[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Leder aus Tierhäuten, wobei
zunächst aus den Tierhäuten durch Behandlung mit Kalkmilch und ggf. Natriumsulfid
Ledervorprodukte hergestellt werden, die anschließend in einem, eine wäßrige Behandlungsflüssigkeit
enthaltenden Behälter durch Zugabe von Kohlendioxid zur Behandlungsflüssigkeit entkälkt
werden.
[0002] Bei der Herstellung von Leder aus Tierhäuten werden in einem ersten Bearbeitungsschritt
die Tierhäute einer Äscherung mit Kalkmilch und ggf. Natriumsulfid unterzogen. Die
auf diese Weise erhaltenen Ledervorprodukte, die auch als Blößen bezeichnet werden,
werden dann in einem zweiten Bearbeitungsschritt mit organischen Säuren oder Ammoniumsulfat
behandelt, um in das Collagengerüst eingelagertes Calciumhydroxid herauszulösen. Dieser
Vorgang wird als Entkälkung bezeichnet.
[0003] Die genannten Entkälkungsmittel tragen aber zu einer erheblichen Abwasserbelastung
bei. Deshalb wird neuerdings Kohlendioxid als Entkälkungsmittel eingesetzt. Die aus
dem Kohlendioxid gebildete Kohlensäure löst das eingelagerte Calciumhydroxid, was
lediglich zu einer Aufhärtung des Wassers führt. Diese CO₂-Methode konnte bisher allerdings
nur in sog. Gerbtrommeln angewandt werden. In diesen geschlossenen Behandlungsanlagen
kann Kohlendioxid eingetragen werden, ohne daß ein Austreten von geruchsintensiven
Schwefelverbindungen auftritt. Ein derartiges Verfahren ist in der WO-A1-88/10 317
beschrieben.
[0004] In offenen Behandlungsanlagen konnte diese CO₂-Methode bislang aus folgenden Gründen
nicht eingesetzt werden:
Löst man zur Entkälkung von Ledervorprodukten Kohlendioxid in der in dem Behälter
befindlichen Behandlungsflüssigkeit, so sinkt der pH-Wert unter sieben. Bei derart
niedrigen pH-Werten bilden sich aus den noch im Eiweißgerüst enthaltenen sulfidischen
Verbindungen Merkaptane und Schwefelwasserstoff. Beide Verbindungsklassen sind flüchtig,
toxisch, aggressiv und haben einen unangenehmen Geruch. Werden offene Behandlungsanlagen
verwendet, z.B. ein als Gerbmischer bezeichneter offener Mischer, so können diese
umweltschädlichen Verbindungen an die Atmosphäre austreten. Deshalb wurde die CO₂-Methode
bisher nur in geschlossenen Behandlungsanlagen, sog. Gerbtrommeln, eingesetzt.
[0005] Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren der eingangs
genannten Art so auszugestalten, daß bei der Entkälkung der Ledervorprodukte keine
toxischen Verbindungen entstehen.
[0006] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß der wäßrigen Behandlungsflüssigkeit
zusätzlich ein Oxidationsmittel zugesetzt wird.
[0007] Durch den Zusatz von Kohlendioxid und einem Oxidationsmittel werden zwei Probleme
gleichzeitig beseitigt.
[0008] Einerseits löst die aus dem Kohlendioxid entstehende Kohlensäure das ins Collagengerüst
der Lederhaut eingelagerte Calciumhydroxid, so daß ohne die Verwendung umweltschädlicher
Chemikalien eine Entkälkung der Ledervorprodukte erreicht wird.
[0009] Andererseits oxidiert das in die wäßrige Behandlungsflüssigkeit eingebrachte Oxidationsmittel
die durch die pH-Verschiebung entstehenden Verbindungen Schwefelwasserstoff und Merkaptane
sowie Thioester zu Thiosulfaten, Sulfiten, Sulfonaten und Sulfaten.
[0010] Vorzugsweise wird als Oxidationsmittel ein sauerstoffhaltiges Gas verwendet, das
in der wäßrigen Behandlungsflüssigkeit gelöst wird.
[0011] In der Praxis wird die Behandlungsflüssigkeit zweckmäßigerweise aus dem Behälter
abgezogen und einem Reaktor zugeführt, in dem das sauerstoffhaltige Gas gemeinsam
mit dem Kohlendioxid in der Behandlungsflüssigkeit gelöst wird. Anschließend wird
die Behandlungsflüssigkeit von dem Reaktor abgezogen und wieder in den Behälter zurückgeleitet.
[0012] Um möglichst viel Sauerstoff in der Behandlungsflüssigkeit lösen zu können, wird
gemäß einer besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung als sauerstoffhaltiges
Gas technisch reiner Sauerstoff verwendet. Dieser kann z.B. in Form von flüssigem
Sauerstoff vorort in einem Tank gespeichert werden.
[0013] Damit das sauerstoffhaltige Gas und das Kohlendioxid leicht in der Behandlungsflüssigkeit
gelöst werden können, wird der Reaktor vorteilhafterweise unter überatmosphärischem
Druck betrieben.
[0014] Da bei dem erfindungsgemäßen Verfahren keine umweltschädlichen Produkte mehr auftreten,
können die Ledervorprodukte in einem zur Atmosphäre hin offenen Behälter entkälkt
werden. Derartige offene Gerbmischer sind in der Herstellung weniger aufwendig, wodurch
Investitionskosten gespart werden können.
[0015] Das erfindungsgemäße Verfahren kann sowohl zur Entkälkung von Rinderhäuten als auch
beim Entkälken der fettreichen Schweinshäute eingesetzt werden. Da bei dem Vorgang
nur Härtebildner (HCO

-Ionen) ins Abwasser eingeschleppt werden, kann auf den Bau kostenintensiver Abwasserreinigungsstufen
zur Stickstoffeliminierung verzichtet werden.
[0016] Im folgenden soll die Erfindung anhand eines in der Figur schematisch dargestellten
Ausführungsbeispiels näher erläutert werden.
[0017] In der Figur ist ein zur Atmosphäre hin offener Entkälkungsbehälter 1 gezeigt, der
die wäßrige Behandlungsflüssigkeit und die Ledervorprodukte enthält. Zum Vermischen
der Ledervorprodukte und der Behandlungsflüssigkeit ist der Entkälkungsbehälter 1
so konstruiert, daß er um seine Längsachse rotieren kann. Hierzu ist der Entkälkungsbehälter
1 mit seiner Längsachse gegen die Vertikale geneigt angeordnet und liegt auf Rollen
auf. Der Entkälkungsbehälter 1 wird mittels eines am Boden des Entkälkungsbehälters
1 axial angeordneten Lagers 4 und mittels eines nichtdargestellten Antriebsmotors
in Rotation versetzt. Eine derartige Behandlungsanlage wird üblicherweise als Gerbmischer
bezeichnet.
[0018] Über eine Ansaugleitung 3 wird die wäßrige Behandlungsflüssigkeit aus dem Entkälkungsbehälter
1 abgezogen. Dabei ist die Ansaugleitung 3 durch das Lager 4 hindurchgeführt. Zum
Zurückhalten der Ledervorprodukte in dem Entkälkungsbehälter 1 ist im unteren Bereich
des Entkälkungsbehälters 1 ein Ablaufrost 8 angeordnet.
[0019] Die abgesaugte Behandlungsflüssigkeit wird über eine Pumpe 2 dem Reaktor 6 zugeführt.
In die Zuleitung zum Reaktor 6 wird über eine Leitung 11 technisch reiner Sauerstoff
aus einer Sauerstoffversorgungsstation, z.B. einem Flüssigsauerstofftank, eingeführt.
Über eine zweite Leitung 14 wird Kohlendioxid zugegeben. Das Kohlendioxid wird in
verflüssigtem Zustand in einem Vorratstank 10 bereitgehalten und über eine Meß- und
Steuertafel 9 der Leitung 14 aufgegeben.
[0020] In dem als Säulenreaktor ausgebildeten Reaktor 6 werden das Kohlendioxid und der
technisch reine Sauerstoff bei einem Überdruck von 1,3 bar in der Behandlungsflüssigkeit
gelöst. Um den erforderlichen Betriebsdruck im Reaktor zu erreichen, ist ein Druckaufbauschieber
7 in der Abzugsleitung des Reaktors 6 installiert.
[0021] Die im Reaktor 6 aufbereitete Behandlungsflüssigkeit wird schließlich über Leitung
15 wieder in den Entkälkungsbehälter 1 zurückgeführt. Dort löst die aus dem in der
Behandlungsflüssigkeit gelösten Kohlendioxid entstandene Kohlensäure das ins Collagengerüst
der Lederhaut der Ledervorprodukte eingelagerte Calciumhydroxid. Bei dieser Entkälkung
sinkt der pH-Wert unter sieben, wobei Schwefelwasserstoff, Merkaptane und Thioester
entstehen. Diese Verbindungen werden durch den in der Behandlungsflüssigkeit gelösten
Sauerstoff zu Thiosulfaten, Sulfiten, Sulfonaten und Sulfaten oxidiert. Insgesamt
entstehen somit bei dem Entkälkungsverfahren keinerlei toxische Produkte.
[0022] Nachfolgend sind die in der Figur gezeigten Anlagenteile mit den entsprechenden Bezugsziffern
aufgelistet:
- 1:
- Entkälkungsbehälter
- 2:
- Pumpe
- 3:
- Ansaugleitung
- 4:
- Lager mit Durchtritt
- 5:
- pH-Messung
- 6:
- Druckreaktor
- 7:
- Druckaufbauschieber
- 8:
- Ablaufrost
- 9:
- CO₂-Mess- und Steuertafel
- 10:
- CO₂-Versorgung
- 11:
- Sauerstoffzuleitung
- 12:
- Sauerstof£versorgung
- 13:
- Strömungswächter
- 14:
- CO₂-Zuleitung
- 15:
- Rückführleitung für die Behandlungsflüssigkeit
Das folgende Auslegungsbeispiel betrifft die Entkälkung von Ledervorprodukten aus
Schweinshäuten. Es werden die wesentlichen Verfahrensparameter des erfindungsgemäßen
Verfahrens mit denen eines herkömmlichen Verfahrens, bei dem Ammoniumsulfat als Entkälkungsmittel
verwendet wird, verglichen:
Nutzbares Volumen des Entkälkungsbehälters: V = 10m³
Rotationsgeschwindigkeit: ca. 30 Umdrehungen pro Minute
Behandlungsdauer: ca. 3 Stunden
Bedarf an Entkälkungsmittel:
a) Stand der Technik: 5% Ammoniumsulfat pro Tonne
b) Erfindung: 1,3% Kohlendioxid pro Tonne
Eingesetzte Hautmasse pro Ansatz: ca. 6 Tonnen
Zusammensetzung der Kautmasse: 25% Trockensubstanz + 75% Wasser
Kenndaten der Pumpe für die Umwälzung der Behandlungsflüssigkeit: V = 20m³ pro Stunde,
H = 63mWS, P
max = 8 KW
Temperatur der Behandlungsflüssigkeit: 32 bis 35°C
Prozeßablauf:
a) Stand der Technik: 6 Tonnen Häute + 300 kg Ammoniumsulfat werden intensiv gemischt.
Dann beginnt das Umpumpen der Behandlungsflüssigkeit.
b) Erfindung: 6 Tonnen Häute werden mit 5m³ Wasser und ggf. einem Tensid gemischt.
Die entstehende Behandlungsflüssigkeit wird über einen Druckreaktor unter Einspeisung
von 80 kg Kohlendioxid und 1,6 kg Sauerstoff im Verlauf von drei Stunden umgepumpt.
[0023] Auslegung des Druckreaktors:
CO₂-Bedarf: 1,3% pro Tonne Ledervorprodukt = 13 kg pro Tonne Ledervorprodukt = ca.
80 kg pro Ansatz
Entkälkungsdauer: 3 Stunden
Menge an umgewälzter Behandlungsflüssigkeit: 10m³ pro Stunde
Betriebsdruck im Reaktor: 2,3 bar absolut
CO₂-Einspeisemenge:
für eine Stunde 20m³ pro Stunde = 37 kg Kohlendioxid pro Stunde
für 30 Minuten 15m³ pro Stunde = 27,7 kg Kohlendioxid pro Stunde
für 90 Minuten 10m³ pro Stunde = 18,5 kg Kohlendioxid pro Stunde insgesamt 83,2 kg
Kohlendioxid
1. Verfahren zur Herstellung von Leder aus Tierhäuten, wobei zunächst aus den Tierhäuten
durch Behandlung mit Kalkmilch und ggf. Natriumsulfid Ledervorprodukte hergestellt
werden, die anschließend in einem eine wäßrige Behandlungsflüssigkeit enthaltenden
Behälter durch Zugabe von Kohlendioxid zur Behandlungsflüssigkeit entkälkt werden,
dadurch gekennzeichnet, daß der wäßrigen Behandlungsflüssigkeit zusätzlich ein Oxidationsmittel zugesetzt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Oxidationsmittel ein sauerstoffhaltiges
Gas verwendet wird, das in der wäßrigen Behandlungsflüssigkeit gelöst wird.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Behandlungsflüssigkeit
aus dem Behälter abgezogen und einem Reaktor zugeführt wird, in dem das sauerstoffhaltige
Gas gemeinsam mit dem Kohlendioxid in der Behandlungsflüssigkeit gelöst wird, und
anschließend die Behandlungsflüssigkeit wieder in den Behälter zurückgeführt wird.
4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß als sauerstoffhaltiges
Gas technisch reiner Sauerstoff verwendet wird.
5. Verfahren nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß das sauerstoffhaltige
Gas und das Kohlendioxid bei überatmosphärischem Druck in dem Reaktor gelöst wird.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Ledervorprodukte
in einem zur Atmosphäre hin offenen Behälter entkälkt werden.