(19)
(11) EP 0 600 236 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
08.06.1994  Patentblatt  1994/23

(21) Anmeldenummer: 93117603.6

(22) Anmeldetag:  29.10.1993
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C21C 7/00, B22D 1/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE DE ES FR GB IT NL SE

(30) Priorität: 30.10.1992 DE 4236727

(71) Anmelder:
  • SKW Trostberg Aktiengesellschaft
    D-83308 Trostberg (DE)
  • AFFIVAL S.A.
    F-59730 Solesmes (FR)

(72) Erfinder:
  • Neuer, Bernd, Dr.
    D-83530 Schnaitsee (DE)
  • Riche, Dominique
    F-59400 Tilloy-Lez-Cambrai (FR)
  • Villette, Franck B.
    F-59620 Aulnoye Aymeries (FR)

(74) Vertreter: Huber, Bernhard, Dipl.-Chem. et al
Patentanwälte H. Weickmann, Dr. K. Fincke F.A. Weickmann, B. Huber Dr. H. Liska, Dr. J. Prechtel, Dr. B. Böhm Postfach 86 08 20
81635 München
81635 München (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Mittel zur Behandlung von Metallschmelzen


    (57) Die Erfindung betrifft ein Mittel zur Behandlung von Metallschmelzen in Form eines Fülldrahtes bestehend aus einem metallischen Mantel aus Stahl oder Eisen und einer Füllung, die eine bei der Temperatur der Metallschmelze gasabspaltende Verbindung auf Basis eines organischen Polymeren in Mengen von 0,2 bis 20 g pro Meter Fülldraht enthält. Weiterhin betrifft die Erfindung die Verwendung des Mittels zur Homogenisierung, Raffination und homogenen Kühlung sowie zum Legieren von Metallschmelzen.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Mittel zur Behandlung von Metallschmelzen in Form eines metallisch ummantelten gefüllten Drahtes.

    [0002] Ein Ziel von metallurgischen Prozessen ist es, Analyse und Temperatur der Metallschmelze in der Gießpfanne homogen einzustellen. Die konvektiven Strömungen in der Pfanne aufgrund von Dichteunterschieden verlaufen zu langsam und müssen in der Praxis durch Einbringen inerter Spülgase beschleunigt werden. Häufig wird eine verbesserte Durchmischung durch Einblasen von Argon oder Stickstoff durch poröse Bodensteine oder über Lanzen vorgenommen.

    [0003] Auch bei den bekannten pneumatischen Lanzen-Einblasverfahren z.B. der Roheisenentschwefelung besorgt das Trägergas nicht nur den pneumatischen Transport der feinkörnigen Feststoffe, sondern gleichzeitig auch die homogene Verteilung der Zusätze in der Schmelze.

    [0004] Die Entwicklung der Fülldrahttechnik in der Sekundärmetallurgie hat die pneumatische Injektion in manchen Bereichen abgelöst. Für viele Anwendungen, insbesondere für die Injektion von Stoffen, die keinen eigenen Dampfdruck entwickeln, ist das Fehlen eines turbulenzerzeugenden Gases ein Nachteil. Die Homogenisierung der Schmelze verläuft zu langsam. Im Nahbereich des sich auflösenden Drahtes treten Konzentrationsspitzen auf, die zu unerwünschten Reaktionsprodukten oder auch zu Ausbringverminderungen führen.

    [0005] In der DE 41 03 197 A1 wird ein Verfahren zur raschen Abkühlung einer metallurgischen Schmelze mit einem dafür geeigneten Draht, der aus einer Metallhülle, z.B. aus kohlenstoffarmem Stahlblech, und einer Füllung aus einem Granulat besteht, beschrieben, bei dem Schmelze, Drahthülle und Drahtfüllung aus im wesentlichen gleichen Material bestehen. Das Einbringen dieses Drahtes auf den Pfannenboden bewirkt zwar ein rasches Freisetzen der Granulatpartikel im unteren Schmelzbereich; durch die geringe Partikelgröße von 0,2 bis 0,5 mm schmelzen die Granulatkörner jedoch rasch und begrenzen so den Hauptkühleffekt auf Pfannenbodennähe. Die gekühlten Schmelzanteile werden lediglich mit der normalen Badbewegung mehr oder weniger homogen verteilt.

    [0006] Die Verteilung der Komponenten der Drahtfüllung in der Schmelze hängt dabei also ausschließlich von der thermischen Badbewegung oder dem Dampfdruck der Drahtfüllstoffe ab. Da mit der Fülldrahtinjektion Stoffe mit geringem oder keinem Dampfdruck in die Schmelze eingetragen werden, unterbleibt im Falle fehlender poröser Gasspülsteine eine zusätzliche, verteilend wirkende Gasentwicklung, was für eine Reihe praktischer Anwendungen von Nachteil ist.

    [0007] Bekannt ist auch ein Zusatz gasabspaltender Substanzen zu Metallschmelzen. Von den bekannten und für diesen Zweck möglichen Gasabspaltern führen Kalkstein bzw. Flammkohle zu negativen Veränderungen der Schmelzenqualität. Kalkstein spaltet thermisch Kohlendioxid ab und beeinflußt durch diese oxidierenden Bedingungen beispielsweise die Stahlanalyse durch Abbrand von Aluminium; auch sind Reaktionen mit den sonstigen Zusatzstoffen nicht auszuschließen. Flammkohle verändert durch Aufkohlungsvorgänge ebenfalls die Stahlanalyse; natürliche Flammkohle enthält zudem immer unerwünschte Mengen Sauerstoff.

    [0008] Aus der DE 22 52 796 ist die Verwendung von Polyethylen als feste, Ethen abspaltende Komponente eines aus mehreren Komponenten bestehenden Entschwefelungsmittels für Roheisen- und Ferrolegierungsschmelzen bekannt, das mit Hilfe des vorgenannten Lanzenverfahrens mittels eines Trägergasstromes in das Schmelzbad eingetragen wird. Hauptaufgabe des Polyethylens ist in diesem Fall die Schaffung reduzierender Bedingungen in der Eisenschmelze.

    [0009] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Mittel der eingangs genannten Art mit einer Drahtfüllung zu schaffen, deren spezielle Beimengungen bei den Anwendungstemperaturen Gas abspalten und so eine Turbulenzbildung im Metallbad erzwingen, die zu einer Homogenisierung der Schmelze führt, ohne die Zusammensetzung der Schmelze negativ zu beeinflussen.

    [0010] Gelöst wird die Aufgabe erfindungsgemäß dadurch, daß eine Drahtfüllung vorgesehen wird, die eine gasabspaltende Verbindung auf Basis eines organischen Polymeren in Mengen von 0,2 bis 20 g pro Meter Fülldraht enthält.

    [0011] Das erfindungsgemäße Mittel enthält vorzugsweise als organische Polymere Polyethylen, Polypropylen oder/und Polystyrol. Das organische Polymere liegt vorzugsweise in körniger Form vor. Die Korngröße beträgt 0,1 bis 10 mm, besonders bevorzugt < 2,0 mm, umschlossen von der Fülldrahthülle. Die Drahthülle besteht aus einem metallischem Mantel aus Stahl oder Eisen. Neben den gasabspaltenden Verbindungen enthält die Drahtfüllung bevorzugt noch unzersetzbare anorganische Stoffe, die als Oxide von Erdalkalimetallen oder/und Aluminium, Oxide oder/und Nitride des Siliciums oder als Metalle oder Metalloxide der VIII Gruppe des Periodensystems der Elemente eingebracht werden. Besonders bevorzugte Zusätze sind gebrannter Kalk, Magnesiumoxide, und Kalk-Aluminate.

    [0012] Eine bevorzugte Ausführungsform des erfindungsgemäßen Mittels ist ein Fülldraht für Eisen- und Stahlschmelzen aus einer Eisenhülle, die eine Füllung aus 0,1 bis 10 Gew.-% Polyethylen und 90 bis 99,9 Gew.-% Füllstoff, wie z.B. Eisenpulver, umschließt.

    [0013] Die erfindungsgemäße Anwendung eines der vorgenannten organischen Polymere liefert bereits bei Zusatzmengen von nur 1 bis 2 Gew.-% zum Drahtfüllstoff die notwendigen Gasmengen. Ein größerer oder kleinerer Zusatz an Polymeren im Fülldraht hängt ab von der Geometrie der vorhandenen Pfannen oder der Art der Verwendung des Fülldrahtes. Die durch die thermische Zersetzung der organischen Polymere eingebrachten Mengen an Kohlenstoff und Wasserstoff sind in der erfindungsgemäßen Form unkritisch, da die Metallschmelzanalyse durch sie nicht negativ verändert wird. Die freigesetzten Gasmengen verstärken die Turbulenzströmung der Metallschmelze und beeinflussen die Badbewegung günstig. Primär- oder Sekundärreaktionen mit den sonstigen Füllstoffzusätzen können ausgeschlossen werden.

    [0014] Verwendung findet das erfindungsgemäße Mittel in erster Linie zum Homogenisieren, Raffinieren und kurzfristigen Kühlen von Metallschmelzen. Als Metallschmelzen kommen Eisen- und Stahlschmelzen in Frage.

    [0015] Das erfindungsgemäße Mittel ist auch zum Legieren von Metallschmelzen durch Einbringen von Mikrolegierungselementen wie Titan, Molybdän, Bor und anderen geeignet. Für diesen Verwendungszweck werden in der Drahtfüllung zusätzlich diese Elemente oder diese Elemente unter den Schmelzbedingungen freisetzende Verbindungen vorgesehen.

    [0016] Der erfindungsgemäße Fülldraht hat im allgemeinen einen Durchmesser von etwa 5 bis 16 mm, vorzugsweie von 9 bis 13 mm. Die Wandstärke liegt zwischen 0,1 und 0,8 mm, bevorzugt 0,4 bis 0,6 mm. Der Kerndurchmesser beträgt entsprechend 4,8 bis 15,8 mm, vorzugsweise 8,2 bis 11,8 mm.

    [0017] Die Herstellung des Fülldrahtes kann nach bekannten Methoden erfolgen, wie sie z.B. in DE-41 03 197, Spalte 3, Zeilen 49-58 und 64-68, sowie den Figuren 2 und 3 beschreiben sind.

    [0018] Bei Versuchen mit dem erfindungsgemäßen Mittel hat sich überraschenderweise gezeigt, daß die Anwendung der organischen Polymere in Fülldrähten sehr vielseitig sein kann. Nachfolgende Beispiele sollen dies näher erläutern.

    Beispiel 1


    Spülung einer Pfanne



    [0019] In Fällen des behinderten Gasaustritts infolge Verlegens der Spülsteine im Pfannenboden kann der Einsatz beispielsweise in einem bloßen Rühren bestehen; durch das Einbringen des erfindungsgemäßen Mittels in Drahtform werden die betreffenden Chargen vor einer qualitativen Abwertung bewahrt.

    [0020] Fülldraht mit Hüllmaterial Eisen, Durchmesser 13 mm, Wandstärke 0,4 mm, Kerndurchmesser 12,2 mm, mit 4 g Polyethylen (PE) pro Meter und einer Teilchengröße zwischen 0,5 und 1,0 mm (Füllkernrest: Inertmaterial gebrannter Kalk)) wurde mit einer Geschwindigkeit von 200 Metern pro Minute injiziert. Da 1 g Polyethylen 0,86 Nl Ethen abspalten, werden bei diesem Vorgang 688 Nl Gas pro Minute freigesetzt, was der Leistung der Argon-Bodenspülsteine entspricht. Die Spülzeit für eine 80 t Pfanne beträgt 3 Minuten, die Schmelze ist anschließend homogen.

    Beispiel 2


    Raffination von Stahlschmelzen



    [0021] Ein Fülldraht mit einem Füllungsgemisch aus einer Calcium-Aluminat-Raffinationsschlacke und 3 % PE wird in eine Schmelze von hochgekohltem Werkzeugstahl in einer Pfanne injiziert. Starke Turbulenz verteilt die Schlackenpartikel im unteren Pfannenbereich gleichmäßig in der Schmelze. Als Folge waschen die aufsteigenden flüssigen Partikel feinste suspendierte nichtmetallische Einschlüsse (Aluminiumoxid) aus, die sich in der Schlacke sammeln. Der Reinheitsgrad kann vom Ausgangswert Ko 60 reproduzierbar auf Ko < 10 nach Stahl-Eisen-Prüfblatt verbessert werden.

    Beispiel 3



    [0022] Beim Stranggießen von Stahl stellt sich häufig die Aufgabe, zu heiße Schmelzen kurzfristig auf die Gießsolltemperatur abkühlen zu müssen.

    [0023] Zum Zwecke des homogenen Kühlens wird das erfindungsgemäße Mittel in Form von Eisenfülldraht mit PE-Zusatz in eine Stahlschmelze eingebracht.

    [0024] Um eine 100 t Charge kurzfirstig um 10 °C abzukühlen wird Fülldraht mit Fe-Pulverfüllung (als Kühlmittel) und Zusatz von 1 Gew.-% PE einer Teilchengröße von 1,5 mm eingesetzt. Für ΔT = 10 °C und 100 t Schmelzgewicht werden 750 m Fe-Draht mit einem Durchmesser von 13 mm, entsprechend 700 kg Fe, injiziert. Diese Menge wird in 3 Minuten eingebracht. Die Schmelze ist danach homogen um 10 °C abgekühlt und kann sofort vergossen werden.

    [0025] Analoge Ergebnisse wie in den 3 Beispielen wurden erhalten durch Ersatz von Polyethylen durch einen dieselbe Gasmenge liefernden Zusatz an Polypropylen (1,5-faches Gewicht) oder Polystyrol (3,7-faches Gewicht bezogen auf Polyethylen).


    Ansprüche

    1. Mittel zur Behandlung von Metallschmelzen in Form eines Fülldrahtes bestehend aus einem metallischen Mantel aus Stahl oder Eisen und einer Füllung,
    dadurch gekennzeichnet, daß die Füllung eine bei der Temperatur der Metallschmelze gasabspaltende Verbindung auf Basis eines organischen Polymeren in Mengen von 0,2 bis 20 g pro Meter Fülldraht enthält.
     
    2. Mittel nach Anspruch 1,
    dadurch gekennzeichnet, daß die gasabspaltende Verbindung aus Polyethylen, Polypropylen oder/und Polystyrol ausgewählt ist.
     
    3. Mittel nach Anspruch 1 oder 2,
    dadurch gekennzeichnet, daß die gasabspaltende Verbindung in körniger Form mit einer Korngröße von 0,1 bis 10 mm, bevorzugt < 2,0 mm, im Draht umschlossen vorliegt.
     
    4. Mittel nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
    dadurch gekennzeichnet, daß die Füllung zusätzlich unzersetzbare anorganische Stoffe enthält.
     
    5. Mittel nach Anspruch 4,
    dadurch gekennzeichnet, daß es als anorganische Stoffe Oxide von Erdalkalimetallen und Aluminium, Oxide oder Nitride des Silicium oder Metalle oder Metalloxide der VIII Gruppe des periodischen Systems der Elemente enthält.
     
    6. Mittel nach den Ansprüchen 1 bis 5,
    dadurch gekennzeichnet, daß der metallische Mantel aus Eisen und die Füllung aus 0,1 bis 10 Gew.-% Polyethylen und 90 bis 99.9 Gew.-% Eisenpulver besteht.
     
    7. Verwendung des Mittels nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zur Homogenisierung von Metallschmelzen.
     
    8. Verwendung des Mittels nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zur Raffination von Metallschmelzen.
     
    9. Verwendung des Mittels nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zur homogenen Kühlung von Metallschmelzen.
     
    10. Verwendung des Mittels nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zum Legieren von Metallschmelzen.
     





    Recherchenbericht