[0001] Die Erfindung bezieht sich auf eine Wankstütze für Schienenfahrzeuge mit den Merkmalen
des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1.
[0002] Im normalen Fahrbetrieb von Schienenfahrzeugen sind durch einseitiges Einfedern,
insbesondere durch Fliehkraftwirkung bei Bogenfahrt, verursachte Drehbewegungen eines
Wagenkastens um seine Längsachse ("Wanken") unerwünscht und werden nach Möglichkeit
unterdrückt.
In DE-Z "o + p / Ölhydraulik und Pneumatik" 36 (1992), Nr. 10, Seiten 638 ff. sowie
in der DE-C-40 05 767 wird ein Ausführungsbeispiel einer Wankstabilisierung für Fahrzeuge
mit den Gattungsmerkmalen beschrieben, bei dem zwei in einem Fahrestell um in Fahrtrichtung
liegende Achsen schwenkbar gelagerte zweiarmige Wippen quer zur Fahrtrichtung angeordnet
sind, die in der Fahrzeugquermitte über eine Stange, eine Feder oder ein hydraulisches
Kolben-Arbeitselement gelenkig miteinander und an den Fahrzeugaußenseiten jeweils
einzeln über pendelnde längsstarre Verbindungsstücke mit dem Wagenkasten gekuppelt
sind.
[0003] In dem zitierten Zeitschriftenartikel wird auch eine andere Anordnung beschrieben,
bei der anstelle einer mechanischen Wankstütze der vorerwähnten Art parallel zu den
Luftfedern zwischen den Antriebsgestellen (Linearmotoren) und dem Wagenkasten paarweise
hydraulische Gleichgang-Hubzylinder vorgesehen sind, deren je zwei Arbeitskammern
kreuzweise miteinander kommunizieren. Prinzipbedingt können nur gleichflächige Hubzylinder
verwendet werden, die wegen ihrer beidseitigen Kolbenstangen viel Bauraum beanspruchen.
[0004] Bei eventuellen Lecks des hydraulischen Systems wird diese Wankstütze ohne weitere
Maßnahmen unwirksam; sie könnte aber andererseits auch zu einer aktiven Neigungssteuerung
ausgebaut werden, indem ein gesteuertes Überströmen von Hydraulikfluid zwischen den
beiden normalerweise getrennten Zylinderseiten bzw. Druckkreisen ermöglicht wird.
[0005] In Rad-Schiene-Fahrzeugen wird die Wankstütze meist in Gestalt eines quer zur Fahrtrichtung
angeordneten Torsionsstabs im Fahrwerk oder am Wagenkasten schwenkbar gelagert. Dieser
Aufbau ist gegenüber dem eingangs erörterten mit zwei Wippen weniger aufwendig. In
der EP-B-0 358 143 wird ein direkt an konventionellen Wankstützen anzulenkender hydraulischer
Schwingdämpfer beschrieben, der vertikale Schwingungen der Sekundärfederung dämpft.
[0006] Zum Erhöhen des Fahrkomforts für Reisende während des Durchfahrens von kurvenreichen
Streckenabschnitten wurden aktive Querneigesteuerungen entwickelt, die durch gute
Kompensation von Querbeschleunigungen zusätzlich zu den vorhandenen Gleisüberhöhungen
höhere Reisegeschwindigkeiten bei gutem Komfort zulassen. Bei einer Einrichtung dieser
Art (DE-A-37 13 615) ist ein Wagenkasten über Luftfedern direkt auf einem Fahrgestell
abgestützt, während er parallel zu den Luftfedern über längsstarre Pendelstützen an
einem zusätzlichen Zwischenträger aufgehängt ist, der sich seinerseits über eine Torsionsstab-Wankstütze
am Fahrgestell abstützt. Über einen einzelnen steuerbaren Antrieb ist eine Neigung
des Wagenkastens gegenüber dem Zwischenträger erzwingbar. In die Geometrie der Wankstütze
wird bei der Aktivierung dieser Antriebs-Anordnung nicht eingegriffen.
[0007] Die Erfindung hat die Aufgabe, ausgehend von dem eingangs genannten Stand der Technik
eine für den nachträglichen Einbau in ein vorhandenes konventionelles Rad-Schiene-Fahrwerk
besonders geeignete Ausführung einer aktiven Wagenkastenneigungseinrichtung anzugeben.
[0008] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß mit den kennzeichnenden Merkmalen des Patentanspruchs
1 gelöst.
Die kennzeichnenden Merkmale der Unteransprüche geben vorteilhafte Weiterbildungen
der Erfindung an.
[0009] Aus einer gesteuerten Längenänderung eines Verbindungsstücks innerhalb der Wankstütze
zwischen Wagenkasten bzw. Fahrwerk, ausgehend von einer neutralen Lage -Neigungswinkel
Null-, resultiert ein aktives Neigen des Wagenkastens gegenüber dem Fahrgestell, das
zur besseren Kompensation von Fliehkräften bei Bogenfahrt ausgenutzt werden kann.
Gleichwohl wird die eigentliche Funktion der mechanischen Wankstütze in keiner Weise
beeinträchtigt und bleibt auch bei einem eventuellen Versagen der aktiven Neigesteuerung
erhalten.
[0010] Weitere Einzelheiten und Vorteile des Gegenstands ergeben sich aus der Zeichnung
mehrerer Ausführungsbeispiele und deren folgender detaillierter Beschreibung.
[0011] Es zeigen in stark schematisierter Darstellung
- Figur 1
- eine perspektivische Schnittansicht eines Schienenfahrzeugs mit einer Wankstütze und
einer damit kombinierten aktiven Querneigeeinrichtung,
- Figur 2
- eine Seitenansicht des Schienenfahrzeugs mit Systemkomponenten der Querneigeeinrichtung
und
- Figur 3
- eine hydraulische Schaltskizze für ein Antriebselement mit Steuer- und Rückschlagventilen
und einer hydraulischen Blockierung.
[0012] Ein nur teilweise angedeutetes Fahrgestell 1, z. B. ein zweiachsiges Drehgestell
unter einem Schienenfahrzeug zur Personenbeförderung, hat gemäß
Figur 1 zwei parallele Seitenwangen 2 und mindestens eine diese verbindende Traverse 3. Die
nicht dargestellten Radsätze des Fahrgestells 1 sind jeweils außen in den sich in
Fahrtrichtung erstreckenden Seitenwangen 2 gelagert, so daß die Traverse 3 im wesentlichen
parallel zur Rollachse der Radsätze liegt.
Ein Wagenkasten 4 liegt auf dem Fahrgestell 1 über eine (Sekundär-)Federung 5 auf,
die hier durch zwei über eine Drossel fluidisch miteinander kommunizierende Luftfedern
mit gummielastischen Notfedern gebildet wird. Mit dem Anmeldungsgegenstand könnte
aber auch eine mechanische Federung kombiniert werden.
[0013] Zur Begrenzung von Querbewegungen zwischen dem Wagenkasten 4 und dem Fahrgestell
1 ist in bekannter Weise ein Zapfen 6 am Untergestell des Wagenkastens 4 befestigt,
der in eine fahrgestellfeste Führung 7 mit Spiel eingreift und durch elastische Elemente
seitlich gepuffert ist. Dieses Ensemble ist gegenüber einem früheren System ohne aktive
Neigungssteuerung modifiziert, um den auch in Querrichtung veränderten Wagenkastenbewegungen
Rechnung zu tragen.
[0014] Parallel zu der Traverse erstreckt sich über die gesamte Wagenbreite ein als Torsionsstabfeder
ausgeführtes und im Fahrgestellrahmen vorzugsweise im Bereich der Seitenwangen 2 schwenkbar
gelagertes Stützteil 8. An dessen beiden seitlich über die Seitenwangen 2 herausstehenden
Enden sind einarmige Kurbel-Hebel 9 befestigt, die an ihren freien Enden je eine Anlenkachse
9A tragen. Am Wagenkasten 4 sind korrespondierende Anlenkachsen 4A vorgesehen. Die
sich parallel zu dem Stützteil 8 erstreckenden Anlenkachsen 4A, 9A sind paar- und
seitenweise durch Verbindungsstücke 10 miteinander verbunden.
[0015] Die Baugruppe aus Stützteil 8, Hebeln 9 und Verbindungsstücken 10 ist an sich als
sogenannte Wankstütze bekannt.
[0016] Zusätzlich ist nun aber jedem Verbindungsstück 10 ein steuerbarer Antrieb 11 so zugeordnet,
daß der Abstand zwischen den beiden Anlenkachsen 4A und 9A des Verbindungsstücks 10
aktiv veränderbar ist. Das bedeutet, daß der Wagenkasten unmittelbar auf der Basis
der mechanischen Wankstütze durch eine Längenänderung an den Verbindungsstücken 10
aktiv um eine in Fahrtrichtung des Fahrzeugs liegende Längsachse querneigbar ist.
Der Neigungswinkel wird dann im wesentlichen durch die Längendifferenz zwischen den
beiden Verbindungsstücken bestimmt.
[0017] Das Gewicht des Wagenkastens wird von der Federung 5 getragen; aufgrund der Schwenklagerung
des Stützteils 8 im Fahrgestell 1 setzt dieses einem symmetrischen bzw. parallelen
Einfedern der Federung 5 und mithin den aufgrund von Fahrwegunebenheiten auftretenden
Schwingungen, von Lager-Reibungskräften abgesehen, keinen nennenswerten Widerstand
entgegen. Mit "parallel" sind die Fälle gemeint, in denen der Wagenkasten während
des Einfederns zu sich selbst parallel bleibt.
[0018] Die Querneigefunktion kann grundsätzlich in gleicher Weise auch mit nur einem Antriebselement
auf einer Seite und einem konventionellen, als längsstarre Pendelstütze ausgeführten
Verbindungsstück auf der anderen Seite ausgeführt werden. Hierzu würde ein doppeltwirkendes
Antriebselement benötigt, das ausgehend von einer neutralen Mittellage - in der der
Wagenkastenunterboden parallel zu der Ebene des Fahrgestells 1 liegt - in zwei Richtungen
steuerbar ist, wobei der Wagenkasten einmal nach links und einmal nach rechts geneigt
wird. In Ausfahrrichtung des Antriebselements aus der Mittellage würde das Stützteil
8 so gedreht, daß beide Hebel 9 nach unten schwenken; während aber die auf das längenveränderliche
Verbindungsstück gestützte Wagenkastenseite angehoben wird, wird die mit dem starren
Verbindungsstück gekuppelte Seite heruntergezogen. Ein umgekehrter Ablauf ergibt sich
beim Verkürzen des längenverstellbaren Verbindungsstücks.
[0019] Die steuerbaren Antriebe 11 sind hier als hydraulische Hubzylinder ausgeführt, deren
Kolbenstangen durch die Verbindungsstücke 10 gebildet sind. Grundsätzlich können aber
auch andere geeignete Antriebselemente verwendet werden, wenn sie nur hinreichend
schnell und exakt verstellbar sind und für den Einbau und Betrieb im Schienenfahrzeug
angepaßt werden können.
[0020] Genau genommen sind also die Anlenkachsen hier nur mittelbar über die Verbindungsstücke
10 verbunden; die Antriebe 11 sind zwischengeschaltet. Jedoch wird zwischen Antrieben
11 und Verbindungsstücken 10 nur für Beschreibungszwecke differenziert; funktionell
sind die daraus gebildeten Hubzylinder als Einheit anzusehen.
[0021] Die erwähnte asymmetrische Lösung mit nur einem doppeltwirkenden Hubzylinder besitzt
an sich den Vorteil, weniger Bauteile zu benötigen. Wesentlich einfacher kann auch
die eigentliche Steuerung/Regelung ausfallen, weil nur ein (1) zusätzlicher Freiheitsgrad
eingeführt wird; entsprechend sind weniger Meßdaten als bei der symmetrischen Lösung
zu verarbeiten.
[0022] Die Kräfte an den Antriebselementen sind in beiden Varianten gleich, weil sich über
das Stützteil 8 Momentengleichgewicht einstellt. Bei der asymmetrischen Variante ist
jedoch der Zylinderhub doppelt so groß wie bei der bevorzugten symmetrischen Anordnung.
Ferner könnte es bei Systemstörungen auf der Hydraulikseite schwierig sein, die für
Geradeausfahrt bzw. Neigungswinkel Null benötigte neutrale Mittellage des einzelnen
Zylinders einzustellen.
[0023] Vorteile der Lösung mit beidseitigen Hubzylindern - die als Reihenschaltung der beiden
Hubzylinder / Antriebselemente 11 mit einer (Dreh-) Feder - dem Stützteil 8 - anzusehen
ist - sind ungeachtet des höheren Bau- und Steuerungsaufwands (zwei zusätzliche Freiheitsgrade
gegenüber dem konventionellen Fahrzeug, mit entsprechender Sensorik) die Symmetrie
der Anordnung, woraus gleiches Regelverhalten für Rechts- und Linksneigungen resultiert.
Sehr vorteilhaft können die Antriebselemente 11 wegen der geringeren benötigten Hübe
kürzer als ein einzelnes, einseitiges Antriebselement gehalten werden. Auch kann die
Ruhelage mit Neigungswinkel Null sehr einfach in einer Endlage, vorzugsweise in der
vollständig eingefahrenen Stellung, eingestellt werden, wie noch näher erörtert wird.
[0024] Die Torsionssteifigkeit des Stützteils 8 ist in beiden Varianten so hoch zu bemessen,
daß eine gewollt herbeigeführte ungleiche Länge der Verbindungsstücke 10 nicht durch
Tordieren des Stützteils 8 in sich ausgeglichen werden kann. Dennoch ist die elastische
Verformung nicht vernachlässigbar.
[0025] Die effektive Wagenkasten-Querneigung (Istwert) wird mit Hilfe eines Istwert-Sollwert-Vergleichs
eingestellt bzw. gesteuert.
[0026] An den Antriebselementen 11 bzw. den Verbindungsstücken 10 ist als direkte Rückmeldung
der
Istwerte der Wagenkastenneigung eine Wegmessung vorgesehen. Hieraus resultiert ein hohe Stabilität
der Regelung; Wagenkastenschwingungen werden von der Wankstütze aufgenommen und beeinflussen
die Messung nicht.
[0027] Es werden Wegsensoren vorgesehen, die im vorliegenden Ausführungsbeispiel den Hub
eines Kolbens in einem hydraulischen Zylinder erfassen müssen, wie in
Figur 3 durch einen Doppelpfeil "x" angedeutet ist.
Sie können unmittelbar in die Antriebselemente eingebaut werden oder außen befestigt
mit dem Zylinder als Basis den Hub der Kolbenstange bzw. des Verbindungsstücks 10
erfassen.
[0028] Als Hilfsgröße für die Ermittlung des der Streckenführung und Fahrgeschwindigkeit
anzupassenden
Sollwerts der Querneigung kann der sogenannte Neigungskoeffizient S
w verwendet werden.
[0029] Dieser ist nach der Formel

als Verhältnis aus der in Wagenkastenebene auf die Reisenden wirkenden Querbeschleunigung
a
w zu der in Gleisebene wirkenden Querbeschleunigung a
g minus 1 definiert. In Winkeln ausgedrückt ist S
w das Verhältnis zwischen dem (einstellbaren) Winkel zwischen Wagenkasten und Gleis
und der Differenz aus dem Ausgleichswinkel - bei dem theoretisch sämtliche Querkräfte
aus Fliehkraftwirkung ausgeglichen sind - minus dem Gleiswinkel, also der Überhöhung
der bogenäußeren gegenüber der bogeninneren Schiene.
[0030] Neigungskoeffizienten für konventionelle Fahrzeuge sind positiv und liegen in der
Regel zwischen 0,2 und 0,4; d. h. die auf die Reisenden einwirkende Querbeschleunigung
ist größer als die auf das Fahrwerk einwirkende. Demgegenüber haben Fahrzeuge mit
Neigungssteuerung negative Neigungskoeffizienten; beträgt dieser z. B. - 0,5, so bedeutet
daß, daß 50 % der in Gleisebene auftretenden Fliehkräfte für den Fahrgast kompensiert
werden (das Fahrwerk erfährt höhere Querbeschleunigungen als der mit dem Wagenkasten
nach bogeninnen geneigte Fahrgast).
[0031] Nach Vorgabe eines Soll-Neigungskoeffizienten läßt sich aus Meßdaten (Geschwindigkeit,
Querbeschleunigung am Fahrwerk oder Wagenkasten) eine fahrgastwirksame Sollbeschleunigung
im Wagenkasten berechnen; hieraus wiederum läßt sich der Sollwinkel zwischen Wagenkasten
und Gleis ermitteln.
[0032] Eine bessere und direktere Steuerung der aktiven Neigungssteuerung kann durch Auswertung
von im Fahrzeug gespeicherten Strekkendaten (Bogenradien, Überhöhungen) erreicht werden,
da hierbei mangels Beschleunigungssensoren und dgl. keine messungsbedingte Zeitverzögerung
und keine Störsignale auftreten. Eine voreilende Steuerung wird möglich, mit der auch
z. B. Gleisverwindungen kompensiert werden können.
[0033] Ein verfälschender Einfluß der federnden Wankstütze auf die gemessenen Neigungs-Istwerte
kann rechnerisch nach einer durch Simulation empirisch ermittelten Näherungsformel
zufriedenstellend kompensiert werden. In diese fließen ein Fliehkraftüberschuß, der
Sollwert des Neigungskoeffizienten, die Wagenkastenbeladung (ermittelt z. B. über
Luftfederdrücke) sowie einige fahrzeugspezifische Konstanten ein.
[0034] Der Einstellung der Querneigung durch die Antriebselemente 11 wirken - neben der
Verformung der Wankstütze und der Querfederung 6, 7 auch die Rückstellkräfte der Federung
5 und die parallel zu letzterer vorgesehene Sekundärdämpfung entgegen. Trotzdem können
sehr kompakte Hubzylinder als Antriebselemente verwendet werden, deren Einbau in das
Fahrgestell anstelle der bisher vorgesehenen Verbindungsstücke keine größeren Probleme
aufwirft. Auch ein Einsatz in Jacobs-Drehgestellen (vgl. Fig. 2), bei denen sich zwei
Wagenkästen mit je einer Wankstütze auf ein gemeinsames Fahrgestell stützen, ist ohne
Platzprobleme möglich. Ein weiterer Vorteil ist, daß in den kleinvolumigen Hubzylindern
gegenüber vergleichbaren pneumatischen Neigungssteuerungen nur geringe Fluidmengen
transportiert werden müssen.
[0035] Es versteht sich, daß die Hubzylinder von Querkräften insbesondere beim Ausdrehen
des Drehgestells unter dem Wagenkasten freigehalten werden müssen; z. B. wird das
Verbindungsstück 10 - die Kolbenstange - über ein Gelenkauge und das Antriebselement
11 über ein Kreuzkopf- oder Kugelgelenk befestigt. Insoweit ist die Darstellung der
Anlenkachsen als Scharniere in Fig. 1 durch Vereinfachung ungenau.
[0036] Die Luftfedern des Fahrgestells 1 müssen nach Einbau einer aktiven, parallel zu den
Federn wirkenden Neigungseinrichtung größere Hübe ausführen. Das hierzu benötigte
größere Volumen kann bei gleichbleibender Federrate den Einbau von bisher vorzusehenden
Puffervolumina erübrigen.
[0037] Die durch die Anordnung des Zapfens 6 und der Führung 7 zwischen dem Fahrgestell
1 und dem Wagenkasten 4 gebildete spielbehaftete Querfederung wirkt sich bei einer
nicht durch Pendelstützen oder dgl. zwangsgeführten Querneigung wie der hier beschriebenen
in hohem Maße auf die räumliche Lage des sogenannten "Wankpols" aus.
Der Wankpol ist die momentane in Fahrt- bzw. Längsrichtung verlaufende Achse, um die
der Wagenkasten bei der aktiven Querneigung geschwenkt wird. Im Verhältnis zum Wagenkasten
sollte er immer möglichst hoch liegen, um ein unter energetischen Gesichtspunkten
günstiges Verhalten des Gesamtsystems zu erzielen. Eine hohe Lage des Wankpols unterstützt
passives Ausschwenken des Wagenkastens im erwünschten Sinne, so daß die aktive Steuerung
dann nur noch unterstützend arbeiten muß. Die Quer- und die Wankbewegung laufen dabei
phasengleich.
Simulationen und Versuche haben ergeben, daß eine vorhandene Querfeder eines Drehgestell-Wagenkasten-Systems
an sich unverändert bleiben kann, jedoch um eine bestimmte Strecke höher gesetzt werden
sollte, um den Wagenkasten stärker in der Nähe der gewünschten Wankpollage zu fixieren.
Auch sollte das freie Federspiel verringert werden.
Natürlich kann die aktive Neigungssteuerung auch mit einer an sich bekannten aktiven
Querspielsteuerung kombiniert werden, d. h. ein gewisser Leerlauf aus einer Mittelstellung
des Wagenkastens in y-Richtung bis zum Wirksamwerden der Querfederung könnte z. B.
durch Verwendung von Luft-Querfedern variabel einstellbar sein, um so je nach Bedarf
ein früheres oder späteres Ansprechen der Querfederung zu erreichen und die Quer-
und Wankbewegungen besser zu koppeln.
[0038] Wie bereits erwähnt wurde, werden die Hubzylinder-Antriebselemente im Fahrbetrieb
ausgehend von einer Mittellage gesteuert, d. h. beim Ausfahren des einen Antriebselements
wird das gegenüberliegende eingefahren. Die Wankstützenverbindung zwischen dem Wagenkasten
4 und dem Fahrgestell umfaßt also auch eine Fluidsäule.
Besondere Einrichtungen müssen ggf. für einen Notbetrieb -Ausfall der Hydraulik oder
der elektronischen Regelung- vorgesehen werden. Hierbei werden beide Antriebselemente
11 vorzugsweise in einer der beiden Endlagen -also beide Verbindungsstücke gleich
lang eingestellt- blockiert. Dies kann beispielsweise hydraulisch über Ventile oder
mechanisch kraftschlüssig durch Klemmen oder eine formschlüssige Verriegelung geschehen.
Wenn beide Antriebselemente 11 in gleicher Stellung blockiert sind, kann das Fahrzeug
problemlos mit voll funktionsfähiger Wankstütze auch über größere Strecken weitergefahren
werden.
[0039] Ein Systemausfall wird ggf. durch Erfassung von Signalen aus der Stellung der Antriebselemente
und aus einer Kraft- oder Druckmessung erkannt.
[0040] Die Seitenansicht des Kopfteils eines Triebwagenzugs gemäß
Figur 2 zeigt, daß die hier beschriebene "aktive" Wankstütze sowohl an einem Normal-Fahrwerk
1 als auch - in doppelter Ausführung für Vorlauf- und Folgefahrzeug - an einem Jacobs-Drehgestell
1J angeordnet werden kann. Ferner sind hier die wesentlichen Systemkomponenten zusammengefaßt
skizziert. Die Antriebselemente 11 sind -paarweise nach Fahrzeugseiten- über steuerbare
Ventile 12 und Druckleitungen jeweils mit Hydroaggregaten 13 verbunden. Schematisch
ist jedem Hydroaggregat 13 eine Regelelektronik 14 zugeordnet. Deren Gesamtheit wiederum
ist über eine im Fahrzeug durchlaufende Signaldaten-Busleitung 15 mit einem zentralen
Rechner 16 verbunden. Auf der Busleitung 15 werden dem Rechner u. a. auch Signale
von Drucksensoren 17 zugeführt, die in den Luftfedern der Federung 5 angeordnet sind.
Dem Rechner 16 ist ferner ein Datenspeicher 18 (z. B. für Streckendaten) zugeordnet,
und es werden ihm von einem Tachogeber 19 Fahrgeschwindigkeitssignale v und aus einer
Wegmessung 20 eine aktuelle Strekkenposition s des Fahrzeugs zugeführt.
[0041] Jede Regelelektronik 14 erhält eingangsseitig von den erwähnten Wegsensoren Istwertsignale
der momentanen Stellung der Antriebselemente 11 zugeführt. Sie steuert auch die stetigen
Ventile 12 für die ihr zugeordneten Antriebselemente 11.
[0042] Um eine hohe Dynamik zu erreichen, werden die vorzugsweise als Differentialzylinder
ausgeführten hydraulischen Antriebselemente 11 gemäß
Figur 3 so betrieben, daß jede der beiden Arbeitskammern 11.1 (stangenseitig) bzw. 11.2 beidseits
des Kolbens 11K über das zugeordnete stetige 4/3-Wege-Ventil 12 wechselweise mit einem
Fluidzulauf 21 (mit Rückschlagventil 22 und Druckspeicher 23) und einem Rücklauf 24
verbunden wird.
[0043] Die voll sperrende Mittelstellung des Wegeventils 12 dient hauptsächlich dem Halten
einer bestimmten Stellung des Hubkolbens 11K zwischen dessen beiden Extremlagen.
[0044] In einer Fail-Safe-Stellung (= Sicherheitsstellung, die sich selbsttätig bei Ausfall
der elektronischen Ventilsteuerung einstellt) des 4/3-Wegeventils 12 ist die Arbeitskammer
11.1 mit dem Fluidzulauf 21 und die zweite Arbeitskammer 11.2 mit dem Rücklauf 24
verbunden. Nur bei vorliegender elektrischer Ansteuerung des Ventils 12 kann die umgekehrte
Anschlußweise (Überkreuzstellung) zum Ausfahren des Kolbens 11K hergestellt werden.
[0045] Der stangenseitigen Arbeitskammer 11.1 ist ferner ein entsperrbares Rückschlagventil
25 vorgeschaltet. Dieses dient bei einem Druckausfall im Fluidzulauf 21 zum Blockieren
des Hubkolbens 11K in der vollständig eingefahrenen Stellung unabhängig von der jeweiligen
Stellung des Wegeventils 12.
Das Rückschlagventil 25 wird hydraulisch selbsttätig über einen gestrichelt angedeuteten
Steuerweg entsperrt, sobald der Arbeitskammer 11.2 in der "Überkreuzstellung" des
Wegeventils 12 über ihren Versorgungsanschluß Druck zugeführt wird, so daß es im Regelbetrieb
das Ausfahren des Kolbens 11K nicht behindern kann.
Sinkt der Druck an diesem Versorgungsanschluß ab, so sperrt das Rückschlagventil 25,
so daß sich der Kolben 11K nur noch in die Einfahrrichtung bewegen kann. Die eingefahrene
Endlage wird entweder mit dem Restdruck oder durch einen Selbstpumpeffekt bei dynamischen
Lastschwankungen in der Wankstütze sicher erreicht. Die Feder des Rückschlagventils
25 soll Ölrückflüsse bei dynamischen Lastwechseln verhindern. Eine aus der Federkraft
resultierende Druckdifferenz kann hingenommen werden.
Diese bevorzugte rein hydraulische Lösung ist ohne Bauraumprobleme zylindernah leicht
zu montieren und daher besonders kostengünstig.
[0046] Alternativ können aber auch mechanische Blockiereinrichtungen vorgesehen werden.
Hierbei wäre beispielsweise parallel zu jedem Antriebselement 11 eine hydraulisch
oder elektrisch steuerbare mechanische Klemmeinrichtung vorzusehen, oder eine vorzugsweise
hydraulisch steuerbare formschlüssige Verriegelungseinrichtung.
[0047] Es sei abschließend angemerkt, daß es für die vorstehend beschriebene Kombination
einer konventionellen Wankstütze mit einer aktiven Querneigungssteuerung unerheblich
ist, ob das Stützteil 8 im Fahrwerk oder im Wagenkasten gelagert ist. Auch können
die Antriebselemente 11 selbstverständlich auch statt an den Hebeln 9 bzw. den Anlenkachsen
9A an den wagenkastenseitigen Anlenkachsen 4A und die Verbindungsstücke 10 an den
hebelseitigen Anlenkachsen 9A angelenkt werden.
1. Wankstütze für Schienenfahrzeuge mit einem über eine Federung (5) auf einem Fahrgestell
(1) aufliegenden Wagenkasten (4), umfassend
- wenigstens ein im Fahrzeug schwenkbar gelagertes, sich im wesentlichen quer zur
Fahrzeuglängsachse erstreckendes Stützteil (8) zum Abstützen des Wagenkastens (4)
gegenüber dem Fahrgestell gegen Querneigungen (Wanken) um eine in Fahrtrichtung liegende
Achse,
- mindestens ein an einem endseitigen Hebel (9) des Stützteils (8) und an dem Wagenkasten
(4) beidseitig um beabstandete Anlenkachsen (4A, 9A) schwenkbar gelagertes Verbindungsstück
(10),
- über welches das Fahrgestell und der Wagenkasten gelenkig miteinander gekuppelt
sind und zumindest bei zu sich selbst parallelem Einfedern des Wagenkastens in der
Federung eine das Einfedern nicht behindernde Schwenkbewegung des Stützteils erzwungen
wird,
dadurch gekennzeichnet,
daß dem mindestens einen Verbindungsstück (10) ein steuerbares Antriebselement (11)
zum aktiven Verändern des Abstands zwischen den beiden Anlenkachsen (4A, 9A) zugeordnet
ist.
2. Wankstütze nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Stützteil (8) als Torsionsstabfeder mit zwei endseitigen Kurbel-Hebeln (9)
ausgeführt ist, deren jeder über ein Verbindungsstück (10) gelenkig mit einander gegenüberliegenden
Außenseiten des Wagenkastens (4) verbunden ist, und
daß beide Verbindungsstücke (10) mittels je eines steuerbaren Antriebselements (11)
unabhängig voneinander längenveränderlich einstellbar sind.
3. Wankstütze nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Stützteil (8) als Torsionsstabfeder mit zwei endseitigen Kurbel-Hebeln (9)
ausgeführt ist, deren jeder über ein Verbindungsstück (10) gelenkig mit einander gegenüberliegenden
Außenseiten des Wagenkastens (4) verbunden ist, und
daß nur eines der Verbindungsstücke mittels des steuerbaren Antriebselements (11)
längenveränderlich einstellbar ist, während das andere eine längsstarre Pendelstütze
ist.
4. Wankstütze nach einem der vorstehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß jedes Antriebselement (11) als hydraulischer Differential-Hubzylinder ausgeführt
ist, dessen beide Arbeitskammern (11.1, 11.2) über ein regelbares Wegeventil (12)
wechselweise mit einem Fluidzulauf (21) und einem Rücklauf (17) verbindbar sind.
5. Wankstütze nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß eine Einrichtung zum Blockieren des Antriebselements (11) in einer bestimmten
Stellung vorgesehen ist.
6. Wankstütze nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Einrichtung ein durch Druckzufuhr entsperrbares, einer der Arbeitskammern
(11.1) des hydraulischen Antriebselements (11) vorgeschaltetes, in Sperrstellung einen
Fluidrücklauf aus dieser Arbeitskammer (11.1) sperrendes Rückschlagventil (25) umfaßt,
wobei der Entsperrdruck aus einem Versorgungsanschluß der anderen Arbeitskammer (11.2)
lieferbar ist.
7. Wankstütze nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Einrichtung eine mechanische kraftschlüssig wirkende Klemmvorrichtung umfaßt.
8. Wankstütze nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Einrichtung eine formschlüssige Verriegelung umfaßt.
9. Wankstütze nach einem der vorstehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß jedem Verbindungsstück (10) und/oder dem zugeordneten Antriebselement (11) ein
Wegsensor zugeordnet ist, der eine momentane Iststellung (x) des Antriebselements
(11) erfaßt und ein in einer der Wankstütze zugeordneten Regelelektronik (14) auswertbares
Signal erzeugt.
10. Verfahren zur Steuerung der an einer Wankstütze nach Anspruch 1 oder 9 vorgesehenen
Antriebselemente,
dadurch gekennzeichnet,
daß Istwerte einer Querneigung des Wagenkastens (4) gegenüber dem befahrenen Gleis
aus einer vergleichenden Messung der eingestellten Abstände zwischen den Anlenkpunkten
der Verbindungsstücke (10) gewonnen werden,
daß der Einfluß des elastischen Stützteils (8) auf die Istwertmessung rechnerisch
unter Berücksichtigung des Fliehkraftüberschusses, des Sollwerts eines Neigungskoeffizienten
(Sw), der Beladung des Wagenkastens (ermittelt z. B. über Luftfederdrücke) sowie fahrzeugspezifischer
Konstanten kompensiert wird, und daß ein Sollwert der Querneigung des Wagenkastens
(4) durch Vorgabe eines Soll-Neigungskoeffizienten (Sw) und einer fahrgastwirksamen Sollbeschleunigung aus Meßdaten (Fahrgeschwindigkeit,
Querbeschleunigung am Fahrwerk oder Wagenkasten) und/oder durch Auswertung von im
Fahrzeug gespeicherten Streckendaten (Bogenradien, Überhöhung) ermittelt und durch
Aktivierung der Antriebselemente (11) am Wagenkasten (4) gegenüber dem Fahrwerk (1,
1J) eingestellt wird.