(19)
(11) EP 0 630 797 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
28.12.1994  Patentblatt  1994/52

(21) Anmeldenummer: 94109243.9

(22) Anmeldetag:  16.06.1994
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5B61F 5/44, B61F 3/12, B61D 3/10, B61D 13/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT CH DE DK LI SE

(30) Priorität: 22.06.1993 DE 4320667

(71) Anmelder: AEG Schienenfahrzeuge GmbH
D-16761 Hennigsdorf (DE)

(72) Erfinder:
  • Gerstmeier, Theodor
    D-86609 Donauwörth (DE)
  • Kubata, Gottfried
    A-1210 Wien (AT)
  • Lang, Hans-Peter
    D-86655 Harburg (DE)
  • Richter, Wolfgang-Dieter, Dipl.-Ing.
    D-90610 Winkelhaid (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Niederflur-Schienenfahrzeug


    (57) Bei einem Niederflur-Schienenfahrzeug mit einem stufenlosen Mittelgang, bei dem benachbarte Wagenkästen in einem Punkt räumlich beweglich miteinander verbunden sind, wobei jedem Wagenkastenende ein Radpaar oder Radsatz zugeordnet ist und die Radpaare mit den Radpaaren oder dem Radsatz eines benachbarten Wagenkastens über einen Laufwerksrahmen oder ein Drehgestell verbunden sind, und die Radpaare oder Radsätze angetrieben oder nicht angetrieben sein können, sind die Radpaare derart über Lenker zwischen Laufwerks- oder Drehgestellrahmen und Wagenkasten geführt, daß sich die Radpaare in Abhängigkeit von der Stellung des Wagenkastens im Gleisbogen annähernd oder exakt radial einstellen.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Niederflur-Schienenfahrzeug mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1.

    [0002] Triebzüge und Wagenzüge für den auf Vollbahnen betriebenen Nahverkehr weisen Fußbodenhöhen von 900 bis 1200 mm auf. Eine deutliche Reduzierung der Fußbodenhöhe auf 550 bis 750 mm hat einschneidende Konsequenzen auf die Ausbildung des Laufwerks. Insbesondere bei Triebzügen ist die Unterbringung der elektrischen Ausrüstung, vor allem des Antriebs, eine die räumliche Aufteilung und die Wagenkasten-Struktur beeinflussende Rahmenbedingung. Bisherige Lösungen oder Lösungsvorschläge beinhalten immer dann, wenn über die gesamte Zuglänge ein gleichförmig niedriger, nicht durch Stufen oder Rampen unterbrochener Fußboden vorgesehen ist, einen Verzicht auf die Ausbildung des Laufwerks als Drehgestell. So werden z.B. Einzelachslaufwerke, die an Gelenkportalen oder dem Wagenende angeordnet sind, oder Einzelradlaufwerke in Verbindung mit Portalen angewendet, bzw. vorgeschlagen. Die Nachteile von Einachs- oder Einzelradlaufwerken, wie unzureichende Radialeinstellung des vorlaufenden Radsatzes im Bogeneinlauf, unzureichende Abfederung und Geräuschisolierung, hohe Radsatzlast, Übertragung von Traktions-Reaktionsmomenten auf den Wagenkasten, können durch die Ausführung des Laufwerks als Drehgestell vermieden werden.

    [0003] Aus der älteren Anmeldung DE P 42 13 948 ist die Ausführung eines Gelenkzuges bekannt, dessen Wagenkästen in einem Punkt kardanisch beweglich miteinander verbunden sind und durch entsprechende Ausbildung des Koppelpunktes auch hohe Pufferkräfte übertragen können. Die Wagenkästen des mindestens zweiteiligen Zuges sind über ein elastisches Verbindungselement mit einem beiden Wagenkästen gemeinsamen Drehpunkt miteinander verbunden. Jedem Wagenkasten ist am Gelenkende ein Radpaar zugeordnet, das mit dem Radpaar des benachbarten Wagenkastens über einen Rahmen verbunden ist. Die Wagenkästen sind über ihr gemeinsames Verbindungselement, Wiege und Sekundärfederung auf dem Laufwerk gelagert. Zur Erzielung eines durchgehend niedrigen Fußbodens sind die Radpaare als Losräder ausgebildet, die über einen tief liegenden Führungsrahmen miteinander verbunden sind.

    [0004] Aus der DE 38 08 593 A1 ist die Ausführung eines Drehgestells bekannt, dessen angetriebene Radpaare durch eine tiefliegende Verbindungswelle mechanisch gekuppelt sind und so auch bei großen Raddurchmessern eine niedrige Anordnung des Fußbodens zwischen den Rädern ermöglicht wird. Bei der Ausführung als Triebdrehgestell sind die Räder eines Führungsrahmens über Getriebe und eine tiefliegende Welle torsionssteif miteinander verbunden.

    [0005] Aufgabe der Erfindung ist es, einen Gelenkzug als Niederflur-Schienenfahrzeug mit drehgestellähnlichen Laufwerken zu schaffen.

    [0006] Erfindungsgemäß werden bei einem Niederflur-Schienenfahrzeug mit einem durchgehenden stufen- und rampenlosen Mittelgang, bei dem benachbarte Wagenkästen in einem Punkt räumlich beweglich miteinander verbunden sind, wobei jedem Wagenkastenende ein Radpaar oder Radsatz zugeordnet ist und die Radpaare mit den Radpaaren oder dem Radsatz eines benachbarten Wagenkastens über einen Laufwerksrahmen oder ein Drehgestell verbunden sind, und die Radpaare oder Radsätze angetrieben oder nicht angetrieben sein können, die Radpaare derart über Lenker zwischen Laufwerks- oder Drehgestellrahmen und Wagenkasten geführt, daß sich die Radpaare in Abhängigkeit von der Stellung des Wagenkastens im Gleisbogen annähernd oder exakt radial einstellen.

    [0007] Nach einer Ausführung der Erfindung sind die Radpaare über die Primärfederung mit dem Laufwerks- oder Drehgestellrahmen längselastisch und über die Lenker starr mit dem Wagenkasten verbunden.

    [0008] Nach einer anderen Ausführung der Erfindung sind die Radpaare über die Primärfederung längselastisch mit dem Laufwerks- oder Drehgestellrahmen und über in Buchsen mit radialer Weichheit gelagerte Lenker längselastisch mit dem Wagenkasten verbunden.

    [0009] Bei dieser zweiten Ausführung erfolgt die Abstimmung der Längscharakteristik der Federsysteme Primärfederung und Buchse so, daß gekoppelte Radpaare sich aufgrund der Rad-Schiene-Geometrie im Bogen radial einstellen können. Die Radpaare behalten durch Anordnung der Lenker zwischen Laufwerks-, bzw. Drehgestellrahmen und Wagenkasten auch bei Überlagerung von Traktionskräften ihre radiale Einstellung bei. Durch überradiale Einstellung der elastisch angelenkten Radpaare in Abhängigkeit vom Bogenradius kann das aus dem Anlaufen des bogenäußeren Rades resultierende Rückdrehmoment kompensiert werden.

    [0010] Das Losradpaar wird über zwei Lenker, die zwischen Führungsrahmen und Wagenkasten angeordnet sind, so angelenkt, daß eine radiale Einstellung im Gleisbogen begünstigt wird. Hierzu werden die Lenker gegenüber der Fahrzeuglängsachse schräg angeordnet, die Primärfeder mit definierter Längs- und Querelastizität, z.B. als Flexicoilfeder, ausgeführt und die Lenker an beiden Enden mit elastischen, kardanisch beweglichen Buchsen ausgestattet.

    [0011] Die Wagenkasten- bzw. lagerseitige elastische Lagerung der Lenkerstangen ist so ausgeführt, daß die Längswege von mindestens der Größenordnung, wie bei der Radpaarfederung gegenüber dem Laufwerksrahmen vorhanden sind, bei einem Kraftniveau zuläßt, das deutlich kleiner ist, als das aus der Rad-Schiene-Geometrie resultierende Längskraftniveau an den Radaufstandspunkten. Damit wird die freie Radialeinstellung des freilaufenden Radpaares nicht behindert. Durch Anstellung der Lenkerstangen in einem definierten Winkel wird erreicht, daß Traktionskräfte das radial eingestellte Radpaar nur in Wirkrichtung der Traktionskräfte parallel verschieben, nicht jedoch drehen.

    [0012] Im folgenden wird die Erfindung anhand von Zeichnungen beispielhaft näher beschrieben. Es zeigen:
    Fig. 1
    eine Seitenansicht eines Niederflur-Schienenfahrzeugs;
    Fig. 2
    das Niederflur-Schienenfahrzeug in der Draufsicht, geschnitten;
    Fig. 3 bis 5
    die Einstellung der Radpaare bei Bogen- und Geradeausfahrt;
    Fig. 6 und 7
    angetriebene Radpaare mit Laufwerksrahmen und Lenkern;
    Fig. 8
    eine schematische Darstellung der federnden Komponenten.


    [0013] Fig. 1 und 2 zeigen ein Niederflur-Schienenfahrzeug bestehend aus mehreren durch Zwischenstücke 2 verbundenen Wagenkästen 1. Den Wagenkästen 1 ist jeweils an ihren Enden ein Radpaar 3 zugeordnet, wobei die Radpaare 3 benachbarter Wagenkästen 1 durch einen Laufwerksrahmen miteinander verbunden sind.

    [0014] Fig. 3 bis 4 zeigen schematisch zwei Wagenkästen 4, 4', 4'', 5, 5', 5'' bei einer Bogenfahrt mit Radius 120 m (Fig. 3), bei einer Bogenfahrt mit Radius 350 m (Fig. 4) und bei der Geradeausfahrt (Fig. 5). Bei der Geradeausfahrt sind alle Lenker 10'' und 11'' im gleichen Winkel zwischen den Wagenkästen 4'' und 5'' angeordnet. Bei der Bogenfahrt stellen sich die bogeninneren Lenker 10, 10' stärker aus, als die bogenäußeren Lenker 11, 11' und bewirken die oben beschriebene Parallelverschiebung des radial eingestellten Radpaares. In Fig. 3 sind noch die Antriebsmotoren 8, 9 dargestellt.

    [0015] Fig. 6 und 7 zeigen Explosionsdarstellungen von Radpaaren mit Laufwerksrahmen 12, 12'. Die Räder 18, 19, 18', 19' sind als Losräder an einem Radführungsrahmen 16, 16' geführt, wobei die Getriebe 17, 17' im einen Fall innerhalb des Radführungsrahmens 16' zwischen den Rädern 18', 19' (Fig. 7) und im anderen Fall außerhalb des Radführungsrahmens 16 und der Räder 18, 19 angeordnet sind. Der Radführungsrahmen 16, 16' ist mit dem Laufwerksrahmen 12, 12' über die Primärfederung 161, 161', z.B. eine Flexicoilfederung, verbunden. Auf dem Laufwerksrahmen 12, 12' ist auf einer auf der Sekundärfederung 13, 13' aus z.B. Luftbälgen gelagerten Wiege 14, 14' ein Gelenkelement 15, 15' angeordnet, welches die räumlich bewegliche Verbindung der Wagenkästen in einem Punkt herstellt. Beide Wagenkästen sind an diesem Gelenkelement drehbeweglich angebunden, wobei der eine Wagenkasten sich um die Hochachse und der andere Wagenkasten sich um die Querachse dreht. Auf die Getriebe 17, 17' wirken die vom Fahrmotor 20, 20' angetriebenen Wellen 21, 22, 21', 22'. Mit dem Radführungsrahmen 16, 16' über elastische, kardanisch bewegliche Buchsen sind die schräg gestellten Lenker 24, 25, 24', 25' verbunden, die an ihrem anderen Ende über ebensolche Buchsen mit dem Wagenkasten verbunden sind.

    [0016] Fig. 8 zeigt schematisch die Abstimmung der federnden Elemente. In der Mitte ist der Laufwerksrahmen 26 mit der Sekundärfederung 34 dargestellt. Zwischen dem Laufwerksrahmen 26 und den Radführungsrahmen 27, 28 mit den Losrädern 29, 30 wirkt die Längselastizität der Primärfederung 31. Zwischen den Radführungsrahmen 27, 28 wiederum und den Wagenkästen 33 wirkt die Längselastizität der Lenkerlager (Buchsen 32), wobei beide federnde Elemente jeweils mit dem Radführungsrahmen 27, 28 in der Mitte in Reihe angeordnet sind.


    Ansprüche

    1. Niederflur-Schienenfahrzeug mit einem durchgehenden stufen- und rampenlosen Mittelgang,
    bei dem benachbarte Wagenkästen in einem Punkt räumlich beweglich miteinander verbunden sind,
    wobei jedem Wagenkastenende ein Radpaar oder Radsatz zugeordnet ist,
    und die Radpaare mit den Radpaaren oder dem Radsatz eines benachbarten Wagenkastens über einen Laufwerksrahmen oder ein Drehgestell verbunden sind, und die Radpaare oder Radsätze angetrieben oder nicht angetrieben sein können,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Radpaare derart über Lenker zwischen Laufwerks- oder Drehgestellrahmen und Wagenkasten geführt werden, daß sich die Radpaare in Abhängigkeit von der Stellung des Wagenkastens im Gleisbogen annähernd oder exakt radial einstellen.
     
    2. Niederflur-Schienenfahrzeug nach Anspruch 1,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Radpaare über die Primärfederung mit dem Laufwerks- oder Drehgestellrahmen längselastisch und über die Lenker starr mit dem Wagenkasten verbunden sind.
     
    3. Niederflur-Schienenfahrzeug nach Anspruch 1,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Radpaare über die Primärfederung längselastisch mit dem Laufwerks- oder Drehgestellrahmen und über in Buchsen mit radialer Weichheit gelagerte Lenker längselastisch mit dem Wagenkasten verbunden sind.
     
    4. Niederflur-Schienenfahrzeug nach Anspruch 3,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Abstimmung der Längscharakteristik der Federsysteme Primärfederung und Buchse so erfolgt, daß gekoppelte Radpaare sich aufgrund der Rad-Schiene-Geometrie im Bogen radial einstellen können.
     
    5. Niederflur-Schienenfahrzeug nach Anspruch 4,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Radpaare durch Anordnung der Lenker zwischen Laufwerks-, bzw. Drehgestellrahmen und Wagenkasten auch bei Überlagerung von Traktionskräften ihre radiale Einstellung beibehalten.
     
    6. Niederflur-Schienenfahrzeug nach Anspruch 4,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß durch überradiale Einstellung der elastisch angelenkten Radpaare in Abhängigkeit vom Bogenradius das aus dem Anlaufen des bogenäußeren Rades resultierende Rückdrehmoment kompensiert wird.
     




    Zeichnung



















    Recherchenbericht