(19)
(11) EP 0 627 482 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
07.12.1994  Patentblatt  1994/49

(21) Anmeldenummer: 93120101.6

(22) Anmeldetag:  14.12.1993
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C10J 3/46
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 04.06.1993 DE 4318566

(71) Anmelder: Babcock Lentjes Kraftwerkstechnik GmbH
D-46049 Oberhausen (DE)

(72) Erfinder:
  • Dr. Klauke, Friedrich
    40878 Ratingen (DE)
  • Jelich, Werner
    D-44803 Bochum (DE)
  • Dr. König, Dieter
    D-45525 Hattingen (DE)

(74) Vertreter: Müller, Jürgen, Dipl.-Ing. 
Deutsche Babcock AG Lizenz- und Patentabteilung Duisburger Strasse 375
46049 Oberhausen
46049 Oberhausen (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Verwertung organische Bestandteile enthaltender Abfallstoffe durch Autotherme Vergasung


    (57) Abfallstoffe, die organische und schwer mahlbare Bestandteile enthalten, werden durch autotherme Vergasung mit einem sauerstoffhaltigen Vergasungsmittel bei Temperaturen oberhalb des Schmelzpunktes der mineralischen und metallischen Bestandteile der Abfallstoffe, mindestens oberhalb 1200 °C, umgesetzt, wobei als Vergasungsprodukte ein CO- und H₂-haltiges, von aromatischen, polyzyklischen, heterozyklylischen oder halogenierten Kohlenwasserstoffen freies Brenngas und eine aus dem Schmelzfluß erstarrte, mit Wasser praktisch nicht auslaugbare Schlacke entstehen. Der zu vergasende Abfallstoff wird durch eine Schockkühlung mit einem inerten Kälteträger versprödet, in diesen Zustand zerkleinert und anschließend in den Vergasungsreaktor eingetragen.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Verwertung organische Bestandteile enthaltender Abfallstoffe durch autotherme Vergasung mit den Merkmalen des Oberbegriffes des Patentanspruches 1.

    [0002] Ein solches Verfahren eignet sich besonders für die Entsorgung von belasteten Reststoffen, da unter den Bedingungen einer Hochtemperaturvergasung alle in den belasteten Reststoffen enthaltenen Schadstoffe thermisch gespalten werden, eine Neubildung aromatischer, polyzyklischer, heterozyklischer oder halogenierter Kohlenwasserstoffe ausgeschlossen und die anfallende mineralischen Rückstände aufgeschmolzen und in eine praktisch nicht auslaugbare Form überführt werden.

    [0003] Die Hochtemperaturvergasung, wie z. B. die Flugstromvergasung, setzt allerdings bei dem Einsatz von festen Einsatzgütern einen fein aufgemahlenen Brennstaub voraus. Ein solcher Einsatz ist bei Abfallstoffen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht oder schwer mahlbar sind, ohne Vorbehandlung kaum realisierbar. Zu solchen Einsatzgütern gehören extrem heterogene Stoffe wie Hausmüll, die sowohl schwer mahlbare Bestandteile wie z. B. Kunststoffolien als auch Metalle enthalten. Das gleiche gilt für Altreifen, die Metalle enthalten, welche vor der Aufmahlung sinnvollerweise zu entfernen sind. Es ist bekannt, diese Abfallstoffe vor der Vergasung durch eine vorgeschaltete oder in den Vergasungsprozeß integrierte Pyrolyse vorzubehandeln. Die Pyrolyseprodukte werden in der anschließenden Vergasung vorzugsweise mit technisch reinem Sauerstoff oder einem Sauerstoff/Luft/Gemisch umgesetzt. Ein solcher Pyrolyseprozeß ist mit einem erhöhten technischen Aufwand und mit dem möglichen Entstehen von giftigen Gasen verbunden.

    [0004] Es ist weiterhin bekannt, Materialien durch eine Tieftemperaturbehandlung (Cryogenie) mit Hilfe von verflüssigten tiefsiedenden Gasen zu verspröden, um sie leichter aufmahlen zu können und in ihre Bestandteile zu zerlegen. Eine solche Verfahrensweise wird bei der Wiedergewinnung von Metallen aus Kabeln oder Altreifen angewendet.

    [0005] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, für das gattungsgemäße Verfahren ein vereinfachtes Verfahren zu schaffen, mit dessen Hilfe heterogene Abfallstoffe mit nicht oder schwer mahlbaren Bestandteilen in den Vergasungsreaktor eingetragen werden können.

    [0006] Diese Aufgabe wird bei einem gattungsgemäßen Verfahren erfindungsgemäß durch die kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruches 1 gelost. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.

    [0007] Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird der Effekt der Versprödung durch die an sich bekannte Tieftemperaturbehandlung ausgenutzt, um einen so heterogenen Einsatzstoff wie Hausmüll aufbereitet in eine Hochtemperaturvergasung einzutragen, ohne eine aufwendige Vorbehandlung durch Pyrolyse anwenden zu müssen. Durch die Tieftemperaturbehandlung werden die Abfallstoffe versprödet, so daß die organischen Bestandteile des Hausmülls anschließend problemlos von metallischen Bestandteilen getrennt, zerkleinert und vergast werden können. Als Nebeneffekt kann weitgehend artenreines Metall gewonnen werden.

    [0008] In der Tieftemperaturbehandlung wird der Abfallstoff auf eine geeignete Korngröße zerkleinert. Diese Korngröße bestimmt sich danach, daß die Verweilzeit des zerkleinerten Abfallstoffes in dem Vergasungsreaktor für den vollständigen Umsatz der organischen Bestandteile und das Aufschmelzen der mineralischen und der eventuell noch vorhandenen metallischen Bestandteile ausreicht. Der zerkleinerte Abfallstoff wird über einen Schneckenextruder-Eintrag und/oder einen Slurry-Eintrag und/oder einen Trockenstaub-Schleusen-Eintrag in den Vergasungsreaktor eingespeist.

    [0009] Für die Tieftemperaturbehandlung kann jeder inerte Kälteträger, insbesondere in Form eines tiefgekühlten oder eines verflüssigten tiefsiedenden Gases, verwendet werden. Vorzugsweise wird Stickstoff eingesetzt, der in einer Luftzerlegungsanlage gewonnen wird, die mit der Vergasungsanlage gekoppelt ist und die den als Vergasungsmittel dienenden Sauerstoff liefert. In diesem Fall kann der Stickstoff, der für das Vergasungsverfahren selbst wertlos ist, günstig genutzt werden. In Vergasungsanlagen mit kleinen Durchsatzleistungen, in denen eine eigene Luftzerlegungsanlage unwirtschaftlich wäre, kann die Tieftemperaturbehandlung zur Versprödung der Abfallstoffe auch mit Kohlendioxid durchgeführt werden. Dieses Kohlendioxid kann in einer Reinigungsstufe aus dem in dem Vergasungsreaktor erzeugten Brenngas abgetrennt werden. Die Abkühlung des Kohlendioxides auf die erforderliche Versprödungstemperatur des Abfallstoffes erfolgt in einer separaten Kälteanlage. Der Energiebedarf zum Betrieb der Kälteanlage wird vorzugsweise über die Vergasungsanlage abgedeckt, indem das in dem Vergasungsreaktor erzeugte Brenngas verbrannt und die in ihm enthaltene Wärme ausgenutzt wird.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Verwertung organische Bestandteile enthaltender Abfallstoffe durch autotherme Vergasung mit einem sauerstoffhaltigen Vergasungsmittel bei Temperaturen oberhalb des Schmelzpunktes der mineralischen und metallischen Bestandteile der Abfallstoffe, mindestens oberhalb 1200 °C, wobei als Vergasungsprodukte ein CO- und H₂-haltiges, von aromatischen, polyzyklischen, heterozyklylischen oder halogenierten Kohlenwasserstoffen freies Brenngas und eine aus dem Schmelzfluß erstarrte, praktisch nicht auslaugbare Schlacke entstehen, dadurch gekennzeichnet, daß der zu vergasende Abfallstoff durch eine Schockkühlung mit einem inerten Kälteträger versprödet, in diesen Zustand zerkleinert und anschließend in den Vergasungsreaktor eingetragen wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der versprödete Abfallstoff auf eine für den Eintrag in den Vergasungsreaktor und auf eine der zur Verfügung stehenden Verweilzeit entsprechende, für den vollständigen Umsatz der organischen Bestandteile und das Einschmelzen der mineralischen und metallischen Bestandteil notwendige Korngröße zerkleinert wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Versprödung der Abfallstoffe durch eine Tieftemperaturbehandlung (Cryogenie) erfolgt.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß Sauerstoff als Vergasungsmittel in einer Luftzerlegungsanlage erzeugt wird und daß Stickstoff als Kälteträger verwendet wird, der aus dem Kühlkreislauf der Luftzerlegungsanlage entnommen wird.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Kälteträger in einer separaten Kälteanlage auf die erforderliche Versprödungstemperatur für die Tieftemperaturbehandlung abgekühlt wird.
     
    6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß als Kälteträger Kohlendioxid verwendet wird, das aus dem in dem erzeugten Vergasungsreaktor Brenngas abgetrennt wird.
     
    7. Verfahren nach einem der Ansprüche 3 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß der Energiebedarf zum Betrieb der Kälteanlage durch Nutzung des in dem Vergasungsreaktor erzeugten Brenngases gedeckt wird.
     
    8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß der Eintrag der zerkleinerten Abfallstoffe in den Vergasungsreaktor über einen Schneckenextruder-Eintrag und/oder einen Slurry-Eintrag und/oder einen Trockenstaub-Schleusen-Eintrag erfolgt.