(19)
(11) EP 0 590 433 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
06.04.1994  Patentblatt  1994/14

(21) Anmeldenummer: 93114964.5

(22) Anmeldetag:  16.09.1993
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5D21C 7/12, D21C 3/22
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT DE ES GB PT SE

(30) Priorität: 02.10.1992 DE 4233264

(71) Anmelder: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
D-80333 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Furumoto, Herbert, Dr.
    D-91052 Erlangen (DE)

   


(54) Steuerverfahren für die Herstellung von Zellstoff durch Druck- und Temperatursteuerung


(57) In der ersten Phase (T1) der Kochung während der Aufheizung wird die Suspension aus Holzstoff und Kochflüssigkeit einem möglichst hohen Druck (p(T1)) ("Imprägnierdruck") ausgesetzt. In der zweiten Phase (T2) der Kochung mit Fertigkochtemperatur (TM(T2)) wird der Druck gesenkt (p(T2)) ("Kochdruck"). Gegebenenfalls wird zusätzlich die Fertigkochtemperatur (T(T2)) in der zweiten Phase (T2) der Kochung begrenzt, wenn die zu erwartende Ausbeute an Fertigzellstoff mit einem gewünschten Wert an Reißfestigkeit (R) am Ende der Kochung abnimmt. Hierdurch kann die "Steuerbarkeit" des Kochungsprozesses verbessert werden. Vorteilhaft ist ein programmgesteuerter Rechner mit Fuzzy-Regler zur Durchführung vorgesehen. Bevorzugt ist zusätzlich parallel dazu ein neuronales Netz vorhanden.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Steuerung der Kochung einer Suspension aus Holzstoff und Kochflüssigkeit in einer Anlage zur Herstellung von Zellstoff. Die Erfindung betrifft ferner eine vorteilhafte Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens.

[0002] Der Vorgang des Aufschlusses von Holzstoff im Zellstoff wird allgemein "Kochung" genannt. Der Ablauf dieses verfahrenstechnischen Prozesses läßt sich im wesentlichen in zwei Phasen gliedern. In der ersten Phase der Kochung wird die Suspension z.B. beginnend bei Umgebungstemperatur allmählig aufgeheizt. Mit Erreichen der sogenannten "Fertigkochtemperatur" beginnt die zweite Phase der Kochung. Beide Phasen sind in FIG 1 beispielhaft mit den Zeiträumen T1,T2 annähernd markiert.

[0003] Grundsätzlich besteht das Ziel der Kochung darin, zur Bildung von Zellstoff durch Einwirkung einer chemische Reaktionsstoffe enthaltenden Kochflüssigkeit aus Holzfasern das sogenannte "Lignin" vollständig herauszulösen, darüber hinaus aber die Faserstruktur möglichst unangetastet zu lassen. Nach Herauslösung des Lignins werden nämlich die Kohlenhydrate in den Zellstoffasern angegriffen. Dies ist unerwünscht, da hierdurch eine Versprödung der Fasern eintritt. Durch diese "Überkochung" des Holz stoffes sinkt die Qualität des nutzbaren Zellstoffes, da dessen Reißfestigkeit und Faserlänge abnimmt ("Zerkochung"). Theoretisch müßte somit die Kochung z.B. einer Charge an Zellstoff in einer diskontinuierlich betriebenen Anlage zur Zellstoffherstellung in dem Moment abgebrochen werden, in dem das Lignin nahezu vollständig herausgelöst ist, aber darüber hinausgehend noch kein Abbau der Kohlenhydrate eingesetzt hat. Praktisch ist dies natürlich nicht möglich, da aufgrund der hohen Temperaturen und Drücke im Inneren der Anlage zur Zellstoffherstellung der Prozeßablauf nicht schlagartig zum Stillstand gebracht werden kann.

[0004] Das Diagramm in FIG 2 zeigt den Zeitverlauf der Ausbeute A und der Reißfestigkeit R des Zellstoffes im wesentlichen in der zweiten Phase der Kochung T2 und dem anschließenden Bereich der Überkochung beispielhaft für einen kleineren Wert TM1 in durchgezogener Linie und für einen größeren Wert TM2 der Fertigkochtemperatur TM in strichlierter Linie. Man erkennt, daß die Zeitverläufe der Ausbeute A(t) an Zellstoff in der Art einer e-Funktion im Verlauf der zweiten Phase T2 der Kochung abnehmen. Die "Ausbeute" ist dabei die Masse des erzeugten Fertigzellstoffes bezogen auf die Masse des eingebrachten Holzes. Demgegenüber weist aber die Reißfestigkeit R(t) des Zellstoffes z.B. für den kleineren Wert TM1 erst beginnend ab dem Zeitpunkt t₀ zunehmende Werte auf. So weist der Zeitverlauf der Reißfestigkeit R(t) des Zellstoffes im Zeipunkt t2 ein Maximum auf, und nimmt mit Zunahme der Kochzeit mit der Ausbeute wieder ab.

[0005] Aus dem Diagramm lassen sich somit Bereiche optimaler Kochung bzw. unerwünschte Bereiche der "Überkochung" entnehmen. So befindet sich z.B. im Zeitpunkt t1 die Kochung in einer Phase, bei der eine hohe Ausbeute A(t1) an Zellstoff mit kleiner bzw. mittlerer Reißfestigkeit R(t1) vorlegt. Erfordern die momentanen Produktionsbedingungen die Erzeugung einer großen Ausbeute an Zellstoff, so sollte die Kochung möglichst im Zeitpunkt t1 abgebrochen werden. Wird dagegen die Kochung nicht gestoppt, so nimmt die Reißfestigkeit des Zellstoffes auf Kosten des erreichbaren Wertes an Reißfestigkeit zu. So befindet sich z.B. im Zeipunkt t2 die Kochung in einer Phase, bei der die erzielbare Ausbeute A(t2) an Fertigzellstoff zwar abgenommen hat, dieser aber über einen sehr hohen Wert an Reißfestigkeit R(t2) verfügt, d.h. eine hohe "Qualität" aufweist. Fordern die aktuellen Produktionsbedingungen die Erzeugung von hochreißfestem Zellstoff, so sollte die zweite Phase T2 der Kochung möglichst im Zeitpunkt t2 abgebrochen werden. Läuft aber die Kochung dennoch weiter, so gerät der Prozeß zunehmend in den unerwünschten Bereich der "Überkochung", bei dem sowohl die Ausbeute A(t) als auch die Reißfestigkeit R(t) abnehmen. So weist z.B. im Zeitpunkt t3 der Zellstoff einen Wert R(t3) an Reißfestigkeit auf, welche der Reißfestigkeit R(t1) im Zeitpunkt t1 entspricht, doch hat die Ausbeute A(t3) an Fertigzellstoff im Vergleich zum vorangegangenen Zeitpunkt t1 im optimalen Kochbereich und dem dortigen hohen Wert an Ausbeute A(t1) erheblich abgenommen.

[0006] Wie bereits oben ausgeführt, müßte theoretisch die Kochung abhängig vom jeweils vorliegenden Produktionsziel in dem zugehörigen Zeitpunkt abrupt abgebrochen werden, z.B. in FIG 2 in Zeitpunkt t1 bei der Anforderung einer hohen Zellstoffausbeute bzw. im Zeitpunkt t2 bei der Anforderung einer hohen Reißfestigkeit des Fertigzellstoffes. Praktisch kann aber die Anlage zur Zellstoffherstellung ab einem Endzeitpunkt durch Abbau der hohen Kochtemperatur und des Innendruckes nur allmählich heruntergefahren werden. In dieser "Bremsphase" wirkt aber die Kochflüssigkeit weiter auf die Zellstoffasern ein und verschiebt die anhand von FIG 2 prinzipiell erläuterten Arbeitspunkte in Richtung auf den Bereich der "Überkochung". So kann im Zeitraum zwischen einem Stop-Befehl für die Kochung und der endgültigen Öffnung eines z.B. diskontinuierlich betriebenen Kochers ein merklicher Verlust von Ausbeute an Fertigzellstoff und gegebenenfalls zusätzlich an Reißfestigkeit des Fertigzellstoffes auftreten.

[0007] Um diesen Zustand zu vermeiden, ist man bestrebt, den Endzeitpunkt der zweiten Phase T2 der Kochung so zu bestimmen, daß unter Berücksichtigung der noch erfolgenden Einwirkung der Kochflüssigkeit auf den Zellstoff im Zeitraum der Anlagenstillsetzung trotzdem die gewünschte Ausbeute an Zellstoff und gegebenenfalls ein gewünschter Reißfestigkeitswert erreicht wird. Aufgrund der extremen Randbedingungen des Prozesses insbesondere im Bezug auf Temperaturen und Drücke, und aufgrund der unter Umständen bei jeder Charge schwankenden Qualität der Eintragsstoffe, insbesondere des eingebrachten Holzstoffes und der chemischen Reaktionsstoffe in der Kochflüssigkeit, ist es bislang nur sehr ungenau möglich, diesen optimalen Endzeitpunkt für die zweite Phase T2 der Kochung bei Fertigkochtemperatur zu extrapolieren. Es hat sich somit häufig nach Begutachtung des Fertigzellstoffes eine "Unterkochung" mit der Folge eines noch zu kleinen Reißfestigkeitswertes bzw. eine "Überkochung" mit der Folge eingeschränkter Werte an Ausbeute und gegebenenfalls Reißfestigkeit herausgestellt.

[0008] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde ein Steuerverfahren anzugeben, mit dem die "Steuerbarkeit" des verfahrenstechnischen Prozesses der Kochung einer Suspension aus Holzstoff und Kochflüssigkeit zu Zellstoff verbessert wird, und somit der oben beschriebene optimale Abbruchzeitpunkt der Kochung im Hinblick auf die genaue Erreichung vorgegebener Werte an Ausbeute und gegebenenfalls an Reißfestigkeit des Fertigzellstoffes genauer bestimmt werden kann.

[0009] Die Aufgabe wird gelöst mit dem im Anspruch 1 enthaltenen Steuerverfahren. Vorteilhafte Ausführungsformen des Verfahrens und bevorzugte Vorrichtungen zur Durchführung des Verfahrens sind in den Unteransprüchen angegeben. Die Erfindung wird desweiteren unter Zuhilfenahme der nachfolgend kurz angeführten Figuren näher erläutert. Dabei zeigt
FIG 1
den erfindungsgemäßen Zeitverlauf dem Druckes und der Temperatur im Verlauf einer Kochung,
FIG 2
die Verläufe von Ausbeute und Reißfestigkeit des Zellstoffes für zwei unterschiedliche Fertigkochtemperaturen in der zweiten Phase der Kochung, und
FIG 3
ein "neuronales Netz", welches zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens besonders geeignet ist.


[0010] Gemäß der Erfindung wird die Suspension aus Holzstoff und Kochflüssigkeit in der ersten Phase T1 der Kochung während der Aufheizung einem Druck mit einem möglichst hohen Wert ausgesetzt. Dieser Druck wird desweiteren "Imprägnierdruck" genannt. Für die zweite Phase T2 der Kochung der Suspension mit Fertigkochtemperatur wird der Wert des Druckes abgesenkt. Dieser wird desweiteren "Kochdruck" genannt.

[0011] In FIG 1 ist dieser erfindungsgemäße Druckverlauf p(t) dargestellt. So weist der "Imprägnierdruck" p(T1) in der ersten Phase T1 der Kochung einen sehr hohen Wert von beispielhaft 10 bar auf. Mit Beginn der zweiten Phase T2 der Kochung, d.h. mit Erreichen der Fertigkochtemperatur TM(T2) mit dem Wert von beispielhaft 130° C im Zeitpunkt von ca. 4,5 Stunden wird im Beispiel der FIG 1 der Wert des Druckes auf den sogenannten "Kochdruck" p(T2) von beispielhaft 6 bar abgesenkt.

[0012] Im Gegensatz zur bisherigen Konstanthaltung des Kochdruckes über den gesamten Zeitraum der Kochung, d.h. für die Summe der beiden Phasen p1 und p2, lehrt die Erfindung die Vorgabe eines "Druckprofiles". Hiermit kann besonders vorteilhaft eine Vergleichmäßigung der erzielbaren Produktqualität und somit eine Verbesserung der Steuerbarkeit des Prozesses erreicht werden. Dies hat seine Ursache darin, daß durch den hohen Wert des Druckes in der ersten Phase der Hochheizung der Suspension besser reproduzierbare Startbedingungen für den Beginn der zweiten Phase T2 der Kochung, d.h. der sogenannten Hauptkochphase, erreicht werden können. Die Genauigkeit in der Voraussage der am Ende der Kochung erreichbaren Eigenschaften des Fertigzellstoffes wird größer, so daß der ideale Zeitpunkt des Abbruches der Kochung genauer extrapoliert werden kann, und nach Abbau der Kochtemperatur und des Druckes auf Umgebungsbedingungen die vorliegende Qualität des Fertigzellstoffes und gegebenenfalls auch die Reißfestigkeit weniger von vorgegebenen Zielwerten abweichen.

[0013] Die erfindungsgemäße Vorgabe des "Druckprofiles" kommt im wesentlichen der Verbesserung einer genauen Erreichung eines gewünschten Zielwertes für die Reißfestigkeit des Fertigzellstoffes zugute. Es kann somit bei gleich hoher Gesamtausbeute an Fertigzellstoff eine Erhöhung des Reißfestigkeitswertes des Fertigzellstoffes erreicht werden.

[0014] Da der Wert des Druckes in der ersten Phase T1 der Kochung keiner technologischen Begrenzung beim verfahrenstechnischen Prozeß der Zellstoffkochung unterliegt, kann er möglichst hoch gewählt werden. Dieser "Imprägnierdruckwert" wird somit ausschließlich durch die maschinenbautechnische Anlegung der Produktionsanlage begrenzt. Der Druck in der ersten Phase der Kochung kann bevorzugt auf den maximal zulässigen Betriebsdruck der Anlage erhöht werden. Der Betriebsdruck ist derart ausgelegt, daß im Rohrleitungssystem der Anlage und insbesondere bei Dichtungen in Rohrleitungsflanschen als schwächste Elemente der Anlage keine Schäden auftreten. Gegebenenfalls kann der abgesenkte Wert des "Kochdruckes" in der zweiten Phase der Kochung in Abhängigkeit von einem vorgegebenen Zielwert der Reißfestigkeit des Fertigzellstoffes vorgegeben werden.

[0015] Die erfindungsgemäße Vorgabe eines "Druckprofiles" hat somit zur Folge, daß in der ersten Phase der Kochung der Druck als dominierende Prozeßgröße wirkt. Demgegenüber hat die erst im Anstieg befindliche Kochtemperatur als Prozeßgröße eine untergeordnete Bedeutung. Auf diese Weise werden am Ende der ersten Phase der Kochung aufgrund der ausgeprägten Imprägnierung des Holzstoffes, d.h. dessen Aufweichung und Durchdringung mit Kochflüssigkeit, optimale Startbedingungen für die eigentliche Hauptkochung bei Fertigkochtemperatur bereitgestellt. In dieser Phase tritt aufgrund der erfindungsgemäßen Absenkung auf den niedrigen Wert des "Kochdruckes" der Druck als Prozeßhauptregelgröße zurück. Stattdessen übernimmt die Temperatur der Suspension die Funktion der Hauptregelgröße.

[0016] Am Beispiel der Herstellung von Zellstoff nach dem sogenannten "Sulfitverfahren" wird ein möglicher optimaler Druckverlauf p(t) angegeben. Während bisher der Kochdruck über den gesamten Ablauf des Prozesses annähernd konstant bei Werten von ca. 6 bis 8 bar gehalten wurde, hat nun erfindungsgemäß der Druck in der ersten Phase der Kochung einen darüberliegenden und in der zweiten Phase der Kochung einen darunterliegenden Wert. Beispielhaft liegt der "Imprägnierdruck" in der ersten Phase T1 der Kochung im Bereich von 9 bis 12 bar, und der "Kochdruck" in der zweiten Phase T2 der Kochung im Bereich von 5 bis 7 bar. Die Druckreduzierung vom hohen Wert p(T1) in der ersten Phase auf den abgesenkten Wert p(T2) in der zweiten Phase sollte mindesten 2 bar betragen. Im Beispiel der FIG 1 weist der "Imprägnierdruck" einen Wert von 10 bar und der abgesenkte "Kochdruck" einen Wert von 6 bar auf.

[0017] Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens werden bei Auftreten von Werteveränderungen bei den Konzentrationen der chemischen Reaktionsstoffe in der Kochflüssigkeit die Werte des Druckes p(T1), p(T2) in der ersten und/oder zweiten Phase der Kochung T1,T2 der Suspension mit umgekehrter Wirkungsrichtung verändert. Bei Konzentrationszu- bzw. -abnahmen werden fraglich die Druckwerte reduziert bzw. erhöht.

[0018] Sind z.B. die Konzentrationen der chemischen Reaktionsstoffe in der Kochflüssigkeit hoch, so kann in der ersten Phase der Kochung ein unterhalb des maximal zulässigen Betriebsdruckes der Zellstoffkochanlage liegender "Imprägnierdruckwert" ausreichend sein. Bevorzugt ist in diesem Fall der Druck um 20 bis 30 % kleiner als der maximal zulässige Betriebsdruck.

[0019] Bevorzugt wird ferner in diesem Fall in der zweiten Phase der Kochung der Wert des "Kochdruckes" auf einen im Bereich der unteren Grenze des zulässigen Druckbereiches liegenden Wert abgesenkt. Diese Maßnahmen bewirken neben einer Energieeinsparung und einer mechanischen Schonung insbesondere der Rohrleitungen der Anlage, daß die Gefahr einer "Überkochung" in der zweiten Phase aufgrund einer zu intensiven Imprägnierung in der ersten Phase der Kochung verringert wird.

[0020] Im Vergleich dazu liegen umgekehrte Prozeßzustände vor, wenn z.B. die Konzentrationen der chemischen Reaktionsstoffe in der Kochflüssigkeit niedrig sind, bzw. wenn z.B. der in die Anlage eingeführte Holzstoff von minderer Qualität ist, bzw. wenn z.B. aufgrund anderer Randbedingungen die Gefahr groß ist, daß am Ende der Kochung ein hoher Ausschuß auftritt, d.h. der Zellstoff aufgrund von "Unterkochung" nicht genügend aufgeschlossen ist und einen zu hohen Restgehalt an Lignin aufweist. In diesen Fällen werden die Druckwerte in beiden Phasen der Kochung möglichst hoch gewählt. Dabei kann der "Imprägnierdruck" unter Umständen den maximal zulässigen Betriebsdruck der Anlage geringfügig überschreiten, und der "Kochdruck" weist eine an der oberen Grenze des abgesenkten Wertebereiches liegende Größe auf.

[0021] Bei einer weiteren Ausführung der Erfindung wird der Zeitpunkt der Absenkung des Druckes zwischen der ersten und der zweiten Phase der Kochung vorgezogen bzw. aufgeschoben, wenn die Reißfestigkeit R des Fertigzellstoffes am Ende der Kochung einen höheren bzw. niedrigeren Wert annehmen soll. So muß z.B. zur Erzeugung eines Zellstoffes mit höherer Reißfestigkeit der Umschaltzeitpunkt zwischen den beiden Druckniveaus, d.h. der Zeipunkt der Druckabsenkung, vorverlegt werden. Dies kann aufgrund der aktuell vorliegenden Produktionsrandbedingungen manchmal notwendig sein, obwohl diese Maßnahme zu Lasten der erzielbaren Ausbeute geht. Aufgrund der weniger intensiven Imprägnierung in der ersten Phase T1 kann somit nur weniger Zellstoff erzeugt werden, welcher den gewünschten hohen Wert an Reißfestigkeit aufweist.

[0022] Bevorzugt wird der Druck im Moment des Erreichens des gewünschten Wertes der Fertigkochtemperatur abgesenkt. Gegebenenfalls kann mit der Druckabsenkung auch gewartet werden, bis der Prozeß der Hauptkochung zu Beginn der zweiten Phase in Gang gekommen ist. In diesem Fall erfolgt die Druckabsenkung bevorzugt 30 % nach Ablauf des Zeitraumes zwischen dem voraussichtlichen Erreichen der Fertigkochtemperatur und dem Ende der Kochung.

[0023] Gemäß einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird die Fertigkochtemperatur T(T2) in der zweiten Phase 12 der Kochung begrenzt, wenn aufgrund der vorliegenden Prozeßbedingungen die zu erwartende Ausbeute an Fertigzellstoff mit einem gewünschten Wert an Reißfestigkeit abnimmt. Durch diese Beeinflussung der Kochtemperatur als "Hauptprozeßgröße" in der zweiten Phase der Kochung werden Ausbeuteverluste duch versehentliche "Überkochung" der Suspension vermieden.

[0024] An dem in FIG 2 in strichlierter Linie eingetragenen Zeitverlauf der Ausbeute A(t) für den höheren Wert TM2 der Kochtemperatur ist zu erkennen, daß in diesem Fall die Ausbeute im Verlauf der zweiten Phase T2 der Kochung schneller abnimmt, da insgesamt der Kochprozeß schneller abläuft. Dementsprechend tritt auch der dazugehörige Zeitverlauf der Reißfestigkeit R(t) bei der höheren Fertigkochtemperatur TM2 früher auf, d.h. erreicht früher sein Maximum und fällt schneller wieder ab. So tritt im Beispiel der FIG 2 das Reißfestigkeitsmaximum annähernd im Zeitpunkt t0 auf, während die Reißfestigkeit in den Zeitpunkten t1 und t2 bereits einen negativen Gradienten hat.

[0025] Durch die erfindungsgemäße Maßnahme der Begrenzung des Kochdruckes in der zweiten Phase der Kochung wird somit die "Steuerbarkeit" des Prozesses mit dem Ziel der Aufrechterhaltung einer gewünschten hohen Ausbeute an Zellstoff mit einem vorgegebenen Wert an Reißfestigkeit weiter verbessert. Aufgrund des reduzierten Kochdruckes in der zweiten Phase wirken die chemischen Reaktionsstoffe in der Kochflüssigkeit ohnehin nur gebremst auf die Zellstoffasern ein. Wird darüber hinaus insbesondere bei der Gefahr einer "Überkochung" des Zellstoffes durch Zerkochung auch die Fertigkochtemperatur begrenzt, so ist es leichter möglich, einen Fertigzellstoff z.B. mit definierter Lignin-Restkonzentration bzw. Reißfestigkeit einzustellen.

[0026] Die Begrenzung der Kochtemperatur kann bevorzugt auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen. So kann z.B. für die gesamte zweite Phase T2 der Kochung der maximal zulässige Wert Tmax der Fertigkochtemperatur T(T2) abgesenkt sein. Dies ist insbesondere dann von Vorteil, wenn der Wert des "Kochdruckes" zu Beginn der zweiten Phase aufgrund der vorliegenden Prozeßrandbedingungen an der oberen Grenze des zulässigen Wertebereiches liegt. Die Begrenzung des maximal zulässigen Wertes der Kochtemperatur begünstigt die "Steuerbarkeit" des Systems und vermindert somit die Gefahr einer Verfehlung der gewünschten Ausbeute und gegebenenfalls Reißfestigkeit im Fertigzellstoff mit Ende der Kochung.

[0027] Andererseits kann die Begrenzung der Fertigkochtemperatur auch durch eine Absenkung des Sollwertes für die Fertigkochtemperatur in der zweiten Phase T2 erfolgen. In diesem Fall wird der Sollwert bevorzugt gegen Ende der Kochung bzw. im letzten Drittel der zweiten Phase T2 abgesenkt. Dies ist im Beispiel der FIG 1 dargestellt. Dabei erfolgt etwa im Zeitpunkt 7,7 Stunden eine in strichlierter Linie eingetragene Absenkung der Kochtemperatur von ca. 130° C auf ca. 120° C. Dementsprechend weist z.B. bei der Zellstoffherstellung nach dem "Sulfitverfahren" die Temperaturabsenkung bevorzugt einen Wert von 5 bis 10° C auf.

[0028] Die erfindungsgemäßen Maßnahmen der Druckabsenkung zu Beginn der zweiten Kochphase und einer eventuellen zusätzlichen Temperaturbegrenzung in der zweiten Kochphase erhöhen durch Harmonisierung des Prozeßablaufs dessen Steuerbarkeit. Es ist somit durch präzisere Vorgabe eines Abbruchzeitpunktes mit einer größeren Genauigkeit möglich, einen gewünschten Wert an Reißfestigkeit aufweisenden Fertigzellstoff mit möglichst großer Ausbeute zu erzeugen.

[0029] Eine besonders vorteilhafte Vorrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens weist einen programmgesteuerten Rechner auf, insbesondere eine sogenannte speicherprogrammierbare Steuerung, ein Automatisierungssystem oder einen Prozeßrechner. Dieser enthält ein Programm zur Steuerung der Kochung, mit mindestens einem Fuzzy-Regler zur Führung des Druckes p(t) und gegebenenfalls der Fertigkochtemperatur. Insbesondere werden damit die jeweils optimalen Werte des "Imprägnierdruckes" p(T1), des "Kochdruckes" p(T2), des Umschaltzeitpunktes zwischen beiden Druckwerten, der optimalen Fertigkochtemperatur TM(T2), deren möglicher Begrenzung bzw. Absenkung gegen Ende der Kochung und der im Hinblick auf die Erzielung eines Zellstoffes mit gewünschter Reißfestigkeit optimale Abbruchzeitpunkt der Kochung bestimmt. Aufgrund der Tatsache, daß einem Fuzzy-Regler die Eingangsgrößen nicht in einer meßtechnisch exakten Weise zugeführt werden müssen, sondern daß es ausreichend ist, die Eingangsgrößen lediglich in "unscharfer Weise" groben Werteteilbereichen zuzuordnen, ist ein bevorzugt programmtechnisch realisierter Fuzzy-Regler zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Steuerung der Kochung einer Suspension aus Holzstoff und Kochflüssigkeit in einer Anlage zur Herstellung von Zellstoff besonders geeignet.

[0030] Als Eingangsgrößen werden einem derartigen Fuzzy-Regler bevorzugt Sollwerte für die Reißfestigkeit und Ausbeute des Fertigzellstoffes, und Istwerte für die aktuelle Holzqualität und die Konzentrationen der chemischen Reaktionsstoffe in der Kochflüssigkeit vorgegeben. Für den Fall, daß die Anlage zur Zellstoffherstellung nach dem Chargenprinzip betrieben wird, können dem Fuzzy-Regler als Eingangsgrößen zusätzlich die am Ende der vorangegangenen Charge an Zellstoff aufgetretenen Istwerte der Reißfestigkeit und Ausbeute als Eingangsgrößen zugeführt werden.

[0031] So ist im linken Teil der FIG 3 ein beispielhafter Satz von Eingangsgrößen bevorzugt für einen Fuzzy-Regler zur Führung einer im Chargenbetrieb diskontinuierliche betriebenen Anlage dargestellt. Dabei kennzeichnet die Ergänzung (n) Istwerte, welche zu Beginn der Bearbeitung der aktuellen Charge erfaßt wurden. Dies betrifft insbesondere die Holzqualität Q und die Konzentrationen 1,2 von beispielhaft zwei chemischen Reaktionsstoffen in der Kochflüssigkeit. Gegebenenfalls kann zusätzlich ein Änderungswert ΔQ der Holzqualität als Eingangsgröße zusätzlich zugeführt werden. Darüber hinaus kennzeichnet die Ergänzung (n-1), daß es sich bei diesem Istwert um einen Ergebniswert der Kochung einer vorangegangenen Charge handelt. Dies betrifft insbesondere die Reißfestigkeit R, die erzielbare Ausbeute B bzw. den auftretenden Ausschuß A. Auch in diesen Fällen können zusätzlich Änderungswerte ΔR, ΔB, ΔA zusätzlich als Eingangsgrößen zugeführt werden. Als Ausgangsgröße gibt der Fuzzy-Regler zumindest Stellgrößen für den "Imprägnierdruck" p(T1) in der ersten Phase der Kochung, für den "Kochdruck" p(T2) in der zweiten Phase der Kochung und bevorzugt für die maximal zulässige Fertigkochtemperatur TM(T2) vor.

[0032] Gemäß einer weiteren Ausführung der Erfindung enthält das Programm zur Steuerung der Kochung in der Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens zusätzlich ein "neuronales Netz" NZ zur Führung des Druckes und gegebenenfalls der Fertigkochtemperatur in der Anlage zur Zellstoffherstellung. Nach Inbetriebsetzung wird die Anlage vom Fuzzy-Regler geführt. Das neuronale Netz wird dabei zwar mit den gleichen Eingangsgrößen versorgt, läuft aber für die Dauer von dessen Adaption ohne Verbindung mit der Anlage parallel mit. Erst nach Abschluß der Adaption des neuronalen Netzes übernimmt es anstelle des Fuzzy-Reglers die Führung der Anlage.

[0033] In FIG 3 ist bildlich ein neuronales Netz NZ dargestellt, dem der bereits oben beschriebene Satz an Eingangsgrößen zugeführt wird. Die Grobstruktur des neuronalen Netzes ist der Struktur des Fuzzy-Reglers adäquat. Dies äußert sich zumindest in einem übereinstimmenden Satz an Ein- und Ausgangsgrößen. Bekanntlich weist ein neuronales Netz eine Vielzahl von zu Gruppen zusammengefaßten sogenannten "Neuronen" auf.

[0034] So ist im Beispiel der Figur 3 jeder Eingangsgröße ein Neuron aus dem Satz der Eingangsneurode EN zugeordnet. Entsprechend weist der Satz aus Ausgangsneuronen AN je ein Neuron zur Abgabe einer Ausgangsgröße auf. Dazwischen sind im Beispiels der Figur 3 zwei weitere Sätze von Neuronen vorhanden, welche als "hidden-layers" HL1,HL2 bezeichnet werden. Die Neuronen des Netzes sind über eine Vielzahl von Verbindungen miteinander verschaltet, welche mit sogenannten "Gewichten" bewertet sind. Im Rahmen der "Adaption" des Netzes wird die Struktur dieser Verbindungen und die Werte der "Gewichte" pro Verbindung im Rahmen einer Regressionsrechnung in Abhängigkeit von den aktuellen Werten der jeweiligen Eingangsgrößen bestimmt. Erst nach Abschluß dieser Adaption kann das neuronale Netz den Satz der Eingangsgrößen in den Satz an Ausgangsgrößen abbilden. Zu diesem Zweck muß das neuronale Netz zumindest einmal nach Inbetriebsetzung der Anlage zur Zellstoffherstellung zum Durchlaufen der Adaption eine gewisse Zeit mit aktuellen Eingangsgrößen versorgt werden. Dabei läuft es parallel zum Fuzzy-Regler im sogenannten "off-line" Betrieb. Erst nach Abschluß der Adaption, d.h. nach Bestimmung der "Gewichte" für jede neue Neuronverbindung, kann das neuronale Netz den Fuzzy-Regler ablösen und die prozeßtechnische Führung der Anlage zur Zellstoffherstellung übernehmen. Bei einer anderen Ausführungsform der Erfindung ist die Adaption des neuronalen Netzes ständig in Betrieb und es werden hierzu zumindest die Istwerte der Reißfestigkeit und Ausbeute des Fertigzellstoffes ständig als Eingangsgrößen zurückgeführt.

[0035] Ein neuronales Netz ist besonders gut geeignet zur Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens.


Ansprüche

1. Verfahren zur Steuerung der Kochung einer Suspension aus Holzstoff und Kochflüssigkeit in einer Anlage zur Herstellung von Zellstoff, wobei

a) in der ersten Phase (T1) der Kochung während der Aufheizung (TM(t)) die Suspension einem Druck mit einem möglichst hohen Wert (p(T1)) ausgesetzt wird ("Imprägnierdruck"), und

b) für die zweite Phase (T2) der Kochung der Suspension mit Fertigkochtemperatur (TM(T2)) der Wert des Druckes (p(T2)) abgesenkt ist ("Kochdruck").


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei bei Auftreten von Werteveränderungen bei den Konzentrationen der chemischen Reaktionsstoffe in der Kochflüssigkeit die Werte des Druckes (p(T1) bzw. p(T2)) in der ersten und/oder zweiten Phase der Kochung (T1 bzw.T2) der Suspension in umgekehrter Richtung verändert werden.
 
3. Verfahren nach einem der vorangegangenen Ansprüche, wobei der Zeitpunkt der Absenkung des Druckes zwischen der ersten und der zweiten Phase (T1,T2) der Kochung vorgezogen bzw. aufgeschoben wird, wenn die Reißfestigkeit (R) des Fertigzellstoffes am Ende der Kochung einen höheren bzw. niedrigeren Wert annehmen soll.
 
4. Verfahren nach einem der vorangegangenen Ansprüche, wobei die Fertigkochtemperatur (T(T2)) in der zweiten Phase (T2) der Kochung begrenzt wird, wenn aufgrund der vorliegenden Prozeßbedingungen die zu erwartende Ausbeute an Fertigzellstoff mit einem gewünschten Wert an Reißfestigkeit (R) am Ende der Kochung abnimmt.
 
5. Verfahren nach Anspruch 4, wobei für die zweite Phase (T2) der Kochung der maximal zulässige Wert (Tmax) der Fertigkochtemperatur (T(T2)) abgesenkt ist.
 
6. Verfahren nach Anspruch 4 oder 5, wobei in der zweiten Phase (T2) der Kochung der Sollwert für die Fertigkochtemperatur (T(T2)) gesenkt wird.
 
7. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorangegangenen Ansprüche, mit einem programmgesteuerten Rechner, insbesondere einer speicherprogrammierbaren Steuerung, einem Automatisierungssystem oder einem Prozeßrechner, welcher ein Programm zur Steuerung der Kochung enthält mit mindestens einem Fuzzy-Regler zur Führung des Druckes (p(T1),p(T2)) und gegebenenfalls der Fertigkochtemperatur (TM(T2)) in der Anlage zur Zellstoffherstellung.
 
8. Vorrichtung nach Anspruch 7, wobei

a) das Programm zur Steuerung der Kochung zusätzlich ein neuronales Netz (NZ) zur Führung des Druckes und gegebenenfalls der Fertigkochtemperatur in der Anlage zur Zellstoffherstellung aufweist, und

b) nach Inbetriebsetzung wird die Anlage vom Fuzzy-Regler geführt wird und das neuronale Netz mit den gleichen Eingangsgrößen versorgt wird, das Netz für die Dauer der Adaption ohne Verbindung mit der Anlage parallel mitläuft, und nach Abschluß der Adaption anstelle des Fuzzy-Reglers die Führung der Anlage übernimmt.


 




Zeichnung