[0001] Die Erfindung bezieht sich auf Stähle für Schienen, Radlenker und rollendes Eisenbahnzeug
wie Radscheiben, Radreifen und Vollräder.
[0002] Derartige Stähle sind mit unterschiedlicher Zusammensetzung bekannt; sie müssen schweißbar
sein und erfordern infolge der hohen dynamischen Beanspruchung im System Rad/Schiene
eine hohe Streckgrenze, Zugfestigkeit und Dauerschwingfestigkeit, Bruchsicherheit
und Gestaltfestigkeit. Darüber hinaus müssen Schienenstähle infolge der starken Beanspruchung
durch Reibung einen hohen Verschleißwiderstand besitzen. Die Lebensdauer beispielsweise
von Schienen wird bei gleicher mechanischer Beanspruchung im wesentlichen bestimmt
durch den Verschleißwiderstand und das im Schienenkopf anfänglich vorhandene Verschleißvolumen.
Unter sonst gleichen Bedingungen nimmt der Verschleißwiderstand von Schienen mit höherer
Festigkeit zu. Die heute erreichbaren Festigkeiten von 1.100 oder auch 1.200 N/mm²
gehen jedoch zu Lasten der Zähigkeit, Schweißeignung und Bruchsicherheit.
[0003] Die bekannten, normalerweise unlegierten oder allenfalls mit geringen Mengen an Mangan,
Chrom, Vanadium und Molybdän legierten Stähle kommen im Walzzustand, d.h. ohne Wärmebehandlung
zur Verwendung; sie besitzen ein beim Abkühlen an Luft einstellendes perlitisches
oder ferritisch-perlitisches Gefüge und sind in "Draft European Rails Standard", Teil
1, Ausgabe Dezember 1991 und März 1993 beschrieben und enthalten 0,60 bis 0,82% Kohlenstoff,
0,13 bis 0,60% Silizium, 0,66 bis 1,30% Mangan, im Mittel 0,02 bis 0,03% Phosphor
und 0,008 bis 0,030% Schwefel, Rest Eisen einschließlich Verunreinigungen. Die Zugfestigkeit
dieser Stähle liegt bei mindestens 800 bis 1.130 N/mm².
[0004] Zum Stande der Technik gehören auch tellurhaltige Stähle; so beschreibt die US-Patentschrift
4 404 047 im Rahmen eines Verfahrens zur Wärmebehandlung niedriglegierte Stähle mit
0,042 bzw. 0,045% Tellur, ohne daß die Rolle des Tellurs deutlich wird. Des weiteren
sind aus den deutschen Offenlegungsschriften 29 37 908, 30 09 491 und 30 18 537 Automatenstähle
u.a. mit bis 0,6% Kohlenstoff, bis 0,5% oder bis 2,5% Silizium, bis 2,0% Mangan, 0,003
bis 0,04% oder bis 0,40% Schwefel und bis 0,03% Tellur bekannt, die auch erhebliche
Mengen an Legierungsmitteln enthalten können. Das Tellur dient hier zur Verbesserung
der Kaltverformbarkeit.
[0005] Von diesem Stand der Technik ausgehend, liegt der Erfindung das Problem zugrunde,
einen Stahl mit verbessertem Verschleißwiderstand sowie erhöhter Reißfestigkeit und
Zähigkeit ohne Beeinträchtigung Schweißeignung zu schaffen.
[0006] Die Lösung dieser Aufgabe geht von der Erkenntnis aus, daß nicht nur bei Schienenstählen
die Quereigenschaften, d.h. die technologischen Eigenschaften quer zur Walzrichtung,
einen entscheidenden Einfluß auf die Lebensdauer ausüben. Dem liegt die Feststellung
zugrunde, daß sich unter einer Verschleißbeanspruchung Materialpartikel in Querrichtung
ablösen, die Rißbildung und das Rißwachstum bei Ermüdungsschäden, beispielsweise Shelling,
zwar in Längsrichtung verläuft, dafür aber die Dauerschwingfestigkeit in Querrichtung
maßgebend ist.
[0007] Es ist zwar bekannt, daß die Werkstoffeigenschaften bei Schienenstählen zum Teil
von der Probenlage in bezug auf die Walzrichtung abhängig sind. Dies gilt jedoch nicht
für die Zugfestigkeit; die Streckgrenze ist hingegen quer zur Walzrichtung etwas höher,
während die Dehnung in der Querrichtung etwa 50 bis 60% und die Brucheinschnürung
etwa 65 bis 75% geringer sind als in Walzrichtung.
[0008] Es hat daher nicht an Versuchen gefehlt, die Quereigenschaften von Schienenstählen
zu verbessern. Diese Versuche haben jedoch nicht zum Erfolg geführt.
[0009] Die Erfindung zeigt einen Weg, wie sich mit einfachen metallurgischen Maßnahmen die
Quereigenschaften von Schienenstählen wesentlich verbessern lassen.
[0010] So haben Versuche gezeigt, daß Tellur die Warmfestikeit der Sulfide erhöht, die sich
in Anwesenheit von Tellur beim Warmverformen nicht strecken, sondern ihre kugeligelliptische
Form im wesentlichen beibehalten. Demgemäß geht von diesen Sulfiden eine weitaus geringere
Kerbwirkung aus als bei den üblichen, sich beim Warmwalzen in Walzrichtung streckenden
Sulfiden. Die Folge davon ist nicht nur ein besseres Verschleißverhalten, sondern
auch eine Verbesserung der mechanischen Quereigenschaften, ohne daß dadurch die Schweißeignung
leidet.
[0011] Die Wirkung des Tellurs zeigt sich bei allen bekannten Schienenqualitäten, gleichviel
ob deren Gefüge ferritisch-perlitisch, perlitisch, feinperlitisch, vergütet oder bainitisch
ist.
[0012] Der erfindungsgemäße Stahl enthält daher bis 0,004% vorzugsweise mindestens 0,00015
oder 0,002% Tellur und vorzugsweise unter 0,0015% Sauerstoff und/oder unter 0,007%
Schwefel. Ein besonders günstiges Verschleißverhalten ergibt sich, wenn das Verhältnis
Schwefel/Tellur etwa 0,1 bis 0,6 beträgt.
[0013] Besonders geeignet sind Stähle mit 0,55 bis 0,75% Kohlenstoff, 0,10 bis 0,50% Silizium,
1,30 bis 1,70% Mangan und höchstens 0,05% Phosphor, Rest Eisen einschließlich erschmelzungsbedingter
Verunreinigungen.
[0014] Weiterhin eignen sich Stähle mit 0,60 bis 0,80% Kohlenstoff, 0,60 bis 1,20% Silizium,
0,80 bis 1,30% Mangan, höchstens 0,030% Phosphor und 0,70 bis 1,20% Chrom, Rest Eisen
einschließlich erschmelzungsbedingter Verunreinigungen.
[0015] Ebenso kommen für das erfindungsgemäße Legieren mit Tellur auch Stähle mit 0,70 bis
0,80% Kohlenstoff, 0,80 bis 1,20% Silizium, 0,80 bis 1,30% Mangan, höchstens 0,030%
Phosphor, 0,80 bis 1,20% Chrom, bis 0,25% Titan und/oder Vanadium, Rest Eisen einschließlich
erschmelzungsbedingter Verunreinigungen in Frage. Vorzugsweise sind Stähle jedoch
titanfrei, da die kubischen Titankarbide und -karbonitide das Ermüdungsverhalten beeinträchtigen.
[0016] Schließlich eignen sich als tellurhaltige Schienenwerkstoffe auch Stähle mit 0,53
bis 0,62% Kohlenstoff, 0,65 bis 1,1% Mangan, 0,8 bis 1,3% Chrom, 0,1 bis 0,6% Silizium,
0,05 bis 0,11% Molybdän, 0,05 bis 0,11% Vanadium und unter 0,02% Phosphor, Rest Eisen
einschließlich erschmelzungsbedingter Verunreinigungen.
[0017] Die vorstehend mit ihrer Analyse angegebenen Schienenstähle können zudem noch 0,01
bis 0,025% Aluminium, vorzugsweise bis 0,004% Aluminium enthalten.
[0018] Den niedrigen Schwefelgehalt kommt insofern neben der günstigen Wirkung des Tellurs
auf die Sulfide eine besondere Bedeutung zu, als sich der Verschleißwiderstand mit
abnehmendem Schwefelgehalt wesentlich verbessert. Da Tellur und Schwefel in die gleiche
Richtung wirken, könnte der erfindungsgemäße Stahl auch tellurfrei sein, wenn der
Schwefelgehalt entsprechend gering ist.
[0019] Um die negative Wirkung des Schwefels auf die Zugfestigkeit in Querrichtung zu veranschaulichen,
wurde bei einem Schienenstahl der Qualität 900A der Schwefelgehalt von üblicherweise
etwa 0,022 auf 0,052% erhöht. Die Zusammensetzung des Normstahls 900A ergibt sich
aus der nachfolgenden Tabelle I. Die betreffenden Schienen wurden in einer Kurve mit
einem Radius von 570m verlegte. Nach einer Belastung von etwa 92 x 10⁶ t wurde der
Kantenverschleiß gemessen; er betrug bei den Schienen aus der Qualität 900A mit üblichem
Schwefelgehalt 3,5mm und bei der Qualität 900A mit dem vorerwähnten erhöhten Schwefelgehalt
6mm.

[0020] Das beiliegende Diagramm der Fig. 1 enthält eine Auswertung der Versuchsergebnisse.
Dabei veranschaulichen die dick ausgezogene Pfeillinie und der Punkt A den Kurvenverschleiß
in Abhängigkeit von der Zugfestigkeit im Festigkeitsbereich von 700 bis 1.350 N/mm²
für Radien von 300 bis 350 m aus früheren Untersuchungen. Der im Diagramm der Fig.
1 eingetragene Punkt auf der gestrichelten Geraden ist repräsentativ für den üblichen
Schienenstahl 900A, während das Kreuz die Lage des Versuchsstahls mit dem auf 0,052%
erhöhten Schwefelgehalt wiedergibt. Die dünn eingezeichnete, vertikal verlaufende
Linie kennzeichnet den Verschleiß der oben erwähnten Versuchskurve. Dieses Verschleißverhalten
entspricht der Schienenstahlqualität 700 mit ihrem üblichen Schwefelgehalt.
[0021] Um nun den günstigen Einfluß geringer Tellurgehalte nachzuweisen, wurden weitere
Versuche mit den herkömmlichen Schienenstählen 900A, 900A mit Tellur, 800 mit Tellur
und 700 durchgeführt. In der nachfolgenden Tabelle II sind die Eigenschaften von Längs-
und Querproben der beiden erfindungsgemäßen tellurhaltigen Schienenstähle und der
beiden Vergleichsstähle zusammengestellt. Eine graphische Darstellung des jeweiligen
Verhältnisses der Quer- zu den Längseigenschaften gibt das Diagramm der Fig. 2 wieder.

[0022] Daraus ergibt sich, daß der Tellurzusatz die Quer-Zugfestigkeit R
m im Vergleich zu den Werten in Längsrichtung praktisch nicht beeinflußt, während sich
die Quer-Streckgrenze R
p 0,2 geringfügig erhöht. Das Verhältnis der Reißfestigkeit in Quer- und in Längsrichtung
erhöht sich von 0,88 bei den tellurfreien Vergleichsstählen auf 0,95 bei den tellurhaltigen
Stählen, während sich die Bruchdehnung bei den 900-Stählen von 0,57 auf 0,91 und die
Brucheinschnürung von 0,38 auf 0,74 erhöht.
[0023] Insgesamt hat sich bei Vergleichsversuchen gezeigt, daß sich der Verschleißwiderstand
mit Hilfe des erfindungsgemäßen Tellurzusatzes um 50% und mehr erhöhen läßt. So betrug
bei dem herkömmlichen Schienenstahl 900A der spezifische Flächenverschleiß bei einem
Gleisbogen mit einem Kurvenradius von 350m je 100 x 10⁶ t Belastung 200 mm², bei einem
erfindungsgemäßen tellurhaltigen Stahl hingegen nur 120 mm².
[0024] Ein wesentlich besseres Verschleißverhalten ergibt sich auch dann, wenn der Stahl
900A zwar tellurfrei ist, jedoch nur 0,003% Schwefel enthält. Insoweit läßt sich die
der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe auch mit einer Begrenzung des Schwefelgehalts
auf unter 0,007% erreichen, wenngleich nicht in dem Maße wie bei einem erfindungsgemäßen
Stahl mit bis 0,004% Tellur.
[0025] Die nachfolgende Tabelle III zeigt, wie sich die mechanischen Eigenschaften mit Hilfe
einer Begrenzung des Schwefelgehalts und zusätzlich mit einem Tellurzusatz von nur
0,002% verbessern lassen. Dies zeigt sich insbesondere an den Quereigenschaften sowie
der Bruchdehnung und -einschnürung, denen angesichts der verhältnismäßig hohen Zugfestigkeit
eine besondere Bedeutung zukommt.

[0026] Außer Tellur kann der erfindungsgemäße Stahl noch weitere schwefelaffine Elemente
wie Zirkonium, Calcium, Magnesium und seltene Erdmetalle enthalten.
[0027] Insgesamt zeigen die Versuche, daß sich der Verschleißwiderstand ohne eine Erhöhung
der Zugfestigkeit in Längsrichtung wesentlich erhöhen läßt. Damit ist der Vorteil
verbunden, daß die Schweißbarkeit und die Zähigkeit nicht beeinträchtigt werden; denn
eine Erhöhung der Festigkeit zur Verbesserung des Verschleißverhaltens wäre mit einer
Beeinträchtigung der Schweißbarkeit und der Zähigkeit verbunden.
[0028] Andererseits läßt sich aber auch umgekehrt unter Beibehaltung des Verschleißwiderstandes
die Festigkeit absenken, was mit dem Vorteil eines geringeren Gehaltes an Kohlenstoff
und Legierungselementen sowie einer damit verbundenen Verbesserung der Schweißbarkeit
und der Bruchsicherheit verbunden ist.
[0029] Unabhängig von den beiden vorerwähnten Möglichkeiten, die Eigenschaften des erfindungsgemäßen
Stahls gezielt einzustellen, besitzt der erfindungsgemäße Stahl in jedem Falle bessere
Quereigenschaften, insbesondere eine bessere Reißfestigkeit, Bruchdehnung und Brucheinschnürung
und demgemäß einen erhöhten Widerstand gegen Längsrisse im Schienensteg. Hinzu kommt
eine um etwa 20% höhere Dauerschwingfestigkeit in Querrichtung und der daraus resultierende
höhere Widerstand gegen Ermüdungsschäden, der sich sonst nur durch eine Erhöhung der
Zugfestigkeit um 20 N/mm² erreichen läßt.
1. Stahl für Schienen, Radlenker und rollendes Eisenbahnzeug mit bis 0,82% Kohlenstoff,
gekennzeichnet durch einen Tellurgehalt unter 0,004% und/oder einen Schwefelgehalt bis 0,007%.
2. Stahl nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch einen Sauerstoffgehalt unter 0,0015%.
3. Stahl nach einem der Ansprüche 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Verhältnis Tellur/Schwefel 0,1 bis 0,6 beträgt.
4. Stahl nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch 0,6 bis 0,8% Kohlenstoff, bis 0,50% Silizium, 0,80 bis 1,30% Mangan und höchstens
0,05% Phosphor, Rest Eisen einschließlich erschmelzungsbedingter Verunreinigungen.
5. Stahl nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch 0,5 bis 0,75% Kohlenstoff, 0,10 bis 0,50% Silizium, 1,30 bis 1,70% Mangan und höchstens
0,05% Phosphor, Rest Eisen einschließlich erschmelzungsbedingter Verunreinigungen.
6. Stahl nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch 0,60 bis 0,80% Kohlenstoff, 0,60 bis 1,20% Silizium, 0,80 bis 1,30 % Mangan, höchstens
0,030% Phosphor und 0,70 bis 1,20% Chrom, Rest Eisen einschließlich erschmelzungsbedingter
Verunreinigungen.
7. Stahl nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch 0,70 bis 0,80% Kohlenstoff, 0,80 bis 1,20% Silizium, 0,80 bis 1,30% Mangan, höchstens
0,030% Phosphor, 0,80 bis 1,20% Chrom, bis 0,25% Titan und/oder Vanadium, Rest Eisen
einschließlich erschmelzungsbedingter Verunreinigungen.
8. Stahl nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch 0,53 bis 0,62% Kohlenstoff, 0,65 bis 1,1% Mangan, 0,8 bis 1,3% Chrom, 0,1 bis 0,6%
Silizium, je 0,05 bis 0,11% Molybdän und Vanadium sowie unter 0,02% Phosphor, Rest
Eisen einschließlich erschmelzungsbedingter Verunreinigungen.
9. Stahl nach einem der Ansprüche 1 bis 8, gekennzeichnet durch 0,01 bis 0,25% Aluminium.
10. Stahl nach einem der Ansprüche 1 bis 8, gekennzeichnet durch unter 0,004% Aluminium.
11. Verwendung eines Stahls nach einem der Ansprüche 1 bis 10 als Werkstoff für Schienen,
Radlenker und rollendes Eisenbahnzeug.