[0001] Die Erfindung betrifft ein Niederflur-Schienenfahrzeug mit den Merkmalen des Oberbegriffs
des Anspruchs 1.
[0002] Triebzüge und Wagenzüge für den auf Vollbahnen betriebenen Nahverkehr weisen Fußbodenhöhen
von 900 bis 1200 mm auf. Eine deutliche Reduzierung der Fußbodenhöhe auf 550 bis 750
mm hat einschneidende Konsequenzen auf die Ausbildung des Laufwerks. Insbesondere
bei Triebzügen ist die Unterbringung der elektrischen Ausrüstung, vor allem des Antriebs,
eine die räumliche Aufteilung und die Wagenkasten-Struktur beeinflussende Rahmenbedingung.
Bisherige Lösungen oder Lösungsvorschläge beinhalten immer dann, wenn über die gesamte
Zuglänge ein gleichförmig niedriger, nicht durch Stufen oder Rampen unterbrochener
Fußboden vorgesehen ist, einen Verzicht auf die Ausbildung des Laufwerks als Drehgestell.
So werden z.B. Einzelachslaufwerke, die an Gelenkportalen oder dem Wagenende angeordnet
sind, oder Einzelradlaufwerke in Verbindung mit Portalen angewendet, bzw. vorgeschlagen.
Die Nachteile von Einachs- oder Einzelradlaufwerken, wie unzureichende Radialeinstellung
des vorlaufenden Radsatzes im Bogeneinlauf, unzureichende Abfederung und Geräuschisolierung,
hohe Radsatzlast, Übertragung von Traktions-Reaktionsmomenten auf den Wagenkasten,
können durch die Ausführung des Laufwerks als Drehgestell vermieden werden.
[0003] Aus der älteren Anmeldung DE P 42 13 948 ist die Ausführung eines Gelenkzuges bekannt,
dessen Wagenkästen in einem Punkt kardanisch beweglich miteinander verbunden sind
und durch entsprechende Ausbildung des Koppelpunktes auch hohe Pufferkräfte übertragen
können. Die Wagenkästen des mindestens zweiteiligen Zuges sind über ein elastisches
Verbindungselement mit einem beiden Wagenkästen gemeinsamen Drehpunkt miteinander
verbunden. Jedem Wagenkasten ist am Gelenkende ein Radpaar zugeordnet, das mit dem
Radpaar des benachbarten Wagenkastens über einen Rahmen verbunden ist. Die Wagenkästen
sind über ihr gemeinsames Verbindungselement, Wiege und Sekundärfederung auf dem Laufwerk
gelagert. Zur Erzielung eines durchgehend niedrigen Fußbodens sind die Radpaare als
Losräder ausgebildet, die über einen tief liegenden Führungsrahmen miteinander verbunden
sind.
[0004] Aus der DE 38 08 593 A1 ist die Ausführung eines Drehgestells bekannt, dessen angetriebene
Radpaare durch eine tiefliegende Verbindungswelle mechanisch gekuppelt sind und so
auch bei großen Raddurchmessern eine niedrige Anordnung des Fußbodens zwischen den
Rädern ermöglicht wird. Bei der Ausführung als Triebdrehgestell sind die Räder eines
Führungsrahmens über Getriebe und eine tiefliegende Welle torsionssteif miteinander
verbunden.
[0005] Aufgabe der Erfindung ist es, einen Gelenkzug als Niederflur-Schienenfahrzeug mit
drehgestellähnlichen Laufwerken zu schaffen.
[0006] Erfindungsgemäß werden bei einem Niederflur-Schienenfahrzeug mit einem durchgehenden
stufen- und rampenlosen Mittelgang, bei dem benachbarte Wagenkästen in einem Punkt
räumlich beweglich miteinander verbunden sind, wobei jedem Wagenkastenende ein Radpaar
oder Radsatz zugeordnet ist und die Radpaare mit den Radpaaren oder dem Radsatz eines
benachbarten Wagenkastens über einen Laufwerksrahmen oder ein Drehgestell verbunden
sind, und die Radpaare oder Radsätze angetrieben oder nicht angetrieben sein können,
die Radpaare derart über Lenker zwischen Laufwerks- oder Drehgestellrahmen und Wagenkasten
geführt, daß sich die Radpaare in Abhängigkeit von der Stellung des Wagenkastens im
Gleisbogen annähernd oder exakt radial einstellen.
[0007] Nach einer Ausführung der Erfindung sind die Radpaare über die Primärfederung mit
dem Laufwerks- oder Drehgestellrahmen längselastisch und über die Lenker starr mit
dem Wagenkasten verbunden.
[0008] Nach einer anderen Ausführung der Erfindung sind die Radpaare über die Primärfederung
längselastisch mit dem Laufwerks- oder Drehgestellrahmen und über in Buchsen mit radialer
Weichheit gelagerte Lenker längselastisch mit dem Wagenkasten verbunden.
[0009] Bei dieser zweiten Ausführung erfolgt die Abstimmung der Längscharakteristik der
Federsysteme Primärfederung und Buchse so, daß gekoppelte Radpaare sich aufgrund der
Rad-Schiene-Geometrie im Bogen radial einstellen können. Die Radpaare behalten durch
Anordnung der Lenker zwischen Laufwerks-, bzw. Drehgestellrahmen und Wagenkasten auch
bei Überlagerung von Traktionskräften ihre radiale Einstellung bei. Durch überradiale
Einstellung der elastisch angelenkten Radpaare in Abhängigkeit vom Bogenradius kann
das aus dem Anlaufen des bogenäußeren Rades resultierende Rückdrehmoment kompensiert
werden.
[0010] Das Losradpaar wird über zwei Lenker, die zwischen Führungsrahmen und Wagenkasten
angeordnet sind, so angelenkt, daß eine radiale Einstellung im Gleisbogen begünstigt
wird. Hierzu werden die Lenker gegenüber der Fahrzeuglängsachse schräg angeordnet,
die Primärfeder mit definierter Längs- und Querelastizität, z.B. als Flexicoilfeder,
ausgeführt und die Lenker an beiden Enden mit elastischen, kardanisch beweglichen
Buchsen ausgestattet.
[0011] Die Wagenkasten- bzw. lagerseitige elastische Lagerung der Lenkerstangen ist so ausgeführt,
daß die Längswege von mindestens der Größenordnung, wie bei der Radpaarfederung gegenüber
dem Laufwerksrahmen vorhanden sind, bei einem Kraftniveau zuläßt, das deutlich kleiner
ist, als das aus der Rad-Schiene-Geometrie resultierende Längskraftniveau an den Radaufstandspunkten.
Damit wird die freie Radialeinstellung des freilaufenden Radpaares nicht behindert.
Durch Anstellung der Lenkerstangen in einem definierten Winkel wird erreicht, daß
Traktionskräfte das radial eingestellte Radpaar nur in Wirkrichtung der Traktionskräfte
parallel verschieben, nicht jedoch drehen.
[0012] Im folgenden wird die Erfindung anhand von Zeichnungen beispielhaft näher beschrieben.
Es zeigen:
- Fig. 1
- eine Seitenansicht eines Niederflur-Schienenfahrzeugs;
- Fig. 2
- das Niederflur-Schienenfahrzeug in der Draufsicht, geschnitten;
- Fig. 3 bis 5
- die Einstellung der Radpaare bei Bogen- und Geradeausfahrt;
- Fig. 6 und 7
- angetriebene Radpaare mit Laufwerksrahmen und Lenkern;
- Fig. 8
- eine schematische Darstellung der federnden Komponenten.
[0013] Fig. 1 und 2 zeigen ein Niederflur-Schienenfahrzeug bestehend aus mehreren durch
Zwischenstücke 2 verbundenen Wagenkästen 1. Den Wagenkästen 1 ist jeweils an ihren
Enden ein Radpaar 3 zugeordnet, wobei die Radpaare 3 benachbarter Wagenkästen 1 durch
einen Laufwerksrahmen miteinander verbunden sind.
[0014] Fig. 3 bis 4 zeigen schematisch zwei Wagenkästen 4, 4', 4'', 5, 5', 5'' bei einer
Bogenfahrt mit Radius 120 m (Fig. 3), bei einer Bogenfahrt mit Radius 350 m (Fig.
4) und bei der Geradeausfahrt (Fig. 5). Bei der Geradeausfahrt sind alle Lenker 10''
und 11'' im gleichen Winkel zwischen den Wagenkästen 4'' und 5'' angeordnet. Bei der
Bogenfahrt stellen sich die bogeninneren Lenker 10, 10' stärker aus, als die bogenäußeren
Lenker 11, 11' und bewirken die oben beschriebene Parallelverschiebung des radial
eingestellten Radpaares. In Fig. 3 sind noch die Antriebsmotoren 8, 9 dargestellt.
[0015] Fig. 6 und 7 zeigen Explosionsdarstellungen von Radpaaren mit Laufwerksrahmen 12,
12'. Die Räder 18, 19, 18', 19' sind als Losräder an einem Radführungsrahmen 16, 16'
geführt, wobei die Getriebe 17, 17' im einen Fall innerhalb des Radführungsrahmens
16' zwischen den Rädern 18', 19' (Fig. 7) und im anderen Fall außerhalb des Radführungsrahmens
16 und der Räder 18, 19 angeordnet sind. Der Radführungsrahmen 16, 16' ist mit dem
Laufwerksrahmen 12, 12' über die Primärfederung 161, 161', z.B. eine Flexicoilfederung,
verbunden. Auf dem Laufwerksrahmen 12, 12' ist auf einer auf der Sekundärfederung
13, 13' aus z.B. Luftbälgen gelagerten Wiege 14, 14' ein Gelenkelement 15, 15' angeordnet,
welches die räumlich bewegliche Verbindung der Wagenkästen in einem Punkt herstellt.
Beide Wagenkästen sind an diesem Gelenkelement drehbeweglich angebunden, wobei der
eine Wagenkasten sich um die Hochachse und der andere Wagenkasten sich um die Querachse
dreht. Auf die Getriebe 17, 17' wirken die vom Fahrmotor 20, 20' angetriebenen Wellen
21, 22, 21', 22'. Mit dem Radführungsrahmen 16, 16' über elastische, kardanisch bewegliche
Buchsen sind die schräg gestellten Lenker 24, 25, 24', 25' verbunden, die an ihrem
anderen Ende über ebensolche Buchsen mit dem Wagenkasten verbunden sind.
[0016] Fig. 8 zeigt schematisch die Abstimmung der federnden Elemente. In der Mitte ist
der Laufwerksrahmen 26 mit der Sekundärfederung 34 dargestellt. Zwischen dem Laufwerksrahmen
26 und den Radführungsrahmen 27, 28 mit den Losrädern 29, 30 wirkt die Längselastizität
der Primärfederung 31. Zwischen den Radführungsrahmen 27, 28 wiederum und den Wagenkästen
33 wirkt die Längselastizität der Lenkerlager (Buchsen 32), wobei beide federnde Elemente
jeweils mit dem Radführungsrahmen 27, 28 in der Mitte in Reihe angeordnet sind.
1. Niederflur-Schienenfahrzeug mit einem durchgehenden stufen- und rampenlosen Mittelgang,
bei dem benachbarte Wagenkästen in einem Punkt räumlich beweglich miteinander verbunden
sind,
wobei jedem Wagenkastenende ein Radpaar oder Radsatz zugeordnet ist,
und die Radpaare mit den Radpaaren oder dem Radsatz eines benachbarten Wagenkastens
über einen Laufwerksrahmen oder ein Drehgestell verbunden sind, und die Radpaare oder
Radsätze angetrieben oder nicht angetrieben sein können,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Radpaare derart über Lenker zwischen Laufwerks- oder Drehgestellrahmen und
Wagenkasten geführt werden, daß sich die Radpaare in Abhängigkeit von der Stellung
des Wagenkastens im Gleisbogen annähernd oder exakt radial einstellen.
2. Niederflur-Schienenfahrzeug nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Radpaare über die Primärfederung mit dem Laufwerks- oder Drehgestellrahmen
längselastisch und über die Lenker starr mit dem Wagenkasten verbunden sind.
3. Niederflur-Schienenfahrzeug nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Radpaare über die Primärfederung längselastisch mit dem Laufwerks- oder Drehgestellrahmen
und über in Buchsen mit radialer Weichheit gelagerte Lenker längselastisch mit dem
Wagenkasten verbunden sind.
4. Niederflur-Schienenfahrzeug nach Anspruch 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Abstimmung der Längscharakteristik der Federsysteme Primärfederung und Buchse
so erfolgt, daß gekoppelte Radpaare sich aufgrund der Rad-Schiene-Geometrie im Bogen
radial einstellen können.
5. Niederflur-Schienenfahrzeug nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Radpaare durch Anordnung der Lenker zwischen Laufwerks-, bzw. Drehgestellrahmen
und Wagenkasten auch bei Überlagerung von Traktionskräften ihre radiale Einstellung
beibehalten.
6. Niederflur-Schienenfahrzeug nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß durch überradiale Einstellung der elastisch angelenkten Radpaare in Abhängigkeit
vom Bogenradius das aus dem Anlaufen des bogenäußeren Rades resultierende Rückdrehmoment
kompensiert wird.