(19)
(11) EP 0 610 153 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
10.08.1994  Patentblatt  1994/32

(21) Anmeldenummer: 94810037.5

(22) Anmeldetag:  20.01.1994
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5G21F 9/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE DE FR GB

(30) Priorität: 01.02.1993 CH 285/93

(71) Anmelder: DECO-HANULIK AG
CH-8032 Zürich (CH)

(72) Erfinder:
  • Hanulik, Jozef, Dr. Dipl. Chem. Ing. ETH
    CH-8032 Zürich (CH)

(74) Vertreter: Feldmann, Clarence Paul et al
c/o Patentanwaltsbüro FELDMANN AG Postfach Kanalstrasse 17
CH-8152 Glattbrugg
CH-8152 Glattbrugg (CH)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Dekontamination von radioaktiven Metalloberflächen


    (57) Zur Dekontamination von radioaktiv kontaminierten Metallobjekten wurden diese in ein erstes Bad mit radioaktiv unbelasteter, ameisensäurehaltiger, wässeriger Lösung gegeben. Die Metallobjekte wurden im Bad über mehrere Stunden belassen, bis die Ameisensäure stöchiometrisch vollständig verbraucht war. Hierauf wurden die Metallobjekte in ein zweites Bad gegeben, mit derselben chemischen Zusammensetzung. Und auch dieses wurde wiederum stöchiometrisch vollständig verbraucht. Die Konzentration der wässerigen, ameisensäurigen Lösung betrug zirka 0,3 Mol/l. Diese Schritte wurden solange wiederholt, bis die Restkontamination der Metallobjekte unterhalb der Freigrenze von 0,37 Bq/cm² betrug. Die radioaktiv belasteten Metalloxide wurden aussedimentiert und der Schlamm mit Zement verfestigt und danach entsorgt.


    Beschreibung


    [0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Dekontamination von radioaktiven Metalloberflächen mittels einer ameisensäurehaltigen, wässerigen Lösung. Zur Dekontamination von radioaktiven Metalloberflächen, sind verschiendene Verfahren bekannt. Aus der US-A-5'008'044 ist der Einsatz von Fluoroborsäure zur Dekontamination von radioaktiv kontaminierten Oberflächen bekannt. Das darin beschriebene Verfahren eignet sich sowohl zur Dekontamination von Oberflächen aus metallischen und mineralischen Stoffen. Der Vorteil jenes Verfahrens liegt in der hohen Aufnahmefähigkeit des verwendeten Dekontaminationsmittels und ermöglicht eine grosse Abtragtiefe, weshalb sich jenes Verfahren insbesondere zur Reinigung von mittel und stark radioaktiv kontaminierten Gegenständen aus verschiedensten Materialien eignet. Entsprechend wird auch jenes Verfahren bei den Dekontaminationsarbeiten in Tschernobyl eingesetzt. Der hohe Anteil an Metallen erlaubt die elektrolytische Regenerierung derselben. Die Entsorgung der Bäder ist jedoch aufwendig und erzeugt einen grossen Anteil an Abfällen, wegen der vorhandenen Säurenreste. Ein weiteres Problem stellt die Giftigkeit des Dekontaminationsmittels dar.

    [0002] Insbesondere bei höheren Temperaturen von über 130°C pyrolisiert das Dekontaminationsmittel zu giftigem Borofluorid.

    [0003] Aus der US-A- 4'508'641 ist ein weiteres Dekontaminationsverfahren bekannt, welches als Dekontaminationsmittel Ameisensäure und/oder Essigsäure und wenigstens ein Reduktionsmittel, wie Formaldehyd und/oder Acetaldehyd verwendet. Es handelt sich hierbei um ein Dekontaminationsverfahren für Reaktorkühlkreisläufe, mittels dem Stahloberflächen mit relativ kleinen Mengen an Chemikalien und Spülwasser gereinigt werden können und wobei die gebrauchte Dekontaminationslösung wieder aufbereitet wird. Dank der Beigabe des Reduktionsmittels verbleiben die Eisenionen stabil in der Lösung und gehen somit keine Verbindung ein. Dies ist in einem System mit geschlossenen Kreislauf wesentlich, damit keine Sedimentation ausfällenden Verbindungen entstehen. Erst in einem zweiten Verfahrensschritt werden zur Entsorgung die Eisenverbindungen aus der Dekontaminationslösung ausgefällt. Da die gesamte Dekontamination in einem geschlossenen Kreislauf stattfindet, muss entweder kontinuierlich Dekontaminationsmittel eingeimpft werden, da dieses sich stöchiometrisch verbraucht oder mit hohen Konzentrationen der Säure gearbeitet werden. Hingegen erübrigt sich hier das Problem der Entsorgung eines Bades. Muss jedoch das gesamte Kühlmittel des Kreislaufes ebenfalls gereinigt und entsorgt werden, so ist dieses wegen des vorhandenen Formaldehyds als Reduktionsmittel äusserst problematisch. Eine vollständige Freidekontamination bis unter die Freigrenze von beispielsweise 0,37 Bq/cm ist kaum möglich. Dies ist jedoch auch innerhalb der Kühlkreisläufe von Reaktoren nicht gefragt.

    [0004] Es war folglich die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ein Dekontaminationsverfahren zu schaffen, welches einerseits mittels einem möglichst ungiftigen und preiswerten Dekontaminationsmittel arbeitet und bei dem insbesondere die Menge an Sekundärabfällen besonders gering ist.

    [0005] Diese Aufgabe löst ein Verfahren der eingangs genannten Art, das sich dadurch auszeichnet, dass die radioaktiv kontaminierten Metallobjekte in ein erstes Bad mit radioaktiv unbelasteter, 0,05 bis 5,0 Volumen % ameisensäurehaltiger, wässeriger Lösung gegeben wird, worin die Metallobjekte verbleiben, bis die Ameisensäure stöchiometrisch mindestens annähernd vollständig verbraucht ist, worauf die Metallobjekte in ein zweites, gleiches Bad gegeben werden, welches wiederum stöchiometrisch mindestens annähernd vollständig verbraucht wird, und dass dieser Schritt so lange wiederholt wird, bis die Metallobjekte eine Restradioaktivität unterhalb der zulässigen Freigrenze aufweisen, und dass aus den stöchiometrisch verbrauchten, wässerigen Lösungen die radioaktiv belasteten Metalloxide und Metallhydroxide aussedimentiert und in an sich bekannter Weise verfestigt werden, worauf die radioaktiv unbelastete wässerige Lösung nach Zugabe von Ameisensäure für ein weiteres Dekontaminatiosbad verwendbar ist.

    [0006] Ein solches Verfahren hat den Vorteil, dass die Bäder nicht nach jeder Verwendung vollständig gereinigt werden müssen und somit der Anteil an sekundären Abfällen äusserst gering ist. Erst wenn die Dekontaminationsarbeit abgeschlossen ist, wird man dann mit an sich bekannten Mitteln die verbleibende wässerige Lösung vollständig reinigen.

    [0007] Handelt es sich bei den radioaktiv kontaminierten Metallobjekten um solche aus Blei oder Nickel oder aus Blei oder Nickel enthaltenden Legierungen, so ist es von Vorteil, dass man der ameisensäurehaltigen, wässerigen Lösung ein Oxidationsmittel beigibt, insbesondere Wasserstoffhydroxid.

    [0008] Weitere vorteilhafte Merkmale des Verfahrens gehen aus den abhängigen Patentansprüchen hervor.

    [0009] Nachfolgend ist ein labormässig durchgeführter Versuch im Detail beschrieben. Ein rund 200 kg schweres radioaktiv kontaminiertes Metallobjekt, im vorliegenden Beispiel ein Kranhaken, wurde in einen leeren Tank aus Polypropylen, mit einem Fassungsvermögen von rund 300 l gegeben. Die gesamte Metalloberfläche des Kranhakens wurde auf rund 2 m² geschätzt. In einem zweiten Schritt wurden dem Bad 150 1 einer 0,5 %-igen Ameisensäure beigegeben. In einem dritten Schritt wurde nun der Kranhaken über mehrere Stunden im Bad belassen. Diese Zeit variierte bei Raumtemperatur zwischen 5 und 16 Stunden. Anschliessend wurde die stöchiometrisch verbrauchte Lösung ausgepumpt. Hierauf hat man die Radioaktivität des verbrauchten Dekontaminationsmittels, sowie die verbleibende Radioaktivität des Metallobjektes gemessen und die vorgenannten Schritte wiederholt. Je nach der Stärke der radioaktiven Kontamination mussten diese Schritte mehrmals wiederholt werden. Nachdem festgestellt wurde, dass die Restradioaktivität des Kranhakens unterhalb der Freigrenze lag, wurde das verbrauchte Dekontaminationsmittel im selben Bad elektrolytisch behandelt. Der verbleibende Schlamm, vorwiegend bestehend aus Fe, Fe (OH)x, sowie sonstige Unreinheiten inklusive der absorbierten Radioaktivität wurde nach der Sedimentation mit Zement verfestigt und entsorgt. Das verbleibende Wasser wurde danach in einem letzten Schritt über einen Ionentauscher geleitet und danach der Kläranlage zugeführt.

    [0010] In einem weiteren experimentellen Versuch an 43 A-Stahl wurde die Abtragsgeschwindigkeit eruiert. Die Versuche wurden an einem Muster von 200 g und der Grösse von 50 x 100 x 5 mm durchgeführt. Hierbei wurde festgestellt, das die Metallabtragung bei sehr niedrigen Konzentrationen der Ameisensäure, beispielsweise von 0,3 Mol/l sich mittels Aenderung der Temperatur sehr genau steuern lässt. So wurde zum Beispiel festgestellt, dass bei einer Badtemperatur von 19°C die Abtragungsgeschwindigkeit 1.1 mg/cm² h betrug, während bei 80°C eine Abtragungsgeschwindigkeit 35 mg/cm² h festgestellt wurde. Auch hier wurde wiederum die verbrauchte und mit Aktivität geladene Lösung mittels einer Elektrolyse anodisch oxidiert. Der gebildete Eisenhydroxidschlamm hat dabei die Aktivität absorbiert. Nach Durchführung einer Sedimentation wurde das Wasser für eine weitere Dekontamination verwendet.

    [0011] Eine quantitative Gegenüberstellung des bekannten Verfahrens gemäss der US-A-4'508'641 im Vergleich zum erfindungsgemässen Verfahren ergab ein Verhältnis von rund 30:1. Gerade diese quantitative Gegenüberstellung zeigt deutlich die wirtschaftliche Bedeutung des erfindungsgemässen Verfahrens.

    [0012] Das beschriebene Verfahren lässt sich sowohl für die Dekontamination grösserer Mengen radioaktiver Metallteile verwenden, wie auch für kleinere Dekontaminationsarbeiten. Insbesondere bei grösseren Arbeiten wird man die stöchiometrisch verbrauchte Lösung wieder gebrauchen, indem man den darin gelösten Metallen und Nukleiden ein Oxidationsmittel, vorzugsweise H₂0₂ beigibt. Hierdurch wird erreicht, dass aus der Lösung, die noch einen Säuregrad von circa 3 - 3,5 pH aufweist, die nicht löslichen Komplexe aussedimentieren. Bekanntlich ist Fe (COOH)₂ löslich und kann folglich die Radioaktivität nicht binden. Unter Beigabe von H₂0₂ bilden sich so die dreiwertigen in Wasser unlöslichen Verbindungen:



    [0013] Sowohl Fe(OH)₃ als auch Fe⁺(OH)₂(COOH) weisen eine sehr grosse Absorptionsoberfläche auf und sind folglich zur Bindung der Radioaktivität besonders geeignet. Der sich so bildende Schlamm kann mittels Sedimentation und/oder Dekantation und/oder Filtration abgetrennt und danach verfestigt und entsorgt werden.

    [0014] Selbstverständlich kann aber Fe³⁺(OH(₂(COOH) auch noch auf circa 150°C erhitzt werden, so dass es in die Teile Fe₂0₃ + Radioaktivität, sowie in H₂0 und C0₂ zerfällt.

    [0015] Der nun weitgehend radioaktivitätsfreien, wässerigen Lösung setzt man nun wieder Ameisensäure bei, bis die wässerige Lösung wieder die anfängliche Konzentration aufweist, worauf man das zu dekontaminierende Metallteil wieder hineingibt. So kann in derselben Wanne mit demselben Wasseranteil lediglich unter Beigabe von HCOOH ein Schritt nach dem anderen durchgeführt werden und das Verfahren beliebig oft wiederholt werden, bis die Dekontaminationsarbeit erledigt ist.

    [0016] Nach Beendigung einer Dekontaminationsarbeit muss selbstverständlich auch die wässerige Lösung entsorgt werden. Beim erfindungsgemässen Verfahren wird man dies wiederum unter Beigabe von H₂0₂ tun. Um aber noch eine geringfügige Restradioaktivität zu eliminieren, gibt man nach einer kurzen Wartezeit der wässerigen Lösung auch noch eine Lauge bei. Hierzu eignet sich insbesondere NaOH und Ca(OH)₂, je nachdem, welche Nukleide vorwiegend vorhanden sind, nämlich Co-60, Cs-134, Cs-137 oder U bzw. Pu-Isotope. Danach wird wie bisher der Schlamm abgeschieden und die annähernd neutrale, wässerige Lösung vorzugsweise über einen Harzionentauscher geleitet und dann frei von Radioaktivität in die Kläranlage geleitet.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Dekontamination von radioaktiven Metalloberflächen mittels einer ameisensäurehaltigen, wässerigen Lösung, dadurch gekennzeichnet, dass die radioaktiv kontaminierten Metallobjekte in ein erstes Bad mit radioaktiv unbelasteter, 0.05-5,0 Vol.% ameisensäurehaltiger, wässeriger Lösung gegeben wird, worin die Metallobjekte verbleiben bis die Ameisensäure stöchiometrisch mindestens annähernd vollständig verbraucht ist, worauf die Metallobjekte ins zweite gleiche Bad gegeben werden, welches wiederum stöchiometrisch mindestens annähernd vollständig verbraucht wird und dass dieser Schritt so lange wiederholt wird, bis die Metallobjekte eine Restradiokativität unterhalb der zulässigen Freigrenze aufweisen, und dass aus den stöchiometrisch verbrauchten wässerigen Lösungen die radioaktiv belasteten Metalloxide und Metallhydroxide aussedimentiert und in an sich bekannter Weise verfestigt werden, worauf die radioaktiv unbelastete, wässerige Lösung nach Zugabe von Ameisensäure für ein weiteres Dekontaminationsbad verwendbar ist.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die zur weiteren Dekontamination verwendbare wässerige Lösung vollständig mittels einem Harzionentauscher zu deionisiertem Wasser gereinigt wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die wässerige Lösung des letzten Bades einer Elektrolyse unterzogen wird.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die radioaktiv kontaminierten Metallobjekte aus Blei oder Nickel sind oder Blei oder Nickel enthalten, dadurch gekennzeichnet, dass man der ameisensäurenhaltigen wässerigen Lösung ein Oxidationsmittel beigibt, insbesondere Wasserstoffhydroxid.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Bäder auf einer Temperatur zwischen Raumtemperatur und 80°C gehalten werden.
     
    6. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Konzentration der Ameisensäure in der wässerigen Lösung von 0,1 bis 1,0 Mol/l beträgt und die Abtragungsgeschwindigkeit durch die Temperatur des Bades gesteuert wird.
     
    7. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man zur mindestens annähernd vollständig stöchiometrisch verbrauchten Lösung mit den darin gelösten Metallen und den radioaktiven Nukleiden ein Oxidationsmittel beigibt und der wasserunlösliche Schlamm entfernt wird.
     
    8. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man nach Abschluss der Arbeit, nach der letzmaligen stöchiometrisch mindestens annähernd vollständigen Nutzung der wässerigen Lösung mit den darin gelösten Metallen mit den radioaktiven Nukleiden erst ein Oxidationsmittel und nachher eine Lauge beigibt, worauf der ausgefällte Schlamm entweder durch Filtration und/oder Dekantation und/oder Sedimentation ausgeschieden und zur Entsorgung verfestigt wird, während die verbleibende wässerige Lösung der Kanalisation zugeführt wird.
     
    9. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass als Oxidationsmittel vorzugsweise H₂0₂ verwendet wird.
     
    10. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass als Oxidationsmittel H₂0₂ verwendet wird und als Lauge NaOH und/oder Ca(OH)₂ benutzt wird.
     
    11. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass die regenerierte wässerige Lösung unter Beigabe von Ameisensäure auf die ursprüngliche Konzentration gebracht wird und das nächste Bad eingeleitet wird.
     
    12. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass alle Dekontaminationsschritte im selben Bad erfolgen.
     





    Recherchenbericht