[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Dekontamination von radioaktiven
Metalloberflächen mittels einer ameisensäurehaltigen, wässerigen Lösung. Zur Dekontamination
von radioaktiven Metalloberflächen, sind verschiendene Verfahren bekannt. Aus der
US-A-5'008'044 ist der Einsatz von Fluoroborsäure zur Dekontamination von radioaktiv
kontaminierten Oberflächen bekannt. Das darin beschriebene Verfahren eignet sich sowohl
zur Dekontamination von Oberflächen aus metallischen und mineralischen Stoffen. Der
Vorteil jenes Verfahrens liegt in der hohen Aufnahmefähigkeit des verwendeten Dekontaminationsmittels
und ermöglicht eine grosse Abtragtiefe, weshalb sich jenes Verfahren insbesondere
zur Reinigung von mittel und stark radioaktiv kontaminierten Gegenständen aus verschiedensten
Materialien eignet. Entsprechend wird auch jenes Verfahren bei den Dekontaminationsarbeiten
in Tschernobyl eingesetzt. Der hohe Anteil an Metallen erlaubt die elektrolytische
Regenerierung derselben. Die Entsorgung der Bäder ist jedoch aufwendig und erzeugt
einen grossen Anteil an Abfällen, wegen der vorhandenen Säurenreste. Ein weiteres
Problem stellt die Giftigkeit des Dekontaminationsmittels dar.
[0002] Insbesondere bei höheren Temperaturen von über 130°C pyrolisiert das Dekontaminationsmittel
zu giftigem Borofluorid.
[0003] Aus der US-A- 4'508'641 ist ein weiteres Dekontaminationsverfahren bekannt, welches
als Dekontaminationsmittel Ameisensäure und/oder Essigsäure und wenigstens ein Reduktionsmittel,
wie Formaldehyd und/oder Acetaldehyd verwendet. Es handelt sich hierbei um ein Dekontaminationsverfahren
für Reaktorkühlkreisläufe, mittels dem Stahloberflächen mit relativ kleinen Mengen
an Chemikalien und Spülwasser gereinigt werden können und wobei die gebrauchte Dekontaminationslösung
wieder aufbereitet wird. Dank der Beigabe des Reduktionsmittels verbleiben die Eisenionen
stabil in der Lösung und gehen somit keine Verbindung ein. Dies ist in einem System
mit geschlossenen Kreislauf wesentlich, damit keine Sedimentation ausfällenden Verbindungen
entstehen. Erst in einem zweiten Verfahrensschritt werden zur Entsorgung die Eisenverbindungen
aus der Dekontaminationslösung ausgefällt. Da die gesamte Dekontamination in einem
geschlossenen Kreislauf stattfindet, muss entweder kontinuierlich Dekontaminationsmittel
eingeimpft werden, da dieses sich stöchiometrisch verbraucht oder mit hohen Konzentrationen
der Säure gearbeitet werden. Hingegen erübrigt sich hier das Problem der Entsorgung
eines Bades. Muss jedoch das gesamte Kühlmittel des Kreislaufes ebenfalls gereinigt
und entsorgt werden, so ist dieses wegen des vorhandenen Formaldehyds als Reduktionsmittel
äusserst problematisch. Eine vollständige Freidekontamination bis unter die Freigrenze
von beispielsweise 0,37 Bq/cm ist kaum möglich. Dies ist jedoch auch innerhalb der
Kühlkreisläufe von Reaktoren nicht gefragt.
[0004] Es war folglich die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ein Dekontaminationsverfahren
zu schaffen, welches einerseits mittels einem möglichst ungiftigen und preiswerten
Dekontaminationsmittel arbeitet und bei dem insbesondere die Menge an Sekundärabfällen
besonders gering ist.
[0005] Diese Aufgabe löst ein Verfahren der eingangs genannten Art, das sich dadurch auszeichnet,
dass die radioaktiv kontaminierten Metallobjekte in ein erstes Bad mit radioaktiv
unbelasteter, 0,05 bis 5,0 Volumen % ameisensäurehaltiger, wässeriger Lösung gegeben
wird, worin die Metallobjekte verbleiben, bis die Ameisensäure stöchiometrisch mindestens
annähernd vollständig verbraucht ist, worauf die Metallobjekte in ein zweites, gleiches
Bad gegeben werden, welches wiederum stöchiometrisch mindestens annähernd vollständig
verbraucht wird, und dass dieser Schritt so lange wiederholt wird, bis die Metallobjekte
eine Restradioaktivität unterhalb der zulässigen Freigrenze aufweisen, und dass aus
den stöchiometrisch verbrauchten, wässerigen Lösungen die radioaktiv belasteten Metalloxide
und Metallhydroxide aussedimentiert und in an sich bekannter Weise verfestigt werden,
worauf die radioaktiv unbelastete wässerige Lösung nach Zugabe von Ameisensäure für
ein weiteres Dekontaminatiosbad verwendbar ist.
[0006] Ein solches Verfahren hat den Vorteil, dass die Bäder nicht nach jeder Verwendung
vollständig gereinigt werden müssen und somit der Anteil an sekundären Abfällen äusserst
gering ist. Erst wenn die Dekontaminationsarbeit abgeschlossen ist, wird man dann
mit an sich bekannten Mitteln die verbleibende wässerige Lösung vollständig reinigen.
[0007] Handelt es sich bei den radioaktiv kontaminierten Metallobjekten um solche aus Blei
oder Nickel oder aus Blei oder Nickel enthaltenden Legierungen, so ist es von Vorteil,
dass man der ameisensäurehaltigen, wässerigen Lösung ein Oxidationsmittel beigibt,
insbesondere Wasserstoffhydroxid.
[0008] Weitere vorteilhafte Merkmale des Verfahrens gehen aus den abhängigen Patentansprüchen
hervor.
[0009] Nachfolgend ist ein labormässig durchgeführter Versuch im Detail beschrieben. Ein
rund 200 kg schweres radioaktiv kontaminiertes Metallobjekt, im vorliegenden Beispiel
ein Kranhaken, wurde in einen leeren Tank aus Polypropylen, mit einem Fassungsvermögen
von rund 300 l gegeben. Die gesamte Metalloberfläche des Kranhakens wurde auf rund
2 m² geschätzt. In einem zweiten Schritt wurden dem Bad 150 1 einer 0,5 %-igen Ameisensäure
beigegeben. In einem dritten Schritt wurde nun der Kranhaken über mehrere Stunden
im Bad belassen. Diese Zeit variierte bei Raumtemperatur zwischen 5 und 16 Stunden.
Anschliessend wurde die stöchiometrisch verbrauchte Lösung ausgepumpt. Hierauf hat
man die Radioaktivität des verbrauchten Dekontaminationsmittels, sowie die verbleibende
Radioaktivität des Metallobjektes gemessen und die vorgenannten Schritte wiederholt.
Je nach der Stärke der radioaktiven Kontamination mussten diese Schritte mehrmals
wiederholt werden. Nachdem festgestellt wurde, dass die Restradioaktivität des Kranhakens
unterhalb der Freigrenze lag, wurde das verbrauchte Dekontaminationsmittel im selben
Bad elektrolytisch behandelt. Der verbleibende Schlamm, vorwiegend bestehend aus Fe,
Fe (OH)
x, sowie sonstige Unreinheiten inklusive der absorbierten Radioaktivität wurde nach
der Sedimentation mit Zement verfestigt und entsorgt. Das verbleibende Wasser wurde
danach in einem letzten Schritt über einen Ionentauscher geleitet und danach der Kläranlage
zugeführt.
[0010] In einem weiteren experimentellen Versuch an 43 A-Stahl wurde die Abtragsgeschwindigkeit
eruiert. Die Versuche wurden an einem Muster von 200 g und der Grösse von 50 x 100
x 5 mm durchgeführt. Hierbei wurde festgestellt, das die Metallabtragung bei sehr
niedrigen Konzentrationen der Ameisensäure, beispielsweise von 0,3 Mol/l sich mittels
Aenderung der Temperatur sehr genau steuern lässt. So wurde zum Beispiel festgestellt,
dass bei einer Badtemperatur von 19°C die Abtragungsgeschwindigkeit 1.1 mg/cm² h betrug,
während bei 80°C eine Abtragungsgeschwindigkeit 35 mg/cm² h festgestellt wurde. Auch
hier wurde wiederum die verbrauchte und mit Aktivität geladene Lösung mittels einer
Elektrolyse anodisch oxidiert. Der gebildete Eisenhydroxidschlamm hat dabei die Aktivität
absorbiert. Nach Durchführung einer Sedimentation wurde das Wasser für eine weitere
Dekontamination verwendet.
[0011] Eine quantitative Gegenüberstellung des bekannten Verfahrens gemäss der US-A-4'508'641
im Vergleich zum erfindungsgemässen Verfahren ergab ein Verhältnis von rund 30:1.
Gerade diese quantitative Gegenüberstellung zeigt deutlich die wirtschaftliche Bedeutung
des erfindungsgemässen Verfahrens.
[0012] Das beschriebene Verfahren lässt sich sowohl für die Dekontamination grösserer Mengen
radioaktiver Metallteile verwenden, wie auch für kleinere Dekontaminationsarbeiten.
Insbesondere bei grösseren Arbeiten wird man die stöchiometrisch verbrauchte Lösung
wieder gebrauchen, indem man den darin gelösten Metallen und Nukleiden ein Oxidationsmittel,
vorzugsweise H₂0₂ beigibt. Hierdurch wird erreicht, dass aus der Lösung, die noch
einen Säuregrad von circa 3 - 3,5 pH aufweist, die nicht löslichen Komplexe aussedimentieren.
Bekanntlich ist Fe (COOH)₂ löslich und kann folglich die Radioaktivität nicht binden.
Unter Beigabe von H₂0₂ bilden sich so die dreiwertigen in Wasser unlöslichen Verbindungen:

[0013] Sowohl Fe(OH)₃ als auch Fe⁺(OH)₂(COOH) weisen eine sehr grosse Absorptionsoberfläche
auf und sind folglich zur Bindung der Radioaktivität besonders geeignet. Der sich
so bildende Schlamm kann mittels Sedimentation und/oder Dekantation und/oder Filtration
abgetrennt und danach verfestigt und entsorgt werden.
[0014] Selbstverständlich kann aber Fe³⁺(OH(₂(COOH) auch noch auf circa 150°C erhitzt werden,
so dass es in die Teile Fe₂0₃ + Radioaktivität, sowie in H₂0 und C0₂ zerfällt.
[0015] Der nun weitgehend radioaktivitätsfreien, wässerigen Lösung setzt man nun wieder
Ameisensäure bei, bis die wässerige Lösung wieder die anfängliche Konzentration aufweist,
worauf man das zu dekontaminierende Metallteil wieder hineingibt. So kann in derselben
Wanne mit demselben Wasseranteil lediglich unter Beigabe von HCOOH ein Schritt nach
dem anderen durchgeführt werden und das Verfahren beliebig oft wiederholt werden,
bis die Dekontaminationsarbeit erledigt ist.
[0016] Nach Beendigung einer Dekontaminationsarbeit muss selbstverständlich auch die wässerige
Lösung entsorgt werden. Beim erfindungsgemässen Verfahren wird man dies wiederum unter
Beigabe von H₂0₂ tun. Um aber noch eine geringfügige Restradioaktivität zu eliminieren,
gibt man nach einer kurzen Wartezeit der wässerigen Lösung auch noch eine Lauge bei.
Hierzu eignet sich insbesondere NaOH und Ca(OH)₂, je nachdem, welche Nukleide vorwiegend
vorhanden sind, nämlich Co-60, Cs-134, Cs-137 oder U bzw. Pu-Isotope. Danach wird
wie bisher der Schlamm abgeschieden und die annähernd neutrale, wässerige Lösung vorzugsweise
über einen Harzionentauscher geleitet und dann frei von Radioaktivität in die Kläranlage
geleitet.
1. Verfahren zur Dekontamination von radioaktiven Metalloberflächen mittels einer ameisensäurehaltigen,
wässerigen Lösung, dadurch gekennzeichnet, dass die radioaktiv kontaminierten Metallobjekte
in ein erstes Bad mit radioaktiv unbelasteter, 0.05-5,0 Vol.% ameisensäurehaltiger,
wässeriger Lösung gegeben wird, worin die Metallobjekte verbleiben bis die Ameisensäure
stöchiometrisch mindestens annähernd vollständig verbraucht ist, worauf die Metallobjekte
ins zweite gleiche Bad gegeben werden, welches wiederum stöchiometrisch mindestens
annähernd vollständig verbraucht wird und dass dieser Schritt so lange wiederholt
wird, bis die Metallobjekte eine Restradiokativität unterhalb der zulässigen Freigrenze
aufweisen, und dass aus den stöchiometrisch verbrauchten wässerigen Lösungen die radioaktiv
belasteten Metalloxide und Metallhydroxide aussedimentiert und in an sich bekannter
Weise verfestigt werden, worauf die radioaktiv unbelastete, wässerige Lösung nach
Zugabe von Ameisensäure für ein weiteres Dekontaminationsbad verwendbar ist.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die zur weiteren Dekontamination
verwendbare wässerige Lösung vollständig mittels einem Harzionentauscher zu deionisiertem
Wasser gereinigt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die wässerige Lösung des letzten
Bades einer Elektrolyse unterzogen wird.
4. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die radioaktiv kontaminierten Metallobjekte aus Blei
oder Nickel sind oder Blei oder Nickel enthalten, dadurch gekennzeichnet, dass man
der ameisensäurenhaltigen wässerigen Lösung ein Oxidationsmittel beigibt, insbesondere
Wasserstoffhydroxid.
5. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Bäder auf einer Temperatur
zwischen Raumtemperatur und 80°C gehalten werden.
6. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Konzentration der Ameisensäure
in der wässerigen Lösung von 0,1 bis 1,0 Mol/l beträgt und die Abtragungsgeschwindigkeit
durch die Temperatur des Bades gesteuert wird.
7. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man zur mindestens annähernd
vollständig stöchiometrisch verbrauchten Lösung mit den darin gelösten Metallen und
den radioaktiven Nukleiden ein Oxidationsmittel beigibt und der wasserunlösliche Schlamm
entfernt wird.
8. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man nach Abschluss der Arbeit,
nach der letzmaligen stöchiometrisch mindestens annähernd vollständigen Nutzung der
wässerigen Lösung mit den darin gelösten Metallen mit den radioaktiven Nukleiden erst
ein Oxidationsmittel und nachher eine Lauge beigibt, worauf der ausgefällte Schlamm
entweder durch Filtration und/oder Dekantation und/oder Sedimentation ausgeschieden
und zur Entsorgung verfestigt wird, während die verbleibende wässerige Lösung der
Kanalisation zugeführt wird.
9. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass als Oxidationsmittel vorzugsweise
H₂0₂ verwendet wird.
10. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass als Oxidationsmittel H₂0₂
verwendet wird und als Lauge NaOH und/oder Ca(OH)₂ benutzt wird.
11. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass die regenerierte wässerige
Lösung unter Beigabe von Ameisensäure auf die ursprüngliche Konzentration gebracht
wird und das nächste Bad eingeleitet wird.
12. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass alle Dekontaminationsschritte
im selben Bad erfolgen.