werden. Vorzugsweise liegt die Aufschlußtemperatur zwischen 130 und 190°C. Die Konzentration der Essigsäure im Aufschlußmedium liegt vorzugsweise zwischen 50 und 95 Gew.%, die der Ameisensäure von 5 bis 40 Gew.% und die des Wassers unter 50 Gew.%. Das Gewichtsverhältnis der Lignocellulose zur Aufschlußlösung beträgt vorzugsweise 1:1 bis 1:12.

    [0009] Gemäß einer anderen Ausführungsform kann das Verfahren auch zur Gewinnung von Lignin und Hemicellulosen aus Lignocellulosen eingesetzt werden. Die Verfahrensführung kann kontinuierlich und diskontinuierlich erfolgen, wobei im Falle einer kontinuierlichen Verfahrensführung die zerkleinerte Lignocellulose in einen Druckkocher eingetragen wird, in dem sie im Gegenstrom von der Aufschlußlösung extrahiert wird und den Kocher auf der anderen Seite in extrahierter Form kontinuierlich verläßt. Dabei können beispielsweise 2 bis 20 Aufschlußgefäße hintereinander geschaltet werden.

    [0010] Gemäß weiteren bevorzugten Ausführungsformen sind die Zerfaserung des Zellstoffs und der Waschprozeß des Zellstoffs in die erfindungsgemäßen Verfahren eingeschlossen. Die Lignocellulosen können zur Entfernung der Inhaltsstoffe mit einem Lösemittel vorextrahiert und der Aufschlußlösung können Acetanhydrid und Bleichmittel zugegeben werden. Gemäß einer weiteren bevorzugten Ausführungsform werden die Lignocellulosen vor der Eingabe in das Aufschlußgefäß mit Ameisensäure, Essigsäure, Essigsäureanhydrid oder deren Dämpfen imprägniert. Die Imprägnierung kann auch mit einem Lösungsmittel oder dessen Dämpfen, das mit Wasser ein Aceotrop bildet, vorgenommen werden.

    [0011] Die ebenfalls mit einem hohen Reinheitsgrad anfallenden Lignine und Hemicellulosen können beispielsweise zur Leimherstellung verwendet werden.

    [0012] Das erfindungsgemäße Verfahren besitzt gegenüber den konventionellen Verfahren zur Zellstoffgewinnung den Vorteil, daß es keine anorganischen Aufschlußchemikalien verwendet und damit keine SO₂-haltigen Abgase oder schwermetallhaltigen Abwässer entstehen. Die Zellstoffe lassen sich mit Ozon in Essigsäure und/oder Wasserstoffperoxid bleichen, wobei weder Chlor noch schwermetallhaltige Abwässer gebildet werden. Ameisen- und Essigsäure werden durch Destillation zurückgewonnen, so daß das Lignin und die Hemicellulosen zwecks Chemikalienrückgewinnung nicht verbrannt zu werden brauchen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß die Aufschlußtemperatur von etwa 10°C niedriger als bei den herkömmlichen Verfahren liegt, wodurch die Energiekosten erheblich verringert werden.

    [0013] Der erfindungsgemäß erhaltene Zellstoff hat einen deutlich niedrigeren Restligningehalt und verbesserte Eigenschaften. Aus der Tabelle 1 geht hervor, daß der Zusatz von 10 Gew.% Ameisensäure unter sonst gleichen Aufschlußbedingungen bei Fichtenzellstoff eine Reduzierung der Kappazahl von 15,6 auf 3,6, entsprechend einem Ligningehalt von 2,5 auf 0,5 bewirkt, während die Ausbeute nur geringfügig abfällt.

    [0014] Ähnliches gilt für Pappel- und Miscanthus-Zellstoff (Tab. 1). Entsprechend steigen die Weißgrade der drei Zellstoffe um 8 bis 15 % an. Niedrige Kappazahlen und höhere Weißgrade bedeuten einen geringeren Einsatz der teuren Bleichchemikalien, die für die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens von Bedeutung sind.

    [0015] In Tab. 1 werden die Zellstoffeigenschaften nach Aufschluß (2h, 180 °C, Pappel- und Miscanthus 170 °C) mit 85 %iger Essigsäure und mit 85 %iger Essigsäure und 10 % Ameisensäure verglichen. Wie aus dieser Tabelle hervorgeht, nehmen auch die Festigkeitseigenschaften der mit Ameisensäurezusatz erhaltenen Zellstoffe deutlich zu. Dies gilt insbesondere für die Durchreißfestigkeit, die allgemein bei sauren Aufschlußverfahren niedriger ist als bei alkalischen, wie beispielsweise dem Sulfatverfahren. Da Sulfatzellstoffe heute allgemein für die Papierherstellung als Standard angesehen werden, kommt der Erhöhung der Durchreißfestigkeit bei dem erfindungsgemäßen Verfahren besondere Bedeutung zu.
    Tabelle 1
      Essigsäure 85 % Essigsäure 85 % + Ameisensäure 10 %
      Fichte Pappel Misc. Fichte Pappel Misc.
    Kappazahl 15,6 9,2 13,3 3,6 3,1 3,2
    Ausbeute (%) 49,0 50,1 48,5 46,8 50,3 48,2
    Weißgrad (% ISO) 20,3 20,0 25,9 28,0 34,7 33,8
    GVZ (ml/g) 1050,0 1005,0 1022,0 1179,0 849,5 1012,0
    DPW 3035,0 2850,0 2910,0 3490,0 2430,0 2870,0
    Durchreißf. * (cN) 59,1 31,1 51,5 77,1 42,7 90,4
    Berstfläche * (m²) 62,9 31,4 24,6 70,9 38,0 43,9
    Reißlänge * (km) 10,3 7,5 5,2 11,4 7,3 8,1
    R-10 (%) 90,1 85,8 88,5 93,6 89,4 91,0
    Mannose (%) - 2,3 - 0,5 1,2 0,2
    Xylose (%) - 5,4 - 1,5 2,4 3,3
    Glucose (%) - 92,3 - 94,2 93,5 96,2
    * Papierfestigkeiten beim Mahlgrad 30 ° SR


    [0016] In dieser Tabelle bedeuten GVZ die Grenzviskositätszahl nach Staudinger, DPW den Polymerisationsgrad und R-10 den restlichen Zellstoff, der in 10%iger NaOH unlöslich ist.

    [0017] Der aus Tab. 1 ebenfalls ersichtliche Anstieg der R-10 Werte im Zusammenhang mit den niedrigen Xylose- und Mannosegehalten bedeutet niedrigere Hemicellulosegehalte der mit Ameisensäurezusatz erhaltenen Zellstoffe und damit ihre Eignung als Ausgangsstoffe (Chemiezellstoffe) für die Herstellung von Cellulosederivaten. Das erfindungsgemäße Verfahren bietet insbesondere Vorteile bei der Herstellung von Celluloseacetat, weil bei ihm die Vorquellung des Zellstoffes in Essigsäure vor der Acetylierung sowie eine Essigsäure-Rückgewinnungsstufe entfallen.

    [0018] Die optimale Ameisensäurekonzentration hängt ab von der Aufschlußtemperatur, der Aufschlußzeit, der Holzart und dem Wassergehalt des Aufschlußmediums. Wie aus Tab. 2 hervorgeht, überwiegt bei 190 °C mit 20 %iger Ameisensäure bereits nach 1 h die Ligninkondensation, weshalb in Tab. 1 ein zweistündiger Aufschluß mit 10 %iger Ameisensäure bei 180 bzw. 170 % gewählt wurde. Die Essigsäurekonzentration in Tab. 2 beträgt 85 %.



    [0019] Die Ameisensäure erhöht die Acidität des Aufschlußmediums und damit den Ligninabbau, während die Ligninkondensationen langsamer zunehmen. Gegenüber Mineralsäuren als Katalysatoren erscheint die Selektivität der Ameisensäure beim Ligninabbau erhöht. Außerdem erhöht die Ameisensäure die Löslichkeit des Lignins im Auschlußmediums.

    [0020] Die chlorfreie Bleiche der nach dem erfindungsgemäßen Verfahren erhaltenen Zellstoffe ist gegenüber der von konventionellen Zellstoffen grundlegend vereinfacht. Während man bei der konventionellen Zellstoffbleiche heute üblicherweise fünf Bleichstufen mit Sauerstoff, Peroxid, Ozon, Natronlauge und eventuell Chlordioxid benötigt, sind für die Bleiche des erfindungsgemäßen Verfahrens zwei bis drei Bleichstufen mit geringen Mengen Ozon in Essigsäure und/oder Peressigsäure ausreichend.

    [0021] Bei den folgenden Beispielen beziehen sich die Prozentangaben auf das Gewicht.

    Beispiel 1



    [0022] Fichtenholzhackschnitzel (20 x 35 x 5-6 mm) mit einem Feuchtigkeitsgehalt von 8 % wurden mit der 6-fachen Gewichtsmenge 85 %iger Essigsäure übergossen, die 10 % Ameisensäure enthielt, und in einem Drehautoklaven 2 Stunden auf 180 °C erhitzt (Aufheizzeit 40 min). Danach wurde durch Abdampfen eines Teiles der Kochlauge auf unter 100 °C abgekühlt, der Faserstoff auf einer Nutsche abgepreßt und mit 85 %iger Essigsäure nachgewaschen. Der Filterkuchen wurde mit einem Labormischer in einem großen Becherglas unter 85 %iger Essigsäure aufgeschlagen und erneut abgenutscht. Der erhaltene Zellstoff war splitterfrei und hatte die in Tab. 1 angegebenen Eigenschaften.

    [0023] Zum Vergleich wurden Fichtenhackschnitzel mit 85 %iger Essigsäure, die keine Ameisensäure enthielt, unter sonst gleichen Bedingungen aufgeschlossen und aufgearbeitet. Die Eigenschaften des unter diesen Bedingungen erhaltenen Zellstoffes sind ebenfalls in Tab. 1 angegeben.

    [0024] Der unter Ameisensäurezusatz erhaltene Fichtenzellstoff (Tab. 1) wurde auf einer Nutsche mit Eisessig gewaschen, auf eine Konsistenz von 35 % abgepreßt, in einer Kaffeemühle 30 sec. aufgeflufft und anschließend in einem Rundkolben am Rotationsverdampfer mit einem 3 %igen Ozon-Sauerstoff-Gemisch begast. Danach wurde der Zellstoff auf einer Nutsche zuerst mit Wasser und danach mit einer 0,2 %igen Peressigsäurelösung in Wasser gewaschen, auf 15 %ige Konsistenz abgepreßt, 1 h bei 80 °C erhitzt und abschließend auf der Nutsche mit Wasser gewaschen. Der gebleichte Fichtenzellstoff hat die in Tab. 3 angegebenen Eigenschaften.

    [0025] In einem zweiten Ansatz wurde Fichtenzellstoff bei 15 %iger Konsistenz nur mit Peressigsäure, zuerst in Essigsäure mit 0,7 % bei 80 °C, 90 min, und danach in Wasser mit 1,3 % bei 80 °C, 120 min, gebleicht. Die Ergebnisse finden sich ebenfalls in Tab. 3.

    Beispiel 2



    [0026] Hackschnitzel (80 x 20 x 5 mm) einer sechsjährigen Pappel (Populus nigra vom Klon "Rapp") mit einem Feuchtegehalt von 10 % wurden mit der sechsfachen Menge einer 85 %igen Essigsäure, die 10 % Ameisensäure enthielt, übergossen und zwei Stunden im Drehautoklaven auf 170 °C erhitzt. Die Aufarbeitung, Zerfaserung und Wäsche des Zellstoffes erfolgte wie in Beispiel 1 für Fichtenzellstoff beschrieben. Die Zellstoffeigenschaften sind in Tab. 1 wiedergegeben.

    [0027] Die Bleiche des Zellstoffes erfolgte in zwei Stufen mit Peressigsäure, zuerst mit 0,7 % in 6,6 Teilen Eisessig 90 min bei 80 °C, und danach mit 1,3 % Peressigsäure in 6,6 Teilen Wasser 120 min bei 80 °C. Die Eigenschaften des gebleichten Zellstoffes sind in Tab. 3 wiedergegeben.

    Beispiel 3



    [0028] Auf eine Länge von 2,5 cm gehäckselte Stengel von Miscanthus sinensis "Giganteus" mit einem Feuchtegehalt von 18 % wurden mit der zehnfachen Menge 85 %iger Essigsäure, die 10 % Ameisensäure enthielt, übergossen und in einem Drehautoklaven 2 h auf 170 °C erhitzt (Aufheizzeit 40 min). Aufarbeitung, Zerfaserung und Wäsche des Zellstoffes erfolgte wie in Beispiel 1 für Fichtenzellstoff beschrieben. Der Zellstoff war splitterfrei. Seine Eigenschaften ergeben sich aus Tab. 1 und sind denen von unter gleichen Bedingungen, aber unter Ausschluß der Essigsäure erhaltenen Zellstoffen gegenübergestellt.

    [0029] Die Bleiche des Zellstoffes erfolgte zweistufig mit Peressigsäure, wie für Pappelzellstoff unter Beispiel 2 beschrieben. Die Eigenschaften des gebleichten Zellstoffes finden sich in Tab. 3.

    Beispiel 4



    [0030] Fichtenhackschnitzel der unter Beispiel 1 angegebenen Art wurden mit der sechsfachen Menge 85%iger Essigsäure übergossen, die in vier Ansätzen 5, 10, 15 oder 20 % Ameisensäure enthielt, und im Drehautoklaven je 1 h auf 190 °C erhitzt. Aufarbeitung, Zerfaserung und Wäsche der erhaltenen Zellstoffe erfolgte in gleicher Weise wie bei Beispiel 1. Danach waren die Zellstoffe splitterfrei. Ihre Restligningehalte, Weißgrade und Ausbeuten ergeben sich aus Tab. 2.
    Tabelle 3
    Eigenschaften der mit Ozon (Z) und Peressigsäure (Pa) gebleichten Zellstoffe beim Mahlgrad 20 SR
    Zellstoff Bleichmittel Menge (%) Weißgrad (% ISO) Reißlänge (km) Berstfläche (m²) Durchreißf. (cN)
    Fichte Z/Pa 0,6/1,3 84,3 9,315 52,5 76,7
    Pa/Pa 0,7/1,3 72,1 9,113 50,3 79,1
    Pappel Pa/Pa 0,7/1,3 83,4 6,68 28,8 46,0
    Miscanthus Pa/Pa 0,7/1,3 83,0 6,933 35,6 89,6

    Beispiel 5


    A. Aufschluß



    [0031] Kocher: 2,5 x 10 m = 49 m³
    Aufschlußlösung: Essigsäure/Wasser/Ameisensäure (75:15:10)
    Temperatur: 160 - 180°C
    Zeit: 1 - 2 h
    Flottenverhältnis: 1 : 5
    Für die Versuchsphase ist ein Kocher ausreichend (Batch-Verfahren, 25 t Zellstoff/d), während für die Produktion 6 bis 12 Kocher hintereinander geschaltet werden (semikontinuierliches Verfahren, maximal 300 t Zellstoff/d). Erst durch das Hintereinanderschalten mehrer Kocher ist eine Extraktion der Hackschnitzel nach dem Gegenstromprinzip mit optimaler Nutzung der Aufschlußlösung möglich. Die Aufheizung der Hackschnitzel erfolgt durch Umpumpen der extern in Wärmetauschern beheizten Aufschlußlösung.

    B. Bleiche mit Wasserstoffperoxid



    [0032] Die erste Bleichstufe erfolgt mit 1 bis 2 % Wasserstoffperoxid im Kocher nach Beendigung des Aufschlusses und Verdrängen des Extraktes durch frische Aufschlußlösung, 1 bis 2 Stunden bei 70 bis 90°C. Eine gleichmäßige Verteilung des H₂O₂ erfolgt durch Umpumpen der Bleichlösung, deren Zusammensetzung, bis auf das H₂O₂, sich von der Aufschlußlösung nicht unterscheidet. Das wirksame Agens ist Peressigsäure, deren Bildung durch die anwesende Ameisensäure katalysiert wird.

    C. Sortierung



    [0033] Die Sortierung besteht in einer Nachdefibrierung (Separation), Grobsortierung und Reinigung. Für die ersten beiden Schritte wird ein mit Rührarmen ausgestatteter Schlitzsortierer, Schlitzweite etwa 0,4 mm, nach Art einer Rohrschleuder und für die Reinigung ein Hydrozyklon vorgeschlagen. Der Diffuseur (Eindicker) muß sehr effektiv sein, um von einer Stoffdichte von etwa 1 %, die für die Sortierung erforderlich ist, auf mindestens 8 % zu kommen, von der aus in einer Schneckenpresse eine Konsistenz von etwa 40 % für die Ozonbleiche erreicht werden muß.

    [0034] In der Sortierung erfolgt gleichzeitig die Zellstoffwäsche. Eine gesonderte Wäsche, wie bei den konventionellen Verfahren, ist nicht erforderlich, da keine anorganischen Aufschlußchemikalien auszuwaschen sind und der den Kocher verlassende Zellstoff kaum noch Lignin enthält. Die Effektivität der Sortierung läßt sich durch mehrere hintereinandergeschaltete Rohrschleudern bzw. Zyklone verbessern.

    D. Ozonbleiche



    [0035] Die Ozonbleiche erfolgt in einer Drehtrommel bei 20 bis 50°C und einer Stoffdichte von etwa 40 %, wobei die Verweilzeit des Zellstoffes mindestens 10 min betragen sollte, Ozonmenge etwa 0,5 %, berechnet auf Zellstoff. Weger der guten Löslichkeit des Ozons in Essigsäure ist ein Auffluffen des Zellstoffes nicht erforderlich.

    [0036] Wegen der Explosionsgefahr von Essigsäuredämpfen mit Sauerstoff-Ozon-Gemischen ist eine explosionsgeschützte Ausführung der Drehtrommel erforderlich. Die Abgase sollten im Kreislauf bzw. einem geschlossenen System gehalten werden. Mit dem Zellstoff ausgetragenes Ozon zersetzt sich innerhalb einer gewissen Zeit. Eine Kontrolle in der Destillationskolonne erscheint unbedingt erforderlich, besonders bei hohen Ozondosen (0,5 %). Eventuell müßte das zur Destillation gelangende Essigsäure/Butylacetat-Gemisch im Vakuum entgast oder das überschüssige Ozon chemisch beseitigt werden (Prüfung mit KJ-Lösung).

    E. Lösungsmittelaustausch



    [0037] Nach der Ozonbleiche enthält der Zellstoff noch etwa 60 % Aufschlußlösung, die in einem Extraktionsturm (2,0 x 10 m) mit Butylacetat verdrängt wird. Da die Quellung des Zellstoffes in Essigsäure stärker ist als in Butylacetat, sollten im Turm keine Verstopfungsprobleme auftreten.

    [0038] Die Menge des Butylacetats, die zusammen mit der Aufschlußlösung den Turm am Kopf verläßt, sollte etwa 60 % des Trockengewichtes des Zellstoffes betragen, wenn die Holzfeuchte der Hackschnitzel 10 % beträgt, weil dann bei der anschließenden Destillation 20 % Wasser, bezogen auf Zellstoffgewicht, als Aceotrop mit Butylacetat die Destillationskolonne im oberen Teil verläßt. Unter diesen Bedingungen würde das Butylacetat das Lösungsgemisch vollständig als Aceotrop verlassen, während noch 2,5 % Wasser in der Aufschlußlösung zurückbleiben, die undestilliert in den Vorratstank zurückfließt. Geringe Mengen von Extraktstoffen, Furfural etc. verbleiben in der Aufschlußlösung und stören den Aufschluß nicht. Eine Trennung der Ameisensäure von der Essigsäure durch Destillation ist nicht erforderlich. Änderungen der Zusammensetzung der Aufschlußlösung (siehe unter A.) sind durch Zugabe der im Unterschuß vorhandenen Komponente auszugleichen.

    F. Austausch des Butylacetats gegen Wasser



    [0039] Der Austausch des Butylacetats gegen Wasser erfolgt mit Wasserdampt in einem Desolventizer. Durch eine dem Desolventizer vorgeschaltete Schneckenpresse wird die Stoffdichte des Zellstoffes auf etwa 40 % gebracht. Da die Verdampfungsenthalpie des Butylacetats nur etwa 1/5 von der des Wasser beträgt, verläßt der Zellstoff den Desolventzier mit 12%iger Feuchtigkeit und wird anschließend in einer Presse zu Platten von 1 m² verpreßt.

    G. Eindampfen der Ablauge



    [0040] Die den Kocher verlassende Ablauge enthält 17 % gelöstes Lignin und Hemicellulosen. Ihre Aufkonzentration auf eine 50%ige Dicklauge erfolgt in einem sechsstufigen Röhrenverdampfer mit Druckgefälle unter Ausnutzung der Kondensationswärme der verdampften Aufschlußlösung.

    H. Destillation



    [0041] Die Destillationskolonne dient nur der Abtrennung des mit den Hackschnitzeln eingetragenen Wassers aus der Aufschlußlösung als Aceotrop mit Butylacetat. Nach der Abdestillation des Wassers fließt die Aufschlußlösung undestilliert in den Vorratstank ab. Die Kapazität der Kolonne richtet sich nach der Hackschnitzelfeuchte. Beträgt diese 10 %, so sind pro Tonne Zellstoff 200 kg Wasser (zusammen mit etwa 600 kg Butylacetat) abzudestillieren.

    [0042] Da die Aufschlußlösung 15 % Wasser enthält, wären pro Tonne Zellstoff 1,333 m³ Aufschlußlösung + 0,6 m³ Butylacetat erforderlich. Bei einer Hackschnitzelfeuchte von 20 % verdoppelt sich die Menge. Es ist daher zu überlegen, ob eine Vortrocknung der Hackschnitzel möglich ist, was auch auf die Lagerungsfähigkeit der Hackschnitzel von Vorteil wäre. Eine Trocknung der Hackschnitzel hat keinen Einfluß auf den Holzaufschluß nach dem Formacell-Verfahren.

    I. Sprühtrocknung der Dicklauge



    [0043] Labor- und Technikumsversuche haben zu einem Pulver mit etwa 1 % Essigsäure geführt.

    K. Allgemeine Bemerkungen



    [0044] Bei allen Anlageteilen, die mit der heißen Aufschlußlösung in Berührung kommen, müssen Stähle verwendet werden, die gegenüber Essigsäure/Ameisensäure/Wassergemischen korrosionsfest sind. Das gilt insbesondere für den Kocher, die Destillationskolonne und den Sprühtrockner.

    Zellstoffqualitäten



    [0045] In Tab. 4 sind die Eigenschaften von ungebleichten Fichtenzellstoffen, die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren (Formacell-Verfahren) erhalten wurden, denen von Sulfat- und Acetosolv-Zellstoffen gegenübergestellt.
    Tabelle 4
      Formacell Sulfat Acetosolv
    Kappazahl 3,6 30,6 15,6
    Weißgrad (% ISO) 28,0 24,8 20,3
    GVZ (ml/g) 1179,5 902,2 1059,0
    DP 3490 2470 3035
    R-10 (%) 93,6 88,3 90,1
    Ausbeute (%) 46,8 47,4 49,0


    [0046] Auffällig ist die sehr niedrige Kappazahl des Formacell-Zellstoffes bei nur wenig erniedrigter Ausbeute gegenüber dem konventionellen Sulfatzellstoff, was einen wesentlich niedrigeren Bedarf an Bleichchemikalien erfordert. Aufgrund ihres hohen R10-Wertes eignen sich Formacell-Zellstoffe auch für die Herstellung von Cellulosederivaten.

    [0047] Tab. 4 zeigt außerdem die Verbesserungen des Formacell-Verfahrens gegenüber dem früheren Acetosolv-Verfahren, die vor allem in einer deutlichen Verbesserung der Delignifizierung und Erhöhung des Weißgrades liegen.

    [0048] Abb. 1 zeigt einen Vergleich der Festigkeiten (Reißlänge und Durchreißfestigkeit) von Formacell- und Sulfatfichtenzellstoff in Abhängigkeit vom Mahlgrad.



    [0049] Während die Reißlänge von Formacell-Fichtenzellstoff bei allen Mahlgraden über den Werten des Sulfatzellstoffes liegt, ist die Durchreißfestigkeit des Formacell-Zellstoffes niedriger. Insgesamt ist das Festigkeitspotential des Formacell-Zellstoffes mit dem des Sulfatzellstoffes in etwa vergleichbar.

    [0050] Noch günstigere Werte werden bei Miscanthus-Zellstoffen erhalten, wie aus Tab. 5 hervorgeht. Hier werden nicht nur niedrigere Kappazahlen und höhere Weißgrade, sondern auch deutlich höhere Durchreißfestigkeiten als nach dem konventionellen Soda-Verfahren erhalten. In neueren Untersuchungen konnten sogar noch höhere Durchreißfestigkeiten, die denen von Fichtensulfatzellstoffen nahe kommen, erhalten werden. Da das Formacell-Verfahren im Gegensatz zum Soda-Verfahren keine Natriumsilikat-haltigen Ablaugen erzeugt, ist es für den Aufschluß von Einjahrespflanzen besonders geeignet.
    Tab.5
    Eigenschaften von Miscanthus-Zellstoffen, die nach drei verschiedenen Verfahren erhalten wurden
      Formacell Soda Acetosolv
    Kappazahl 3,2 27,2 13,2
    Weißgrad (% ISO) 33,8 26,6 25,9
    GVZ (ml/g) 1012 1010 1022,5
    DP 2870 2870 2910
    R-10 91,0 -- 88,5
    Ausbeute (%) 48,2 54,6 48,5
    Durchrf. (cN) 90,4 63,2 51,5
    Berstfl. (m²) 43,9 41,2 24,6
    Reißlänge (km) 8,1 7,08 5,2



    Ansprüche

    1. Verfahren zur Gewinnung von Zellstoffen, Lignin und Hemicellulosen aus Lignocellulosen durch Erhitzen auf 130 bis 190 °C unter Druck in einem Aufschlußmedium, dadurch gekennzeichnet, daß das Aufschlußmedium 50 bis 95 Gew.% Essigsäure, 5 bis 40 Gew.% Ameisensäure und bis zu 50 Gew.% Wasser enthält.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Lignocellulose Holz oder eine Einjahrespflanze ist.
     
    3. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Feuchtgehalt der Lignocellulose durch eine Vorbehandlung bei erhöhter Temperatur oder durch Lösungsmitteldämpfe reduziert werden kann.
     
    4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das Gewichtsverhältnis der Lignocellulose zur Aufschlußlösung 1 : 1 bis 1 : 12 beträgt.
     
    5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die zerkleinerte Lignocellulose kontinuierlich in einen Druckkocher eingetragen wird, in dem sie im Gegenstrom von der Aufschlußlösung extrahiert wird und den Kocher auf der anderen Seite in extrahierter Form kontinuierlich verläßt.
     
    6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß eine kontinuierliche Extraktion dadurch erreicht wird, daß 2 bis 20 Aufschlußgefäße hintereinandergeschaltet sind und die Aufschlußlösung die Lignocellulose im Gegenstrom extrahiert.
     
    7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Zerfaserung des Zellstoffes eingeschlossen ist.
     
    8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Waschprozeß des Zellstoffes in die kontinuierliche Extraktion eingeschlossen ist.
     
    9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Lignocellulose mit einem Lösungsmittel zur Entfernung der Inhaltsstoffe vorextrahiert wird.
     
    10. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Aufschlußlösung Acetanhydrid zugegeben wird.
     
    11. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Aufschlußlösung ein Bleichmittel zugegeben wird.
     
    12. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Lignocellulose vor der Eingabe in das Aufschlußgefäß mit Ameisensäure, Essigsäure, Essigsäureanhydrid oder deren Dämpfen imprägniert wird.
     
    13. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Lignocellulose mit einem Lösungsmittel oder dessen Dämpfen imprägniert wird, das mit Wasser ein Aceotrop bildet.
     
    14. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das Bleichen des Zellstoffs eingeschlossen ist.
     





    Recherchenbericht