(19)
(11) EP 0 624 654 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
17.11.1994  Patentblatt  1994/46

(21) Anmeldenummer: 94107373.6

(22) Anmeldetag:  11.05.1994
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C14C 1/08
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT DE ES IT PT

(30) Priorität: 11.05.1993 DE 4315734

(71) Anmelder: Linde Aktiengesellschaft
D-65189 Wiesbaden (DE)

(72) Erfinder:
  • Guttenberger, Hans-Georg, Dr.
    D-82538 Geretsried (DE)

(74) Vertreter: Kasseckert, Rainer 
Linde Aktiengesellschaft, Zentrale Patentabteilung
D-82049 Höllriegelskreuth
D-82049 Höllriegelskreuth (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung von Leder aus Tierhäuten


    (57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Leder aus Tierhäuten, wobei in einem ersten Bearbeitungsschritt aus den Tierhäuten durch Behandlung mit Kalkmilch und ggf. Natriumsulfid Ledervorprodukte hergestellt werden. Die Ledervorprodukte werden anschließend in einem eine wäßrige Behandlungsflüssigkeit enthaltenden Behälter (1) durch Zugabe von Kohlendioxid zur Behandlungsflüssigkeit entkälkt. Aufgrund der dabei auftretenden pH-Verschiebung bilden sich aus den noch im Eiweißgerüst der Ledervorprodukte enthaltenen sulfidischen Verbindungen Merkaptane und Schwefelwasserstoff. Um ein Entweichen dieser flüchtigen, toxischen, aggressiven und einen unangenehmen Geruch aufweisenden Verbindungen zu verhindern, wird vorgeschlagen, der Behandlungsflüssigkeit ein Oxidationsmittel, insbesondere technisch reinen Sauerstoff, zuzugeben. Hierzu wird die Behandlungsflüssigkeit von dem Behälter (1) abgezogen und einem Reaktor (6) zugeführt. Über Leitungen (14, 11) werden Kohlendioxid und Sauerstoff in den Reaktor eingeleitet. Die mit dem Kohlendioxid und dem Sauerstoff beladene Behandlungsflüssigkeit wird schließlich über Leitung (15) wieder in den Behälter (1) zurückgeführt.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Leder aus Tierhäuten, wobei zunächst aus den Tierhäuten durch Behandlung mit Kalkmilch und ggf. Natriumsulfid Ledervorprodukte hergestellt werden, die anschließend in einem, eine wäßrige Behandlungsflüssigkeit enthaltenden Behälter durch Zugabe von Kohlendioxid zur Behandlungsflüssigkeit entkälkt werden.

    [0002] Bei der Herstellung von Leder aus Tierhäuten werden in einem ersten Bearbeitungsschritt die Tierhäute einer Äscherung mit Kalkmilch und ggf. Natriumsulfid unterzogen. Die auf diese Weise erhaltenen Ledervorprodukte, die auch als Blößen bezeichnet werden, werden dann in einem zweiten Bearbeitungsschritt mit organischen Säuren oder Ammoniumsulfat behandelt, um in das Collagengerüst eingelagertes Calciumhydroxid herauszulösen. Dieser Vorgang wird als Entkälkung bezeichnet.

    [0003] Die genannten Entkälkungsmittel tragen aber zu einer erheblichen Abwasserbelastung bei. Deshalb wird neuerdings Kohlendioxid als Entkälkungsmittel eingesetzt. Die aus dem Kohlendioxid gebildete Kohlensäure löst das eingelagerte Calciumhydroxid, was lediglich zu einer Aufhärtung des Wassers führt. Diese CO₂-Methode konnte bisher allerdings nur in sog. Gerbtrommeln angewandt werden. In diesen geschlossenen Behandlungsanlagen kann Kohlendioxid eingetragen werden, ohne daß ein Austreten von geruchsintensiven Schwefelverbindungen auftritt. Ein derartiges Verfahren ist in der WO-A1-88/10 317 beschrieben.

    [0004] In offenen Behandlungsanlagen konnte diese CO₂-Methode bislang aus folgenden Gründen nicht eingesetzt werden:
    Löst man zur Entkälkung von Ledervorprodukten Kohlendioxid in der in dem Behälter befindlichen Behandlungsflüssigkeit, so sinkt der pH-Wert unter sieben. Bei derart niedrigen pH-Werten bilden sich aus den noch im Eiweißgerüst enthaltenen sulfidischen Verbindungen Merkaptane und Schwefelwasserstoff. Beide Verbindungsklassen sind flüchtig, toxisch, aggressiv und haben einen unangenehmen Geruch. Werden offene Behandlungsanlagen verwendet, z.B. ein als Gerbmischer bezeichneter offener Mischer, so können diese umweltschädlichen Verbindungen an die Atmosphäre austreten. Deshalb wurde die CO₂-Methode bisher nur in geschlossenen Behandlungsanlagen, sog. Gerbtrommeln, eingesetzt.

    [0005] Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren der eingangs genannten Art so auszugestalten, daß bei der Entkälkung der Ledervorprodukte keine toxischen Verbindungen entstehen.

    [0006] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß der wäßrigen Behandlungsflüssigkeit zusätzlich ein Oxidationsmittel zugesetzt wird.

    [0007] Durch den Zusatz von Kohlendioxid und einem Oxidationsmittel werden zwei Probleme gleichzeitig beseitigt.

    [0008] Einerseits löst die aus dem Kohlendioxid entstehende Kohlensäure das ins Collagengerüst der Lederhaut eingelagerte Calciumhydroxid, so daß ohne die Verwendung umweltschädlicher Chemikalien eine Entkälkung der Ledervorprodukte erreicht wird.

    [0009] Andererseits oxidiert das in die wäßrige Behandlungsflüssigkeit eingebrachte Oxidationsmittel die durch die pH-Verschiebung entstehenden Verbindungen Schwefelwasserstoff und Merkaptane sowie Thioester zu Thiosulfaten, Sulfiten, Sulfonaten und Sulfaten.

    [0010] Vorzugsweise wird als Oxidationsmittel ein sauerstoffhaltiges Gas verwendet, das in der wäßrigen Behandlungsflüssigkeit gelöst wird.

    [0011] In der Praxis wird die Behandlungsflüssigkeit zweckmäßigerweise aus dem Behälter abgezogen und einem Reaktor zugeführt, in dem das sauerstoffhaltige Gas gemeinsam mit dem Kohlendioxid in der Behandlungsflüssigkeit gelöst wird. Anschließend wird die Behandlungsflüssigkeit von dem Reaktor abgezogen und wieder in den Behälter zurückgeleitet.

    [0012] Um möglichst viel Sauerstoff in der Behandlungsflüssigkeit lösen zu können, wird gemäß einer besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung als sauerstoffhaltiges Gas technisch reiner Sauerstoff verwendet. Dieser kann z.B. in Form von flüssigem Sauerstoff vorort in einem Tank gespeichert werden.

    [0013] Damit das sauerstoffhaltige Gas und das Kohlendioxid leicht in der Behandlungsflüssigkeit gelöst werden können, wird der Reaktor vorteilhafterweise unter überatmosphärischem Druck betrieben.

    [0014] Da bei dem erfindungsgemäßen Verfahren keine umweltschädlichen Produkte mehr auftreten, können die Ledervorprodukte in einem zur Atmosphäre hin offenen Behälter entkälkt werden. Derartige offene Gerbmischer sind in der Herstellung weniger aufwendig, wodurch Investitionskosten gespart werden können.

    [0015] Das erfindungsgemäße Verfahren kann sowohl zur Entkälkung von Rinderhäuten als auch beim Entkälken der fettreichen Schweinshäute eingesetzt werden. Da bei dem Vorgang nur Härtebildner (HCO

    -Ionen) ins Abwasser eingeschleppt werden, kann auf den Bau kostenintensiver Abwasserreinigungsstufen zur Stickstoffeliminierung verzichtet werden.

    [0016] Im folgenden soll die Erfindung anhand eines in der Figur schematisch dargestellten Ausführungsbeispiels näher erläutert werden.

    [0017] In der Figur ist ein zur Atmosphäre hin offener Entkälkungsbehälter 1 gezeigt, der die wäßrige Behandlungsflüssigkeit und die Ledervorprodukte enthält. Zum Vermischen der Ledervorprodukte und der Behandlungsflüssigkeit ist der Entkälkungsbehälter 1 so konstruiert, daß er um seine Längsachse rotieren kann. Hierzu ist der Entkälkungsbehälter 1 mit seiner Längsachse gegen die Vertikale geneigt angeordnet und liegt auf Rollen auf. Der Entkälkungsbehälter 1 wird mittels eines am Boden des Entkälkungsbehälters 1 axial angeordneten Lagers 4 und mittels eines nichtdargestellten Antriebsmotors in Rotation versetzt. Eine derartige Behandlungsanlage wird üblicherweise als Gerbmischer bezeichnet.

    [0018] Über eine Ansaugleitung 3 wird die wäßrige Behandlungsflüssigkeit aus dem Entkälkungsbehälter 1 abgezogen. Dabei ist die Ansaugleitung 3 durch das Lager 4 hindurchgeführt. Zum Zurückhalten der Ledervorprodukte in dem Entkälkungsbehälter 1 ist im unteren Bereich des Entkälkungsbehälters 1 ein Ablaufrost 8 angeordnet.

    [0019] Die abgesaugte Behandlungsflüssigkeit wird über eine Pumpe 2 dem Reaktor 6 zugeführt. In die Zuleitung zum Reaktor 6 wird über eine Leitung 11 technisch reiner Sauerstoff aus einer Sauerstoffversorgungsstation, z.B. einem Flüssigsauerstofftank, eingeführt. Über eine zweite Leitung 14 wird Kohlendioxid zugegeben. Das Kohlendioxid wird in verflüssigtem Zustand in einem Vorratstank 10 bereitgehalten und über eine Meß- und Steuertafel 9 der Leitung 14 aufgegeben.

    [0020] In dem als Säulenreaktor ausgebildeten Reaktor 6 werden das Kohlendioxid und der technisch reine Sauerstoff bei einem Überdruck von 1,3 bar in der Behandlungsflüssigkeit gelöst. Um den erforderlichen Betriebsdruck im Reaktor zu erreichen, ist ein Druckaufbauschieber 7 in der Abzugsleitung des Reaktors 6 installiert.

    [0021] Die im Reaktor 6 aufbereitete Behandlungsflüssigkeit wird schließlich über Leitung 15 wieder in den Entkälkungsbehälter 1 zurückgeführt. Dort löst die aus dem in der Behandlungsflüssigkeit gelösten Kohlendioxid entstandene Kohlensäure das ins Collagengerüst der Lederhaut der Ledervorprodukte eingelagerte Calciumhydroxid. Bei dieser Entkälkung sinkt der pH-Wert unter sieben, wobei Schwefelwasserstoff, Merkaptane und Thioester entstehen. Diese Verbindungen werden durch den in der Behandlungsflüssigkeit gelösten Sauerstoff zu Thiosulfaten, Sulfiten, Sulfonaten und Sulfaten oxidiert. Insgesamt entstehen somit bei dem Entkälkungsverfahren keinerlei toxische Produkte.

    [0022] Nachfolgend sind die in der Figur gezeigten Anlagenteile mit den entsprechenden Bezugsziffern aufgelistet:
    1:
    Entkälkungsbehälter
    2:
    Pumpe
    3:
    Ansaugleitung
    4:
    Lager mit Durchtritt
    5:
    pH-Messung
    6:
    Druckreaktor
    7:
    Druckaufbauschieber
    8:
    Ablaufrost
    9:
    CO₂-Mess- und Steuertafel
    10:
    CO₂-Versorgung
    11:
    Sauerstoffzuleitung
    12:
    Sauerstof£versorgung
    13:
    Strömungswächter
    14:
    CO₂-Zuleitung
    15:
    Rückführleitung für die Behandlungsflüssigkeit
    Das folgende Auslegungsbeispiel betrifft die Entkälkung von Ledervorprodukten aus Schweinshäuten. Es werden die wesentlichen Verfahrensparameter des erfindungsgemäßen Verfahrens mit denen eines herkömmlichen Verfahrens, bei dem Ammoniumsulfat als Entkälkungsmittel verwendet wird, verglichen:
    Nutzbares Volumen des Entkälkungsbehälters: V = 10m³
    Rotationsgeschwindigkeit: ca. 30 Umdrehungen pro Minute
    Behandlungsdauer: ca. 3 Stunden
    Bedarf an Entkälkungsmittel:

    a) Stand der Technik: 5% Ammoniumsulfat pro Tonne

    b) Erfindung: 1,3% Kohlendioxid pro Tonne

    Eingesetzte Hautmasse pro Ansatz: ca. 6 Tonnen
    Zusammensetzung der Kautmasse: 25% Trockensubstanz + 75% Wasser
    Kenndaten der Pumpe für die Umwälzung der Behandlungsflüssigkeit: V = 20m³ pro Stunde, H = 63mWS, Pmax = 8 KW
    Temperatur der Behandlungsflüssigkeit: 32 bis 35°C
    Prozeßablauf:

    a) Stand der Technik: 6 Tonnen Häute + 300 kg Ammoniumsulfat werden intensiv gemischt. Dann beginnt das Umpumpen der Behandlungsflüssigkeit.

    b) Erfindung: 6 Tonnen Häute werden mit 5m³ Wasser und ggf. einem Tensid gemischt. Die entstehende Behandlungsflüssigkeit wird über einen Druckreaktor unter Einspeisung von 80 kg Kohlendioxid und 1,6 kg Sauerstoff im Verlauf von drei Stunden umgepumpt.



    [0023] Auslegung des Druckreaktors:
    CO₂-Bedarf: 1,3% pro Tonne Ledervorprodukt = 13 kg pro Tonne Ledervorprodukt = ca. 80 kg pro Ansatz
    Entkälkungsdauer: 3 Stunden
    Menge an umgewälzter Behandlungsflüssigkeit: 10m³ pro Stunde
    Betriebsdruck im Reaktor: 2,3 bar absolut
    CO₂-Einspeisemenge:
    für eine Stunde 20m³ pro Stunde = 37 kg Kohlendioxid pro Stunde
    für 30 Minuten 15m³ pro Stunde = 27,7 kg Kohlendioxid pro Stunde
    für 90 Minuten 10m³ pro Stunde = 18,5 kg Kohlendioxid pro Stunde insgesamt 83,2 kg Kohlendioxid


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Herstellung von Leder aus Tierhäuten, wobei zunächst aus den Tierhäuten durch Behandlung mit Kalkmilch und ggf. Natriumsulfid Ledervorprodukte hergestellt werden, die anschließend in einem eine wäßrige Behandlungsflüssigkeit enthaltenden Behälter durch Zugabe von Kohlendioxid zur Behandlungsflüssigkeit entkälkt werden, dadurch gekennzeichnet, daß der wäßrigen Behandlungsflüssigkeit zusätzlich ein Oxidationsmittel zugesetzt wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Oxidationsmittel ein sauerstoffhaltiges Gas verwendet wird, das in der wäßrigen Behandlungsflüssigkeit gelöst wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Behandlungsflüssigkeit aus dem Behälter abgezogen und einem Reaktor zugeführt wird, in dem das sauerstoffhaltige Gas gemeinsam mit dem Kohlendioxid in der Behandlungsflüssigkeit gelöst wird, und anschließend die Behandlungsflüssigkeit wieder in den Behälter zurückgeführt wird.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß als sauerstoffhaltiges Gas technisch reiner Sauerstoff verwendet wird.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß das sauerstoffhaltige Gas und das Kohlendioxid bei überatmosphärischem Druck in dem Reaktor gelöst wird.
     
    6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Ledervorprodukte in einem zur Atmosphäre hin offenen Behälter entkälkt werden.
     




    Zeichnung